Was wir heute erleben, ist eine extreme Entfaltung dieses Paradigmas und gleichzeitig seine rechtzeitige Umkehrung. Die Hauptaufgabe der Regierungen scheint darin zu bestehen, unter den Bürgern ein Gefühl der Unsicherheit und sogar der Panik zu verbreiten, das mit der extremen Einschränkung ihrer Freiheiten einhergeht, die gerade in dieser Unsicherheit ihre Rechtfertigung findet. Die sich entgegenstehenden Paradigmen sind heute nicht mehr Freiheit und Sicherheit, sondern, um es mit Barclays Worten zu sagen: »Gib den Menschen Unsicherheit, und sie werden die Freiheit aufgeben«. Es ist daher nicht mehr von Belang, dass sich die Regierungen als fähig erweisen, Probleme und Katastrophen zu meistern: Die Unsicherheit und der Notfall, die heute die einzige Grundlage ihrer Legitimität sind, dürfen keinesfalls beseitigt werden, sondern – wie wir heute mit der Ersetzung des Krieges gegen das Virus durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine sehen – nur auf eine Art und Weise artikuliert werden, die konvergiert, aber jedes Mal anders ist. Eine solche Regierung ist im Wesentlichen anarchisch in dem Sinne, dass sie keine Prinzipien hat, an die sie sich halten kann, außer dem Ausnahmezustand, den sie produziert und perpetuiert.
Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die kybernetische Dialektik zwischen Anarchie und Ausnahmezustand eine Schwelle erreichen wird, über die hinaus kein Lotse mehr in der Lage sein wird, das Schiff zu steuern, und die Menschen werden in dem nun unvermeidlichen Schiffbruch sich erneut über die Freiheit befragen müssen, die sie so unklugerweise geopfert haben.
Bild: Steinrelief eines am Kölner Rheinufer geborgenen Reliktes aus dem 1. Jahrhundert. Es zeigt ein Schiffsheck mit einem römisch gekleidetem Steuermann an der Ruderpinne. Die ihm zugewandt sitzenden Knechte auf der Ruderbank wurden durch Bärte und Kleidung als »Barbaren« (Einheimische) dargestellt. Begleittext und Ort der Ausstellung: Römisch Germanisches Museum in Köln (Howi)