Virologie als Ideologie – Teil 2: Der Militärisch-​Akademisch-​Industriell-​Medizinisch-​Wissenschaftliche Komplex

Lesezeit41 min

Dies ist der zweite Teil eines vierteiligen Essays, der zuerst in der MagMa English erschien und hier als Übersetzung nachgereicht wird. Er umfasst die folgenden Teile:

  1. Wissenschaft und Klassengesellschaft
  2. Der Militärisch-​Akademisch-​Industriell-​Medizinisch-Wissenschaftliche Komplex (MAIMS*)
  3. Virologie als Ideologie 
  4. Deren Wissenschaft und unsere Wissenschaft

Teil 2: Der Militärisch-​Akademisch-​Industriell-​Medizinisch-​Wissenschaftliche Komplex

»Wie sehen diese Feinde des Menschengeschlechts aus? Tragen sie ein Zeichen auf der Stirn, damit sie als Verbrecher erkannt, gemieden und verurteilt werden können? Nein, ganz im Gegenteil. Sie sind die Angesehenen. Sie werden geehrt. Sie nennen sich Gentlemen und werden auch so genannt. Welch ein Hohn auf den Namen ›Gentlemen‹! Sie sind die Säulen des Staates, der Kirche, der Gesellschaft. Sie unterstützen private und öffentliche Wohltätigkeit aus dem Überschuss ihres Reichtums. Sie stiften Institutionen. In ihrem Privatleben sind sie freundlich und rücksichtsvoll. Sie gehorchen dem Gesetz, ihrem Gesetz, dem Gesetz des Eigentums. Aber es gibt ein Zeichen, an dem man diese sanften Revolverhelden erkennen kann. Droht man ihnen mit einer Kürzung des Gewinns ihres Geldes, so erwacht die Bestie in ihnen mit einem Knurren. Sie werden rücksichtslos wie Wilde, brutal wie Wahnsinnige, unbarmherzig wie Henker. Solche Menschen müssen aussterben, wenn die menschliche Rasse fortbestehen soll. Solange sie leben, kann es keinen dauerhaften Frieden auf der Welt geben. Eine solche Organisation der menschlichen Gesellschaft, die ihre Existenz zulässt, muss abgeschafft werden.«

»Diese Menschen verursachen die Wunden.«

Norman Bethune, Wunden1

»Die Wissenschaft ist ein Produkt der Gesellschaft, der sie gehört. Was bedeutet das für uns? Als Wissenschaftler sind wir einerseits Suchende nach Wissen. Das hat uns überhaupt erst in die Wissenschaft gebracht. Wir sind Menschen, die das Leiden lindern wollen. Auf der anderen Seite sind wir angestellt – wir sorgen uns um Arbeitsplätze, um die Finanzierung, in diesem Sinne sind wir die Lohnarbeiter der Theorie-​Minen, nicht allzu verschieden von den Webern in Lancashire und anderen Berufszweigen, die ursprünglich freie Berufe waren und dann allmählich proletarisiert wurden​.So ist jetzt die abhängige Arbeit, die Teilzeitarbeit, die Hilfsarbeit Teil des Prozesses des Verlustes der Unabhängigkeit. Wir haben schon jetzt keine Kontrolle über die Agenda unserer Forschung oder die Bedingungen unserer Arbeit. Wir haben auch keine Kontrolle darüber, was aus den Produkten unserer Arbeit wird.«

Richard Levins, »Die zwei Gesichter der Wissenschaft«

Quacksalberei der Konzerne

Wir müssen zunächst eine in vielen linken Kreisen vorherrschende oberflächliche und unzureichende Kritik überwinden. Eine, die die Tendenz hat als eine Art gedankenbegrenzendes Klischee zu dienen, das eine tiefere Auseinandersetzung mit den realen historischen Umständen verhindert. Medizinischen und wissenschaftlichen Konzernen wird oft Profitmacherei vorgeworfen wie z. B. überhöhte Preise für wertvolle Güter durch Patente, Monopole, regulatorische Vereinnahmung usw. Sie werden auch beschuldigt, den Zugang zu medizinischen Informationen zu beschränken und zu kontrollieren, um Monopolstellungen zu erhalten und Gewinne zu erzielen. Daher werden Dienste wie Library Genesis der Z‑Library, die offensichtlich dazu führen würden, dass mehr Wissenschaft produziert wird, insbesondere von Wissenschaftlern in der Dritten Welt, rücksichtslos verfolgt. An dieser Kritik ist viel Wahres dran. Daher ergänzt sie das allgemeine Argument, wonach die gegenwärtigen Bedingungen nicht geeignet sind für eine blühende Wissenschaft.

Doch der entscheidende Fehler in dieser Kritik, mit dem sich dieser Abschnitt befassen will, ist die Annahme, dass die vom MAIMS-​Komplex (Militärisch-​Akademisch-​Industriell-​Medizinisch-​Wissenschaftlich) produzierten Waren immer einen echten Nutzwert für die Verbraucher haben. Hier scheint ein umfassendes Verständnis von Monopolisierung, Finanzialisierung und Imperialismus in den Hintergrund zu treten. An seine Stelle tritt, ob bewusst oder unbewusst, ein idyllisches Bild des glücklichen kapitalistischen Wettbewerbs. Solche Kritiken neigen dazu, sich vorzustellen, dass die Verbraucher in einer relativ guten Position seien, um beurteilen zu können, ob medizinisch-​wissenschaftliche Güter tatsächlich gut für sie seien (kurz‑, mittel- oder langfristig). Ferner, dass staatliche Stellen dazu tendieren, Käufe im Interesse ihrer Bevölkerungen zu tätigen, indem sie Produkte und Dienstleistungen erwerben (und ihnen sogar auferlegen), die ihnen nützen sowie, dass minderwertige oder zumindest nutzlose und gefährliche Produkte den Anforderungen sowohl der Regulierung als auch des Wettbewerbsmarktes nicht standhalten würden.

Wie weiter unten gezeigt wird, könnte dies jedoch nicht weiter von der Realität entfernt sein. Die für diesen Bereich kennzeichnende Kartellbildung ist so tiefgreifend und allgegenwärtig, dass sie eigentlich ein neues Konzept erfordert, denn sie führt auch dazu, dass die Behörden, die angeblich mit der Kontrolle dieser Industrien betraut sind, von den Regulierungsbehörden so stark vereinnahmt werden, dass sie ihnen in Wirklichkeit völlig hörig sind. Darüber hinaus wird ein großer und ständig wachsender Teil der medizinischen Produkte und Dienstleistungen gar nicht von den Verbrauchern ausgewählt, sondern von Anbietern, Versicherern und Regierungen (oft und in immer stärkerem Maße in Absprache). Produkte wie Impfstoffe werden den Verbrauchern direkt oder indirekt von Regierungen, Arbeitgebern und Schulen aufgezwungen. Ivan Illich hat einige der besonderen Merkmale der medizinischen Versorgung in Form der Ware nachgezeichnet. Diese machen sie einerseits für die Unterordnung unter normale kapitalistische Verhältnisse ungeeignet, während sie andererseits für die Supermonopol- und Supermonopolverhältnisse, die den heutigen Kapitalismus kennzeichnen, einzigartig geeignet sind:

Die medizinische Versorgung ist unsicher und unvorhersehbar; viele Verbraucher wünschen sie nicht, wissen nicht, dass sie sie brauchen, und wissen nicht im Voraus, was sie kosten wird. Sie können nicht aus Erfahrungen lernen. Sie müssen sich darauf verlassen, dass der Anbieter ihnen mitteilt, ob sie gut bedient wurden, und sie können die Dienstleistung nicht an den Verkäufer zurückgeben oder sie reparieren lassen. Medizinische Dienstleistungen werden nicht wie andere Waren beworben, und der Hersteller schreckt vor Vergleichen ab. Wenn er einmal gekauft hat, kann der Verbraucher seine Meinung nicht mehr ändern. Indem er definiert, was eine Krankheit ist, hat der medizinische Hersteller die Macht, seine Kunden auszuwählen und einige Produkte zu vermarkten, die dem Verbraucher notfalls durch das Eingreifen der Polizei aufgezwungen werden: Die Hersteller können sogar Zwangsinternierungen für Behinderte und Anstalten für geistig Zurückgebliebene verkaufen. Rechtsstreitigkeiten wegen Behandlungsfehlern haben das Gefühl der Ohnmacht des Laien in einigen dieser Punkte gemildert, aber im Grunde genommen haben sie die Entschlossenheit des Patienten gestärkt, auf einer Behandlung zu bestehen, die von einer informierten medizinischen Fachwelt als angemessen angesehen wird.2

Dies lässt sich nicht auf einfache kapitalistische Verhältnisse reduzieren.

Die naive Sichtweise vergisst auch (auf höchst selektive Weise) das immerwährende menschliche Phänomen des Schlangenöls: dass der Mensch insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung anfällig für Täuschung und Betrug ist. Wie der Medizinhistoriker Roy Porter feststellte, »lag der Ruhm der Medizin nur zu einem geringen Teil in ihrer Fähigkeit, Kranke gesund zu machen. Das war schon immer so und ist auch heute noch so.»3 Während betrügerische Praktiken anerkannt werden und die Unterdrückung von Nebenwirkungen zumindest früher ein sehr häufiger Kritikpunkt war, der von Linken geäußert wurde (bevor solche Überlegungen mit der Einführung der Covid-​Impfungen prompt verboten wurden), sind nur wenige bereit, das wahre Ausmaß des Betrugs im Kern vieler medizinischer Wissenschaften in Betracht zu ziehen. Und das trotz der bemerkenswerten Tatsache, dass die meisten Pharmaunternehmen ganz offen mehr dafür ausgeben, die Bevölkerung zu manipulieren, damit sie ihre Produkte kauft, als für Forschung und Entwicklung. So gaben beispielsweise neun von zehn großen Pharmaunternehmen im Jahr 2013 mehr – oft wesentlich mehr – für Vertrieb und Marketing aus als für Forschung und Entwicklung.4

Darüber hinaus ist es wichtig, dies nicht einfach nur als Investition in die Überzeugung von Menschen durch Werbung zu betrachten. Wie Lopez feststellt, »zielt ein Großteil des Marketings dieser Unternehmen speziell auf Ärzte ab«.5 Das heißt, es geht um die Bestechung von Gesundheitsdienstleistern, deren Verschreibungsbefugnis, ganz zu schweigen von ihrem persönlichen Einfluss als »vertrauenswürdige Personen«, die Verknüpfung zwischen scheinbarem »Käufer« und »Verkäufer« in einer solchen Gleichung erheblich erschwert. Auch der Anteil, der für scheinbar konventionelle Werbung wie Werbespots ausgegeben wird, kann hier nicht unkritisch oder naiv behandelt werden. Die großen Nachrichtenanbieter verkaufen nicht nur die »Augen und Ohren« der Zuschauer für bestimmte Werbespots, sondern vor allem eine günstige Berichterstattung (Propaganda). Deshalb ist es wichtig, den Monopolaspekt und das Ausmaß der Konzentration zu berücksichtigen. Im Jahr 2018 beispielsweise bewarb die größte Werbeagentur eines jeden großen Kabelnachrichtensenders in den USA ein angeblich medizinisches Produkt, was einen enormen Einfluss auf die Nachrichtenberichterstattung bedeutet und eine wichtige Quelle für Verzerrungen und Selbstzensur ist.6

Besonders eklatant ist in diesem Zusammenhang, dass diejenigen, die am wenigsten bereit sind, das Ausmaß des Betrugs und der Täuschung durch den MAIMS-​Komplex in Betracht zu ziehen, jegliche Kritik an diesem Komplex ohne die geringsten Nachforschungen pauschal als Betrug und Gaunerei abtun. Ehrliche, anständige Praktiker der alternativen Medizin oder Ernährung werden verleumdet und denunziert. Impfstoffskepsis wird hartnäckig und absurderweise den Profitinteressen einiger alternativmedizinischer Gauner zugeschrieben, während man natürlich davon ausgeht, dass die Absichten der großen Impfstoffhersteller – obwohl sie alle als Unternehmen verurteilte Kriminelle sind – so rein wie Schnee sind (oder, in raffinierteren Formen, dass sie tatsächlich vom Markt oder von den Regulierungsbehörden gezwungen werden, gute Produkte herzustellen, für die sie lediglich zu hohe Preise verlangen). Es gibt zweifellos Betrug, Täuschung und Gaunerei in der Welt der Naturheilkunde und der alternativen Medizin. Das ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was in der angeblich legitimen, von Konzernen kontrollierten, Mainstream-​Medizinwissenschaft geschieht. Das liegt unter anderem daran, dass der Markt, auf den die Naturheilkunde ausgerichtet ist, viel reeller und wettbewerbsfähiger ist und sich an eine viel kritischere Klasse von Verbrauchern wendet.

Dennoch ist es einer massiven und höchst effektiven psychologischen Operation gelungen, den gesunden Menschenverstand hier völlig auf den Kopf zu stellen und vielen die absurde Vorstellung einzuflößen, dass jeder, der versucht, mit dem Verkauf von alternativen Heilmethoden jeglicher Art seinen Lebensunterhalt ehrlich zu verdienen, ein böswilliger Betrüger sein muss, während die feigen, opportunistischen Wissenschaftler und Ärzte, die für den MAIMS-​Komplex arbeiten, einfach nicht lügen können. Gesundheitsdienstleister, Wissenschaftler und Forscher, die für MAIMS arbeiten, werden als idealistische Menschenfreunde dargestellt, denen man alle Sünden der Verstrickung in den Markt ohne weiteres verzeiht.

Auf der anderen Seite sehen sich Wissenschaftler, Forscher und Gesundheitsdienstleister, die sich entscheiden, MAIMS zu kritisieren oder auch nur eine Alternative zu MAIMS zu präsentieren, überwältigenden sozialen und wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt: Sie müssen mit Verarmung, dem Verlust medizinischer Lizenzen, von Regierungen und Unternehmen (offen oder verdeckt) unterstützten Prozessen, sozialer Ächtung oder sogar, wie im Fall von Brandy Vaughan, mit möglicher Ermordung rechnen. Doch wenn diese Personen auch nur die bescheidensten Versuche unternehmen, ihre eigene Existenz und ihren Lebensunterhalt zu sichern, brechen dieselben Verteidiger der Lakaien der Konzerne in die hysterischste Empörung über »profitgierige Gauner« aus. Es ist äußerst schwierig, mit diesen »Liebhabern der Wissenschaft« ins Gespräch zu kommen, vor allem, wenn es um Themen geht, in die sie seelisch tief verstrickt sind, wie zum Beispiel Impfstoffe. Diese Tatsache kann jedoch kaum verwundern, denn die »Werbebudgets« sind sicherlich nicht vergeudet worden.

Medizinische Gesellschaft

In seinem 1975 erschienenen Werk Die Nemesis der Medizin hat Ivan Illich die fortschreitende Korrumpierung der westlichen Gesellschaften durch die industrialisierte Medizin scharf kritisiert, und es lohnt sich, hier ausführlich aus diesem Werk zu zitieren. Er stellte fest, dass die Gesellschaft »zugunsten des Gesundheitssystems umgestaltet wird«, mit der Folge, dass es »immer schwieriger wird, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Waren und Dienstleistungen überschwemmen die Domänen der Freiheit«.7 Er führt dies auf die starke das bürgerliche Zeitalter kennzeichnende Neigung zur Atomisierung und Verdinglichung zurück:

Die Antike kannte keine Messlatte für Krankheiten. Galileis Zeitgenossen waren die ersten, die versuchten, die Messungen auf Kranke anzuwenden, allerdings mit wenig Erfolg. Seit Galen gelehrt hatte, dass der Urin direkt aus der Hohlvene abgesondert wird und dass seine Zusammensetzung ein direkter Hinweis auf die Beschaffenheit des Blutes ist, schmeckten und rochen die Ärzte den Urin und untersuchten ihn im Licht von Sonne und Mond. Nach dem 16. Jahrhundert hatten die Alchemisten gelernt, das spezifische Gewicht mit beträchtlicher Präzision zu messen, und sie unterzogen den Urin der Kranken ihren Verfahren. Dutzende von unterschiedlichen Bedeutungen wurden den Veränderungen zugeschrieben, um jeder neuen Messung, die sie lernten, eine diagnostische und heilende Bedeutung beizumessen. Die Verwendung von physikalischen Messungen bereitete den Glauben an die reale Existenz von Krankheiten und ihre ontologische Autonomie von der Wahrnehmung von Arzt und Patient vor. Die Verwendung von Statistiken untermauerte diesen Glauben. Sie »bewies«, dass Krankheiten in der Umwelt vorhanden waren und in den Menschen eindringen und ihn infizieren konnten.8

Am Rande sei hier auf die interessante historische Tatsache hingewiesen, dass der erste klinische Test, bei dem Statistiken verwendet wurden, die angeblich »handfeste Daten lieferten, die zeigten, dass die Pocken Massachusetts bedrohten und dass Menschen, die geimpft worden waren, gegen ihre Angriffe geschützt waren«, 1721 von Cotton Mather durchgeführt wurde.9 Mather setzte sich für Quarantäne und Impfungen ein, um die Pocken zu bekämpfen, und stieß damit auf den heftigen Widerstand der Bostoner Bevölkerung, der in einem Granatenanschlag auf sein Haus gipfelte.10 Dass die Impffreunde diesen berühmten Vorfahren nicht häufiger feiern, mag damit zusammenhängen, dass er vor allem wegen seiner Beteiligung an den Hexenprozessen von Salem und seiner eifrigen Verteidigung der Existenz von Hexen in Erinnerung geblieben ist. Die Verflechtung der Hexenjagd und der wissenschaftlichen Revolution mit dem allgemeinen Kampf um die Unterwerfung und Proletarisierung der widerspenstigen Bauernschaft wurde von Silvia Federici in ihrem Werk Caliban und die Hexe brillant untersucht. Darin stellt sie fest, dass:

In der mechanistischen Philosophie erkennen wir einen neuen bürgerlichen Geist, der berechnet, klassifiziert, unterscheidet und den Körper degradiert, nur um seine Fähigkeiten zu rationalisieren, und der nicht nur darauf abzielt, seine Unterwerfung zu intensivieren, sondern auch seinen gesellschaftlichen Nutzen zu maximieren … Sicherlich haben weder Hobbes noch Descartes viele Worte über wirtschaftliche Fragen verloren, und es wäre absurd, in ihre Philosophien die alltäglichen Sorgen der englischen oder niederländischen Kaufleute hineinzulesen. Dennoch können wir den wichtigen Beitrag nicht übersehen, den ihre Spekulationen über die menschliche Natur zur entstehenden kapitalistischen Wissenschaft der Arbeit leisteten. Den Körper als mechanische Materie darzustellen, die jeder inneren Teleologie entbehrt, … bedeutete, die Möglichkeit verständlich zu machen, ihn einem Arbeitsprozess unterzuordnen, der sich zunehmend auf einheitliche und vorhersehbare Verhaltensformen stützte. Sobald seine Vorrichtungen dekonstruiert waren und er selbst auf ein Werkzeug reduziert war, konnte der Körper für eine einladende Manipulation seiner Macht und Möglichkeiten geöffnet werden. Man konnte die Laster und Grenzen der Vorstellungskraft, die Tugenden der Gewohnheit, den Nutzen der Angst, die Vermeidung oder Neutralisierung bestimmter Leidenschaften und deren rationellere Nutzung erforschen. In diesem Sinne trug die mechanistische Philosophie dazu bei, die Kontrolle der herrschenden Klasse über die natürliche Welt zu verstärken, wobei die Kontrolle über die menschliche Natur der erste und unerlässliche Schritt war. So wie die Natur, reduziert auf eine ›Große Maschine‹, erobert werden konnte … so konnte auch der von seinen okkulten Kräften entleerte Körper ›in einem System der Unterwerfung gefangen werden‹, wodurch sein Verhalten berechnet, organisiert, technisch durchdacht und mit Machtbeziehungen versehen werden konnte.11

Es ist wichtig zu betonen, dass das mechanistische und atomistische Modell der Welt sehr wohl neue und reale Erkenntnisse lieferte und tatsächlich eine effizientere Ausbeutung von Natur und Mensch ermöglichte. Das bedeutet aber nicht, dass es in der Folge zu einem Hindernis für die weitere wissenschaftliche Entwicklung wurde. Und es bedeutet auch nicht, dass wir seine Entstehung und sein Fortbestehen vollständig verstehen können, ohne es in den Kontext der Geschichte des Kampfes der Bourgeoisie um soziale, politische und wirtschaftliche Vorherrschaft zu stellen.

Illich stellt fest, dass man noch Mitte des 18. Jahrhunderts Galen zustimmend zitieren konnte, wenn dieser erklärte: »Man kann kein Gewicht, keine Form oder Berechnung entdecken, auf die man sein Urteil über Gesundheit und Krankheit beziehen könnte. In der medizinischen Kunst gibt es keine Gewissheit, außer in den Sinnen des Arztes.«12 Robert Kochs berühmte Formulierung der Keimtheorie gegen Ende des Jahrhunderts – die, wie Lewontin anmerkt, keine Auswirkungen hatte, die in irgendwelchen allgemeinen Metriken der Gesundheit oder des Wohlbefindens zu erkennen wären13 – markiert einen offensichtlichen Wandel. Illich zeichnet diesen Wandel wie folgt nach:

Als sich das Interesse des Arztes von den Kranken auf die Krankheiten verlagerte, wurde das Krankenhaus zu einem Museum der Krankheiten … Die Erkenntnis, dass das Krankenhaus der logische Ort ist, um ›Fälle‹ zu studieren und zu vergleichen, entwickelte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts … Die klinische Betrachtungsweise der Krankheiten brachte eine neue Sprache hervor, die über die Krankheiten am Krankenbett sprach und über ein Krankenhaus, das neu organisiert und nach Krankheiten klassifiziert wurde, um den Studenten die Beschwerden zu zeigen … Während des gesamten neunzehnten Jahrhunderts blieb die Pathologie überwiegend Klassifizierung der anatomischen Anomalien. Erst gegen Ende des Jahrhunderts begannen die Schüler von Claude Bernard, auch die Pathologie der Funktionen zu benennen und zu katalogisieren. Wie die Krankheit erhielt auch die Gesundheit einen klinischen Status und wurde zur Abwesenheit klinischer Symptome, und klinische Normalitätsstandards wurden mit Wohlbefinden assoziiert.14

Im Jahr 1975, argumentierte Illich jedoch, sei »das Zeitalter der Krankenhausmedizin, das vom Aufstieg bis zum Niedergang nicht mehr als anderthalb Jahrhunderte gedauert hat« zu Ende. Er fährt fort:

Die klinische Messung ist in der gesamten Gesellschaft verbreitet worden. Die Gesellschaft ist zu einer Klinik geworden, und alle Bürger sind zu Patienten geworden, deren Blutdruck ständig überwacht und reguliert wird, damit er ›innerhalb‹ normaler Grenzen liegt. Die akuten Personal‑, Geld‑, Zugangs- und Kontrollprobleme, mit denen die Krankenhäuser überall zu kämpfen haben, können als Symptome einer neuen Krise des Krankheitsbegriffs interpretiert werden. Es handelt sich um eine echte Krise, weil sie zwei gegensätzliche Lösungen zulässt, die beide die derzeitigen Krankenhäuser überflüssig machen.15

Die westliche Konzernmedizin hat mit einer Reihe von Tests, Messwerten, Maßnahmen und anderen Diagnosen Methoden entwickelt, die dazu dienen, eine medikamentenfreie Existenz zunehmend auszuschließen, zu ächten oder sogar zu kriminalisieren. Sie zwängt uns damit gleichsam in einen sich stets stärker einschnürenden Schraubstock. Dies geschieht nicht nur durch Marketing oder Druck von (gut subventionierten und stark indoktrinierten) Fachleuten des Gesundheitswesens, sondern auch durch geheime Absprachen mit Versicherungsgesellschaften, politischen Entscheidungsträgern, Sozialdienstleistern, Bildungseinrichtungen und der Justiz. Dies wird unweigerlich durch die anderen Technologien des modernen Kapitalismus zur sozialen Kontrolle gebrochen, was sich am brutalsten auf ethnische, geschlechtliche und sexuelle Minderheiten sowie auf Frauen und Kinder auswirkt. Ina May Gaskin und Jennifer Margulis16 haben zum Beispiel mit eindringlichen Worten dokumentiert, wie der Geburtsvorgang in den westlichen kapitalistischen Nationen von der Konzernmedizin in einen grausamen, irrationalen, entmenschlichenden und traumatisierenden Spießrutenlauf für Frauen und ihre Kinder (vor und nach der Geburt) verwandelt wurde. Illich stellt fest, dass:

Eine fortgeschrittene Industriegesellschaft macht krank, weil sie die Menschen daran hindert mit ihrer Umwelt zurechtzukommen. Wenn sie daran zerbrechen, werden die zerbrochenen Beziehungen durch eine ›klinische‹ oder therapeutische Prothese ersetzt. Die Menschen würden sich gegen eine solche Umwelt auflehnen, wenn die Medizin ihre biologische Desorientierung nicht als Defekt ihrer Gesundheit erklären würde und nicht als Defekt der Lebensweise, die man ihnen auferlegt oder die sie sich selbst auferlegen.17

Es ist wichtig, hier den Unterschied zwischen dieser Kritik und dem sozialdarwinistischen Argument zu betonen, dass eine Gesellschaft sich selbst schwächt, wenn sie Kranke oder Behinderte behandelt. Es geht nicht darum, dass Menschen nicht behandelt oder gepflegt werden sollten, sondern darum, dass die gegenwärtigen gesellschaftlichen Regelungen vorschreiben, dass die Behandlung und Pflege, die sie wahrscheinlich erhalten werden, unangemessen und oft kontraproduktiv ist und dass sie besser gepflegt werden können und sollten. Und der beste Weg, dies zu gewährleisten, besteht gerade darin, dafür zu sorgen, dass sie ein Höchstmaß an Mitsprache, Information und Beteiligung an ihrer eigenen Behandlung haben. Im Gegensatz dazu kann man sich kaum eine Regelung vorstellen, die weniger geeignet ist, eine gute Behandlung zu bewirken, als eine Regelung wie die unsere, in der die zu Behandelnden oder zu Pflegenden maximal entmachtet und einem Gesundheitsapparat unterworfen sind, der massive Anreize hat, ihnen zu schaden. In der Tat ist es eine bemerkenswerte – und massiv verdrängte – Tatsache, dass ein unglaublicher Teil der modernen medizinischen Versorgung nur dazu dient, die durch frühere medizinische Eingriffe direkt oder indirekt verursachten Übel zu beheben. Illich zitiert beispielsweise einen »hochrangigen Beamten des US-​Ministeriums für Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt«, der 1973 in den Ruhestand ging und feststellte, dass »80 Prozent aller Gelder, die durch sein Büro flossen, keinen nachweisbaren Nutzen für die Gesundheit brachten und dass ein Großteil des Rests ausgegeben wurde, um iatrogene Schäden auszugleichen«.18 Weiter führt Illich aus:

Die überwältigende Mehrheit der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die nachweislich mehr nützen als schaden, weist zwei Merkmale auf: Die materiellen Aufwendungen für sie sind extrem billig und sie können so verpackt und gestaltet werden, dass sie selbst oder von Familienmitgliedern angewendet werden können. So sind beispielsweise die Kosten für das, was in der kanadischen Medizin als deutlich gesundheitsfördernd gilt, so niedrig, dass dieselben Mittel der gesamten Bevölkerung Indiens für den Betrag zur Verfügung gestellt werden könnten, der dort derzeit für moderne Medizin verschwendet wird. Die Fertigkeiten, die für die Anwendung der am häufigsten verwendeten diagnostischen und therapeutischen Hilfsmittel erforderlich sind, sind so elementar, dass die sorgfältige Befolgung von Anweisungen durch persönlich Betroffene wahrscheinlich einen wirksameren und verantwortungsvolleren Einsatz garantieren würde, als es die medizinische Praxis je könnte. Das meiste von dem, was übrig bliebe, könnte wahrscheinlich besser von ›barfüßigen‹, nicht professionellen Amateuren mit großem persönlichen Engagement gehandhabt werden als von professionellen Ärzten, Psychiatern, Zahnärzten, Hebammen, Physiotherapeuten oder Augenärzten.19

Illich überspannt hier wahrscheinlich den Bogen – es ist natürlich möglich, dass komplexere medizinische Dienstleistungen wünschenswert und vorteilhaft sein könnten, aber dafür bräuchten wir ein soziales Arrangement, in dem diese Komplexität weder die Transparenz noch die demokratische Kontrolle durch die Bevölkerung beeinträchtigt. Wir werden auf diese Perspektive in Teil 4 näher eingehen. Illichs Darstellung ist auch durch eine ultralinke Abweichung gekennzeichnet, die den sich selbst erhaltenden kulturellen Trends zu viel Macht zuschreibt, anstatt sie in einer materialistischen Darstellung des Klassenkampfes richtig zu kontextualisieren. Dies ist charakteristisch für Genealogien im Foucaultschen Stil und hat zur Folge, dass die Massen selbst übermäßig für ihre angebliche Mitschuld an dem, was ihnen aufgezwungen wird, verantwortlich gemacht werden.

Innerhalb der Bewegung, die sich zum Widerstand gegen die Corona-​Maßnahmen zusammengeschlossen hat, hat diese menschenfeindliche Perspektive eine bedeutende Basis in kleinbürgerlichen »Dissidenten« und »Kritikern« gefunden, die sich immer zu einem Bezugsrahmen hingezogen fühlen, der es ihnen ermöglicht, die Massen zu beschuldigen und die herrschende Klasse zu entlasten. Diese Perspektive kann jedoch nur aufrechterhalten werden, wenn man die überwältigende Macht und den Einfluss des MAIMS-​Komplexes (und der herrschenden Klasse selbst, die ihn zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen einsetzt) leugnet.

Konzentration, Kartellbildung, Korruption: Gründe für den medizinischen Nihilismus?

Nicht nur in den unmittelbar dem Markt zugewandten Bereichen des MAIMS-​Komplexes sind Betrug, Täuschung und Korruption die Regel. Jede Art von gründlicher wirtschaftlicher Analyse der Monopoltendenzen in diesem Bereich würde den Rahmen dieses Papiers sprengen. Eine existierende Studie, die diesen Bereich abdeckt, ist dem Autor nicht bekannt (was vielleicht schon bezeichnend ist). Für den vorliegenden Zweck soll es jedoch genügen, einige der wichtigsten Beweise dafür anzuführen, dass ein zusammenhängendes Netz von Kartellen nicht nur den Markt, sondern auch eine breite Palette von Regulierungsmechanismen in einem Maße kontrolliert, dass eine Beziehung entsteht, die über das traditionelle Monopolverständnis hinausgeht.

Dies hat einen solchen Punkt erreicht, dass selbst bürgerliche Gelehrte, Forscher, Wissenschaftler und Ärzte innerhalb oder im Umfeld von MAIMS dazu gedrängt wurden, die grundlegende Vertrauenswürdigkeit der modernen medizinischen Forschung insgesamt zu hinterfragen. In seinem 2018 erschienenen Werk Medical Nihilism (Medizinischer Nihilismus) vertritt Jacob Stegenga überzeugend die radikale These, dass das Ausmaß und die Tiefe der Korruption in der medizinischen Wissenschaft zusammen mit einem Mangel an Mechanismen zu ihrer Behebung bedeuten, dass »es weniger wirksame medizinische Interventionen gibt, als die meisten Menschen annehmen, und dass unser Vertrauen in medizinische Interventionen gering sein sollte, oder zumindest viel geringer, als es derzeit der Fall ist.«20 Wir werden später auf Stegengas Kernargumente zurückkommen, aber jetzt lohnt es sich, seine Übersicht über die skeptischen Aussagen prominenter Persönlichkeiten ausführlich zu zitieren:

Die Arbeiten von Ärzten, Epidemiologen und Wissenschaftsjournalisten, die die These vom medizinischen Nihilismus stützen, sind umfangreich (aktuelle Beispiele sind die Bücher von Marcia Angell (The Truth About Drug Companies, 2004), Moynihan und Cassels (Selling Sickness, 2005), Carl Elliott (White Coat, Black Hat, 2010), Ben Goldacer (Bad Pharma, 2012) und Peter Gøtzsche (Deadly Medicines and Organized Crime, 2013), sowie Artikel von Epidemiologen wie John Ioannidis, Lisa Bero, Peter Jüni und Jan Vandebroucke). Diese Denker sind keine verschrobenen Außenseiter, sondern gehören zu den prominentesten und angesehensten Ärzten und Epidemiologen der Welt. So hat beispielsweise der ehemalige Herausgeber einer der führenden medizinischen Fachzeitschriften behauptet, dass ›in den letzten Jahren nur eine Handvoll wirklich wichtiger Medikamente auf den Markt gebracht wurde‹, während es sich bei der Mehrheit um ›Medikamente mit zweifelhaftem Nutzen‹ handele (Angell 2004). Oder betrachten Sie die Position des Epidemiologen John Ioannidis, die durch den Titel seines wichtigen Artikels angedeutet wird: ›Warum die meisten veröffentlichten Forschungsergebnisse falsch sind‹ (2005). Der derzeitige Herausgeber einer anderen bedeutenden medizinischen Fachzeitschrift sagte kürzlich über die heutige medizinische Wissenschaft: ›Geplagt von Studien mit kleinen Stichprobengrößen, winzigen Effekten, ungültigen explorativen Analysen und eklatanten Interessenkonflikten sowie der Besessenheit, modischen Trends von zweifelhafter Bedeutung nachzugehen, hat sich die Wissenschaft in die Dunkelheit begeben‹ (Horton, Offline 2015).21

Was genau ist der Grund für diese Skepsis? Betrachten wir zunächst einmal die Korruption der Aufsichtsbehörden. In einer JAMA-​Studie aus dem Jahr 2006 wurde festgestellt, dass bei der Food and Drug Administration (FDA), der US-​amerikanischen Arzneimittelbehörde »in 73 Prozent der Sitzungen mindestens ein Mitglied des betreffenden Beraterteams Interessenkonflikte hatte« und dass diese, was nicht überrascht, »das Abstimmungsverhalten beeinflussten: Wenn Gremiumsmitglieder mit Interessenkonflikten von der Abstimmung ausgeschlossen wurden, fiel das Urteil über das betreffende Produkt wesentlich ungünstiger aus«. Trotz dieser Tatsache wurden »Gremiumsmitglieder mit relevanten Interessenkonflikten in nur einem Prozent der Fälle ausgeschlossen«.22 Es geht jedoch nicht nur um getrennte Einzelinteressen. Dank Gesetzen wie dem Prescription Drug User Fee Act von 1992 sind die US-​Regierungsbehörden, die die Pharmaindustrie regulieren sollen, für ihre eigene Finanzierung von ihr abhängig geworden. So ist die FDA als Ganzes kompromittiert: Je profitabler die von ihr regulierten Firmen sind, desto mehr Geld erhalten die vermeintlichen Regulierer.23 Ganze 45 Prozent ihres Budgets stammen derzeit von der Industrie.24 Die FDA ist zudem von Studien abhängig, die von der Industrie selbst durchgeführt werden und hat lediglich die Aufgabe, die von ihnen gelieferten Informationen zu bewerten. Sie hat weder das Personal noch die Kapazitäten, um eigene Studien durchzuführen oder die ihr vorgelegten Studien zu wiederholen (und daher werden solche Studien praktisch nie wiederholt).

Der National Childhood Vaccine Injury Act, der 1986 unter Reagan verabschiedet wurde, ist ein noch besseres Beispiel für die tiefgreifende Dynamik, die dieser Artikel in Verbindung mit meinem früheren Beitrag über Imperialismus hervorheben möchte. In den 1970er Jahren führte die öffentliche Besorgnis über Enzephalopathie zu einem Rückgang der freiwilligen Inanspruchnahme des DPT-​Impfstoffs. Außerdem nahmen die Klagen im Zusammenhang mit Impfstoffen zu. Bis 1985 hatten die Impfstoffhersteller Schwierigkeiten beim Abschluss von Haftpflichtversicherungen. Also griff der Kongress ein. Er entzog den Herstellern jegliche Haftung und übertrug sie auf die Regierung, das heißt auf die Bevölkerung als Steuerbasis.25 Infolge dieses Gesetzes muss das US-​Gesundheitsministerium zugelassene Impfstoffe vor Gericht gegen jede Behauptung verteidigen, dass sie Schäden verursachen. So haben die Hersteller einen direkten und starken Anreiz, Informationen zu unterdrücken (oder zumindest nicht zu finanzieren und zu veröffentlichen), die gegen sie verwendet werden könnten. Engelbrecht et. al. verweisen auf die Entscheidung von Tom Insel, einem hochrangigen Beamten des Ministeriums für Gesundheitspflege und Soziale Dienste der Vereinigten Staate, im Jahr 2009, eine 16 Millionen teure Studie über den Zusammenhang von Impfungen und Autismus mit der ausdrücklichen Begründung zu vernichten, dass sie vor Gericht gegen das HSS verwendet werden könnte.26

Die Abwälzung der Haftung auf die Bevölkerung und der gleichzeitige Anreiz für die vermeintliche Aufsichtsbehörde dieser Bevölkerung, keine durch Impfstoffe verursachten Krankheiten aufzudecken, haben sicherlich dazu beigetragen, eine Ware zu retten, die unter Nichtmonopolbedingungen vom Markt verdrängt worden wäre. In der Tat ist die Zahl der empfohlenen Impfungen in den USA seit 1986 von 12 Impfungen mit 5 Impfstoffen auf 54 Impfungen mit 13 Impfstoffen angestiegen. Damit haben sich Impfstoffe von einer Milliarden-​Dollar-​Nebenbeschäftigung zu einer 50-​Milliarden-​Dollar-​Industrie27 entwickelt, wie Robert F. Kennedy Jr. beobachtet hat:

Da Impfstoffe haftungsfrei sind – und für einen Zwangsmarkt von 76 Millionen Kindern faktisch obligatorisch sind – gibt es für die Unternehmen nur einen geringen Marktanreiz, sie sicher zu machen … Die vier Unternehmen, die praktisch alle empfohlenen Impfstoffe herstellen, sind allesamt verurteilte Verbrecher. Zusammen haben sie seit 2009 über 35 Milliarden Dollar für den Betrug an den Aufsichtsbehörden, die Belügung und Bestechung von Regierungsbeamten und Ärzten, die Fälschung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und die Hinterlassung einer Spur von Verletzungen und Todesfällen durch Produkte gezahlt, von denen sie wussten, dass sie gefährlich sind und die sie unter dem Vorwand der Sicherheit und Wirksamkeit verkauften.28

Es sei darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums selbst direkt und persönlich bis zu 150.000 $ jährlich an Lizenzgebühren kassieren können. Zum Beispiel kassieren wichtige Beamte Geld für jeden Verkauf des HPV-​Impfstoffs von Merck.29 Robert F. Kennedy Jr. stellt fest, dass:

Die FDA erhält 45 Prozent ihres Jahresbudgets von der Pharmaindustrie. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhält etwa die Hälfte ihres Budgets aus privaten Quellen, einschließlich der Pharmaindustrie und ihrer verbündeten Stiftungen. Und die CDC [Centers for Disease Control and Prevention, vergleichbar mit dem Robert-​Koch Institut in der BRD/​Anm. d. Red.] ist, offen gesagt, ein Impfstoffunternehmen; sie besitzt 56 Impfstoffpatente und kauft und verteilt jährlich Impfstoffe im Wert von 4,6 Milliarden Dollar über das Programm ›Vaccines for Children‹ (Impfstoffe für Kinder), was mehr als 40 Prozent ihres Gesamtbudgets ausmacht.30

Bemerkenswert ist, dass ganze 10 Prozent des WHO-​Budgets allein von der Bill and Melinda Gates Foundation stammen, die damit nach den USA der zweitgrößte Geber ist.31

Wenn man den Regulierungsbehörden schon nicht trauen kann, dann kann man sich doch wenigstens auf die internen Mechanismen und den Korpsgeist der Wissenschaft verlassen, könnte man meinen. Dies ist jedoch kaum der Fall. Eine 2005 in Nature veröffentlichte Umfrage unter Wissenschaftlern ergab, dass die Mehrheit »zugab, dass sie betrügerische Aktivitäten nicht vermeiden und Daten, die ihren Zwecken nicht entsprechen, einfach beiseite schieben würden«.32 Ein Bericht von Transparency International aus dem Jahr 2006 ergab, dass 40 Prozent der medizinischen Studien aus dem Jahr 2005 nachweislich gefälscht oder von ihren Sponsoren manipuliert worden waren.33 Ein Punkt, auf den in dieser Abhandlung zweifelsohne eingegangen wird, soll hier dennoch in Erinnerung gerufen werden: Ärzte und Wissenschaftler waren in der Nazi-​Partei stark überrepräsentiert, die eine Praxis betrieb, die auf der grotesken Pseudowissenschaft der Eugenik beruhte, die zu dieser Zeit der vorherrschende »wissenschaftliche Konsens« in der kapitalistischen Welt war.

In seinem Vortrag über »Die zwei Gesichter der Wissenschaft« stellte Richard Levins fest, dass »das grundlegende strategische Problem für die Eigentümer der Wissenschaft« darin bestehe, »dass sie Innovation brauchen … ohne den Skeptizismus und den Bildersturm der Aufklärung«.34 Kurz gesagt, sie brauchen, wie er es nennt, eine »bürgerliche Revolution in der Wissenschaft, aber nicht in der Kultur«. Er argumentiert, dass sie dies hauptsächlich dadurch erreichen können:

[…] indem man die Studenten auf immer engere Bereiche konzentriert, sie durch ihre Ausbildung hetzt, ihnen genügend Schulden aufbürdet, damit sie brav sind, und so tut, als sei das die Erweiterung des Wissens… Heutzutage befassen sich die meisten Biologiefakultäten mit der Biologie einer kleinen Art von Organismen, es gibt Studenten, die ihren Abschluss in Biologie gemacht haben, die nie durch einen Regenwald gewandert sind oder an einem Korallenriff geschnorchelt haben – die nie zu Boden gekrochen sind und den kleinen Viechern zugeschaut haben, wie sie sich in alle Richtungen verstreuen, oder einen Tag lang im Wald gesessen und den Mammutbäumen beim Wachsen zugesehen haben.35

Engelbrecht et. al. machen eine ähnliche Beobachtung, indem folgendes anmerken:

Die meisten Ärzte selbst … haben kaum mehr als ein laienhaftes Verständnis der Konzepte, die sich am Horizont der Molekularbiologie abzeichnen … wenn man die meisten Ärzte bitten würde, die unverwechselbaren Merkmale von Retroviren zu definieren … würden sie höchstwahrscheinlich mit den Schultern zucken oder eine verwirrende kryptische Antwort geben.36

Hier stoßen wir auf einen strukturellen Widerspruch, der dem wissenschaftlichen Fortschritt selbst zugrunde liegt: Je größer der Bestand an vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist, desto mehr muss jeder, der neue Wissenschaft betreiben will, durch Stellvertreter lernen und nicht durch unabhängige Überprüfung – selbst auf sekundärer oder tertiärer Ebene. Das heißt, dass man nicht nur die Experimente oder Studien, auf die man sich stützen muss, nicht reproduzieren und überprüfen kann, sondern dass man diese Studien nicht einmal überprüfen kann, ja nicht einmal die vermittelnde Institution, der man eine solche Überprüfung überlassen muss (zum Beispiel eine Aufsichtsbehörde oder ein Berufsverband, eine Zeitschrift, eine Universität usw.), ausreichend überprüfen kann. In der Tat müssen selbst diejenigen, die nur bis zu den bereits produzierten Grenzen innerhalb des engsten Fachgebiets vordringen wollen, unzählige Behauptungen akzeptieren, die in anderen Bereichen aufgestellt wurden, ohne sie je überprüfen oder auch nur sinnvoll bewerten zu können.

Der inzwischen zweifellos sehr gekränkte tapfere Verteidiger der modernen Medizin ruft an dieser Stelle sicherlich frustriert aus: »Das ist keine Frage des Glaubens oder der Ethik einzelner Wissenschaftler! Wir haben die Peer Review!« Diese Institution ist vielleicht die wichtigste Säule des MAIMS-​Mythos – doch wie effektiv ist sie tatsächlich? Ist sie der Aufgabe gewachsen, diese ungeheuren Tendenzen zu Korruption und Betrug einzudämmen? Richard Smith, der frühere Herausgeber des hoch angesehenen British Medical Journal (BMJ), stellte fest: »Peer Review ist langsam, teuer, eine Verschwendung von akademischer Zeit, höchst selektiv, anfällig für Voreingenommenheit, leicht zu missbrauchen, schlecht bei der Aufdeckung grober Fehler und fast nutzlos für die Aufdeckung von Betrug.« 1991 stellte er fest, dass es:

[…] vielleicht 30.000 biomedizinische Fachzeitschriften weltweit gibt und seit dem siebzehnten Jahrhundert ist ihre Zahl stetig um 7 Prozent pro Jahr gestiegen. [Dennoch werden nur etwa 15 Prozent der medizinischen Eingriffe durch solide wissenschaftliche Beweise gestützt … dies liegt zum Teil daran, dass nur 1 Prozent der Artikel in medizinischen Fachzeitschriften wissenschaftlich fundiert sind, und zum Teil daran, dass viele Behandlungen überhaupt nicht bewertet wurden.37

Engelbrecht et. al. stellen fest, dass von allen Betrugsfällen, die in Horace Judsons 2004 erschienenem Werk The Great Betrayal: Fraud in Science dokumentiert wurden, nicht ein einziger über das Begutachtungssystem aufgedeckt wurde.38 Die einfache Tatsache ist, dass das Peer Review denselben korrumpierenden Kräften unterworfen ist, die auch den oben beschriebenen MAIMS-​Komplex durchdringen; es steht nicht über ihnen. Bei den Gutachtern handelt es sich letztlich um einzelne Wissenschaftler, die äußerst schädlichen Anreizen ausgesetzt sind. Besonders aufschlussreich in dieser Hinsicht war die Entscheidung des hoch angesehenen New England Journal of Medicine (NEJM), seine Beschränkungen für Gutachter zu lockern und ihnen zu erlauben, auch dann weiter zu rezensieren, wenn sie bis zu 10.000 $ pro Jahr von Pharmaunternehmen erhielten – einschließlich Unternehmen, für deren Produkte sie in der Zeitschrift selbst direkt eintraten! Was war der Grund für diese fragwürdige Änderung der Politik? Das NEJM erklärte, dass es nicht mehr in der Lage sei, genügend Experten ohne finanzielle Verbindungen zur Pharmaindustrie zu finden.39

Mehr muss kaum gesagt werden. Engelbrecht et al. weisen auch darauf hin, dass der anonyme Charakter der Peer-​Review selbst problematisch ist: Um einen Artikel zu unterdrücken, genügt ein einziger Gutachter, der ein direktes persönliches Interesse daran hat, dass eine Studie nicht veröffentlicht wird, um deren Veröffentlichung zu verhindern! Darüber hinaus ist zu beachten, dass Peer-​Reviews nicht nur als unparteiische Richter über ein mehr oder weniger neutrales Korpus veröffentlichter Forschungsarbeiten fungieren, sondern über ein Korpus veröffentlichter Forschungsarbeiten, das bereits zutiefst voreingenommen ist. Es muss daran erinnert werden, dass die medizinische und wissenschaftliche Forschung in unserer heutigen Zeit nicht von demokratisch rechenschaftspflichtigen Einrichtungen im Dienste des Gemeinwohls durchgeführt wird, sondern von undurchsichtigen und geheimnisvollen Kräften, die privaten Profit und private Kontrolle anstreben. Es gibt unzählige Möglichkeiten, Studien zu verfälschen, um ein bestimmtes gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Ist das Ergebnis einmal gefunden, gibt es keinerlei Anreiz, die Studie zu wiederholen, um die Ergebnisse zu bestätigen. Wenn man die gewünschten Ergebnisse hat, warum sollte man dann noch weiter suchen? Dieses Phänomen wurde in der berühmten Arbeit von John Ioannidis aus dem Jahr 2005 aufgedeckt: »Warum die meisten veröffentlichten Forschungsergebnisse falsch sind«. Darin zeigt er auf, dass »die meisten veröffentlichten Forschungsergebnisse nicht den guten wissenschaftlichen Beweisstandards entsprechen … und viele wissenschaftliche Studien schwer oder gar nicht reproduzierbar sind … je größer die finanziellen und sonstigen Interessen und Vorurteile in einem wissenschaftlichen Bereich sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass die Forschungsergebnisse der Wahrheit entsprechen«.40

Die wichtigste Tatsache über die Forschung in der heutigen Zeit ist, dass die überwiegende Mehrzahl der Studien nicht veröffentlicht wird. Wenn eine Studie zu anderen als den von den Geldgebern gewünschten Ergebnissen führt, werden diese Ergebnisse selten veröffentlicht. In erster Linie liegt das natürlich daran, dass ein potenzieller Schaden oder eine mangelnde Wirksamkeit eines Produkts, das vielleicht doch noch in anderer Form auf den Markt kommt, kaum publik gemacht werden soll. Aber auch wenn ein Unternehmen nicht beabsichtigt, ein Produkt zu vermarkten, besteht ein erheblicher Anreiz, Daten über dessen Mängel nicht zu veröffentlichen, da dies potenziellen Konkurrenten helfen würde, die möglicherweise kostbare Zeit und Ressourcen für dieselben vergeblichen Versuche verschwenden müssten. Dies ist nur eine der unzähligen, eklatanten, strukturellen Ineffizienzen der privaten, profitorientierten (wie auch der verdeckten, von militärischen Geheimdiensten betriebenen) wissenschaftlichen Forschung.

Abgesehen von der offensichtlichen Ineffizienz hat dieses Phänomen noch weitaus bedeutendere Auswirkungen, wenn man es in seiner Gesamtheit betrachtet. Wie Jacob Stegenga in Medical Nihilism argumentiert, müssen wir erkennen, dass jede veröffentlichte Studie, die uns begegnet, eine kleine, sichtbare und zutiefst unrepräsentative Stichprobe ist, die aus einem riesigen Korpus unveröffentlichter Forschung stammt, die wir nicht sehen und nicht sehen können. Natürlich ist die veröffentlichte Forschung in zweierlei Hinsicht stark verzerrt: Es handelt sich fast ausnahmslos um Forschung, die eine positive Wirksamkeit und keine bis minimale Schäden für das untersuchte potenziell profitable Produkt oder die untersuchte Dienstleistung (oder ihre Vorläufer, Bestandteile usw.) nahelegt. Der weitaus größere Teil der Forschungsarbeiten, die nicht veröffentlicht werden, zeigt, dass die untersuchten Produkte entweder unwirksam, gefährlich oder beides sind. Die Bedeutung dieser Tatsache ist im medizinischen und insbesondere im pharmazeutischen Bereich noch größer, wo die Effektgrößen im Allgemeinen extrem klein sind. Wie Stegenga argumentiert, sind auch die Instrumente zur Bewertung medizinischer Produkte unglaublich formbar und unterliegen bewusster und unbewusster Voreingenommenheit – und zwar in der gesamten vermeintlichen Hierarchie von der Anekdote über die Beobachtungsstudie bis hin zur Meta-​Analyse. Und wenn man diese Faktoren angemessen abwägt, muss die offensichtliche und unvermeidliche Schlussfolgerung lauten, dass man der aktuellen wissenschaftlichen Forschung mit äußerster Skepsis begegnen sollte.

Man könnte sagen, dass die gegenwärtig praktizierte medizinische Wissenschaft auf einer tiefgreifenden, strukturellen Ebene von einem eingebauten Irrtum über den Prävalenzfehler durchdrungen ist. Für diejenigen, die mit diesem Phänomen nicht vertraut sind, mag hier eine kurze, vereinfachte Erklärung hilfreich sein. Wir können ein Beispiel heranziehen, mit dem inzwischen jeder bestens vertraut ist: Tests für Krankheiten. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Test mit einer falsch-​positiven Rate von 5 Prozent und einer falsch-​negativen Rate von Null. Nun stellen Sie sich vor, Sie wenden diesen Test auf eine Population von 1000 Personen an, von denen 40 Prozent tatsächlich an der betreffenden Krankheit erkrankt sind. Sie würden 430 positive Ergebnisse und 570 negative Ergebnisse erwarten. Alle negativen Ergebnisse sind echte Negative. 400 der positiven Ergebnisse wären echte positive Ergebnisse und 30 wären falsch positive Ergebnisse. Für viele Zwecke ist das kein schlechter Test. Wenn eine Person einen positiven Test erhält, kann sie mit 93 Prozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um ein echtes Positiv handelt. Stellen Sie sich nun vor, Sie würden den gleichen Test auf eine Population von 1000 Personen anwenden, von denen nur 20 (das heißt 2 Prozent) tatsächlich erkrankt sind. Sie würden 69 positive Tests und 931 negative Tests erwarten. Natürlich sind alle 931 Negativtests echte Negativtests, wie schon zuvor. Aber 49 der positiven Tests sind falsch-​positiv, während nur 20 richtig-​positiv sind. In einem solchen Szenario beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr positiver Test tatsächlich bedeutet, dass Sie krank sind, nur 29 Prozent.41 Wenn niemand an der Krankheit erkrankt wäre, gäbe es 50 positive Ergebnisse, von denen natürlich alle falsch positiv wären. Mit diesem Beispiel soll verdeutlicht werden, dass ohne ein angemessenes Verständnis des größeren Ganzen, von dem ein Teil der Daten oder Informationen eine Stichprobe darstellt, diese Stichprobe leicht falsch interpretiert werden kann.

Inwiefern ist dieser Irrtum für die moderne medizinische Wissenschaft im Allgemeinen charakteristisch? Nehmen wir an, Sie stoßen auf eine Studie, die in einer von Experten begutachteten Zeitschrift veröffentlicht wurde. Die Studie ist hervorragend konzipiert, und wenn sie signifikante Ergebnisse zeigt, sind wir vielleicht geneigt anzunehmen, dass diese positiven Ergebnisse ein wahres Phänomen widerspiegeln. Wenn die Studie also beispielsweise zeigt, dass ein Medikament wirkt, nehmen wir an, dass es tatsächlich wirkt. Das ist jedoch nicht anders, als wenn wir einen einzigen positiven Fall unseres oben beschriebenen sehr guten Tests betrachten und allein aufgrund der dem Test innewohnenden Falsch-​Positiv-​Rate davon ausgehen, dass er wirklich positiv ist. Wie wir gesehen haben, ist der Test zwar sehr genau, aber wenn niemand wirklich krank ist, kann man trotzdem ein positives Ergebnis erhalten, wenn man genügend Leute testet. Nehmen wir nun an, dass das Medikament tatsächlich nicht wirkt – dies ist vergleichbar mit unserem obigen Szenario ohne Krankheit. Wenn man die Studie einmal oder sogar zehnmal durchführt, würde man erwarten, dass jedes Mal ein »negatives« Ergebnis herauskommt: Es würde genau anzeigen, dass das Medikament tatsächlich nicht wirkt. Was aber, wenn man dieselbe Studie 50 Mal durchführt? Oder hundertmal? Dann könnte eine sehr gute Studie das gewünschte »falsch-​positive« Ergebnis liefern.

Das Problem bei der Bewertung von Forschungsergebnissen, die in Peer-​Review-​Zeitschriften veröffentlicht werden, besteht darin, dass wir keine Ahnung von der wahren Ausgangslage haben. Wenn wir auf eine Studie stoßen, die besagt, dass ein Medikament wirksam ist oder keinen Schaden verursacht, haben wir keine Ahnung, wie oft die gleichen oder vergleichbare Studien durchgeführt wurden, die etwas anderes besagen. Und wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Studien, die wir sehen, natürlich nicht einfach um eine Zufallsstichprobe aus einem Pool, den wir nicht sehen können, sondern um eine extrem unrepräsentative Stichprobe, bei der die »falsch-​positiven« Ergebnisse der scheinbaren Wirksamkeit oder die »falsch-​negativen« Ergebnisse der scheinbaren Sicherheit stark verzerrt sind. Und dies in einem Kontext, in dem die Studien selbst oft schon nicht sehr gut sind!42 Wie Stegenga schlussfolgert, müssen wir also unter den gegenwärtig vorherrschenden Bedingungen aus grundlegenden, epistemisch-​strukturellen Gründen ein minimales Vertrauen in die Behauptungen der medizinischen Wissenschaft bezüglich der Sicherheit oder Wirksamkeit von medizinischen Produkten haben. Stegenga, der aus einer durch und durch bürgerlichen, reformistischen Perspektive kommt, räumt sogar ein, dass ein Herumdoktern an den Rändern dieses Problems – bessere Instrumente für die Metaanalyse, strengere Standards für die Durchführung von Forschung – dieses tiefgreifende strukturelle Problem unmöglich überwinden kann.

Seine Schlussfolgerung ist angesichts dieser Tatsache jedoch defätistisch: Er plädiert für eine »sanfte Medizin«, um die offensichtlichen und sich immer weiter anhäufenden Netto-​Schäden zu mildern, die die Giftmedizin unserer heutigen Epoche für die Bevölkerung produziert. Das Problem ist jedoch nicht die Wissenschaft oder die Medizin an sich, sondern ihre kapitalistischen Fesseln. An einem bestimmten Punkt erreicht die Wissenschaft im Kapitalismus einen unvermeidlichen Wendepunkt, nach dem sie zunehmend in ihr Gegenteil verkehrt wird. Intern ist dies darauf zurückzuführen, dass mit der Zunahme des wissenschaftlichen Wissens der gesamte Wissenschaftsbetrieb vermittelt wird und immer mehr davon abhängt, dass man sich auf Institutionen und Berufsverbände verlassen kann, um sicherzustellen, dass das von anderen angesammelte Wissen selbst wissenschaftlich erarbeitet wurde. In dem Maße jedoch, wie sich der Kapitalismus zu einem imperialistischen Monopolkapitalismus entwickelt, wird die Fähigkeit solcher Institutionen und Gremien, einer direkten Unterordnung unter die Interessen (»Verschwörungen«) der herrschenden Klasse standzuhalten, immer aussichtsloser. In dem Maße, wie die große Masse der Bevölkerung unterdrückt, verdummt und daran gehindert wird, sich selbst mit Wissenschaft zu beschäftigen, wird es für den kleinen, hyper-​indoktrinierten und stark disziplinierten und kontrollierten Teil der Bevölkerung, der sich aktiv mit Wissenschaft beschäftigt, unmöglich, das tatsächlich produzierte Wissen und die Informationen zu verarbeiten. Wie wir gezeigt haben, ist dies nicht nur eine theoretische Spekulation, sondern kann empirisch nachgewiesen werden: Das Peer-​Review-​System wurde durch die supermonopolistischen Konzentrationstendenzen innerhalb des MAIMS nachweislich ausgehöhlt. Echte, den Massen zugute kommende, Wissenschaft in dem Ausmaß, in dem sie heute angeblich betrieben wird, wäre und wird nur unter Bedingungen möglich sein, unter denen sie direkt und transparent kontrolliert wird und den direkten demokratischen Interessen der gesamten Bevölkerung untergeordnet ist. Und wenn diese Bevölkerung von der Schufterei befreit, mit Bildung und Unabhängigkeit ausgestattet und selbst in der Lage ist, kollektiv die Art von Gremien und Mechanismen zu besetzen und zu betreiben, die ein solches Ausmaß an Informationsaustausch tatsächlich zufriedenstellend vermitteln könnten. Die entfremdete Arbeit einer Minderheit von »Experten«, die durch ihre Unterordnung unter die herrschende Klasse gefesselt und eingeschränkt ist, muss zum intellektuell und geistig erfüllenden, kollektiven Unternehmen von uns allen werden. Das weitere Aufblühen der Wissenschaft ist, kurz gesagt, nur im Kommunismus möglich.

Aus offensichtlichen Gründen sind die kleinbürgerlichen Elemente innerhalb der Bewegung, die sich gegen das Corona-​Programm wehren und die Virologie generell kritisieren, nicht daran interessiert, diese Realität anzuerkennen. Stattdessen befürworten sie im Allgemeinen absurde, unpraktische individualistische Lösungen, bei denen von den Menschen erwartet wird, dass sie sich irgendwie selbständig mit dieser Forschung befassen – jedes in sich geschlossene bürgerliche Atom, das vermutlich mit kartesianischen Betrachtungen beginnt und sich zu einer umfassenden, selbst erarbeiteten Weltanschauung vorarbeitet. Das ist eigentlich typisch für das allgemeine »Widerstandsprogramm« der kleinbürgerlichen »Skeptiker« und »Kritiker«: selber forschen, selber anbauen, recherchieren, was man essen soll und was nicht, raus aus dem Netz, etc. – es ist alles ganz einfach, man braucht nur grenzenlose Freizeit, unendliche Ressourcen und keine Verpflichtungen oder Bindungen!

Der gegenwärtige miserable und entwürdigende Zustand, in dem die große Masse der Weltbevölkerung lebt, ist nicht, wie die Anti-​Corona-​Rechte behauptet, auf ihre eigene Sündhaftigkeit, Faulheit, Idiotie oder Feigheit zurückzuführen. Es liegt daran, dass ein ungeheuerlich koordinierter, kalkulierter und rücksichtsloser Klassenkampf gegen sie geführt wurde. Natürlich haben die Massen ihrerseits Widerstand geleistet – offen und verdeckt, aktiv und passiv, an zahllosen großen und kleinen Kampfplätzen. Der Erfolg dieses Widerstands wurde jedoch vor allem durch die Dummheit, Feigheit und Naivität der kleinbürgerlichen Elemente behindert und begrenzt, die sich selbst als Anführer installiert haben, um ihn mit ihren Versöhnungsphantasien mit der herrschenden Klasse und individuellen Ausweichlösungen ständig zu konterkarieren.

Wenn man jedoch das wahre Ausmaß und die Natur dessen, womit wir konfrontiert sind, begreift, kann man nur eine Schlussfolgerung ziehen: Der einzige Weg, unsere eigene Gesundheit und die Gesundheit anderer tatsächlich zu erhalten und zu verbessern, ist der Klassenkampf. Die herrschende Klasse, die den MAIMS-​Komplex kontrolliert – diese riesige, grausame Maschinerie der Beherrschung, Ausbeutung und Entkräftung – muss ein für alle Mal gestürzt werden. Ohne revolutionäre Theorie kann es natürlich keine revolutionäre Bewegung geben – und das bedeutet, die Ideologien zu entlarven, die die herrschende Klasse einsetzt, um den Kampf des Volkes gegen sie zu untergraben, zu verwirren und zu entgleisen. In Teil 3 (bisher nur in englisch hier) werden wir zeigen, warum die Mainstream-​Virologie zu den bösartigsten dieser Ideologien gehört.

Danksagung

Dieser Aufsatz verdankt sich in hohem Maße dem Feedback, den Kommentaren und der Bearbeitung von Molly Klein, Karel Svoboda und Hieropunk. Auch die Kritik und Analyse von Jacob Levich sowie von Phil Greaves und dem Netzwerk von Kommentatoren und Forschern um sie herum hat ihn maßgeblich beeinflusst.

Verweise

2 Ivan Illich, Die Nemesis der Medizin: Die Kritik der Medikalisierung des Lebens, C.H. Beck, 4. Aufl. 1995, Kap. 4, hier übersetzt aus dem englischen OriginalIvan Illich, Medical Nemesis: The Expropriation of Health (New York: Pantheon, 1976), im Folgenden zitiert als: Illich, Nemesis der Medizin.

3 Jacob Stegenga, Medical Nihilism (Oxford: Oxford University Press, 2018) p. 7. (Henceforth: Stegenga, Medical Nihilism).

4 German Lopez, »9 Of 10 Top Drugmakers Spend More on Marketing than Research,« Vox (February 11, 2015), https://​www​.vox​.com/​2​0​1​5​/​2​/​1​1​/​8​0​1​8​6​9​1​/​b​i​g​-​p​h​a​r​m​a​-​r​e​s​e​a​r​c​h​-​a​d​v​e​r​t​i​s​ing.

5 Ebenda.

7 Ivan Illich, Nemesis der Medizin, Kap. 7.

8 Ebenda, Kap. 4.

9 Ebenda.

11 Silvia Federici, Caliban and the Witch, (Brooklyn: Autonomedia, 2004), pp. 139 – 140. (Zitate von Foucault).

12 Illich, Nemesis der Medizin, Kap. 4.

13 Richard Lewonten, »Biology as Ideology,« Lecture 3.

14 Illich, Nemesis der Medizin, Kap. 4.

15 Ebenda.

16 Jennifer Margulis, The Business of Baby (New York: Scribner, 2013) und Ina MayGaskin, Ina May’s Guide to Childbirth (New York: Bantam, 2003).

17 Illich, Nemesis der Medizin, Kap. 4.

18 Ebenda, Kap. 7

19 Ebenda, Kap. 4.

20 Stegenga, Medical Nihilism, S. 184.

21 Stegenga, Medical Nihilism, S. 5.

22 Engelbrecht et al., Virus-​Wahn, Einleitung.

23 Ebenda.

24 Ebenda, Kap. 8.

25 Wikipedia contributors, »National Childhood Vaccine Injury Act,« Wikipedia, The Free Encyclopedia, https://​en​.wikipedia​.org/​w​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​t​i​t​l​e​=​N​a​t​i​o​n​a​l​_​C​h​i​l​d​h​o​o​d​_​V​a​c​c​i​n​e​_​I​n​j​u​r​y​_​A​c​t​&​o​l​d​i​d​=​1​1​2​9​7​8​3​439 (accessed January 14, 2023). https://web.archive.org/web/20221125055505/https://en.wikipedia.org/wiki/National_Childhood_Vaccine_Injury_Act

26 Robert F. Kennedy Jr., »Deadly Immunity,« in Engelbrecht et. al., Virus Mania. Ch. 8.

27 Ebenda

28 Ebenda.

29 Ebenda.

30 Ebenda.

32 Brian Martinson, »Scientists behaving badly,« Nature, 9 June 2005, pp. 737 – 738 as cited in Engelbrecht et al., Virus Mania, Ch.2.

33 Robert F. Kennedy Jr., »Deadly Immunity,« in Ch. 8, Engelbrecht et. al., Virus Mania.

34 Richard Levins, »The Two Faces of Science«

35 Ebenda.

36 Engelbrecht et. al., Virus-​Wahn, Kap. 1.

37 Richard Smith, »Where is the Wisdom? The Poverty of Medical Evidence ‚« British Medical Journal 303, (Oct 5, 1991): S. 798.

38 Ebenda.

39 Ebenda.

40 Zitiert nach ebenda.

42 Allen Lesern sei die brillante Parodie von Richard Levins auf die moderne medizinische Forschung ans Herz gelegt, die den gesamten Abschnitt auf einer Seite prägnant auf den Punkt bringt: »Scientific Method for Today’s Market,« The Mathematical Intelligencer, 37 (1), 47 – 47, 2015 (March 1). https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00283-014‑9488‑7.pdf?pdf=button

Bild: »Wundenmann«, 16. Jahrhundert (wikimedia commons)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert