Stein­mei­ers neu­es­te Durch­hal­te­re­de an die Deut­schen: Die­ses »Wir« gibt es nicht

Lese­zeit11 min

Ein unschul­di­ger Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er hilft der unschul­di­gen Ukrai­ne? Mit­nich­ten. Stein­mei­er hat mit dafür gesorgt, die­se Ban­de­ra-Ukrai­ne zu schaf­fen, er ist einer der Brand­stif­ter. Und jetzt bedenkt er die Deut­schen mit Durchhalteparolen.

Wenn es eine Per­son gibt, die die Hin­ter­grün­de des Kon­flikts in der Ukrai­ne genau ken­nen muss, dann ist das Frank-Wal­ter Stein­mei­er. Von 1999 bis 2005 war er Chef des Kanz­ler­amts. Wäh­rend der ers­ten Farb­re­vo­lu­ti­on in der Ukrai­ne, im Jahr 2004, war er damit der Geheim­dienst­ko­or­di­na­tor und hat­te dem­entspre­chend alle ver­füg­ba­ren Infor­ma­tio­nen über die­sen ers­ten west­li­chen Ver­such, die Ukrai­ne voll­stän­dig unter die Ideo­lo­gie von Ban­de­ra zu stel­len und gegen Russ­land zu rich­ten. Er weiß mit Sicher­heit auch genau über die deut­sche Rol­le in die­sem Spiel Bescheid.

2014, wäh­rend des zwei­ten Anlaufs durch den Mai­dan, war er deut­scher Außen­mi­nis­ter. Er schloss zusam­men mit sei­nen pol­ni­schen und fran­zö­si­schen Kol­le­gen das ver­häng­nis­vol­le Abkom­men mit der »Oppo­si­ti­on«, das dazu führ­te, dass der recht­mä­ßig gewähl­te ukrai­ni­sche Prä­si­dent Janu­ko­witsch die Bewa­chung der Regie­rungs­ge­bäu­de zurück­zog, wor­auf­hin sie am Fol­ge­tag gestürmt wer­den konn­ten. Stein­mei­er hat die Put­schis­ten sofort anerkannt.

Stein­mei­er war an den Ver­hand­lun­gen der Mins­ker Ver­ein­ba­run­gen betei­ligt, hat aber wider bes­se­res Wis­sen bestän­dig die fal­sche Aus­sa­ge ver­brei­tet, die »Sepa­ra­tis­ten« müss­ten sofort die Kon­trol­le über die Gren­ze zu Russ­land an Kiew über­ge­ben. Nie­mand in die­ser Repu­blik trägt mehr Ver­ant­wor­tung für den heu­ti­gen Zustand der Ukrai­ne als Frank-Wal­ter Stein­mei­er. Nie­mand kann weni­ger behaup­ten, nicht zu wis­sen, mit wel­chen Kräf­ten, wel­cher Ideo­lo­gie man es in Kiew zu tun hat. Er wird die Infor­ma­tio­nen über Odes­sa eben­so auf sei­nem Schreib­tisch vor­ge­fun­den haben wie die wirk­li­chen Daten der OSZE, mit den Anga­ben, wer im Don­bass auf wen schießt. Die heu­ti­ge Außen­mi­nis­te­rin Anna­le­na Baer­bock könn­te sich noch mit Unkennt­nis und Dumm­heit her­aus­re­den. Stein­mei­er kann das nicht. Er weiß genau, wie scham­los er lügt.

Und das tut er. Man neh­me nur die­sen einen Satz sei­ner neu­es­ten Rede, in der er bezo­gen auf den 24. Febru­ar die­ses Jah­res sagt: »Für nie­man­den ist der Schre­cken die­ses Mor­gens so ent­setz­lich wie für die Men­schen in der Ukrai­ne selbst.« Die alte Schlan­gen­zun­ge im Bel­le­vue weiß natür­lich, dass der Krieg in der Ukrai­ne an die­sem Tag schon bei­na­he acht Jah­re alt war. Er weiß, wel­che Schre­cken er mit sich brach­te. Man darf nie ver­ges­sen, dass irgend­wie dann doch in den Appa­ra­ten der Diens­te rea­le Infor­ma­tio­nen durch­drin­gen; auch, was Fol­ter und Ter­ror durch Kiew betrifft. Und die Geschmacks­rich­tung der Ent­wick­lung war spä­tes­tens seit dem 2. Mai 2014 in Odes­sa gesetzt, wenn nicht bereits seit Stein­mei­ers Hand­schlag mit dem Nazi Tja­g­ni­bok in Kiew einen Tag vor dem Putsch.

Die­ser Stein­mei­er lässt sich eine Rede schrei­ben, in der er vol­ler Pathos vom »Schre­cken des Krie­ges« spricht, der am 24. Febru­ar begon­nen habe: »der unge­heu­re Lärm der Ein­schlä­ge, der Rauch, das Feu­er, ihre jähe, pure Angst.« Ich war im Früh­jahr 2015 in Donezk und habe dort mit Men­schen gespro­chen, die seit über einem hal­ben Jahr in einem sowje­ti­schen Atom­bun­ker haus­ten. Ein Bun­ker, des­sen Wän­de mit Bil­dern der Geschüt­ze deko­riert waren, die ein­mal gebaut wor­den waren, um sie zu schüt­zen, aber seit Mona­ten auf sie abge­feu­ert wur­den. Ich habe die Zwei­ge gese­hen, die unter den Bäu­men lagen, wie nach einem schwe­ren Gewit­ter mit Hagel, nur dass die­ser Hagel aus einem Geschütz des glei­chen Namens kam. Der Schre­cken des Krie­ges begann in der Ukrai­ne am 24. Febru­ar 2022? Ist das eine nach­träg­li­che Aner­ken­nung der Volks­re­pu­bli­ken Donezk und Lugansk, indem er impli­zit erklärt, die unzäh­li­gen Geschos­se, die dort ein­schlu­gen, hät­ten nicht in der Ukrai­ne ein­ge­schla­gen und kei­ne Ukrai­ner getroffen?

»Mei­ne Damen und Her­ren, jede und jeder von Ihnen erin­nert sich an die­sen 24. Febru­ar. Auch ich. Das Sire­nen­ge­heul und der dunk­le Rauch über Kiew, die schreck­li­chen Bil­der die­ses Mor­gens, sie gin­gen mir unter die Haut.« Das sagt der Mann, der weni­ge Tage nach dem ent­setz­li­chen faschis­ti­schen Mas­sa­ker von Odes­sa die Stadt besuch­te und es nicht für nötig befand, auch nur einen Blu­men­strauß für die Opfer am Gewerk­schafts­haus nie­der­zu­le­gen. Ein Gewerk­schafts­haus, das übri­gens an genau jenem Datum zum Mas­sen­grab wur­de, an dem einst die Nazis in Deutsch­land die Gewerk­schafts­häu­ser stürm­ten. Am 2. Mai 1933. Ein Datum, des­sen Bedeu­tung Stein­mei­er ken­nen muss­te, als Sozi­al­de­mo­krat. Aber er woll­te sei­ne Gesprächs­part­ner in Kiew nicht ver­är­gern, die in bei­den Vari­an­ten des zwei­ten Mai auf der Sei­te der Erstür­men­den standen.

Selbst wenn er damals Staats­rai­son ins Feld füh­ren konn­te, er hat es auch danach zu kei­nem Zeit­punkt erfor­der­lich gefun­den, das, was in Odes­sa gesche­hen ist, zur Kennt­nis zu neh­men und zumin­dest Bedau­ern aus­zu­drü­cken. Der 24. Febru­ar 2022 war kein Epo­chen­bruch. Der hat­te bereits statt­ge­fun­den, am 2. Mai 2014, als der gesam­te Wes­ten ein faschis­ti­sches Mas­sa­ker in Euro­pa im schwar­zen Loch der Infor­ma­ti­ons­blo­cka­de ver­schwin­den ließ.

»Eine Zeit, gezeich­net von Krieg, Gewalt und Flucht, von Sor­ge vor der Aus­wei­tung des Krie­ges zum Flä­chen­brand in Euro­pa.« Nun, Herr Stein­mei­er, Sie hat­ten es in der Hand, vie­les zu ver­hin­dern. Sie haben es nicht getan. Sie haben Öl ins Feu­er gegos­sen. Die Mins­ker Ver­ein­ba­run­gen mit aus­ge­han­delt, aber dann kei­ne Hand gerührt, sie umzu­set­zen, und dann noch die Dreis­tig­keit beses­sen, Russ­land zu beschul­di­gen und Sank­tio­nen zu ver­hän­gen, weil es die­se Ver­ein­ba­run­gen nicht umge­setzt habe. Dabei waren es all die Jah­re über die Regie­ren­den in Kiew, die die Umset­zung blo­ckier­ten, und ihre west­li­chen Freun­de, die sie dar­in bekräf­tig­ten; Sank­tio­nen gegen Frank-Wal­ter Stein­mei­er wegen Nicht­um­set­zung der Mins­ker Ver­ein­ba­run­gen, das hät­te Sinn gemacht. Das hät­te einen der Brand­stif­ter getroffen.

Schon das bestän­di­ge »wir«, das sich Stein­mei­er anmaßt, erzeugt Ekel; ich will mit so jeman­dem in kei­nem »wir« gebün­delt wer­den, und ein­zig der Blick aus mei­nem Mos­kau­er Fens­ter beru­higt mich wie­der mit der Erkennt­nis, dass ich das nicht mehr bin. Dass die völ­lig ver­lo­ge­ne Welt­sicht, die Stein­mei­er prä­sen­tiert, etwas ist, das ich ein­fach weg­kli­cken kann, igno­rie­ren, ver­ges­sen. Und es ist nicht nur die Vor­ge­schich­te der Ukrai­ne, die Stein­mei­er verzerrt.

Die Jah­re vor dem 24. Febru­ar waren für Deutsch­land eine Epo­che mit Rücken­wind. (…) Es waren Jah­re der Frie­dens­di­vi­den­de, von der wir Deut­sche in der Mit­te des ver­ein­ten Euro­pa reich­lich pro­fi­tiert haben.

Kann ja sein, Stein­mei­er hat in sei­nem lan­gen Leben als Berufs­po­li­ti­ker nie gelernt, Sozi­al­sta­tis­ti­ken zu lesen, oder er lei­det unter Alz­hei­mer und hat daher ver­ges­sen, dass er Kanz­ler­amts­chef einer Regie­rung war, die die Hartz-Geset­ze zu ver­ant­wor­ten hat­te. Für die gewöhn­li­che arbei­ten­de Bevöl­ke­rung bestand die »Frie­dens­di­vi­den­de« seit dem Ende der DDR in Sozi­al­ab­bau und bestän­di­ger Lohn­drü­cke­rei. Das ein­zig ehr­li­che an sei­ner Aus­sa­ge besteht im Gebrauch des Wor­tes Divi­den­de. Divi­den­den gehen näm­lich nur an die Aktio­nä­re. Das ist durch­aus die rich­ti­ge Ver­or­tung, wenn man dar­über spricht, wer vom deut­schen Export­boom pro­fi­tiert hat. Weil er eben­so sehr auf der Lohn­drü­cke­rei wie auf güns­ti­gen rus­si­schen Ener­gie­trä­gern beruh­te, waren es ein­zig die Divi­den­den­be­zie­her. Von dem, was die­se Poli­tik für allein­er­zie­hen­de Müt­ter wie mich bedeu­te­te, wol­len wir gar nicht erst reden.

»Unser deut­sches Glück präg­te unse­ren Blick auf die Welt.« Ver­gli­chen mit der Ent­wick­lung der Pro­duk­ti­vi­tät und der Lohn­ent­wick­lun­gen in den euro­päi­schen Nach­bar­län­dern lie­gen deut­sche Löh­ne, und damit auch diver­se Sozi­al­leis­tun­gen und Ren­ten, um über ein Drit­tel zu nied­rig. Schon vor der aktu­el­len Infla­ti­on. Für Stein­mei­er ist das deut­sches Glück. Und er könn­te mit die­ser Sicht sogar Erfolg haben, denn was all die Jah­re über ein lang­sa­mer, bestän­di­ger Angriff auf den Lebens­stan­dard des gemei­nen Vol­kes war, ist in die­sem Jahr in einen offe­nen Krieg über­ge­gan­gen; da mag man­cher in Ver­su­chung gera­ten, die elen­de Ver­gan­gen­heit zum Glück zu verklären.

Wir haben auf inter­na­tio­na­le Koope­ra­ti­on gesetzt und nach Regeln gespielt. (…) In sei­ner impe­ria­len Beses­sen­heit hat der rus­si­sche Prä­si­dent das Völ­ker­recht gebro­chen, Gren­zen in Fra­ge gestellt, Land­raub begangen.

Ach ja. Nach Regeln gespielt. Auf Koope­ra­ti­on gesetzt. Stein­mei­er weiß genau, wie die Grie­chen erpresst wur­den, damals, mit den Troi­ka-Ver­trä­gen. Stein­mei­er kennt die vie­len Geschmacks­rich­tun­gen der Knecht­schaft, die über die EU eta­bliert wird. Und ich wür­de nicht aus­schlie­ßen, dass es Stein­mei­er selbst war, der die gan­ze Ukrai­ne-Num­mer mit dem Zün­der ver­se­hen hat­te. Der Mai­dan 2013/14 wur­de durch ein Ulti­ma­tum aus­ge­löst, das die EU Janu­ko­witsch gestellt hat­te, nach­dem die­ser das Asso­zi­ie­rungs­ab­kom­men nach­ver­han­deln woll­te. War es even­tu­ell der deut­sche Außen­mi­nis­ter Stein­mei­er, der die­se neu­en Ver­hand­lun­gen um jeden Preis ver­hin­dern woll­te und lie­ber einen gewalt­sa­men Umsturz in Kiew anzet­tel­te? Ich mei­ne nur mal so, bezüg­lich des »Spiels nach Regeln«.

Wirk­lich inter­es­sant an Stein­mei­ers Rede ist eigent­lich nur, dass er an der Vor­stel­lung von Groß­deutsch­land fest­hält. Immer noch. Wie in sei­ner Rede 2015, der mit »Euro­pa füh­ren, um die Welt zu füh­ren«. »Dass ein Land wie unse­res in der Kri­tik steht, dar­an wer­den wir uns gewöh­nen müs­sen. Schau­en wir auf die USA, sie haben viel Übung dar­in.« So kann man das auch for­mu­lie­ren. Korea, Viet­nam, Nica­ra­gua, unzäh­li­ge Mili­tär­put­sche wie in Chi­le und Argen­ti­ni­en, die Finan­zie­rung von Ter­ror­grup­pen wie Al-Qai­da und dem IS… Stimmt, die USA haben viel Übung dar­in, bis zu den Knien in Blut zu waten, das macht sie nicht wirk­lich beliebt, um es freund­lich aus­zu­drü­cken. Wie vie­le Opfer hät­te denn Frank-Wal­ter ger­ne auf der deut­schen Lis­te, als »dar­an wer­den wir uns gewöh­nen müssen«?

Von uns wird Füh­rung erwar­tet, Füh­rung im Inter­es­se Euro­pas. Ent­schei­dend ist nicht der Applaus des Publi­kums. Ent­schei­dend ist die Stär­kung Europas.

Natür­lich darf man dabei kei­nen Moment ver­ges­sen, dass Stein­mei­er für die­je­ni­gen arbei­tet, die die Divi­den­de emp­fan­gen. Der Rest gehört mit zum »Publi­kum«, so wie alle Län­der des Südens. Auf die man, das erklärt er auf sehr sub­ti­le Art und Wei­se, indem er ihnen die Rol­le als Han­deln­de abspricht, kei­ne Rück­sicht neh­men darf.

»Russ­lands Angriffs­krieg (…) ist ein Angriff auf alles, wofür auch wir Deut­sche ste­hen.« Noch ein­mal – Stein­mei­er kennt die Wahr­heit. Er weiß, wer die Mör­der in Odes­sa waren, er weiß, wer den Don­bass bom­bar­diert hat, er weiß das alles. Er weiß, wel­che ver­bre­che­ri­sche Ideo­lo­gie in Kiew pro­pa­giert wird, und er weiß auch, wie sich die­se Ideo­lo­gie in kon­kre­tes Han­deln umsetzt. Nie­mand in Deutsch­land weiß das bes­ser als Frank-Wal­ter Stein­mei­er. Ist das Regime in Kiew wirk­lich das, »wofür auch wir Deut­sche ste­hen«? Wirk­lich? Eiser­ne und ande­re Kreu­ze inbe­grif­fen, Heil der Ukrai­ne und Moskals ans Mes­ser, die ver­kohl­ten Lei­ber im Gewerk­schafts­haus von Odes­sa oder die aus­ge­tausch­ten Gefan­ge­nen aus dem Don­bass, die mit in die Haut ein­ge­brann­ten Haken­kreu­zen zurück­ka­men? Ist es das, wofür »wir Deut­sche« ste­hen? Noch ein­mal? Oder immer noch?

Wenn es die Ver­tre­ter der deut­schen Medi­en nicht wis­sen oder nicht wis­sen wol­len, wenn Baer­bock es nicht weiß, weil ihr ver­mut­lich schon der Ver­stand fehlt, es zu begrei­fen, Stein­mei­er weiß haar­ge­nau, war­um Putin von der »Ent­na­zi­fi­zie­rung« der Ukrai­ne gespro­chen hat. Er weiß auch, was er sagt, wenn er erklärt, das sei, »wofür wir Deut­sche ste­hen«. Ein Wir, des­sen Teil ich um kei­nen Preis der Welt sein will. Mein Deutsch­land steht auch bei die­ser Wie­der­ho­lung auf der ande­ren Seite.

Ein Frie­de wür­de »für vie­le Men­schen in der Ukrai­ne eine Schre­ckens­herr­schaft bedeu­ten«? Ja, wenn ein Krü­mel die­ser Macht in Kiew bleibt, dann bleibt auch die Schre­ckens­herr­schaft erhal­ten, die dort seit acht Jah­ren besteht, mit ihren Fol­ter­kel­lern, ihrer Denun­zia­ti­on, ihrem ideo­lo­gi­schen Wahn. Aber das meint Stein­mei­er natür­lich nicht. Ein Frie­den wür­de »sie der Will­kür und Gewalt ihrer rus­si­schen Besat­zer über­las­sen.« Das kann man in Deutsch­land erzäh­len, ohne Bele­ge dafür zu haben. Und gleich­zei­tig ver­drän­gen, dass es wirk­li­che, ech­te, unab­weis­ba­re Bele­ge gibt für die Ver­bre­chen die­ser Ban­de­ra-Nazis, die sich gera­de­zu einen Spaß dar­aus machen, ihren his­to­ri­schen Vor­bil­dern nach­zu­ei­fern. Nicht erst seit Febru­ar die­ses Jah­res. Schon vor dem Putsch 2014 gab es die­se Auf­nah­men aus Kor­sun, als Bus­se von Anti-Mai­dan-Demons­tran­ten von der Krim auf dem Rück­weg auf­ge­hal­ten wur­den. Auch damals haben sie sich stolz gefilmt, die­se Faschis­ten, und die Bil­der ins Netz gestellt, von den Men­schen, die sie aus dem Bus zerr­ten, die sie auf den Scher­ben der zer­schla­ge­nen Fens­ter knien lie­ßen. Frank-Wal­ter Stein­mei­er hat­te ver­mut­lich auch dar­über einen Bericht auf sei­nem Schreibtisch.

»Ein Frie­de, der die Unab­hän­gig­keit und Frei­heit der Ukrai­ne bewahrt.« Hät­te er »wie­der­her­stellt« gesagt, es wäre mög­lich. Vor­aus­ge­setzt, die rus­si­sche Armee erobert Kiew. Eine Unab­hän­gig­keit der Ukrai­ne gibt es näm­lich gera­de nicht. Öko­no­misch nicht, weil das Land nur noch funk­tio­niert, wenn wil­li­ge Spen­der Mil­li­ar­den um Mil­li­ar­den zuschie­ßen, um eine Regie­rung zu stüt­zen, die ihr Land erfolg­reich rui­niert hat (was abseh­bar an ein Ende kom­men wird, wenn die jet­zi­ge deut­sche Regie­rung mit Deutsch­land erfolg­reich das­sel­be getan hat); poli­tisch nicht, weil Selen­s­kij selbst nach west­li­chen Aus­sa­gen nur nach den Vor­ga­ben sei­ner west­li­chen Pup­pen­spie­ler han­delt. Ein Land, das Frie­dens­ver­hand­lun­gen abbricht, weil ein bri­ti­scher Minis­ter­prä­si­dent das sagt, ist nicht sou­ve­rän. Ein Land, das sich eine lebens­wich­ti­ge Pipe­line weg­bom­ben lässt, übri­gens auch nicht.

Nein, egal, wie Stein­mei­er es for­mu­liert, ob er von dem, »was uns im Kern aus­macht« oder von »die­ser neu­en Zeit«, die »jeden Ein­zel­nen for­dert«, spricht, ich wer­de die Bil­der nicht los, nicht die von den Fackel­mär­schen für Ban­de­ra, nicht die aus Odes­sa 2014, nicht die ein­ge­brann­ten Haken­kreu­ze, nicht die SS-Runen auf ukrai­ni­schen Uni­for­men, die schwar­ze Son­ne, auch nicht die Auf­nah­men, auf denen Men­schen die Keh­le durch­ge­schnit­ten wird, sie erhängt, erschos­sen, leben­dig begra­ben wer­den. Das ist die Ukrai­ne, an deren Sei­te »wir« ste­hen. Und wenn Stein­mei­er Durch­hal­te­pa­ro­len aus­gibt, für einen Win­ter des Elends, den die Bun­des­re­gie­rung selbst geschaf­fen hat, und auf kom­men­den Hun­ger mit dem Spruch reagiert »Bewei­sen wir jetzt unse­re Stär­ke in der Ver­än­de­rung«, dann sehe ich hin­ter sei­nem gan­zen Gere­de von »Wider­stands­kraft« und »Gift des Popu­lis­mus«, von »Zusam­men­halt«, »Empa­thie« im »Gegen­wind«, am »Schei­de­punkt«, der »Her­aus­for­de­rung«, in der »wir unse­re Kraft jetzt nicht im täg­li­chen Gegen­ein­an­der ver­geu­den« sol­len, irgend­wie die­se Sprü­che und die Ästhe­tik sei­ner ukrai­ni­schen Freun­de ver­schmel­zen, und übrig bleibt ein altes Pla­kat des Winterhilfswerks…

»Alles stär­ken, was uns ver­bin­det«? Nein, auf kei­nen Fall. Uns, Herr Stein­mei­er, Sie und mich, ver­bin­det gar nichts. Sie haben Ihre Ent­schei­dung spä­tes­tens 2014 getrof­fen, und Mil­lio­nen tra­gen heu­te die Fol­gen Ihrer Ein­mi­schung in der Ukrai­ne. Mei­ne Ent­schei­dung fiel eben­falls 2014. Die ent­schei­den­de Front, die zwi­schen einer huma­nis­ti­schen Welt, in der ein wirk­li­cher Völ­ker­frie­den mög­lich ist, und einer hem­mungs­lo­sen Herr­schaft, die dem Inter­es­se der Divi­den­den­emp­fän­ger alles und jeden zum Opfer bringt, ver­läuft genau zwi­schen uns.

Sie läuft über den gan­zen Glo­bus, sie ver­läuft zwi­schen dem Wes­ten und dem über­gro­ßen Rest der Mensch­heit, aber sie ver­läuft auch zwi­schen uns. Sie läuft mit­ten durch Deutsch­land, zwi­schen denen, die sich an der Spe­ku­la­ti­on mit dem poli­tisch erzeug­ten Gas­man­gel mäs­ten und den Mil­lio­nen, die frie­ren müs­sen, gleich, wie vie­le sal­bungs­vol­le Wor­te ihnen noch um die Ohren gehau­en werden.

Dag­mar Henn ist Mit­glied des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des, von des­sen Web­site frei​den​ker​.org der Arti­kel über­nom­men wur­de. Erst­ver­öf­fent­li­chung am 28.10.2022 auf RT DE

Bild: Tref­fen des Prä­si­den­ten der Ukrai­ne mit dem Bun­des­prä­si­den­ten der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land in Kiew, 25. Okto­ber 2022 (Pre​si​dent​.gov​.ua)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert