Hit­ler war’s

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Deutsch­land sei eine Demo­kra­tie, sagt man. Dass wäh­rend des Coro­na-Regimes eine Rei­he Grund­rech­te ohne mas­si­ven Wider­spruch außer Kraft gesetzt wur­den, ließ, Zwei­fel am Gehalt die­ser Demo­kra­tie auf­kom­men. Wenn zur Zeit eine über­gro­ße Koali­ti­on in Poli­tik und Medi­en akti­ve Kriegs­het­ze betreibt, obwohl es im Arti­kel 1 des Grund­ge­set­zes ein Frie­dens­ge­bot gibt, ohne dass die­se Grund­ge­setz­ver­let­zung auf dras­ti­schen Wider­stand tritt, ver­meh­ren sich die Zwei­fel an der deut­schen Demo­kra­tie. Die­se Zwei­fel tref­fen immer wie­der auf die­sel­be For­mel: Eine Mehr­heit in der Bevöl­ke­rung sei, durch Wah­len immer wie­der bezeugt, mit der herr­schen­den Poli­tik ein­ver­stan­den. Also dür­fe man davon aus­ge­hen, dass die Grund­sät­ze der Demo­kra­tie nicht ver­letzt wer­den würden.

Legen­de von der »Stun­de Null«

In wel­cher Gesell­schaft wur­zelt die deut­sche Demo­kra­tie? Ohne die Pha­se der DDR zu berück­sich­ti­gen, muß man fest­hal­ten, dass die Bun­des­re­pu­blik auf Geset­zen, Gewohn­hei­ten und Ver­mö­gens­ver­hält­nis­sen auf­ge­baut wur­de, die ziem­lich unge­bro­chen aus dem Nazi-Reich stam­men. Zwar schwebt die Legen­de von der »Stun­de Null« durch den gesell­schaft­li­chen Raum, die für eine Zeit um 1945 den Deut­schen die Unschuld eines unbe­las­te­ten Neu­an­fangs attes­tiert. Die­se Legen­de wird wesent­lich durch die Erzäh­lung einer»Entnazifizierung« unter­mau­ert, die eine weit­ge­hen­de Ver­nich­tung der Nazi-Struk­tu­ren behaup­tet. Aber die­se Behaup­tung bedarf einer Prüfung.

Nazi-Unkraut nie ausgerissen

Frag­los konn­ten die offe­nen Nazi-Struk­tu­ren mit­hil­fe der Alli­ier­ten zer­schla­gen wer­den: Die Nazi-Par­tei, die Nazi-Orga­ni­sa­tio­nen und ‑Medi­en wur­den nach Ende des Krie­ges ver­bo­ten. Her­aus­ra­gen­de Nazi-Per­sön­lich­kei­ten wur­den in den »Nürn­ber­ger Pro­zes­sen« mehr oder min­der abge­straft. Aber der Boden, in dem das gro­ße Nazi­ver­bre­chen wur­zel­te, wur­de in der Bun­des­re­pu­blik nie umge­pflügt, geschwei­ge dass das Nazi-Unkraut mit der Egge einer offe­nen und öffent­li­chen Debat­te aus­ge­ris­sen wor­den wäre.

Wie­der­auf­la­ge der Russophobie

Spät und eher ver­schwie­melt fokus­sier­te die bun­des­deut­sche Anti-Nazi­de­bat­te auf den Anti­se­mi­tis­mus und des­sen Ver­bre­chen. Die schwe­re deut­sche Schuld am Nazi-Krieg und der Ras­sis­mus gegen die sla­wi­schen Völ­ker wur­den zweit­ran­gig behan­delt; es gab und gibt sogar eine durch den obli­ga­ten Anti­kom­mu­nis­mus bemän­tel­te Wie­der­auf­la­ge der Rus­so­pho­bie und die Aus­blen­dung der sowje­ti­schen Nazi-Opfer.

»Hit­ler war’s«

»Hit­ler war’s« und mit des­sen pri­mär mora­li­scher Ver­ur­tei­lung schien die Ana­ly­se des Faschis­mus auch schon erle­digt. Dass es eine inter­es­sen­ge­steu­er­te (gegen die Arbei­ter­or­ga­ni­sa­tio­nen) Finan­zie­rung der Nazis durch das gro­ße Kapi­tal gab, spiel­te weder im Schul­un­ter­richt noch in der all­ge­mei­nen öffent­li­chen Dis­kus­si­on eine Rol­le. Weder die Jus­tiz noch die Poli­zei wur­de kon­se­quent von Nazis gesäu­bert. Mit dem Arti­kel 131 des Grund­ge­set­zes wur­den im Gegen­teil Nazi-Beam­te ver­sor­gungs­recht­lich abgesichert.

Freun­des­kreis des Reichs­füh­rers der SS

Es ist eine Bin­sen­weis­heit, dass der Schicht, die über grö­ße­re Ver­mö­gen ver­fügt, auch mehr mög­lich ist: Mehr Mög­lich­kei­ten des Ein­flus­ses auf die Gesell­schaft und deren poli­ti­sche Aus­rich­tung. Dass aus dem »Freun­des­kreis des Reichs­füh­rers der SS« zum Bei­spiel der Chef der Bun­des­bank, der prä­gen­de Unter­neh­mer Fried­rich Flick, der spä­te­re Chef von Bosch und auch ein Chef der Ree­de­rei HAPAG stamm­ten, war kein The­ma in der bun­des­deut­schen Öffent­lich­keit. Und dass auch die Erben des Ber­tels­mann-Kon­zerns bis heu­te mit Pro­fi­ten aus der Koope­ra­ti­on Ber­tels­manns mit den Nazis han­tie­ren, ist ein Fak­tum aber kaum bekannt.

Nazi-For­mie­rung hat die Kos­tü­me gewechselt

Die Nazi-For­mie­rung Deutsch­lands hat die Kos­tü­me gewech­selt, aber nicht die Inhal­te: Die damals durch staat­li­chen Druck erziel­te Ein­heit­lich­keit der herr­schen­den Mei­nung wird heu­te durch die »gemein­sa­men Inter­es­sen« der Eli­ten erzielt. Zu deren Inter­es­sen gehört kei­ne kri­ti­sche Öffent­lich­keit, kei­ne Oppo­si­ti­on gegen das Pro­fit­sys­tem, kei­ne offe­ne gesell­schaft­li­che Debat­te. Im Gegen­teil: Abwei­chen­de Mei­nun­gen wer­den als »rechts« gebrand­markt und sind damit erle­digt. Man glaubt aus der Anti­se­mi­tis­mus­kam­pa­gne zu wis­sen, dass man sich mit den Inhal­ten oppo­si­tio­nel­ler Posi­tio­nen gar nicht aus­ein­an­der­set­zen muss, wenn man sie als mora­lisch ver­werf­lich erklärt. Das gilt sogar für abwei­chen­de wis­sen­schaft­li­che Mei­nun­gen: Als wis­sen­schaft­lich gilt nur noch das, was Regie­rung und Kon­zer­nen gefällt. Damit hat sich die demo­kra­ti­sche Dis­kus­si­on erledigt.

Wer anders denkt, wird diffamiert

Wenn heu­te ver­sucht wird, die wis­sen­schaft­li­che, von der Mehr­heits­mei­nung abwei­chen­de Posi­ti­on von Pro­fes­sor Bhak­ti zur Coro­na-Imp­fung ent­we­der über­haupt nicht zu dis­ku­tie­ren oder den Men­schen Bhak­ti zum Anti­se­mi­ten zu machen, dann erin­nert die­ser Dis­kus­si­ons-Stil fatal an die »jüdi­sche, also ver­werf­li­che Phy­sik«, die von den Nazis gegen den Wis­sen­schaft­ler Ein­stein erfun­den wur­de: Wer anders denkt, wird dif­fa­miert. Ähn­lich­kei­ten sind nicht zufällig.

Oppo­si­ti­on hat im Par­la­ment stattzufinden

Der Nazi-Stil von Befehl und Gehor­sam wur­de in der Bun­des­re­pu­blik fort­ge­setzt. Zwar gab und gibt es eine demons­tra­ti­ve Ableh­nung der Uni­for­mie­rung und eine Beto­nung der Indi­vi­dua­li­tät, aber bei­de sind eher modi­sche Aspek­te. Der Staat, als schein­bar über den Inter­es­sen­ge­gen­sät­zen ste­hen­des Wesen, gilt bis heu­te als sakro­sankt. Sei­ne erfolg­rei­che Mas­kie­rung durch den Par­la­men­ta­ris­mus gibt den Anschein von Demo­kra­tie. Die­se Demo­kra­tie gilt aber nur, wenn die ein­ge­üb­ten Regeln ein­ge­hal­ten wer­den. Oppo­si­ti­on hat im Par­la­ment statt­zu­fin­den. Wer außer­halb des Par­la­men­tes argu­men­tiert, fällt unter das Medi­en-Schwei­ge­ge­bot und wird zudem als »rechts« diffamiert.

Per­fi­de Ironie

Es ist eine beson­ders per­fi­de Iro­nie, dass ein Sys­tem von Nazi-Erben sei­ne außer­par­la­men­ta­ri­sche Oppo­si­ti­on gern als »rechts« bezeich­net. Aber die­ses geschick­te Spiel der Ver­wi­schung von links und rechts ist der Oppo­si­ti­on erfolg­reich implan­tiert wor­den: Nicht weni­ge in der Demo­kra­tie­be­we­gung hal­ten den Unter­schied zwi­schen links und rechts für unwich­tig und über­neh­men so eine Posi­ti­on der Herr­schen­den, ohne das zu bemer­ken. Die­ser ideo­lo­gi­sche Sieg über die demo­kra­ti­sche Alter­na­ti­ve legt sie lahm und macht sie par­ti­ell hand­lungs­un­fä­hig. Es wäre an der Zeit, sich mit der Auf­ar­bei­tung der Geschich­te auch Klar­hei­ten über den Staat zu ver­schaf­fen, den man bekämpft.

Der Text erschien zuerst in Ratio­nal­ga­le­rie und par­al­lel im Print-Maga­zin VIER­TE.

Bild: Aus­chnitt aus dem Thea­ter­pla­kat für Ber­tolt Brechts Stück »Der wider­spens­ti­ge Auf­stieg des Arturo Ui«, eine Alle­go­rie-Sati­re auf den Auf­stieg Adolf Hit­lers, unter der Regie von Ser­gej Jut­ke­witsch und Mark Zak­ha­rov (UdSSR, 1960er Jahre)

One thought on “Hit­ler war’s

  1. Herr­vor­ra­gen­de Zusam­men­fas­sung. Wie sehr die ehe­ma­li­ge lin­ke Oppo­si­ti­on an der Nase her­um­ge­führt wird und vom Sys­tem ein­ver­leibt wur­de, ist auch am Bei­spiel der MLPD gut zu sehen. Zur Auf­ar­bei­tung die­ser bank­rot­ten Poli­tik der Dif­fa­mie­rung, möch­te ich an ihr Pam­phlet zur Frei­en Lin­ken erin­nern, in wel­chem die Freie Lin­ke u.a. als »Nazis unter lin­ken Fah­nen« bezeich­net werden:

    https://​www​.rf​-news​.de/​2​0​2​2​/​k​w​0​7​/​f​r​e​i​e​-​l​i​n​k​e​-​w​o​l​f​-​i​m​-​s​c​h​a​f​s​p​elz

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