Der indis­kre­te Charme des Faschis­mus – Nazi-Girls in Augs­burg »zu Ehren« von Bert Brecht

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In Augs­burg wird der 125. Geburts­tag von Ber­tolt Brecht began­gen. Auf­ge­bo­ten wird dafür auch eine Grup­pe von pro-faschis­ti­schen ukrai­ni­schen »Per­for­me­rin­nen«, die mit ihrer anti­rus­si­schen Show einer­seits die For­de­run­gen west­li­cher Pro­pa­gan­da bedie­nen, ande­rer­seits das Ange­den­ken und Werk Brechts schänden.

»Von 10. Febru­ar bis 19. Febru­ar fin­det das Brecht­fes­ti­val 2023 zu Ehren Bert Brechts statt«, heißt es auf der Web­site der Stadt Augs­burg: »Die Stadt wür­digt den gebür­ti­gen Augs­bur­ger, der zu den bedeu­tends­ten, deut­schen Schrift­stel­lern des 20. Jahr­hun­derts zählt, auch in die­sem Jahr mit einem zehn­tä­gi­gen Festival.«

Von der Instal­la­ti­on »The Histo­ry of Brecht’s Peo­p­le« über das Schau­spiel »Sau­nah. Ein Dra­ma in drei Auf­güs­sen«, einem Fest­ban­kett, zu dem die Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Clau­dia Roth ihre Erschei­nung ange­droht hat, einem öffent­li­chen Din­ner bis zum Auf­tritt des Ober­baye­ri­schen Volks­trach­ten­ver­eins erwar­tet die Besu­cher ein abwechs­lungs­rei­ches Pro­gramm, das mehr oder weni­ger mit Ber­tolt Brecht zu tun haben könnte.

Der abso­lu­te Knal­ler des Brecht­fes­ti­vals ist aller­dings der Auf­tritt der Dakh Daugh­ters aus der Ukrai­ne mit ihrem »Sze­ni­schen Kon­zert: Ukrai­ne Fire« am 12. Febru­ar 2023. Sie waren schon 2021 bei der »Coronamaßnahmen«-bedingten Digi­tal­aus­ga­be des Fes­ti­vals zu sehen, »wie Gei­shas geschminkt«, merk­te die Süd­deut­sche Zei­tung (01.03.2021) an. Die Web­site preist sie so an: »Die Dakh Daugh­ters sin­gen von Uto­pie und poli­ti­scher Selbst­be­stim­mung, von der viel­schich­ti­gen Iden­ti­tät ihres Lan­des und gegen den impe­ria­lis­ti­schen Feld­zug Putins. Seit dem Ein­marsch Russ­lands in die Ukrai­ne befin­det sich die Band im Exil und tourt mit der Pro­duk­ti­on ›Ukrai­ne Fire‹ durch Euro­pa. Eine mit­reis­send wie ergrei­fen­de thea­tra­le, musi­ka­li­sche Per­for­mance mit poli­ti­scher Hal­tung und Bot­schaft.« (Fal­sche Schrei­bung im Ori­gi­nal) Die Grup­pe selbst nennt ihr Pro­gramm »einen Pro­test gegen das Ver­bre­chen der rus­si­schen Trup­pen« (Köl­ner Stadt­an­zei­ger, 19.08.2022).

Die poli­ti­sche Hal­tung und Bot­schaft haben es in sich: »Auf der Büh­ne des Euro­mai­dan, das Rie­sen­trans­pa­rent mit der Auf­schrift ›Für eine euro­päi­sche Ukrai­ne‹ im Rücken wird die Kie­wer Frau­en-Band Dakh Daugh­ters lan­des­weit bekannt«, schreibt die taz am 07.04.2022 unter dem Titel »Die Gothik-Girls vom Mai­dan«. Ihr Regis­seur Vlad Troits­ky bekennt kurz danach anläss­lich eines Kon­zerts im Ham­bur­ger Tha­lia-Thea­ter (das für die ukrai­ni­sche Kriegs­par­tei Geld sam­melt), dass es sich um »einen spe­zi­fi­schen Bei­trag von Künstler*innen zu den Kriegs­an­stren­gun­gen« han­delt (taz, 18.04.2022 – feh­ler­haf­te Schrei­bung im Ori­gi­nal). »Eine Art Front­thea­ter im Kampf gegen Russ­lands Aggres­si­on«, nennt es der Tages­spie­gel (25.06.2022).

Beim »Euro-Mai­dan« (eigent­lich US-Mai­dan) stan­den die­se Künst­le­rin­nen auf der Büh­ne zur Unter­ma­lung der Reden von Ver­tre­tern des »Rech­ten Sek­tors« und der faschis­ti­schen Swo­bo­da-Par­tei. Jetzt klagt die Band »die­sen Krieg Russ­lands zur Zer­stö­rung der Ukrai­ne« als »eine Kata­stro­phe für die gan­ze demo­kra­ti­sche Welt, die gan­ze Mensch­heit« an (Rhei­ni­sche Post, 11.08.2022). »Die seit Mona­ten all­ge­gen­wär­ti­ge blau-gel­be Flag­ge wird aus­ge­rollt, unter ›Sla­va Ukraini‹-Rufen dan­ken die Dakh Daugh­ters dem Publi­kum für die west­li­che Soli­da­ri­tät mit ihrer Hei­mat«, schreibt Kon­rad Kög­ler (27.01.2023).

Susann Witt-Stahl zitiert in der jun­gen Welt (10.02.2023) eine »Daugh­ter« namens Solo­mia Mel­nyk: »Wir wol­len nicht gegen die Tra­di­tio­nen unse­rer Eltern kämp­fen, son­dern gegen ihren ›Sowje­tis­mus‹. Wir sind die Krie­ger der Gegen­kul­tur, die das, was wich­tig ist, hoch­hal­ten und den Leu­ten den Sowok (Schimpf­wort für den Sowjet­men­schen) aus der See­le fegen müs­sen.« Die jW-Autorin: »Sie hul­di­gen dem Mili­tär, den ›mäch­tigs­ten, stärks­ten und klügs­ten Men­schen unse­res Lan­des – unse­ren Krie­gern des Lichts‹. Und so begrüß­te die Grup­pe die Frei­las­sung eini­ger Kom­man­deu­re des Nazi­re­gi­ments Asow im Zuge eines Gefan­ge­nen­aus­tauschs mit über­bor­den­der Freu­de: ›Möge Gott ihnen Kraft geben!‹ «. So ver­wun­dert es kaum, dass And­rei Bilez­ki, Mit­be­grün­der der Nazi-Par­tei­en Ukrai­ni­sche Patrio­ten und Rech­ter Sek­tor sowie des Asow-Regi­ments, die Damen, die sich selbst als »Ban­de­ris­tin­nen« bezeich­nen, mit einer Urkun­de aus­ge­zeich­net hat – »mit dem von ehe­ma­li­gen SS-Insi­gni­en ent­lehn­ten Asow-Wolfsangel-Emblem«.

In einer Zeit, in der »Sla­va Ukraini«-Rufe der ukrai­ni­schen Faschis­ten-Kol­la­bo­ra­teu­re durch den Deut­schen Bun­des­tag, den US-Kon­gress wie durch das EU-Par­la­ment gel­len, ist das auf einer Augs­bur­ger Fes­ti­val-Büh­ne eigent­lich kei­ne Beson­der­heit. Auch mit ihrer Ban­de­ra-Ver­eh­rung ste­hen die Pin-Up-Girls des ukrai­ni­schen Faschis­mus bekannt­lich nicht allein: Für And­rei Mel­nyk, den Vize-Außen­mi­nis­ter und ehe­ma­li­gen Bot­schaf­ter der Ukrai­ne in Deutsch­land, gilt Ste­pan Ban­de­ra als Vor­kämp­fer für eine unab­hän­gi­ge Ukrai­ne, wäh­rend er Ban­de­ras Ver­ant­wor­tung für Mas­sen­mor­de sei­ner Orga­ni­sa­ti­on Ukrai­ni­scher Natio­na­lis­ten (OUN) mit hun­dert­tau­sen­den Toten als Hilfs­trup­pe der deut­schen Faschis­ten verneint.

Wer aber bit­te soll eigent­lich auf die­se Wei­se in Augs­burg geehrt wer­den? Ber­tolt Brecht war Ver­folg­ter des deut­schen Nazi­re­gimes, seit 1930 stör­ten SS- und SA-Hor­den Brecht-Auf­füh­run­gen, nach dem Reichs­tags­brand am 27./28.02.1933 (infol­ge des­sen der Frei­den­ker-Vor­sit­zen­de Max Sie­vers und wei­te­re füh­ren­de Frei­den­ker-Funk­tio­nä­re sowie Kom­mu­nis­ten und Sozi­al­de­mo­kra­ten ver­haf­tet wur­den) reis­te Brecht mit Fami­lie und Freun­den aus Deutsch­land aus und erhielt nach vie­len Exil­sta­tio­nen erst 1941 ein Ein­rei­se­vi­sum für die USA – um bereits ab 1942 als »feind­li­cher Aus­län­der« vom FBI über­wacht zu wer­den. Schon im Mai 1933 wur­den sei­ne Wer­ke in Deutsch­land Opfer der Bücher­ver­bren­nun­gen, 1935 ent­zo­gen ihm die Faschis­ten die deut­sche Staatsbürgerschaft.

Nach­dem aber in Deutsch­land von Poli­ti­kern und Main­stream-Medi­en das Nazi-Pro­blem in der Ukrai­ne geleug­net und als »rus­si­sche Des­in­for­ma­ti­on« abge­tan wird, die man als Feind­pro­pa­gan­da zwecks Ruhe an der Hei­mat­front unter­drü­cken muss, ist es natür­lich auch kein Pro­blem mehr, Bert Brecht mit den Fans sei­ner vor­ma­li­gen Bedrän­ger zu »ehren«.

Klaus Hart­mann ist Prä­si­dent der Welt­uni­on der Frei­den­ker und stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des, von des­sen Web­site frei​den​ker​.org der Arti­kel über­nom­men wur­de Erst­ver­öf­fent­li­chung am 14.02.2023 auf RT DE

Bild: Dakh Daugh­ters, 2014 (Raphaël Vinot CC BY 2.0)

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