Viro­lo­gie als Ideo­lo­gie – Teil 2: Der Mili­tä­risch-Aka­de­misch-Indus­tri­ell-Medi­zi­nisch-Wis­sen­schaft­li­che Komplex

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Dies ist der zwei­te Teil eines vier­tei­li­gen Essays, der zuerst in der Mag­Ma Eng­lish erschien und hier als Über­set­zung nach­ge­reicht wird. Er umfasst die fol­gen­den Teile:

  1. Wis­sen­schaft und Klassengesellschaft
  2. Der Mili­tä­risch-Aka­de­misch-Indus­tri­ell-Medi­zi­nisch-Wis­sen­schaft­li­che Kom­plex (MAIMS*)
  3. Viro­lo­gie als Ideologie 
  4. Deren Wis­sen­schaft und unse­re Wissenschaft

Teil 2: Der Mili­tä­risch-Aka­de­misch-Indus­tri­ell-Medi­zi­nisch-Wis­sen­schaft­li­che Komplex

Wie sehen die­se Fein­de des Men­schen­ge­schlechts aus? Tra­gen sie ein Zei­chen auf der Stirn, damit sie als Ver­bre­cher erkannt, gemie­den und ver­ur­teilt wer­den kön­nen? Nein, ganz im Gegen­teil. Sie sind die Ange­se­he­nen. Sie wer­den geehrt. Sie nen­nen sich Gen­tle­men und wer­den auch so genannt. Welch ein Hohn auf den Namen ›Gen­tle­men‹! Sie sind die Säu­len des Staa­tes, der Kir­che, der Gesell­schaft. Sie unter­stüt­zen pri­va­te und öffent­li­che Wohl­tä­tig­keit aus dem Über­schuss ihres Reich­tums. Sie stif­ten Insti­tu­tio­nen. In ihrem Pri­vat­le­ben sind sie freund­lich und rück­sichts­voll. Sie gehor­chen dem Gesetz, ihrem Gesetz, dem Gesetz des Eigen­tums. Aber es gibt ein Zei­chen, an dem man die­se sanf­ten Revol­ver­hel­den erken­nen kann. Droht man ihnen mit einer Kür­zung des Gewinns ihres Gel­des, so erwacht die Bes­tie in ihnen mit einem Knur­ren. Sie wer­den rück­sichts­los wie Wil­de, bru­tal wie Wahn­sin­ni­ge, unbarm­her­zig wie Hen­ker. Sol­che Men­schen müs­sen aus­ster­ben, wenn die mensch­li­che Ras­se fort­be­stehen soll. Solan­ge sie leben, kann es kei­nen dau­er­haf­ten Frie­den auf der Welt geben. Eine sol­che Orga­ni­sa­ti­on der mensch­li­chen Gesell­schaft, die ihre Exis­tenz zulässt, muss abge­schafft werden.

Die­se Men­schen ver­ur­sa­chen die Wunden.

Nor­man Bethu­ne, Wun­den1

Die Wis­sen­schaft ist ein Pro­dukt der Gesell­schaft, der sie gehört. Was bedeu­tet das für uns? Als Wis­sen­schaft­ler sind wir einer­seits Suchen­de nach Wis­sen. Das hat uns über­haupt erst in die Wis­sen­schaft gebracht. Wir sind Men­schen, die das Lei­den lin­dern wol­len. Auf der ande­ren Sei­te sind wir ange­stellt – wir sor­gen uns um Arbeits­plät­ze, um die Finan­zie­rung, in die­sem Sin­ne sind wir die Lohn­ar­bei­ter der Theo­rie-Minen, nicht all­zu ver­schie­den von den Webern in Lan­cashire und ande­ren Berufs­zwei­gen, die ursprüng­lich freie Beru­fe waren und dann all­mäh­lich pro­le­ta­ri­siert wur​den​.So ist jetzt die abhän­gi­ge Arbeit, die Teil­zeit­ar­beit, die Hilfs­ar­beit Teil des Pro­zes­ses des Ver­lus­tes der Unab­hän­gig­keit. Wir haben schon jetzt kei­ne Kon­trol­le über die Agen­da unse­rer For­schung oder die Bedin­gun­gen unse­rer Arbeit. Wir haben auch kei­ne Kon­trol­le dar­über, was aus den Pro­duk­ten unse­rer Arbeit wird.

Richard Levins, »Die zwei Gesich­ter der Wissenschaft«

Quack­sal­be­rei der Konzerne

Wir müs­sen zunächst eine in vie­len lin­ken Krei­sen vor­herr­schen­de ober­fläch­li­che und unzu­rei­chen­de Kri­tik über­win­den. Eine, die die Ten­denz hat als eine Art gedan­ken­be­gren­zen­des Kli­schee zu die­nen, das eine tie­fe­re Aus­ein­an­der­set­zung mit den rea­len his­to­ri­schen Umstän­den ver­hin­dert. Medi­zi­ni­schen und wis­sen­schaft­li­chen Kon­zer­nen wird oft Pro­fit­ma­che­rei vor­ge­wor­fen wie z. B. über­höh­te Prei­se für wert­vol­le Güter durch Paten­te, Mono­po­le, regu­la­to­ri­sche Ver­ein­nah­mung usw. Sie wer­den auch beschul­digt, den Zugang zu medi­zi­ni­schen Infor­ma­tio­nen zu beschrän­ken und zu kon­trol­lie­ren, um Mono­pol­stel­lun­gen zu erhal­ten und Gewin­ne zu erzie­len. Daher wer­den Diens­te wie Libra­ry Gene­sis der Z‑Library, die offen­sicht­lich dazu füh­ren wür­den, dass mehr Wis­sen­schaft pro­du­ziert wird, ins­be­son­de­re von Wis­sen­schaft­lern in der Drit­ten Welt, rück­sichts­los ver­folgt. An die­ser Kri­tik ist viel Wah­res dran. Daher ergänzt sie das all­ge­mei­ne Argu­ment, wonach die gegen­wär­ti­gen Bedin­gun­gen nicht geeig­net sind für eine blü­hen­de Wissenschaft.

Doch der ent­schei­den­de Feh­ler in die­ser Kri­tik, mit dem sich die­ser Abschnitt befas­sen will, ist die Annah­me, dass die vom MAIMS-Kom­plex (Mili­tä­risch-Aka­de­misch-Indus­tri­ell-Medi­zi­nisch-Wis­sen­schaft­lich) pro­du­zier­ten Waren immer einen ech­ten Nutz­wert für die Ver­brau­cher haben. Hier scheint ein umfas­sen­des Ver­ständ­nis von Mono­po­li­sie­rung, Finan­zia­li­sie­rung und Impe­ria­lis­mus in den Hin­ter­grund zu tre­ten. An sei­ne Stel­le tritt, ob bewusst oder unbe­wusst, ein idyl­li­sches Bild des glück­li­chen kapi­ta­lis­ti­schen Wett­be­werbs. Sol­che Kri­ti­ken nei­gen dazu, sich vor­zu­stel­len, dass die Ver­brau­cher in einer rela­tiv guten Posi­ti­on sei­en, um beur­tei­len zu kön­nen, ob medi­zi­nisch-wis­sen­schaft­li­che Güter tat­säch­lich gut für sie sei­en (kurz‑, mit­tel- oder lang­fris­tig). Fer­ner, dass staat­li­che Stel­len dazu ten­die­ren, Käu­fe im Inter­es­se ihrer Bevöl­ke­run­gen zu täti­gen, indem sie Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen erwer­ben (und ihnen sogar auf­er­le­gen), die ihnen nüt­zen sowie, dass min­der­wer­ti­ge oder zumin­dest nutz­lo­se und gefähr­li­che Pro­duk­te den Anfor­de­run­gen sowohl der Regu­lie­rung als auch des Wett­be­werbs­mark­tes nicht stand­hal­ten würden.

Wie wei­ter unten gezeigt wird, könn­te dies jedoch nicht wei­ter von der Rea­li­tät ent­fernt sein. Die für die­sen Bereich kenn­zeich­nen­de Kar­tell­bil­dung ist so tief­grei­fend und all­ge­gen­wär­tig, dass sie eigent­lich ein neu­es Kon­zept erfor­dert, denn sie führt auch dazu, dass die Behör­den, die angeb­lich mit der Kon­trol­le die­ser Indus­trien betraut sind, von den Regu­lie­rungs­be­hör­den so stark ver­ein­nahmt wer­den, dass sie ihnen in Wirk­lich­keit völ­lig hörig sind. Dar­über hin­aus wird ein gro­ßer und stän­dig wach­sen­der Teil der medi­zi­ni­schen Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen gar nicht von den Ver­brau­chern aus­ge­wählt, son­dern von Anbie­tern, Ver­si­che­rern und Regie­run­gen (oft und in immer stär­ke­rem Maße in Abspra­che). Pro­duk­te wie Impf­stof­fe wer­den den Ver­brau­chern direkt oder indi­rekt von Regie­run­gen, Arbeit­ge­bern und Schu­len auf­ge­zwun­gen. Ivan Illich hat eini­ge der beson­de­ren Merk­ma­le der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung in Form der Ware nach­ge­zeich­net. Die­se machen sie einer­seits für die Unter­ord­nung unter nor­ma­le kapi­ta­lis­ti­sche Ver­hält­nis­se unge­eig­net, wäh­rend sie ande­rer­seits für die Super­mo­no­pol- und Super­mo­no­pol­ver­hält­nis­se, die den heu­ti­gen Kapi­ta­lis­mus kenn­zeich­nen, ein­zig­ar­tig geeig­net sind:

Die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ist unsi­cher und unvor­her­seh­bar; vie­le Ver­brau­cher wün­schen sie nicht, wis­sen nicht, dass sie sie brau­chen, und wis­sen nicht im Vor­aus, was sie kos­ten wird. Sie kön­nen nicht aus Erfah­run­gen ler­nen. Sie müs­sen sich dar­auf ver­las­sen, dass der Anbie­ter ihnen mit­teilt, ob sie gut bedient wur­den, und sie kön­nen die Dienst­leis­tung nicht an den Ver­käu­fer zurück­ge­ben oder sie repa­rie­ren las­sen. Medi­zi­ni­sche Dienst­leis­tun­gen wer­den nicht wie ande­re Waren bewor­ben, und der Her­stel­ler schreckt vor Ver­glei­chen ab. Wenn er ein­mal gekauft hat, kann der Ver­brau­cher sei­ne Mei­nung nicht mehr ändern. Indem er defi­niert, was eine Krank­heit ist, hat der medi­zi­ni­sche Her­stel­ler die Macht, sei­ne Kun­den aus­zu­wäh­len und eini­ge Pro­duk­te zu ver­mark­ten, die dem Ver­brau­cher not­falls durch das Ein­grei­fen der Poli­zei auf­ge­zwun­gen wer­den: Die Her­stel­ler kön­nen sogar Zwangs­in­ter­nie­run­gen für Behin­der­te und Anstal­ten für geis­tig Zurück­ge­blie­be­ne ver­kau­fen. Rechts­strei­tig­kei­ten wegen Behand­lungs­feh­lern haben das Gefühl der Ohn­macht des Lai­en in eini­gen die­ser Punk­te gemil­dert, aber im Grun­de genom­men haben sie die Ent­schlos­sen­heit des Pati­en­ten gestärkt, auf einer Behand­lung zu bestehen, die von einer infor­mier­ten medi­zi­ni­schen Fach­welt als ange­mes­sen ange­se­hen wird.2

Dies lässt sich nicht auf ein­fa­che kapi­ta­lis­ti­sche Ver­hält­nis­se reduzieren.

Die nai­ve Sicht­wei­se ver­gisst auch (auf höchst selek­ti­ve Wei­se) das immer­wäh­ren­de mensch­li­che Phä­no­men des Schlan­gen­öls: dass der Mensch ins­be­son­de­re im Bereich der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung anfäl­lig für Täu­schung und Betrug ist. Wie der Medi­zin­his­to­ri­ker Roy Por­ter fest­stell­te, »lag der Ruhm der Medi­zin nur zu einem gerin­gen Teil in ihrer Fähig­keit, Kran­ke gesund zu machen. Das war schon immer so und ist auch heu­te noch so.»3 Wäh­rend betrü­ge­ri­sche Prak­ti­ken aner­kannt wer­den und die Unter­drü­ckung von Neben­wir­kun­gen zumin­dest frü­her ein sehr häu­fi­ger Kri­tik­punkt war, der von Lin­ken geäu­ßert wur­de (bevor sol­che Über­le­gun­gen mit der Ein­füh­rung der Covid-Imp­fun­gen prompt ver­bo­ten wur­den), sind nur weni­ge bereit, das wah­re Aus­maß des Betrugs im Kern vie­ler medi­zi­ni­scher Wis­sen­schaf­ten in Betracht zu zie­hen. Und das trotz der bemer­kens­wer­ten Tat­sa­che, dass die meis­ten Phar­ma­un­ter­neh­men ganz offen mehr dafür aus­ge­ben, die Bevöl­ke­rung zu mani­pu­lie­ren, damit sie ihre Pro­duk­te kauft, als für For­schung und Ent­wick­lung. So gaben bei­spiels­wei­se neun von zehn gro­ßen Phar­ma­un­ter­neh­men im Jahr 2013 mehr – oft wesent­lich mehr – für Ver­trieb und Mar­ke­ting aus als für For­schung und Ent­wick­lung.4

Dar­über hin­aus ist es wich­tig, dies nicht ein­fach nur als Inves­ti­ti­on in die Über­zeu­gung von Men­schen durch Wer­bung zu betrach­ten. Wie Lopez fest­stellt, »zielt ein Groß­teil des Mar­ke­tings die­ser Unter­neh­men spe­zi­ell auf Ärz­te ab«.5 Das heißt, es geht um die Bestechung von Gesund­heits­dienst­leis­tern, deren Ver­schrei­bungs­be­fug­nis, ganz zu schwei­gen von ihrem per­sön­li­chen Ein­fluss als »ver­trau­ens­wür­di­ge Per­so­nen«, die Ver­knüp­fung zwi­schen schein­ba­rem »Käu­fer« und »Ver­käu­fer« in einer sol­chen Glei­chung erheb­lich erschwert. Auch der Anteil, der für schein­bar kon­ven­tio­nel­le Wer­bung wie Wer­be­spots aus­ge­ge­ben wird, kann hier nicht unkri­tisch oder naiv behan­delt wer­den. Die gro­ßen Nach­rich­ten­an­bie­ter ver­kau­fen nicht nur die »Augen und Ohren« der Zuschau­er für bestimm­te Wer­be­spots, son­dern vor allem eine güns­ti­ge Bericht­erstat­tung (Pro­pa­gan­da). Des­halb ist es wich­tig, den Mono­polaspekt und das Aus­maß der Kon­zen­tra­ti­on zu berück­sich­ti­gen. Im Jahr 2018 bei­spiels­wei­se bewarb die größ­te Wer­be­agen­tur eines jeden gro­ßen Kabel­nach­rich­ten­sen­ders in den USA ein angeb­lich medi­zi­ni­sches Pro­dukt, was einen enor­men Ein­fluss auf die Nach­rich­ten­be­richt­erstat­tung bedeu­tet und eine wich­ti­ge Quel­le für Ver­zer­run­gen und Selbst­zen­sur ist.6

Beson­ders ekla­tant ist in die­sem Zusam­men­hang, dass die­je­ni­gen, die am wenigs­ten bereit sind, das Aus­maß des Betrugs und der Täu­schung durch den MAIMS-Kom­plex in Betracht zu zie­hen, jeg­li­che Kri­tik an die­sem Kom­plex ohne die gerings­ten Nach­for­schun­gen pau­schal als Betrug und Gau­ne­rei abtun. Ehr­li­che, anstän­di­ge Prak­ti­ker der alter­na­ti­ven Medi­zin oder Ernäh­rung wer­den ver­leum­det und denun­ziert. Impf­stoff­skep­sis wird hart­nä­ckig und absur­der­wei­se den Pro­fit­in­ter­es­sen eini­ger alter­na­tiv­me­di­zi­ni­scher Gau­ner zuge­schrie­ben, wäh­rend man natür­lich davon aus­geht, dass die Absich­ten der gro­ßen Impf­stoff­her­stel­ler – obwohl sie alle als Unter­neh­men ver­ur­teil­te Kri­mi­nel­le sind – so rein wie Schnee sind (oder, in raf­fi­nier­te­ren For­men, dass sie tat­säch­lich vom Markt oder von den Regu­lie­rungs­be­hör­den gezwun­gen wer­den, gute Pro­duk­te her­zu­stel­len, für die sie ledig­lich zu hohe Prei­se ver­lan­gen). Es gibt zwei­fel­los Betrug, Täu­schung und Gau­ne­rei in der Welt der Natur­heil­kun­de und der alter­na­ti­ven Medi­zin. Das ist jedoch nichts im Ver­gleich zu dem, was in der angeb­lich legi­ti­men, von Kon­zer­nen kon­trol­lier­ten, Main­stream-Medi­zin­wis­sen­schaft geschieht. Das liegt unter ande­rem dar­an, dass der Markt, auf den die Natur­heil­kun­de aus­ge­rich­tet ist, viel reel­ler und wett­be­werbs­fä­hi­ger ist und sich an eine viel kri­ti­sche­re Klas­se von Ver­brau­chern wendet.

Den­noch ist es einer mas­si­ven und höchst effek­ti­ven psy­cho­lo­gi­schen Ope­ra­ti­on gelun­gen, den gesun­den Men­schen­ver­stand hier völ­lig auf den Kopf zu stel­len und vie­len die absur­de Vor­stel­lung ein­zu­flö­ßen, dass jeder, der ver­sucht, mit dem Ver­kauf von alter­na­ti­ven Heil­me­tho­den jeg­li­cher Art sei­nen Lebens­un­ter­halt ehr­lich zu ver­die­nen, ein bös­wil­li­ger Betrü­ger sein muss, wäh­rend die fei­gen, oppor­tu­nis­ti­schen Wis­sen­schaft­ler und Ärz­te, die für den MAIMS-Kom­plex arbei­ten, ein­fach nicht lügen kön­nen. Gesund­heits­dienst­leis­ter, Wis­sen­schaft­ler und For­scher, die für MAIMS arbei­ten, wer­den als idea­lis­ti­sche Men­schen­freun­de dar­ge­stellt, denen man alle Sün­den der Ver­stri­ckung in den Markt ohne wei­te­res verzeiht.

Auf der ande­ren Sei­te sehen sich Wis­sen­schaft­ler, For­scher und Gesund­heits­dienst­leis­ter, die sich ent­schei­den, MAIMS zu kri­ti­sie­ren oder auch nur eine Alter­na­ti­ve zu MAIMS zu prä­sen­tie­ren, über­wäl­ti­gen­den sozia­len und wirt­schaft­li­chen Risi­ken aus­ge­setzt: Sie müs­sen mit Ver­ar­mung, dem Ver­lust medi­zi­ni­scher Lizen­zen, von Regie­run­gen und Unter­neh­men (offen oder ver­deckt) unter­stütz­ten Pro­zes­sen, sozia­ler Äch­tung oder sogar, wie im Fall von Bran­dy Vaug­han, mit mög­li­cher Ermor­dung rech­nen. Doch wenn die­se Per­so­nen auch nur die beschei­dens­ten Ver­su­che unter­neh­men, ihre eige­ne Exis­tenz und ihren Lebens­un­ter­halt zu sichern, bre­chen die­sel­ben Ver­tei­di­ger der Lakai­en der Kon­zer­ne in die hys­te­rischs­te Empö­rung über »pro­fit­gie­ri­ge Gau­ner« aus. Es ist äußerst schwie­rig, mit die­sen »Lieb­ha­bern der Wis­sen­schaft« ins Gespräch zu kom­men, vor allem, wenn es um The­men geht, in die sie see­lisch tief ver­strickt sind, wie z. B. Impf­stof­fe. Die­se Tat­sa­che kann jedoch kaum ver­wun­dern, denn die »Wer­be­bud­gets« sind sicher­lich nicht ver­geu­det worden.

Medi­zi­ni­sche Gesellschaft

In sei­nem 1975 erschie­ne­nen Werk Die Neme­sis der Medi­zin hat Ivan Illich die fort­schrei­ten­de Kor­rum­pie­rung der west­li­chen Gesell­schaf­ten durch die indus­tria­li­sier­te Medi­zin scharf kri­ti­siert, und es lohnt sich, hier aus­führ­lich aus die­sem Werk zu zitie­ren. Er stell­te fest, dass die Gesell­schaft »zuguns­ten des Gesund­heits­sys­tems umge­stal­tet wird«, mit der Fol­ge, dass es »immer schwie­ri­ger wird, sich um die eige­ne Gesund­heit zu küm­mern. Waren und Dienst­leis­tun­gen über­schwem­men die Domä­nen der Frei­heit«.7 Er führt dies auf die star­ke das bür­ger­li­che Zeit­al­ter kenn­zeich­nen­de Nei­gung zur Ato­mi­sie­rung und Ver­ding­li­chung zurück:

Die Anti­ke kann­te kei­ne Mess­lat­te für Krank­hei­ten. Gali­leis Zeit­ge­nos­sen waren die ers­ten, die ver­such­ten, die Mes­sun­gen auf Kran­ke anzu­wen­den, aller­dings mit wenig Erfolg. Seit Galen gelehrt hat­te, dass der Urin direkt aus der Hohl­ve­ne abge­son­dert wird und dass sei­ne Zusam­men­set­zung ein direk­ter Hin­weis auf die Beschaf­fen­heit des Blu­tes ist, schmeck­ten und rochen die Ärz­te den Urin und unter­such­ten ihn im Licht von Son­ne und Mond. Nach dem 16. Jahr­hun­dert hat­ten die Alche­mis­ten gelernt, das spe­zi­fi­sche Gewicht mit beträcht­li­cher Prä­zi­si­on zu mes­sen, und sie unter­zo­gen den Urin der Kran­ken ihren Ver­fah­ren. Dut­zen­de von unter­schied­li­chen Bedeu­tun­gen wur­den den Ver­än­de­run­gen zuge­schrie­ben, um jeder neu­en Mes­sung, die sie lern­ten, eine dia­gnos­ti­sche und hei­len­de Bedeu­tung bei­zu­mes­sen. Die Ver­wen­dung von phy­si­ka­li­schen Mes­sun­gen berei­te­te den Glau­ben an die rea­le Exis­tenz von Krank­hei­ten und ihre onto­lo­gi­sche Auto­no­mie von der Wahr­neh­mung von Arzt und Pati­ent vor. Die Ver­wen­dung von Sta­tis­ti­ken unter­mau­er­te die­sen Glau­ben. Sie »bewies«, dass Krank­hei­ten in der Umwelt vor­han­den waren und in den Men­schen ein­drin­gen und ihn infi­zie­ren konn­ten.8

Am Ran­de sei hier auf die inter­es­san­te his­to­ri­sche Tat­sa­che hin­ge­wie­sen, dass der ers­te kli­ni­sche Test, bei dem Sta­tis­ti­ken ver­wen­det wur­den, die angeb­lich »hand­fes­te Daten lie­fer­ten, die zeig­ten, dass die Pocken Mas­sa­chu­setts bedroh­ten und dass Men­schen, die geimpft wor­den waren, gegen ihre Angrif­fe geschützt waren«, 1721 von Cot­ton Mather durch­ge­führt wur­de.9 Mather setz­te sich für Qua­ran­tä­ne und Imp­fun­gen ein, um die Pocken zu bekämp­fen, und stieß damit auf den hef­ti­gen Wider­stand der Bos­to­ner Bevöl­ke­rung, der in einem Gra­na­ten­an­schlag auf sein Haus gip­fel­te.10 Dass die Impf­freun­de die­sen berühm­ten Vor­fah­ren nicht häu­fi­ger fei­ern, mag damit zusam­men­hän­gen, dass er vor allem wegen sei­ner Betei­li­gung an den Hexen­pro­zes­sen von Salem und sei­ner eif­ri­gen Ver­tei­di­gung der Exis­tenz von Hexen in Erin­ne­rung geblie­ben ist. Die Ver­flech­tung der Hexen­jagd und der wis­sen­schaft­li­chen Revo­lu­ti­on mit dem all­ge­mei­nen Kampf um die Unter­wer­fung und Pro­le­ta­ri­sie­rung der wider­spens­ti­gen Bau­ern­schaft wur­de von Sil­via Fede­ri­ci in ihrem Werk Cali­ban und die Hexe bril­lant unter­sucht. Dar­in stellt sie fest, dass:

In der mecha­nis­ti­schen Phi­lo­so­phie erken­nen wir einen neu­en bür­ger­li­chen Geist, der berech­net, klas­si­fi­ziert, unter­schei­det und den Kör­per degra­diert, nur um sei­ne Fähig­kei­ten zu ratio­na­li­sie­ren, und der nicht nur dar­auf abzielt, sei­ne Unter­wer­fung zu inten­si­vie­ren, son­dern auch sei­nen gesell­schaft­li­chen Nut­zen zu maxi­mie­ren … Sicher­lich haben weder Hob­bes noch Des­car­tes vie­le Wor­te über wirt­schaft­li­che Fra­gen ver­lo­ren, und es wäre absurd, in ihre Phi­lo­so­phien die all­täg­li­chen Sor­gen der eng­li­schen oder nie­der­län­di­schen Kauf­leu­te hin­ein­zu­le­sen. Den­noch kön­nen wir den wich­ti­gen Bei­trag nicht über­se­hen, den ihre Spe­ku­la­tio­nen über die mensch­li­che Natur zur ent­ste­hen­den kapi­ta­lis­ti­schen Wis­sen­schaft der Arbeit leis­te­ten. Den Kör­per als mecha­ni­sche Mate­rie dar­zu­stel­len, die jeder inne­ren Teleo­lo­gie ent­behrt, … bedeu­te­te, die Mög­lich­keit ver­ständ­lich zu machen, ihn einem Arbeits­pro­zess unter­zu­ord­nen, der sich zuneh­mend auf ein­heit­li­che und vor­her­seh­ba­re Ver­hal­tens­for­men stütz­te. Sobald sei­ne Vor­rich­tun­gen dekon­stru­iert waren und er selbst auf ein Werk­zeug redu­ziert war, konn­te der Kör­per für eine ein­la­den­de Mani­pu­la­ti­on sei­ner Macht und Mög­lich­kei­ten geöff­net wer­den. Man konn­te die Las­ter und Gren­zen der Vor­stel­lungs­kraft, die Tugen­den der Gewohn­heit, den Nut­zen der Angst, die Ver­mei­dung oder Neu­tra­li­sie­rung bestimm­ter Lei­den­schaf­ten und deren ratio­nel­le­re Nut­zung erfor­schen. In die­sem Sin­ne trug die mecha­nis­ti­sche Phi­lo­so­phie dazu bei, die Kon­trol­le der herr­schen­den Klas­se über die natür­li­che Welt zu ver­stär­ken, wobei die Kon­trol­le über die mensch­li­che Natur der ers­te und uner­läss­li­che Schritt war. So wie die Natur, redu­ziert auf eine ›Gro­ße Maschi­ne‹, erobert wer­den konn­te … so konn­te auch der von sei­nen okkul­ten Kräf­ten ent­leer­te Kör­per ›in einem Sys­tem der Unter­wer­fung gefan­gen wer­den‹, wodurch sein Ver­hal­ten berech­net, orga­ni­siert, tech­nisch durch­dacht und mit Macht­be­zie­hun­gen ver­se­hen wer­den konn­te.11

Es ist wich­tig zu beto­nen, dass das mecha­nis­ti­sche und ato­mis­ti­sche Modell der Welt sehr wohl neue und rea­le Erkennt­nis­se lie­fer­te und tat­säch­lich eine effi­zi­en­te­re Aus­beu­tung von Natur und Mensch ermög­lich­te. Das bedeu­tet aber nicht, dass es in der Fol­ge zu einem Hin­der­nis für die wei­te­re wis­sen­schaft­li­che Ent­wick­lung wur­de. Und es bedeu­tet auch nicht, dass wir sei­ne Ent­ste­hung und sein Fort­be­stehen voll­stän­dig ver­ste­hen kön­nen, ohne es in den Kon­text der Geschich­te des Kamp­fes der Bour­geoi­sie um sozia­le, poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Vor­herr­schaft zu stellen.

Illich stellt fest, dass man noch Mit­te des 18. Jahr­hun­derts Galen zustim­mend zitie­ren konn­te, wenn die­ser erklär­te: »Man kann kein Gewicht, kei­ne Form oder Berech­nung ent­de­cken, auf die man sein Urteil über Gesund­heit und Krank­heit bezie­hen könn­te. In der medi­zi­ni­schen Kunst gibt es kei­ne Gewiss­heit, außer in den Sin­nen des Arz­tes.«12 Robert Kochs berühm­te For­mu­lie­rung der Keim­theo­rie gegen Ende des Jahr­hun­derts – die, wie Lewon­tin anmerkt, kei­ne Aus­wir­kun­gen hat­te, die in irgend­wel­chen all­ge­mei­nen Metri­ken der Gesund­heit oder des Wohl­be­fin­dens zu erken­nen wären13 – mar­kiert einen offen­sicht­li­chen Wan­del. Illich zeich­net die­sen Wan­del wie folgt nach:

Als sich das Inter­es­se des Arz­tes von den Kran­ken auf die Krank­hei­ten ver­la­ger­te, wur­de das Kran­ken­haus zu einem Muse­um der Krank­hei­ten … Die Erkennt­nis, dass das Kran­ken­haus der logi­sche Ort ist, um ›Fäl­le‹ zu stu­die­ren und zu ver­glei­chen, ent­wi­ckel­te sich gegen Ende des 18. Jahr­hun­derts … Die kli­ni­sche Betrach­tungs­wei­se der Krank­hei­ten brach­te eine neue Spra­che her­vor, die über die Krank­hei­ten am Kran­ken­bett sprach und über ein Kran­ken­haus, das neu orga­ni­siert und nach Krank­hei­ten klas­si­fi­ziert wur­de, um den Stu­den­ten die Beschwer­den zu zei­gen … Wäh­rend des gesam­ten neun­zehn­ten Jahr­hun­derts blieb die Patho­lo­gie über­wie­gend Klas­si­fi­zie­rung der ana­to­mi­schen Anoma­lien. Erst gegen Ende des Jahr­hun­derts began­nen die Schü­ler von Clau­de Ber­nard, auch die Patho­lo­gie der Funk­tio­nen zu benen­nen und zu kata­lo­gi­sie­ren. Wie die Krank­heit erhielt auch die Gesund­heit einen kli­ni­schen Sta­tus und wur­de zur Abwe­sen­heit kli­ni­scher Sym­pto­me, und kli­ni­sche Nor­ma­li­täts­stan­dards wur­den mit Wohl­be­fin­den asso­zi­iert.14

Im Jahr 1975, argu­men­tier­te Illich jedoch, sei »das Zeit­al­ter der Kran­ken­haus­me­di­zin, das vom Auf­stieg bis zum Nie­der­gang nicht mehr als andert­halb Jahr­hun­der­te gedau­ert hat« zu Ende. Er fährt fort:

Die kli­ni­sche Mes­sung ist in der gesam­ten Gesell­schaft ver­brei­tet wor­den. Die Gesell­schaft ist zu einer Kli­nik gewor­den, und alle Bür­ger sind zu Pati­en­ten gewor­den, deren Blut­druck stän­dig über­wacht und regu­liert wird, damit er ›inner­halb‹ nor­ma­ler Gren­zen liegt. Die aku­ten Personal‑, Geld‑, Zugangs- und Kon­troll­pro­ble­me, mit denen die Kran­ken­häu­ser über­all zu kämp­fen haben, kön­nen als Sym­pto­me einer neu­en Kri­se des Krank­heits­be­griffs inter­pre­tiert wer­den. Es han­delt sich um eine ech­te Kri­se, weil sie zwei gegen­sätz­li­che Lösun­gen zulässt, die bei­de die der­zei­ti­gen Kran­ken­häu­ser über­flüs­sig machen.15

Die west­li­che Kon­zern­me­di­zin hat mit einer Rei­he von Tests, Mess­wer­ten, Maß­nah­men und ande­ren Dia­gno­sen Metho­den ent­wi­ckelt, die dazu die­nen, eine medi­ka­men­ten­freie Exis­tenz zuneh­mend aus­zu­schlie­ßen, zu äch­ten oder sogar zu kri­mi­na­li­sie­ren. Sie zwängt uns damit gleich­sam in einen sich stets stär­ker ein­schnü­ren­den Schraub­stock. Dies geschieht nicht nur durch Mar­ke­ting oder Druck von (gut sub­ven­tio­nier­ten und stark indok­tri­nier­ten) Fach­leu­ten des Gesund­heits­we­sens, son­dern auch durch gehei­me Abspra­chen mit Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaf­ten, poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­gern, Sozi­al­dienst­leis­tern, Bil­dungs­ein­rich­tun­gen und der Jus­tiz. Dies wird unwei­ger­lich durch die ande­ren Tech­no­lo­gien des moder­nen Kapi­ta­lis­mus zur sozia­len Kon­trol­le gebro­chen, was sich am bru­tals­ten auf eth­ni­sche, geschlecht­li­che und sexu­el­le Min­der­hei­ten sowie auf Frau­en und Kin­der aus­wirkt. Ina May Gas­kin und Jen­ni­fer Mar­gu­lis16 haben zum Bei­spiel mit ein­dring­li­chen Wor­ten doku­men­tiert, wie der Geburts­vor­gang in den west­li­chen kapi­ta­lis­ti­schen Natio­nen von der Kon­zern­me­di­zin in einen grau­sa­men, irra­tio­na­len, ent­mensch­li­chen­den und trau­ma­ti­sie­ren­den Spieß­ru­ten­lauf für Frau­en und ihre Kin­der (vor und nach der Geburt) ver­wan­delt wur­de. Illich stellt fest, dass:

Eine fort­ge­schrit­te­ne Indus­trie­ge­sell­schaft macht krank, weil sie die Men­schen dar­an hin­dert mit ihrer Umwelt zurecht­zu­kom­men. Wenn sie dar­an zer­bre­chen, wer­den die zer­bro­che­nen Bezie­hun­gen durch eine ›kli­ni­sche‹ oder the­ra­peu­ti­sche Pro­the­se ersetzt. Die Men­schen wür­den sich gegen eine sol­che Umwelt auf­leh­nen, wenn die Medi­zin ihre bio­lo­gi­sche Des­ori­en­tie­rung nicht als Defekt ihrer Gesund­heit erklä­ren wür­de und nicht als Defekt der Lebens­wei­se, die man ihnen auf­er­legt oder die sie sich selbst auf­er­le­gen.17

Es ist wich­tig, hier den Unter­schied zwi­schen die­ser Kri­tik und dem sozi­al­dar­wi­nis­ti­schen Argu­ment zu beto­nen, dass eine Gesell­schaft sich selbst schwächt, wenn sie Kran­ke oder Behin­der­te behan­delt. Es geht nicht dar­um, dass Men­schen nicht behan­delt oder gepflegt wer­den soll­ten, son­dern dar­um, dass die gegen­wär­ti­gen gesell­schaft­li­chen Rege­lun­gen vor­schrei­ben, dass die Behand­lung und Pfle­ge, die sie wahr­schein­lich erhal­ten wer­den, unan­ge­mes­sen und oft kon­tra­pro­duk­tiv ist und dass sie bes­ser gepflegt wer­den kön­nen und soll­ten. Und der bes­te Weg, dies zu gewähr­leis­ten, besteht gera­de dar­in, dafür zu sor­gen, dass sie ein Höchst­maß an Mit­spra­che, Infor­ma­ti­on und Betei­li­gung an ihrer eige­nen Behand­lung haben. Im Gegen­satz dazu kann man sich kaum eine Rege­lung vor­stel­len, die weni­ger geeig­net ist, eine gute Behand­lung zu bewir­ken, als eine Rege­lung wie die unse­re, in der die zu Behan­deln­den oder zu Pfle­gen­den maxi­mal ent­mach­tet und einem Gesund­heits­ap­pa­rat unter­wor­fen sind, der mas­si­ve Anrei­ze hat, ihnen zu scha­den. In der Tat ist es eine bemer­kens­wer­te – und mas­siv ver­dräng­te – Tat­sa­che, dass ein unglaub­li­cher Teil der moder­nen medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung nur dazu dient, die durch frü­he­re medi­zi­ni­sche Ein­grif­fe direkt oder indi­rekt ver­ur­sach­ten Übel zu behe­ben. Illich zitiert bei­spiels­wei­se einen »hoch­ran­gi­gen Beam­ten des US-Minis­te­ri­ums für Gesund­heit, Bil­dung und Wohl­fahrt«, der 1973 in den Ruhe­stand ging und fest­stell­te, dass »80 Pro­zent aller Gel­der, die durch sein Büro flos­sen, kei­nen nach­weis­ba­ren Nut­zen für die Gesund­heit brach­ten und dass ein Groß­teil des Rests aus­ge­ge­ben wur­de, um iatro­ge­ne Schä­den aus­zu­glei­chen«.18 Wei­ter führt Illich aus:

Die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der dia­gnos­ti­schen und the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men, die nach­weis­lich mehr nüt­zen als scha­den, weist zwei Merk­ma­le auf: Die mate­ri­el­len Auf­wen­dun­gen für sie sind extrem bil­lig und sie kön­nen so ver­packt und gestal­tet wer­den, dass sie selbst oder von Fami­li­en­mit­glie­dern ange­wen­det wer­den kön­nen. So sind bei­spiels­wei­se die Kos­ten für das, was in der kana­di­schen Medi­zin als deut­lich gesund­heits­för­dernd gilt, so nied­rig, dass die­sel­ben Mit­tel der gesam­ten Bevöl­ke­rung Indi­ens für den Betrag zur Ver­fü­gung gestellt wer­den könn­ten, der dort der­zeit für moder­ne Medi­zin ver­schwen­det wird. Die Fer­tig­kei­ten, die für die Anwen­dung der am häu­figs­ten ver­wen­de­ten dia­gnos­ti­schen und the­ra­peu­ti­schen Hilfs­mit­tel erfor­der­lich sind, sind so ele­men­tar, dass die sorg­fäl­ti­ge Befol­gung von Anwei­sun­gen durch per­sön­lich Betrof­fe­ne wahr­schein­lich einen wirk­sa­me­ren und ver­ant­wor­tungs­vol­le­ren Ein­satz garan­tie­ren wür­de, als es die medi­zi­ni­sche Pra­xis je könn­te. Das meis­te von dem, was übrig blie­be, könn­te wahr­schein­lich bes­ser von ›bar­fü­ßi­gen‹, nicht pro­fes­sio­nel­len Ama­teu­ren mit gro­ßem per­sön­li­chen Enga­ge­ment gehand­habt wer­den als von pro­fes­sio­nel­len Ärz­ten, Psych­ia­tern, Zahn­ärz­ten, Heb­am­men, Phy­sio­the­ra­peu­ten oder Augen­ärz­ten.19

Illich über­spannt hier wahr­schein­lich den Bogen – es ist natür­lich mög­lich, dass kom­ple­xe­re medi­zi­ni­sche Dienst­leis­tun­gen wün­schens­wert und vor­teil­haft sein könn­ten, aber dafür bräuch­ten wir ein sozia­les Arran­ge­ment, in dem die­se Kom­ple­xi­tät weder die Trans­pa­renz noch die demo­kra­ti­sche Kon­trol­le durch die Bevöl­ke­rung beein­träch­tigt. Wir wer­den auf die­se Per­spek­ti­ve in Teil 4 näher ein­ge­hen. Illichs Dar­stel­lung ist auch durch eine ultra­lin­ke Abwei­chung gekenn­zeich­net, die den sich selbst erhal­ten­den kul­tu­rel­len Trends zu viel Macht zuschreibt, anstatt sie in einer mate­ria­lis­ti­schen Dar­stel­lung des Klas­sen­kamp­fes rich­tig zu kon­tex­tua­li­sie­ren. Dies ist cha­rak­te­ris­tisch für Genea­lo­gien im Fou­cault­schen Stil und hat zur Fol­ge, dass die Mas­sen selbst über­mä­ßig für ihre angeb­li­che Mit­schuld an dem, was ihnen auf­ge­zwun­gen wird, ver­ant­wort­lich gemacht werden.

Inner­halb der Bewe­gung, die sich zum Wider­stand gegen die Coro­na-Maß­nah­men zusam­men­ge­schlos­sen hat, hat die­se men­schen­feind­li­che Per­spek­ti­ve eine bedeu­ten­de Basis in klein­bür­ger­li­chen »Dis­si­den­ten« und »Kri­ti­kern« gefun­den, die sich immer zu einem Bezugs­rah­men hin­ge­zo­gen füh­len, der es ihnen ermög­licht, die Mas­sen zu beschul­di­gen und die herr­schen­de Klas­se zu ent­las­ten. Die­se Per­spek­ti­ve kann jedoch nur auf­recht­erhal­ten wer­den, wenn man die über­wäl­ti­gen­de Macht und den Ein­fluss des MAIMS-Kom­ple­xes (und der herr­schen­den Klas­se selbst, die ihn zur Ver­fol­gung ihrer eige­nen Inter­es­sen ein­setzt) leugnet.

Kon­zen­tra­ti­on, Kar­tell­bil­dung, Kor­rup­ti­on: Grün­de für den medi­zi­ni­schen Nihilismus?

Nicht nur in den unmit­tel­bar dem Markt zuge­wand­ten Berei­chen des MAIMS-Kom­ple­xes sind Betrug, Täu­schung und Kor­rup­ti­on die Regel. Jede Art von gründ­li­cher wirt­schaft­li­cher Ana­ly­se der Mono­pol­ten­den­zen in die­sem Bereich wür­de den Rah­men die­ses Papiers spren­gen. Eine exis­tie­ren­de Stu­die, die die­sen Bereich abdeckt, ist dem Autor nicht bekannt (was viel­leicht schon bezeich­nend ist). Für den vor­lie­gen­den Zweck soll es jedoch genü­gen, eini­ge der wich­tigs­ten Bewei­se dafür anzu­füh­ren, dass ein zusam­men­hän­gen­des Netz von Kar­tel­len nicht nur den Markt, son­dern auch eine brei­te Palet­te von Regu­lie­rungs­me­cha­nis­men in einem Maße kon­trol­liert, dass eine Bezie­hung ent­steht, die über das tra­di­tio­nel­le Mono­pol­ver­ständ­nis hinausgeht.

Dies hat einen sol­chen Punkt erreicht, dass selbst bür­ger­li­che Gelehr­te, For­scher, Wis­sen­schaft­ler und Ärz­te inner­halb oder im Umfeld von MAIMS dazu gedrängt wur­den, die grund­le­gen­de Ver­trau­ens­wür­dig­keit der moder­nen medi­zi­ni­schen For­schung ins­ge­samt zu hin­ter­fra­gen. In sei­nem 2018 erschie­ne­nen Werk Medi­cal Nihi­lism (Medi­zi­ni­scher Nihi­lis­mus) ver­tritt Jacob Ste­genga über­zeu­gend die radi­ka­le The­se, dass das Aus­maß und die Tie­fe der Kor­rup­ti­on in der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft zusam­men mit einem Man­gel an Mecha­nis­men zu ihrer Behe­bung bedeu­ten, dass »es weni­ger wirk­sa­me medi­zi­ni­sche Inter­ven­tio­nen gibt, als die meis­ten Men­schen anneh­men, und dass unser Ver­trau­en in medi­zi­ni­sche Inter­ven­tio­nen gering sein soll­te, oder zumin­dest viel gerin­ger, als es der­zeit der Fall ist.«20 Wir wer­den spä­ter auf Ste­gengas Kern­ar­gu­men­te zurück­kom­men, aber jetzt lohnt es sich, sei­ne Über­sicht über die skep­ti­schen Aus­sa­gen pro­mi­nen­ter Per­sön­lich­kei­ten aus­führ­lich zu zitieren:

Die Arbei­ten von Ärz­ten, Epi­de­mio­lo­gen und Wis­sen­schafts­jour­na­lis­ten, die die The­se vom medi­zi­ni­schen Nihi­lis­mus stüt­zen, sind umfang­reich (aktu­el­le Bei­spie­le sind die Bücher von Mar­cia Angell (The Truth About Drug Com­pa­nies, 2004), Moy­ni­han und Cas­sels (Sel­ling Sick­ness, 2005), Carl Elliott (White Coat, Black Hat, 2010), Ben Gold­a­cer (Bad Phar­ma, 2012) und Peter Gøtz­sche (Dead­ly Medi­ci­nes and Orga­ni­zed Crime, 2013), sowie Arti­kel von Epi­de­mio­lo­gen wie John Ioann­idis, Lisa Bero, Peter Jüni und Jan Van­deb­rou­cke). Die­se Den­ker sind kei­ne ver­schro­be­nen Außen­sei­ter, son­dern gehö­ren zu den pro­mi­nen­tes­ten und ange­se­hens­ten Ärz­ten und Epi­de­mio­lo­gen der Welt. So hat bei­spiels­wei­se der ehe­ma­li­ge Her­aus­ge­ber einer der füh­ren­den medi­zi­ni­schen Fach­zeit­schrif­ten behaup­tet, dass ›in den letz­ten Jah­ren nur eine Hand­voll wirk­lich wich­ti­ger Medi­ka­men­te auf den Markt gebracht wur­de‹, wäh­rend es sich bei der Mehr­heit um ›Medi­ka­men­te mit zwei­fel­haf­tem Nut­zen‹ han­de­le (Angell 2004). Oder betrach­ten Sie die Posi­ti­on des Epi­de­mio­lo­gen John Ioann­idis, die durch den Titel sei­nes wich­ti­gen Arti­kels ange­deu­tet wird: ›War­um die meis­ten ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­er­geb­nis­se falsch sind‹ (2005). Der der­zei­ti­ge Her­aus­ge­ber einer ande­ren bedeu­ten­den medi­zi­ni­schen Fach­zeit­schrift sag­te kürz­lich über die heu­ti­ge medi­zi­ni­sche Wis­sen­schaft: ›Geplagt von Stu­di­en mit klei­nen Stich­pro­ben­grö­ßen, win­zi­gen Effek­ten, ungül­ti­gen explo­ra­ti­ven Ana­ly­sen und ekla­tan­ten Inter­es­sen­kon­flik­ten sowie der Beses­sen­heit, modi­schen Trends von zwei­fel­haf­ter Bedeu­tung nach­zu­ge­hen, hat sich die Wis­sen­schaft in die Dun­kel­heit bege­ben‹ (Hor­ton, Off­line 2015).21

Was genau ist der Grund für die­se Skep­sis? Betrach­ten wir zunächst ein­mal die Kor­rup­ti­on der Auf­sichts­be­hör­den. In einer JAMA-Stu­die aus dem Jahr 2006 wur­de fest­ge­stellt, dass bei der Food and Drug Admi­nis­tra­ti­on (FDA), der US-ame­ri­ka­ni­schen Arz­nei­mit­tel­be­hör­de »in 73 Pro­zent der Sit­zun­gen min­des­tens ein Mit­glied des betref­fen­den Bera­ter­teams Inter­es­sen­kon­flik­te hat­te« und dass die­se, was nicht über­rascht, »das Abstim­mungs­ver­hal­ten beein­fluss­ten: Wenn Gre­mi­ums­mit­glie­der mit Inter­es­sen­kon­flik­ten von der Abstim­mung aus­ge­schlos­sen wur­den, fiel das Urteil über das betref­fen­de Pro­dukt wesent­lich ungüns­ti­ger aus«. Trotz die­ser Tat­sa­che wur­den »Gre­mi­ums­mit­glie­der mit rele­van­ten Inter­es­sen­kon­flik­ten in nur einem Pro­zent der Fäl­le aus­ge­schlos­sen«.22 Es geht jedoch nicht nur um getrenn­te Ein­zel­in­ter­es­sen. Dank Geset­zen wie dem Pre­scrip­ti­on Drug User Fee Act von 1992 sind die US-Regie­rungs­be­hör­den, die die Phar­ma­in­dus­trie regu­lie­ren sol­len, für ihre eige­ne Finan­zie­rung von ihr abhän­gig gewor­den. So ist die FDA als Gan­zes kom­pro­mit­tiert: Je pro­fi­ta­bler die von ihr regu­lier­ten Fir­men sind, des­to mehr Geld erhal­ten die ver­meint­li­chen Regu­lie­rer.23 Gan­ze 45% ihres Bud­gets stam­men der­zeit von der Indus­trie.24 Die FDA ist zudem von Stu­di­en abhän­gig, die von der Indus­trie selbst durch­ge­führt wer­den und hat ledig­lich die Auf­ga­be, die von ihnen gelie­fer­ten Infor­ma­tio­nen zu bewer­ten. Sie hat weder das Per­so­nal noch die Kapa­zi­tä­ten, um eige­ne Stu­di­en durch­zu­füh­ren oder die ihr vor­ge­leg­ten Stu­di­en zu wie­der­ho­len (und daher wer­den sol­che Stu­di­en prak­tisch nie wiederholt).

Der Natio­nal Child­hood Vac­ci­ne Inju­ry Act, der 1986 unter Rea­gan ver­ab­schie­det wur­de, ist ein noch bes­se­res Bei­spiel für die tief­grei­fen­de Dyna­mik, die die­ser Arti­kel in Ver­bin­dung mit mei­nem frü­he­ren Bei­trag über Impe­ria­lis­mus her­vor­he­ben möch­te. In den 1970er Jah­ren führ­te die öffent­li­che Besorg­nis über Enze­pha­lo­pa­thie zu einem Rück­gang der frei­wil­li­gen Inan­spruch­nah­me des DPT-Impf­stoffs. Außer­dem nah­men die Kla­gen im Zusam­men­hang mit Impf­stof­fen zu. Bis 1985 hat­ten die Impf­stoff­her­stel­ler Schwie­rig­kei­ten beim Abschluss von Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen. Also griff der Kon­gress ein. Er ent­zog den Her­stel­lern jeg­li­che Haf­tung und über­trug sie auf die Regie­rung, d. h. auf die Bevöl­ke­rung als Steu­er­ba­sis.25 Infol­ge die­ses Geset­zes muss das US-Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um zuge­las­se­ne Impf­stof­fe vor Gericht gegen jede Behaup­tung ver­tei­di­gen, dass sie Schä­den ver­ur­sa­chen. So haben die Her­stel­ler einen direk­ten und star­ken Anreiz, Infor­ma­tio­nen zu unter­drü­cken (oder zumin­dest nicht zu finan­zie­ren und zu ver­öf­fent­li­chen), die gegen sie ver­wen­det wer­den könn­ten. Engel­brecht et. al. ver­wei­sen auf die Ent­schei­dung von Tom Insel, einem hoch­ran­gi­gen Beam­ten des Minis­te­ri­ums für Gesund­heits­pfle­ge und Sozia­le Diens­te der Ver­ei­nig­ten Staa­te, im Jahr 2009, eine 16 Mil­lio­nen teu­re Stu­die über den Zusam­men­hang von Imp­fun­gen und Autis­mus mit der aus­drück­li­chen Begrün­dung zu ver­nich­ten, dass sie vor Gericht gegen das HSS ver­wen­det wer­den könn­te.26

Die Abwäl­zung der Haf­tung auf die Bevöl­ke­rung und der gleich­zei­ti­ge Anreiz für die ver­meint­li­che Auf­sichts­be­hör­de die­ser Bevöl­ke­rung, kei­ne durch Impf­stof­fe ver­ur­sach­ten Krank­hei­ten auf­zu­de­cken, haben sicher­lich dazu bei­getra­gen, eine Ware zu ret­ten, die unter Nicht­mo­no­pol­be­din­gun­gen vom Markt ver­drängt wor­den wäre. In der Tat ist die Zahl der emp­foh­le­nen Imp­fun­gen in den USA seit 1986 von 12 Imp­fun­gen mit 5 Impf­stof­fen auf 54 Imp­fun­gen mit 13 Impf­stof­fen ange­stie­gen. Damit haben sich Impf­stof­fe von einer Mil­li­ar­den-Dol­lar-Neben­be­schäf­ti­gung zu einer 50-Mil­li­ar­den-Dol­lar-Indus­trie27 ent­wi­ckelt, wie Robert F. Ken­ne­dy Jr. beob­ach­tet hat:

Da Impf­stof­fe haf­tungs­frei sind – und für einen Zwangs­markt von 76 Mil­lio­nen Kin­dern fak­tisch obli­ga­to­risch sind – gibt es für die Unter­neh­men nur einen gerin­gen Markt­an­reiz, sie sicher zu machen … Die vier Unter­neh­men, die prak­tisch alle emp­foh­le­nen Impf­stof­fe her­stel­len, sind alle­samt ver­ur­teil­te Ver­bre­cher. Zusam­men haben sie seit 2009 über 35 Mil­li­ar­den Dol­lar für den Betrug an den Auf­sichts­be­hör­den, die Belü­gung und Bestechung von Regie­rungs­be­am­ten und Ärz­ten, die Fäl­schung von wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen und die Hin­ter­las­sung einer Spur von Ver­let­zun­gen und Todes­fäl­len durch Pro­duk­te gezahlt, von denen sie wuss­ten, dass sie gefähr­lich sind und die sie unter dem Vor­wand der Sicher­heit und Wirk­sam­keit ver­kauf­ten.28

Es sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Mit­ar­bei­ter des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums selbst direkt und per­sön­lich bis zu 150.000 $ jähr­lich an Lizenz­ge­büh­ren kas­sie­ren kön­nen. Zum Bei­spiel kas­sie­ren wich­ti­ge Beam­te Geld für jeden Ver­kauf des HPV-Impf­stoffs von Merck.29 Robert F. Ken­ne­dy Jr. stellt fest, dass:

Die FDA erhält 45 Pro­zent ihres Jah­res­bud­gets von der Phar­ma­in­dus­trie. Die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) erhält etwa die Hälf­te ihres Bud­gets aus pri­va­ten Quel­len, ein­schließ­lich der Phar­ma­in­dus­trie und ihrer ver­bün­de­ten Stif­tun­gen. Und die CDC [Cen­ters for Dise­a­se Con­trol and Pre­ven­ti­on, ver­gleich­bar mit dem Robert-Koch Insti­tut in der BRD/​Anm. d. Red.] ist, offen gesagt, ein Impf­stoff­un­ter­neh­men; sie besitzt 56 Impf­stoff­pa­ten­te und kauft und ver­teilt jähr­lich Impf­stof­fe im Wert von 4,6 Mil­li­ar­den Dol­lar über das Pro­gramm ›Vac­ci­nes for Child­ren‹ (Impf­stof­fe für Kin­der), was mehr als 40 Pro­zent ihres Gesamt­bud­gets aus­macht.30

Bemer­kens­wert ist, dass gan­ze 10% des WHO-Bud­gets allein von der Bill and Melin­da Gates Foun­da­ti­on stam­men, die damit nach den USA der zweit­größ­te Geber ist.31

Wenn man den Regu­lie­rungs­be­hör­den schon nicht trau­en kann, dann kann man sich doch wenigs­tens auf die inter­nen Mecha­nis­men und den Korps­geist der Wis­sen­schaft ver­las­sen, könn­te man mei­nen. Dies ist jedoch kaum der Fall. Eine 2005 in Natu­re ver­öf­fent­lich­te Umfra­ge unter Wis­sen­schaft­lern ergab, dass die Mehr­heit »zugab, dass sie betrü­ge­ri­sche Akti­vi­tä­ten nicht ver­mei­den und Daten, die ihren Zwe­cken nicht ent­spre­chen, ein­fach bei­sei­te schie­ben wür­den«.32 Ein Bericht von Trans­pa­ren­cy Inter­na­tio­nal aus dem Jahr 2006 ergab, dass 40 Pro­zent der medi­zi­ni­schen Stu­di­en aus dem Jahr 2005 nach­weis­lich gefälscht oder von ihren Spon­so­ren mani­pu­liert wor­den waren.33 Ein Punkt, auf den in die­ser Abhand­lung zwei­fels­oh­ne ein­ge­gan­gen wird, soll hier den­noch in Erin­ne­rung geru­fen wer­den: Ärz­te und Wis­sen­schaft­ler waren in der Nazi-Par­tei stark über­re­prä­sen­tiert, die eine Pra­xis betrieb, die auf der gro­tes­ken Pseu­do­wis­sen­schaft der Euge­nik beruh­te, die zu die­ser Zeit der vor­herr­schen­de »wis­sen­schaft­li­che Kon­sens« in der kapi­ta­lis­ti­schen Welt war.

In sei­nem Vor­trag über »Die zwei Gesich­ter der Wis­sen­schaft« stell­te Richard Levins fest, dass »das grund­le­gen­de stra­te­gi­sche Pro­blem für die Eigen­tü­mer der Wis­sen­schaft« dar­in bestehe, »dass sie Inno­va­ti­on brau­chen … ohne den Skep­ti­zis­mus und den Bil­der­sturm der Auf­klä­rung«.34 Kurz gesagt, sie brau­chen, wie er es nennt, eine »bür­ger­li­che Revo­lu­ti­on in der Wis­sen­schaft, aber nicht in der Kul­tur«. Er argu­men­tiert, dass sie dies haupt­säch­lich dadurch errei­chen können:

[…] indem man die Stu­den­ten auf immer enge­re Berei­che kon­zen­triert, sie durch ihre Aus­bil­dung hetzt, ihnen genü­gend Schul­den auf­bür­det, damit sie brav sind, und so tut, als sei das die Erwei­te­rung des Wis­sens… Heut­zu­ta­ge befas­sen sich die meis­ten Bio­lo­gie­fa­kul­tä­ten mit der Bio­lo­gie einer klei­nen Art von Orga­nis­men, es gibt Stu­den­ten, die ihren Abschluss in Bio­lo­gie gemacht haben, die nie durch einen Regen­wald gewan­dert sind oder an einem Koral­len­riff geschnor­chelt haben – die nie zu Boden gekro­chen sind und den klei­nen Vie­chern zuge­schaut haben, wie sie sich in alle Rich­tun­gen ver­streu­en, oder einen Tag lang im Wald geses­sen und den Mam­mut­bäu­men beim Wach­sen zuge­se­hen haben.35

Engel­brecht et. al. machen eine ähn­li­che Beob­ach­tung, indem fol­gen­des anmerken:

Die meis­ten Ärz­te selbst … haben kaum mehr als ein lai­en­haf­tes Ver­ständ­nis der Kon­zep­te, die sich am Hori­zont der Mole­ku­lar­bio­lo­gie abzeich­nen … wenn man die meis­ten Ärz­te bit­ten wür­de, die unver­wech­sel­ba­ren Merk­ma­le von Retro­vi­ren zu defi­nie­ren … wür­den sie höchst­wahr­schein­lich mit den Schul­tern zucken oder eine ver­wir­ren­de kryp­ti­sche Ant­wort geben.36

Hier sto­ßen wir auf einen struk­tu­rel­len Wider­spruch, der dem wis­sen­schaft­li­chen Fort­schritt selbst zugrun­de liegt: Je grö­ßer der Bestand an vor­han­de­nen wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen ist, des­to mehr muss jeder, der neue Wis­sen­schaft betrei­ben will, durch Stell­ver­tre­ter ler­nen und nicht durch unab­hän­gi­ge Über­prü­fung – selbst auf sekun­dä­rer oder ter­tiä­rer Ebe­ne. Das heißt, dass man nicht nur die Expe­ri­men­te oder Stu­di­en, auf die man sich stüt­zen muss, nicht repro­du­zie­ren und über­prü­fen kann, son­dern dass man die­se Stu­di­en nicht ein­mal über­prü­fen kann, ja nicht ein­mal die ver­mit­teln­de Insti­tu­ti­on, der man eine sol­che Über­prü­fung über­las­sen muss (z. B. eine Auf­sichts­be­hör­de oder ein Berufs­ver­band, eine Zeit­schrift, eine Uni­ver­si­tät usw.), aus­rei­chend über­prü­fen kann. In der Tat müs­sen selbst die­je­ni­gen, die nur bis zu den bereits pro­du­zier­ten Gren­zen inner­halb des engs­ten Fach­ge­biets vor­drin­gen wol­len, unzäh­li­ge Behaup­tun­gen akzep­tie­ren, die in ande­ren Berei­chen auf­ge­stellt wur­den, ohne sie je über­prü­fen oder auch nur sinn­voll bewer­ten zu können.

Der inzwi­schen zwei­fel­los sehr gekränk­te tap­fe­re Ver­tei­di­ger der moder­nen Medi­zin ruft an die­ser Stel­le sicher­lich frus­triert aus: »Das ist kei­ne Fra­ge des Glau­bens oder der Ethik ein­zel­ner Wis­sen­schaft­ler! Wir haben die Peer Review!« Die­se Insti­tu­ti­on ist viel­leicht die wich­tigs­te Säu­le des MAIMS-Mythos – doch wie effek­tiv ist sie tat­säch­lich? Ist sie der Auf­ga­be gewach­sen, die­se unge­heu­ren Ten­den­zen zu Kor­rup­ti­on und Betrug ein­zu­däm­men? Richard Smith, der frü­he­re Her­aus­ge­ber des hoch ange­se­he­nen Bri­tish Medi­cal Jour­nal (BMJ), stell­te fest: »Peer Review ist lang­sam, teu­er, eine Ver­schwen­dung von aka­de­mi­scher Zeit, höchst selek­tiv, anfäl­lig für Vor­ein­ge­nom­men­heit, leicht zu miss­brau­chen, schlecht bei der Auf­de­ckung gro­ber Feh­ler und fast nutz­los für die Auf­de­ckung von Betrug.« 1991 stell­te er fest, dass es:

[…] viel­leicht 30.000 bio­me­di­zi­ni­sche Fach­zeit­schrif­ten welt­weit gibt und seit dem sieb­zehn­ten Jahr­hun­dert ist ihre Zahl ste­tig um 7% pro Jahr gestie­gen. [Den­noch wer­den nur etwa 15% der medi­zi­ni­schen Ein­grif­fe durch soli­de wis­sen­schaft­li­che Bewei­se gestützt … dies liegt zum Teil dar­an, dass nur 1% der Arti­kel in medi­zi­ni­schen Fach­zeit­schrif­ten wis­sen­schaft­lich fun­diert sind, und zum Teil dar­an, dass vie­le Behand­lun­gen über­haupt nicht bewer­tet wur­den.37

Engel­brecht et. al. stel­len fest, dass von allen Betrugs­fäl­len, die in Hor­ace Jud­sons 2004 erschie­ne­nem Werk The Gre­at Betra­y­al: Fraud in Sci­ence doku­men­tiert wur­den, nicht ein ein­zi­ger über das Begut­ach­tungs­sys­tem auf­ge­deckt wur­de.38 Die ein­fa­che Tat­sa­che ist, dass das Peer Review den­sel­ben kor­rum­pie­ren­den Kräf­ten unter­wor­fen ist, die auch den oben beschrie­be­nen MAIMS-Kom­plex durch­drin­gen; es steht nicht über ihnen. Bei den Gut­ach­tern han­delt es sich letzt­lich um ein­zel­ne Wis­sen­schaft­ler, die äußerst schäd­li­chen Anrei­zen aus­ge­setzt sind. Beson­ders auf­schluss­reich in die­ser Hin­sicht war die Ent­schei­dung des hoch ange­se­he­nen New Eng­land Jour­nal of Medi­ci­ne (NEJM), sei­ne Beschrän­kun­gen für Gut­ach­ter zu lockern und ihnen zu erlau­ben, auch dann wei­ter zu rezen­sie­ren, wenn sie bis zu 10.000 $ pro Jahr von Phar­ma­un­ter­neh­men erhiel­ten – ein­schließ­lich Unter­neh­men, für deren Pro­duk­te sie in der Zeit­schrift selbst direkt ein­tra­ten! Was war der Grund für die­se frag­wür­di­ge Ände­rung der Poli­tik? Das NEJM erklär­te, dass es nicht mehr in der Lage sei, genü­gend Exper­ten ohne finan­zi­el­le Ver­bin­dun­gen zur Phar­ma­in­dus­trie zu fin­den.39

Mehr muss kaum gesagt wer­den. Engel­brecht et al. wei­sen auch dar­auf hin, dass der anony­me Cha­rak­ter der Peer-Review selbst pro­ble­ma­tisch ist: Um einen Arti­kel zu unter­drü­cken, genügt ein ein­zi­ger Gut­ach­ter, der ein direk­tes per­sön­li­ches Inter­es­se dar­an hat, dass eine Stu­die nicht ver­öf­fent­licht wird, um deren Ver­öf­fent­li­chung zu ver­hin­dern! Dar­über hin­aus ist zu beach­ten, dass Peer-Reviews nicht nur als unpar­tei­ische Rich­ter über ein mehr oder weni­ger neu­tra­les Kor­pus ver­öf­fent­lich­ter For­schungs­ar­bei­ten fun­gie­ren, son­dern über ein Kor­pus ver­öf­fent­lich­ter For­schungs­ar­bei­ten, das bereits zutiefst vor­ein­ge­nom­men ist. Es muss dar­an erin­nert wer­den, dass die medi­zi­ni­sche und wis­sen­schaft­li­che For­schung in unse­rer heu­ti­gen Zeit nicht von demo­kra­tisch rechen­schafts­pflich­ti­gen Ein­rich­tun­gen im Diens­te des Gemein­wohls durch­ge­führt wird, son­dern von undurch­sich­ti­gen und geheim­nis­vol­len Kräf­ten, die pri­va­ten Pro­fit und pri­va­te Kon­trol­le anstre­ben. Es gibt unzäh­li­ge Mög­lich­kei­ten, Stu­di­en zu ver­fäl­schen, um ein bestimm­tes gewünsch­tes Ergeb­nis zu erzie­len. Ist das Ergeb­nis ein­mal gefun­den, gibt es kei­ner­lei Anreiz, die Stu­die zu wie­der­ho­len, um die Ergeb­nis­se zu bestä­ti­gen. Wenn man die gewünsch­ten Ergeb­nis­se hat, war­um soll­te man dann noch wei­ter suchen? Die­ses Phä­no­men wur­de in der berühm­ten Arbeit von John Ioann­idis aus dem Jahr 2005 auf­ge­deckt: »War­um die meis­ten ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­er­geb­nis­se falsch sind«. Dar­in zeigt er auf, dass »die meis­ten ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­er­geb­nis­se nicht den guten wis­sen­schaft­li­chen Beweis­stan­dards ent­spre­chen … und vie­le wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en schwer oder gar nicht repro­du­zier­bar sind … je grö­ßer die finan­zi­el­len und sons­ti­gen Inter­es­sen und Vor­ur­tei­le in einem wis­sen­schaft­li­chen Bereich sind, des­to unwahr­schein­li­cher ist es, dass die For­schungs­er­geb­nis­se der Wahr­heit ent­spre­chen«.40

Die wich­tigs­te Tat­sa­che über die For­schung in der heu­ti­gen Zeit ist, dass die über­wie­gen­de Mehr­zahl der Stu­di­en nicht ver­öf­fent­licht wird. Wenn eine Stu­die zu ande­ren als den von den Geld­ge­bern gewünsch­ten Ergeb­nis­sen führt, wer­den die­se Ergeb­nis­se sel­ten ver­öf­fent­licht. In ers­ter Linie liegt das natür­lich dar­an, dass ein poten­zi­el­ler Scha­den oder eine man­geln­de Wirk­sam­keit eines Pro­dukts, das viel­leicht doch noch in ande­rer Form auf den Markt kommt, kaum publik gemacht wer­den soll. Aber auch wenn ein Unter­neh­men nicht beab­sich­tigt, ein Pro­dukt zu ver­mark­ten, besteht ein erheb­li­cher Anreiz, Daten über des­sen Män­gel nicht zu ver­öf­fent­li­chen, da dies poten­zi­el­len Kon­kur­ren­ten hel­fen wür­de, die mög­li­cher­wei­se kost­ba­re Zeit und Res­sour­cen für die­sel­ben ver­geb­li­chen Ver­su­che ver­schwen­den müss­ten. Dies ist nur eine der unzäh­li­gen, ekla­tan­ten, struk­tu­rel­len Inef­fi­zi­en­zen der pri­va­ten, pro­fit­ori­en­tier­ten (wie auch der ver­deck­ten, von mili­tä­ri­schen Geheim­diens­ten betrie­be­nen) wis­sen­schaft­li­chen Forschung.

Abge­se­hen von der offen­sicht­li­chen Inef­fi­zi­enz hat die­ses Phä­no­men noch weit­aus bedeu­ten­de­re Aus­wir­kun­gen, wenn man es in sei­ner Gesamt­heit betrach­tet. Wie Jacob Ste­genga in Medi­cal Nihi­lism argu­men­tiert, müs­sen wir erken­nen, dass jede ver­öf­fent­lich­te Stu­die, die uns begeg­net, eine klei­ne, sicht­ba­re und zutiefst unre­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be ist, die aus einem rie­si­gen Kor­pus unver­öf­fent­lich­ter For­schung stammt, die wir nicht sehen und nicht sehen kön­nen. Natür­lich ist die ver­öf­fent­lich­te For­schung in zwei­er­lei Hin­sicht stark ver­zerrt: Es han­delt sich fast aus­nahms­los um For­schung, die eine posi­ti­ve Wirk­sam­keit und kei­ne bis mini­ma­le Schä­den für das unter­such­te poten­zi­ell pro­fi­ta­ble Pro­dukt oder die unter­such­te Dienst­leis­tung (oder ihre Vor­läu­fer, Bestand­tei­le usw.) nahe­legt. Der weit­aus grö­ße­re Teil der For­schungs­ar­bei­ten, die nicht ver­öf­fent­licht wer­den, zeigt, dass die unter­such­ten Pro­duk­te ent­we­der unwirk­sam, gefähr­lich oder bei­des sind. Die Bedeu­tung die­ser Tat­sa­che ist im medi­zi­ni­schen und ins­be­son­de­re im phar­ma­zeu­ti­schen Bereich noch grö­ßer, wo die Effekt­grö­ßen im All­ge­mei­nen extrem klein sind. Wie Ste­genga argu­men­tiert, sind auch die Instru­men­te zur Bewer­tung medi­zi­ni­scher Pro­duk­te unglaub­lich form­bar und unter­lie­gen bewuss­ter und unbe­wuss­ter Vor­ein­ge­nom­men­heit – und zwar in der gesam­ten ver­meint­li­chen Hier­ar­chie von der Anek­do­te über die Beob­ach­tungs­stu­die bis hin zur Meta-Ana­ly­se. Und wenn man die­se Fak­to­ren ange­mes­sen abwägt, muss die offen­sicht­li­che und unver­meid­li­che Schluss­fol­ge­rung lau­ten, dass man der aktu­el­len wis­sen­schaft­li­chen For­schung mit äußers­ter Skep­sis begeg­nen sollte.

Man könn­te sagen, dass die gegen­wär­tig prak­ti­zier­te medi­zi­ni­sche Wis­sen­schaft auf einer tief­grei­fen­den, struk­tu­rel­len Ebe­ne von einem ein­ge­bau­ten Irr­tum über den Prä­va­lenz­feh­ler durch­drun­gen ist. Für die­je­ni­gen, die mit die­sem Phä­no­men nicht ver­traut sind, mag hier eine kur­ze, ver­ein­fach­te Erklä­rung hilf­reich sein. Wir kön­nen ein Bei­spiel her­an­zie­hen, mit dem inzwi­schen jeder bes­tens ver­traut ist: Tests für Krank­hei­ten. Stel­len Sie sich vor, Sie haben einen Test mit einer falsch-posi­ti­ven Rate von 5% und einer falsch-nega­ti­ven Rate von Null. Nun stel­len Sie sich vor, Sie wen­den die­sen Test auf eine Popu­la­ti­on von 1000 Per­so­nen an, von denen 40% tat­säch­lich an der betref­fen­den Krank­heit erkrankt sind. Sie wür­den 430 posi­ti­ve Ergeb­nis­se und 570 nega­ti­ve Ergeb­nis­se erwar­ten. Alle nega­ti­ven Ergeb­nis­se sind ech­te Nega­ti­ve. 400 der posi­ti­ven Ergeb­nis­se wären ech­te posi­ti­ve Ergeb­nis­se und 30 wären falsch posi­ti­ve Ergeb­nis­se. Für vie­le Zwe­cke ist das kein schlech­ter Test. Wenn eine Per­son einen posi­ti­ven Test erhält, kann sie mit 93%iger Sicher­heit davon aus­ge­hen, dass es sich um ein ech­tes Posi­tiv han­delt. Stel­len Sie sich nun vor, Sie wür­den den glei­chen Test auf eine Popu­la­ti­on von 1000 Per­so­nen anwen­den, von denen nur 20 (d. h. 2%) tat­säch­lich erkrankt sind. Sie wür­den 69 posi­ti­ve Tests und 931 nega­ti­ve Tests erwar­ten. Natür­lich sind alle 931 Nega­tiv­tests ech­te Nega­tiv­tests, wie schon zuvor. Aber 49 der posi­ti­ven Tests sind falsch-posi­tiv, wäh­rend nur 20 rich­tig-posi­tiv sind. In einem sol­chen Sze­na­rio beträgt die Wahr­schein­lich­keit, dass Ihr posi­ti­ver Test tat­säch­lich bedeu­tet, dass Sie krank sind, nur 29%.41 Wenn nie­mand an der Krank­heit erkrankt wäre, gäbe es 50 posi­ti­ve Ergeb­nis­se, von denen natür­lich alle falsch posi­tiv wären. Mit die­sem Bei­spiel soll ver­deut­licht wer­den, dass ohne ein ange­mes­se­nes Ver­ständ­nis des grö­ße­ren Gan­zen, von dem ein Teil der Daten oder Infor­ma­tio­nen eine Stich­pro­be dar­stellt, die­se Stich­pro­be leicht falsch inter­pre­tiert wer­den kann.

Inwie­fern ist die­ser Irr­tum für die moder­ne medi­zi­ni­sche Wis­sen­schaft im All­ge­mei­nen cha­rak­te­ris­tisch? Neh­men wir an, Sie sto­ßen auf eine Stu­die, die in einer von Exper­ten begut­ach­te­ten Zeit­schrift ver­öf­fent­licht wur­de. Die Stu­die ist her­vor­ra­gend kon­zi­piert, und wenn sie signi­fi­kan­te Ergeb­nis­se zeigt, sind wir viel­leicht geneigt anzu­neh­men, dass die­se posi­ti­ven Ergeb­nis­se ein wah­res Phä­no­men wider­spie­geln. Wenn die Stu­die also bei­spiels­wei­se zeigt, dass ein Medi­ka­ment wirkt, neh­men wir an, dass es tat­säch­lich wirkt. Das ist jedoch nicht anders, als wenn wir einen ein­zi­gen posi­ti­ven Fall unse­res oben beschrie­be­nen sehr guten Tests betrach­ten und allein auf­grund der dem Test inne­woh­nen­den Falsch-Posi­tiv-Rate davon aus­ge­hen, dass er wirk­lich posi­tiv ist. Wie wir gese­hen haben, ist der Test zwar sehr genau, aber wenn nie­mand wirk­lich krank ist, kann man trotz­dem ein posi­ti­ves Ergeb­nis erhal­ten, wenn man genü­gend Leu­te tes­tet. Neh­men wir nun an, dass das Medi­ka­ment tat­säch­lich nicht wirkt – dies ist ver­gleich­bar mit unse­rem obi­gen Sze­na­rio ohne Krank­heit. Wenn man die Stu­die ein­mal oder sogar zehn­mal durch­führt, wür­de man erwar­ten, dass jedes Mal ein »nega­ti­ves« Ergeb­nis her­aus­kommt: Es wür­de genau anzei­gen, dass das Medi­ka­ment tat­säch­lich nicht wirkt. Was aber, wenn man die­sel­be Stu­die 50 Mal durch­führt? Oder hun­dert­mal? Dann könn­te eine sehr gute Stu­die das gewünsch­te »falsch-posi­ti­ve« Ergeb­nis liefern.

Das Pro­blem bei der Bewer­tung von For­schungs­er­geb­nis­sen, die in Peer-Review-Zeit­schrif­ten ver­öf­fent­licht wer­den, besteht dar­in, dass wir kei­ne Ahnung von der wah­ren Aus­gangs­la­ge haben. Wenn wir auf eine Stu­die sto­ßen, die besagt, dass ein Medi­ka­ment wirk­sam ist oder kei­nen Scha­den ver­ur­sacht, haben wir kei­ne Ahnung, wie oft die glei­chen oder ver­gleich­ba­re Stu­di­en durch­ge­führt wur­den, die etwas ande­res besa­gen. Und wie bereits erwähnt, han­delt es sich bei den Stu­di­en, die wir sehen, natür­lich nicht ein­fach um eine Zufalls­stich­pro­be aus einem Pool, den wir nicht sehen kön­nen, son­dern um eine extrem unre­prä­sen­ta­ti­ve Stich­pro­be, bei der die »falsch-posi­ti­ven« Ergeb­nis­se der schein­ba­ren Wirk­sam­keit oder die »falsch-nega­ti­ven« Ergeb­nis­se der schein­ba­ren Sicher­heit stark ver­zerrt sind. Und dies in einem Kon­text, in dem die Stu­di­en selbst oft schon nicht sehr gut sind!42 Wie Ste­genga schluss­fol­gert, müs­sen wir also unter den gegen­wär­tig vor­herr­schen­den Bedin­gun­gen aus grund­le­gen­den, epis­te­misch-struk­tu­rel­len Grün­den ein mini­ma­les Ver­trau­en in die Behaup­tun­gen der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft bezüg­lich der Sicher­heit oder Wirk­sam­keit von medi­zi­ni­schen Pro­duk­ten haben. Ste­genga, der aus einer durch und durch bür­ger­li­chen, refor­mis­ti­schen Per­spek­ti­ve kommt, räumt sogar ein, dass ein Her­um­dok­tern an den Rän­dern die­ses Pro­blems – bes­se­re Instru­men­te für die Meta­ana­ly­se, stren­ge­re Stan­dards für die Durch­füh­rung von For­schung – die­ses tief­grei­fen­de struk­tu­rel­le Pro­blem unmög­lich über­win­den kann.

Sei­ne Schluss­fol­ge­rung ist ange­sichts die­ser Tat­sa­che jedoch defä­tis­tisch: Er plä­diert für eine »sanf­te Medi­zin«, um die offen­sicht­li­chen und sich immer wei­ter anhäu­fen­den Net­to-Schä­den zu mil­dern, die die Gift­me­di­zin unse­rer heu­ti­gen Epo­che für die Bevöl­ke­rung pro­du­ziert. Das Pro­blem ist jedoch nicht die Wis­sen­schaft oder die Medi­zin an sich, son­dern ihre kapi­ta­lis­ti­schen Fes­seln. An einem bestimm­ten Punkt erreicht die Wis­sen­schaft im Kapi­ta­lis­mus einen unver­meid­li­chen Wen­de­punkt, nach dem sie zuneh­mend in ihr Gegen­teil ver­kehrt wird. Intern ist dies dar­auf zurück­zu­füh­ren, dass mit der Zunah­me des wis­sen­schaft­li­chen Wis­sens der gesam­te Wis­sen­schafts­be­trieb ver­mit­telt wird und immer mehr davon abhängt, dass man sich auf Insti­tu­tio­nen und Berufs­ver­bän­de ver­las­sen kann, um sicher­zu­stel­len, dass das von ande­ren ange­sam­mel­te Wis­sen selbst wis­sen­schaft­lich erar­bei­tet wur­de. In dem Maße jedoch, wie sich der Kapi­ta­lis­mus zu einem impe­ria­lis­ti­schen Mono­pol­ka­pi­ta­lis­mus ent­wi­ckelt, wird die Fähig­keit sol­cher Insti­tu­tio­nen und Gre­mi­en, einer direk­ten Unter­ord­nung unter die Inter­es­sen (»Ver­schwö­run­gen«) der herr­schen­den Klas­se stand­zu­hal­ten, immer aus­sichts­lo­ser. In dem Maße, wie die gro­ße Mas­se der Bevöl­ke­rung unter­drückt, ver­dummt und dar­an gehin­dert wird, sich selbst mit Wis­sen­schaft zu beschäf­ti­gen, wird es für den klei­nen, hyper-indok­tri­nier­ten und stark dis­zi­pli­nier­ten und kon­trol­lier­ten Teil der Bevöl­ke­rung, der sich aktiv mit Wis­sen­schaft beschäf­tigt, unmög­lich, das tat­säch­lich pro­du­zier­te Wis­sen und die Infor­ma­tio­nen zu ver­ar­bei­ten. Wie wir gezeigt haben, ist dies nicht nur eine theo­re­ti­sche Spe­ku­la­ti­on, son­dern kann empi­risch nach­ge­wie­sen wer­den: Das Peer-Review-Sys­tem wur­de durch die super­mo­no­po­lis­ti­schen Kon­zen­tra­ti­ons­ten­den­zen inner­halb des MAIMS nach­weis­lich aus­ge­höhlt. Ech­te, den Mas­sen zugu­te kom­men­de, Wis­sen­schaft in dem Aus­maß, in dem sie heu­te angeb­lich betrie­ben wird, wäre und wird nur unter Bedin­gun­gen mög­lich sein, unter denen sie direkt und trans­pa­rent kon­trol­liert wird und den direk­ten demo­kra­ti­schen Inter­es­sen der gesam­ten Bevöl­ke­rung unter­ge­ord­net ist. Und wenn die­se Bevöl­ke­rung von der Schuf­te­rei befreit, mit Bil­dung und Unab­hän­gig­keit aus­ge­stat­tet und selbst in der Lage ist, kol­lek­tiv die Art von Gre­mi­en und Mecha­nis­men zu beset­zen und zu betrei­ben, die ein sol­ches Aus­maß an Infor­ma­ti­ons­aus­tausch tat­säch­lich zufrie­den­stel­lend ver­mit­teln könn­ten. Die ent­frem­de­te Arbeit einer Min­der­heit von »Exper­ten«, die durch ihre Unter­ord­nung unter die herr­schen­de Klas­se gefes­selt und ein­ge­schränkt ist, muss zum intel­lek­tu­ell und geis­tig erfül­len­den, kol­lek­ti­ven Unter­neh­men von uns allen wer­den. Das wei­te­re Auf­blü­hen der Wis­sen­schaft ist, kurz gesagt, nur im Kom­mu­nis­mus möglich.

Aus offen­sicht­li­chen Grün­den sind die klein­bür­ger­li­chen Ele­men­te inner­halb der Bewe­gung, die sich gegen das Coro­na-Pro­gramm weh­ren und die Viro­lo­gie gene­rell kri­ti­sie­ren, nicht dar­an inter­es­siert, die­se Rea­li­tät anzu­er­ken­nen. Statt­des­sen befür­wor­ten sie im All­ge­mei­nen absur­de, unprak­ti­sche indi­vi­dua­lis­ti­sche Lösun­gen, bei denen von den Men­schen erwar­tet wird, dass sie sich irgend­wie selb­stän­dig mit die­ser For­schung befas­sen – jedes in sich geschlos­se­ne bür­ger­li­che Atom, das ver­mut­lich mit kar­te­sia­ni­schen Betrach­tun­gen beginnt und sich zu einer umfas­sen­den, selbst erar­bei­te­ten Welt­an­schau­ung vor­ar­bei­tet. Das ist eigent­lich typisch für das all­ge­mei­ne »Wider­stands­pro­gramm« der klein­bür­ger­li­chen »Skep­ti­ker« und »Kri­ti­ker«: sel­ber for­schen, sel­ber anbau­en, recher­chie­ren, was man essen soll und was nicht, raus aus dem Netz, etc. – es ist alles ganz ein­fach, man braucht nur gren­zen­lo­se Frei­zeit, unend­li­che Res­sour­cen und kei­ne Ver­pflich­tun­gen oder Bindungen!

Der gegen­wär­ti­ge mise­ra­ble und ent­wür­di­gen­de Zustand, in dem die gro­ße Mas­se der Welt­be­völ­ke­rung lebt, ist nicht, wie die Anti-Coro­na-Rech­te behaup­tet, auf ihre eige­ne Sünd­haf­tig­keit, Faul­heit, Idio­tie oder Feig­heit zurück­zu­füh­ren. Es liegt dar­an, dass ein unge­heu­er­lich koor­di­nier­ter, kal­ku­lier­ter und rück­sichts­lo­ser Klas­sen­kampf gegen sie geführt wur­de. Natür­lich haben die Mas­sen ihrer­seits Wider­stand geleis­tet – offen und ver­deckt, aktiv und pas­siv, an zahl­lo­sen gro­ßen und klei­nen Kampf­plät­zen. Der Erfolg die­ses Wider­stands wur­de jedoch vor allem durch die Dumm­heit, Feig­heit und Nai­vi­tät der klein­bür­ger­li­chen Ele­men­te behin­dert und begrenzt, die sich selbst als Anfüh­rer instal­liert haben, um ihn mit ihren Ver­söh­nungs­phan­ta­sien mit der herr­schen­den Klas­se und indi­vi­du­el­len Aus­weich­lö­sun­gen stän­dig zu konterkarieren.

Wenn man jedoch das wah­re Aus­maß und die Natur des­sen, womit wir kon­fron­tiert sind, begreift, kann man nur eine Schluss­fol­ge­rung zie­hen: Der ein­zi­ge Weg, unse­re eige­ne Gesund­heit und die Gesund­heit ande­rer tat­säch­lich zu erhal­ten und zu ver­bes­sern, ist der Klas­sen­kampf. Die herr­schen­de Klas­se, die den MAIMS-Kom­plex kon­trol­liert – die­se rie­si­ge, grau­sa­me Maschi­ne­rie der Beherr­schung, Aus­beu­tung und Ent­kräf­tung – muss ein für alle Mal gestürzt wer­den. Ohne revo­lu­tio­nä­re Theo­rie kann es natür­lich kei­ne revo­lu­tio­nä­re Bewe­gung geben – und das bedeu­tet, die Ideo­lo­gien zu ent­lar­ven, die die herr­schen­de Klas­se ein­setzt, um den Kampf des Vol­kes gegen sie zu unter­gra­ben, zu ver­wir­ren und zu ent­glei­sen. In Teil 3 (bis­her nur in eng­lisch hier) wer­den wir zei­gen, war­um die Main­stream-Viro­lo­gie zu den bös­ar­tigs­ten die­ser Ideo­lo­gien gehört.

Ver­wei­se

2 Ivan Illich, Die Neme­sis der Medi­zin: Die Kri­tik der Medi­ka­li­sie­rung des Lebens, C.H. Beck, 4. Aufl. 1995, Kap. 4, hier über­setzt aus dem eng­li­schen Ori­gi­na­lI­van Illich, Medi­cal Neme­sis: The Expro­pria­ti­on of Health (New York: Pan­the­on, 1976), im Fol­gen­den zitiert als: Illich, Neme­sis der Medi­zin.

3 Jacob Ste­genga, Medi­cal Nihi­lism (Oxford: Oxford Uni­ver­si­ty Press, 2018) p. 7. (Hence­forth: Ste­genga, Medi­cal Nihi­lism).

4 Ger­man Lopez, »9 Of 10 Top Drug­ma­kers Spend More on Mar­ke­ting than Rese­arch,« Vox (Febru­ary 11, 2015), https://​www​.vox​.com/​2​0​1​5​/​2​/​1​1​/​8​0​1​8​6​9​1​/​b​i​g​-​p​h​a​r​m​a​-​r​e​s​e​a​r​c​h​-​a​d​v​e​r​t​i​s​ing.

5 Ebenda.

7 Ivan Illich, Neme­sis der Medi­zin, Kap. 7.

8 Eben­da, Kap. 4.

9 Ebenda.

11 Sil­via Fede­ri­ci, Cali­ban and the Witch, (Brook­lyn: Auto­no­me­dia, 2004), pp. 139 – 140. (Zita­te von Foucault).

12 Illich, Neme­sis der Medi­zin, Kap. 4.

13 Richard Lewon­ten, »Bio­lo­gy as Ideo­lo­gy,« Lec­tu­re 3.

14 Illich, Neme­sis der Medi­zin, Kap. 4.

15 Ebenda.

16 Jen­ni­fer Mar­gu­lis, The Busi­ness of Baby (New York: Scrib­ner, 2013) und Ina May­Gas­kin, Ina May’s Gui­de to Child­birth (New York: Ban­tam, 2003).

17 Illich, Neme­sis der Medi­zin, Kap. 4.

18 Eben­da, Kap. 7

19 Eben­da, Kap. 4.

20 Ste­genga, Medi­cal Nihi­lism, S. 184.

21 Ste­genga, Medi­cal Nihi­lism, S. 5.

22 Engel­brecht et al., Virus-Wahn, Einleitung.

23 Ebenda.

24 Eben­da, Kap. 8.

25 Wiki­pe­dia con­tri­bu­tors, »Natio­nal Child­hood Vac­ci­ne Inju­ry Act,« Wiki­pe­dia, The Free Ency­clo­pe­dia, https://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​t​i​t​l​e​=​N​a​t​i​o​n​a​l​_​C​h​i​l​d​h​o​o​d​_​V​a​c​c​i​n​e​_​I​n​j​u​r​y​_​A​c​t​&​o​l​d​i​d​=​1​1​2​9​7​8​3​439 (acces­sed Janu­ary 14, 2023). https://web.archive.org/web/20221125055505/https://en.wikipedia.org/wiki/National_Childhood_Vaccine_Injury_Act

26 Robert F. Ken­ne­dy Jr., »Dead­ly Immu­ni­ty,« in Engel­brecht et. al., Virus Mania. Ch. 8.

27 Ebenda

28 Ebenda.

29 Ebenda.

30 Ebenda.

32 Bri­an Mar­tin­son, »Sci­en­tists beha­ving bad­ly,« Natu­re, 9 June 2005, pp. 737 – 738 as cited in Engel­brecht et al., Virus Mania, Ch.2.

33 Robert F. Ken­ne­dy Jr., »Dead­ly Immu­ni­ty,« in Ch. 8, Engel­brecht et. al., Virus Mania.

34 Richard Levins, »The Two Faces of Science«

35 Ebenda.

36 Engel­brecht et. al., Virus-Wahn, Kap. 1.

37 Richard Smith, »Whe­re is the Wis­dom? The Pover­ty of Medi­cal Evi­dence ‚« Bri­tish Medi­cal Jour­nal 303, (Oct 5, 1991): S. 798.

38 Ebenda.

39 Ebenda.

40 Zitiert nach ebenda.

42 Allen Lesern sei die bril­lan­te Par­odie von Richard Levins auf die moder­ne medi­zi­ni­sche For­schung ans Herz gelegt, die den gesam­ten Abschnitt auf einer Sei­te prä­gnant auf den Punkt bringt: »Sci­en­ti­fic Method for Today’s Mar­ket,« The Mathe­ma­ti­cal Intel­li­gen­cer, 37 (1), 47 – 47, 2015 (March 1). https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00283-014‑9488‑7.pdf?pdf=button

Bild: »Wun­den­mann«, 16. Jahr­hun­dert (wiki­me­dia com­mons)

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