Es ist immer noch unse­re Raf­fi­ne­rie. Unser Land. Unse­re Zukunft

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Rede von Lia­ne Kilinc, gehal­ten auf der »Soli­da­ri­täts­kund­ge­bung mit den Beschäf­tig­ten der PCK-Raf­fi­ne­rie und ihren Fami­li­en« am 29.10.2022 in Schwedt.

Mei­ne ers­te Rede hier in Schwedt war Anfang Juli, die zwei­te Anfang August. Damals war vie­les nur eine Befürch­tung, was sich inzwi­schen bewahr­hei­tet hat, und heu­te ist unüber­seh­bar: die­se Bun­des­re­gie­rung führt zwei Kriege.

Den ers­ten führt sie in der Ukrai­ne gegen Russ­land. Den zwei­ten führt sie gegen die eige­ne Bevöl­ke­rung. Denn wie sonst soll­te man eine Poli­tik bezeich­nen, die die Men­schen mas­sen­wei­se ver­ar­men lässt, die Indus­trie still legt und dem gan­zen Land die Zukunfts­per­spek­ti­ve nimmt?

Damals, im Juli, hat­te ich gesagt:

Unse­re Bun­des­re­gie­rung hat sich den Sank­tio­nen gegen Russ­land ange­schlos­sen; damit haben sie die Inter­es­sen aller Beschäf­tig­ten in Deutsch­land preis­ge­ge­ben, denn ohne Ener­gie gibt es kei­ne Indus­trie. Ganz egal, wel­che Fan­ta­sien ein Robert Habeck zusam­men­spinnt. So, wie es ohne Dün­ger weni­ger Nah­rungs­mit­tel gibt, und ohne Die­sel kei­ne Waren in den Supermärkten.

Inzwi­schen steigt die Infla­ti­on in Höhen, die nie­mand von uns bis­her erlebt hat, und der ein­zi­ge Grund, war­um sie zuletzt wie­der behaup­tet haben, die Gas­vor­rä­te könn­ten mit Glück durch den Win­ter rei­chen, ist, dass gro­ße Tei­le der ener­gie­in­ten­si­ven Indus­trie bereits nicht mehr arbei­ten. Inzwi­schen wur­den drei der vier Strän­ge der Nord Stream Gas­pipe­lines gesprengt, und die Bun­des­re­gie­rung hüllt sich dazu in Schweigen.

Etwas ande­res bleibt ihr auch nicht übrig; die gan­ze Welt weiß, dass die Ame­ri­ka­ner das waren, und womög­lich hat eben die­se Bun­des­re­gie­rung das auch noch abge­nickt, weil dann nie­mand mehr for­dern kann, Nord Stream 2 zu öff­nen, und sie damit ihre Ver­ar­mungs­po­li­tik als »alter­na­tiv­los« ver­kau­fen kön­nen. Sie ist es aber nicht. Nie und unter kei­nen Umstän­den ist es alter­na­tiv­los, die arbei­ten­den Men­schen zu ent­eig­nen und ins Elend zu schi­cken, um die Kon­ten der Mil­li­ar­dä­re zu pols­tern. Ja, der Mil­li­ar­dä­re – die Hälf­te der Erhö­hung der Gas­prei­se, das hat die UNC­TAD fest­ge­stellt, ist das Ergeb­nis von Spe­ku­la­ti­on. Einer Spe­ku­la­ti­on, die die EU ermög­licht hat, und die auch die Bun­des­re­gie­rung nicht antas­ten will. Nein, sie ver­teilt lie­ber klei­ne Trost­pfläs­ter­chen, die von sechs Mona­ten Heiz­pe­ri­ode gera­de mal für einen reichen.

Ich den­ke, ich muss euch nicht mehr vor­be­ten, wie skan­da­lös die Gas- und Strom­rech­nun­gen sind, die den Leu­ten mitt­ler­wei­le ins Haus flat­tern. Jeder dürf­te die Bei­spie­le ken­nen. Und die Hälf­te der Erhö­hung geht direkt an die Spe­ku­lan­ten. Das sind die gro­ßen Inves­to­ren wie Black­rock, für die wir alle blu­ten sollen.

Eigent­lich müss­te jede Regie­rung, die auch nur ansatz­wei­se das Wohl ihrer Bevöl­ke­rung im Blick hat, jetzt die Plä­ne für Schwedt ändern. Sie müss­te sagen, wenigs­tens die­se Lebens­ader dür­fen wir nicht auch noch selbst durch­tren­nen, nach­dem unse­re trans­at­lan­ti­schen Freun­de schon über Nord Stream her­ge­fal­len sind. Wir brau­chen die­ses Öl. Wir brau­chen jedes biss­chen bezahl­ba­re Ener­gie. Aber, wie gesagt, die­se Regie­rung führt Krieg gegen ihr eige­nes Volk.

Und man kann an ihrem Han­deln in Bezug auf die Ukrai­ne sehen, wie wenig ihr Men­schen wert sind. Denn nicht nur, dass acht Jah­re Krieg im Don­bass ver­schwie­gen wur­den, dass man die Mins­ker Abkom­men, die eine fried­li­che Lösung ermög­licht hät­ten, nicht umge­setzt hat; seit Mona­ten wer­den stän­dig Geld und Waf­fen nach Kiew geschickt, und hier wer­den den Men­schen Lügen auf­ge­tischt, über die tol­le, demo­kra­ti­sche und auch noch sieg­rei­che Ukrai­ne. In Wirk­lich­keit wer­den die ukrai­ni­schen Sol­da­ten hem­mungs­los ver­heizt, in Offen­si­ven, die im Wes­ten eine net­te Schlag­zei­le brin­gen, aber Hun­der­te, Tau­sen­de das Leben kos­ten, ohne jeden mili­tä­ri­schen Nut­zen. Dut­zen­de von Mili­tär­ex­per­ten sagen, die Ukrai­ne hat die­sen Krieg eigent­lich schon längst ver­lo­ren, sie müss­te ver­han­deln. Im März gab es Ver­hand­lun­gen in Istan­bul. Die­se Ver­hand­lun­gen hät­ten eine Lösung gebo­ten und stan­den kurz vor dem Ziel. Und dann flog der bri­ti­sche Pre­mier­mi­nis­ter Boris John­son nach Kiew und sorg­te dafür, dass die Ver­hand­lun­gen abge­bro­chen wur­den. Das stand sogar in Zei­tun­gen im Wes­ten. Also auch und gera­de im Inter­es­se der Ukrai­ner, der ein­fa­chen Men­schen in der Ukrai­ne, müss­te die Bun­des­re­gie­rung auf Ver­hand­lun­gen drän­gen. Aber sie schickt mehr Geld und mehr Waf­fen, weil es nicht um die Ukrai­ne geht, son­dern um die glo­ba­le Macht einer Hand­voll Län­der unter der Füh­rung der USA. Und für die­se glo­ba­le Macht wird alles aufs Spiel gesetzt. Auch unser Land, unse­re Zukunft.

Damals, als die­se Pipe­line und die­se Raf­fi­ne­rie gebaut wur­de, ein Zei­chen unse­res Bünd­nis­ses mit der Sowjet­uni­on, wäre uns das nicht pas­siert. Mei­ne Hei­mat DDR war ein sou­ve­rä­ner Staat. Egal, was in der west­li­chen Pro­pa­gan­da behaup­tet wur­de – unser dama­li­ger Ver­bün­de­ter hat mit uns Pipe­lines gebaut und sie nicht zer­stört. Das Bünd­nis, in dem sich die­ses Deutsch­land befin­det, die NATO, ist ein Bünd­nis der Zer­stö­rung. Die­se Raf­fi­ne­rie ist ihnen nicht nur ein Dorn im Auge, weil sie kein rus­si­sches Öl wol­len. Sie ist ihnen ein Dorn im Auge, weil sie dafür steht, dass die Völ­ker mit­ein­an­der etwas bau­en kön­nen. Weil sie einen Frie­den sym­bo­li­siert, den die Herr­schen­den weder im Inne­ren noch nach Außen haben wollen.

Es ist die Freund­schaft und nicht der Raub, die Län­der blü­hen lässt.

Wobei wir nicht ver­ges­sen dür­fen, bei all dem Elend, das hier in Deutsch­land gera­de ange­rich­tet wird, dass die Völ­ker drei­er Kon­ti­nen­te, Latein­ame­ri­kas, Afri­kas und Asi­ens, jetzt, in die­sen Mona­ten, eine Befrei­ung erle­ben, die Macht der USA und ihrer Ver­bün­de­ten abschüt­teln und einen Weg in eine Zukunft fin­den, die auf fried­li­cher Zusam­men­ar­beit beruht. Wir wuss­ten auch ein­mal, wie das geht, des­halb heißt die Pipe­line, die das Öl lie­fert, auch Drusch­ba-Freund­schaft. Und wir müs­sen uns dar­an wie­der erin­nern, wenn wir nicht nur für Schwedt, son­dern für ganz Deutsch­land eine Zukunft wol­len. Die gibt es nicht, wenn man an der Sei­te der Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka dar­um kämpft, den Rest der Welt in Unter­wer­fung zu hal­ten. Es gibt sie dann, wenn wir uns auf die rich­ti­ge Sei­te der Geschich­te stel­len – Frie­den mit den Völ­kern, Frie­den mit Russ­land und Chi­na, Zusam­men­ar­beit statt Unter­wer­fung und Unter­stüt­zung statt Plünderung.

Es ist immer noch unse­re Raf­fi­ne­rie. Unser Land. Unse­re Zukunft.

Die Herr­schen­den sind zum Frie­den nicht fähig. Aber wir sind es.

Lia­ne Kilinc ist Vor­sit­zen­de des Ver­eins »Frie­dens­brü­cke-Kriegs­op­fer­hil­fe e.V.« und Mit­glied des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des, von des­sen Web­site frei​den​ker​.org der Arti­kel über­nom­men wur­de, Erst­ver­öf­fent­li­chung auf welt​netz​.tv

Bild: Werks­ein­gang zum VEB Petrol­che­mi­sches Kom­bi­nat (PCK), Bun­des­ar­chiv, Bild 183-U0705-0309 / Zim­mer­mann, Peter / CC-BY-SA 3.0

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