Die Nachrichten an die Völker der Europäischen Union, die rund 450 Millionen Bürger und Arbeitnehmer der 27 EU‐Länder, scheinen heute mehr denn je dunkel und unverständlich. Aber genau: sie scheinen: denn in Wahrheit erweisen sich diese Dunkelheit und Unverständlichkeit schon bei den ersten Versuchen einer rationalen Lektüre der Ereignisse, bei den ersten Versuchen, sie miteinander in Beziehung zu setzen, als das, was sie sind: bedachtsam gewählte Instrumente der »Stimme« der anglo‐amerikanischen und europäischen Achse, um das imperialistische Narrativ zu verankern, für die »Wahrheit« aus dem Labor, für ein Massendenken, das immer mehr auf ein »synthetisches Bakterium« reduziert wird.
Die einhellige imperialistische »Vox« – die aufgrund ihrer ausgelöschten »Armeen« weitaus furchteinflößender ist als Santiago Abascals wenn auch schreckliche spanische »Vox«, für die Giorgia Meloni arbeitet – manipuliert die Fakten wie ein »Drei Glocken (Becher) Spieler«: sie präsentiert sie, wobei sie entweder die für sie günstigen Details hervorhebt oder die für sie ungünstigen weglässt. Zusätzlich bringt sie noch ihre Reihenfolge durcheinander, so dass das »synthetische Bakterium« des gleichgeschalteten Denkens niemals die Zusammenhänge zwischen den so präsentierten Fakten herstellen kann. Das Spiel »Drei Glocken« gilt nach italienischem Recht als Betrug, und diejenigen, die es praktizieren, als kriminelle Vereinigung. In dem Unterschied zwischen einem Betrug, der auf den Tischen eines Trüffelfestes begangen wurde, und dem erschreckend wissenschaftlichen Schaffen eines von Geburt an verblendeten Massenverstandes, liegt die ganze Wahrheit über die Macht des Kapitals.
Im Lichte dieser Prämisse versuchen wir, die Ereignisse, die in diesem ersten Teil des Oktobers stattgefunden haben, neu zu lesen: Fakten, an denen die imperialistische »Vox«, die anglo‐amerikanische und europäische Einheitsfront gearbeitet haben, um sie von Elementen zu befreien, welche eine Gefahr für das Imperium darstellen, und schließlich von Zusammenhängen und Schlussfolgerungen. Also: von jedem Sinn.
Der offenkundig erste Fakt, der in der Abfolge der Ereignisse dieses Oktobers entschlüsselt werden muss, ist das des Friedensvorschlags zwischen der Ukraine und Russland, der von dem US‐amerikanischen Multimilliardär und Unternehmer Elon Musk lanciert wurde. Musks Plan, der zwischen dem 3. und 4. Oktober öffentlich vorgestellt wurde, besteht aus vier Punkten:
- Erneute Durchführung von Referenden in Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson, diesmal in Anwesenheit von UN‐Beobachtern. Der Sinn dieses ersten Punktes des »Musk‐Vorschlags« ist klar: Das JA zur Vereinigung dieser vier Gebiete des Donbass mit der Russischen Föderation ist eine ausgemachte Sache, selbst mit der Anwesenheit von UN‐Beobachtern, und der Sieg eines von den Vereinten Nationen sanktionierten JA würde leichter den Weg zu entscheidenden Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine öffnen;
- der zweite Punkt des »Musk‐Plans«: die endgültige Abtretung der Krim an Russland, »da die Krim« – wie der Plan behauptet – »seit 1783 russisches Hoheitsgebiet ist«. Auch in diesem zweiten Punkt wird die Absicht deutlich, die auf Entspannung und eine friedliche Beilegung des anhaltenden Konflikts zwischen Moskau und Kiew abzielt;
- der dritte Punkt sieht die friedliche Lösung einer Frage vor, die in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, objektiv aber von enormer Bedeutung für das tägliche Leben der gesamten Krimbevölkerung und voller strategischer Implikationen ist: Es geht um die Wasserversorgung, die Kiew heute sämtlichen Krimbewohnern (Tataren, Russen, Ukrainern) weitgehend verweigert. Der Punkt sieht eine Rückkehr zur vollen Wasserversorgung vor. Auch das zeigt, wie sehr der »Musk‐Plan« auf eine friedliche Lösung des Konflikts drängt;
- im vierten Punkt wird die strategische Neutralität der Ukraine vorgeschlagen. Es ist der Punkt, den Russland immer an die erste Stelle gesetzt hat, der Punkt, der bereits als zentrale Frage in dem Brief enthalten war, den Putin im Dezember 2021 an die USA und die NATO schickte. Der Brief bat um sofortige Friedensverhandlungen (ausgehend von der strategischen Neutralität der Ukraine, das heißt vom Verzicht der Ukraine, zu dem riesigen, mit nuklearen und chemischen Waffen ausgestatteten NATO‐Stützpunkt zu werden, in den sie sich verwandelte). Dieser Brief Putins wurde weder von Biden noch von NATO‐Generalsekretär Stoltenberg berücksichtigt.
Aber wer ist Elon Musk und warum bringt er den 4‑Punkte‐Friedensplan auf den Weg?
Musk ist einer der mächtigsten und reichsten amerikanischen Geschäftsleute und unter anderem Eigentümer jener riesigen Satellitennetze, die er – auch mit Zustimmung des US‐Kongresses – Zelensky zur Verfügung gestellt hat. Sie waren (zusammen mit dem gigantischen Sigonella‐Satellitenradar der USA und des ukrainischen Nazifaschismus) entscheidend für die jüngsten Vorstöße der ukrainischen Truppen an den Grenzen des Donbass. Das hochmoderne Satellitensystem von Musk hat es der ukrainischen Armee bisher ermöglicht, in kürzester Zeit (wir sprechen hier von Scans, die nicht länger als 20 Minuten dauern) russische Truppenverlegungen und ‑bewegungen im Donbass zu lokalisieren und sie anzugreifen, wobei es auch ihre Stärke und Organisationsstruktur im Gelände einschätzen kann. Die Zeit, die den Russen bleibt, um die ukrainischen Truppen aufzuspüren, scheint 24 Stunden zu betragen. Ein Nachteil für die russischen Truppen, der zusammen mit dem immensen Arsenal, das Zelensky von den USA, der NATO, Großbritannien und der EU zur Verfügung gestellt wurde, einer der Gründe für ihren Rückzug in dieser Phase war.
Aber warum bringt Musk, der Lieferant des entscheidenden Satellitensystems für die ukrainische Armee, diesen 4‑Punkte‐Friedensplan auf den Weg?
Musk ist aufgrund seines immensen wirtschaftlichen und – wie wir gesehen haben – militärischen Einflusses in der Republikanischen Partei eine »verborgene Macht«. Im November finden in den USA die wichtigen Zwischenwahlen statt, für die sich Biden und die Demokratische Partei in Gefahr sehen und für die ein Sieg der Republikaner vorausgesagt wird. Nach Ansicht von Musk und eines inzwischen großen Teils der Republikaner hat der Aderlass der US‐Wirtschaft für Zelensky die Wählerzustimmung für die Demokratische Partei bereits stark reduziert. Und ein Ende des Konflikts, das auch mit Zugeständnissen an Putin und die Führung der Republikaner einhergeht, könnte Biden und seiner Partei den endgültigen Todesstoß versetzen. Wir befinden uns in einem Paradoxon, das sich aus der erheblichen Überschneidung der strategischen Ansichten von Demokraten und Republikanern ergibt: In diesem Stadium ist es die Republikanische Partei, die aus wahltaktischen Gründen am meisten an einem Ende des Konflikts zwischen Moskau und Kiew interessiert ist.
Bis jetzt wurde der 4‑Punkte‐Plan von Musk von den extremistischen Flügeln der USA, der NATO und der EU abgelehnt. Folglich hat das westliche Mediensystem, die imperialistische »Vox«, ihn bisher dem Wissen der Völker des Westens vorenthalten. Dieselbe »Vox« gab mit großem Nachdruck die Antwort weiter, die der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, auf Musks Friedensplan gab: »Hier ist meine diplomatische Antwort: Fickt euch!«
Durch die »diplomatische Antwort« von Andrij Melnyk kommen wir zu einem zweiten Thema, an dem das imperiale Mediensystem in dieser ersten Oktoberhälfte gearbeitet hat, um es aus dem Zusammenhang zu reißen, zu einem isolierten Fakt und zu Gold und Ruhm für Zelensky zu machen. Wir sprechen vom »Zelensky‐Dekret«, das nicht zufällig genau nach dem Start des 4‑Punkte‐Plans von Elon Musk veröffentlicht wurde. Ein Dekret, das sowohl mit dem von den amerikanischen Geheimdiensten erfundenen Schreckgespenst des »Einsatzes von Atombomben« durch Russland als auch mit dem Vormarsch der ukrainischen Armee jegliche Vorstellbarkeit von Friedensverhandlungen mit Russland gewaltsam zurückweist.
Was wir damit sagen wollen, ist, dass das westliche Mediensystem verhindert hat, dass das Zelensky‐Kriegsdekret als Folge und Antwort auf den Moschus‐Friedensplan betrachtet wird. Dies geschah im geradezu liturgischen Bestreben, den Mann zu heiligen, der die Ukraine mit Unterstützung des riesigen westlichen Militärarsenals und desjenigen der ukrainischen neo-»banderitischen« faschistischen Bewegung in Atem hält: den blutrünstigen Komiker Wolodymyr Zelensky.
Aber es gibt noch ein drittes Ereignis, das sich logisch in diesen westlichen reaktionären, kriegstreiberischen Ansatz der ersten Oktoberhälfte einfügt: die Resolution des Europäischen Parlaments vom 6. Oktober, eine Resolution, die nach dem Start von Musks Plan und nach Zelenskys »Kriegsdekret« veröffentlicht wurde.
Die Resolution, die in ihrem Kriegsnarrativ nicht das kleinste Schlupfloch für Friedensverhandlungen lässt und stattdessen völlig von einer protoimperialistischen Russophobie des neunzehnten Jahrhunderts geprägt ist, ist bereits in ihrer semantischen und konzeptionellen Textur beeindruckend.
Man muss nur die vorbereitenden Artikel für das endgültige Urteil gegen Russland (»in Anbetracht …«) der Resolution lesen, um die Bedeutung »animalischer Geister« darin zu beurteilen:
- »… unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters im Namen der Europäischen Union vom 28. September 2022 zu den von Russland in den Regionen Donezk, Cherson, Luhansk und Saporischschja organisierten illegalen Farce‐Referenden«, in der die Liquidierung der Referenden im Donbass als »illegale Farce« bereits in ihrer ganzen imperialistischen Arroganz erscheint;
- »… unter Hinweis auf die Pressemitteilung der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom 28. September 2022 zu einem neuen Paket restriktiver Maßnahmen gegen Russland und die Botschaft des Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel vom 30. September 2022 zur illegalen Annexion ukrainischer Regionen durch Russland«, wo Strafmaßnahmen gegen Russland und die Definition der Ergebnisse des Referendums im Donbass als »illegale Annexion« wieder aufgegriffen werden
- »… unter Hinweis auf die Erklärungen des Hohen Vertreters im Namen der Europäischen Union vom 22. September 2022 zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und vom 28. September 2022 zu den Gaslecks in der Nord‐Stream‐Pipeline«, wo die russische Intervention in der Ukraine als Aggression abgetan wird, wobei alle Maßnahmen der NATO, die dieser »Aggression« vorausgingen, unter den Tisch gekehrt werden. Es wird auf die Gaslecks in der Nord‐Stream‐Pipeline verwiesen, für die Russland verantwortlich gemacht wird, obwohl die Möglichkeit einer ukrainischen terroristischen Intervention nach dem derzeitigen Stand weiterhin besteht
- »… in der Erwägung, dass die Russische Föderation als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen eine besondere politische Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt trägt und dennoch durch ihr aggressives Vorgehen gegen die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine wiederholt gegen die Grundsätze der UN‐Charta verstoßen hat, dass sie sich offen über die internationale Gemeinschaft hinweggesetzt, indem sie ihre rechtswidrigen Handlungen unter Verletzung der UN‐Charta während der UN‐Generalversammlung ankündigte«: auch hier wird wieder mit einer totalen und vorurteilsbehafteten Dämonisierung Russlands argumentiert, als ob der »Putsch« von 2014 in Kiew, der zum Sieg der nazifaschistischen, pro‐amerikanischen, pro‐NATO‑, pro‐EU‑, antirussischen und antikommunistischen Bewegung führte, jemals existiert hätte; die Einkreisung Russlands durch die NATO vom Pol bis nach Georgien und das schreckliche, historisch und moralisch unverzeihliche, aber immer ungesühnt gebliebene Massaker, das das Asow‐Bataillon acht Jahre lang an den prorussischen Völkern des Donbass verübte, die sich entschieden hatten, sich von der »banderitischen« Ukraine zu lösen und sich der Russischen Föderation anzuschließen: bereits 2014 durch jene ultralegalen Referenden, die zu den Volksrepubliken des Donbass führten;
- »… in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft die Ukraine weiterhin mit moderner Ausrüstung, Munition, Ausbildung und dem Austausch nachrichtendienstlicher Erkenntnisse unterstützt, und dass das jüngste Beispiel für eine solche Unterstützung die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs durch den US‐Kongress ist, mit dem mehr als 12,3 Milliarden Dollar an Unterstützung bereitgestellt werden«: ein vollständiges Eingeständnis zumindest der außerordentlichen Militär‐ und Wirtschaftshilfe des Westens für die Zelenski‐Regierung, die im eigenen Land u.a. von der nazifaschistischen Bewegung unterstützt wird.
- »… in der Erwägung, dass die ukrainische Armee nach Angaben ukrainischer Beamter moderne Kampfpanzer, weitere Boden‐Luft‐ und Boden‐Boden‐Systeme, gepanzerte Truppentransportfahrzeuge sowie zusätzliche Ausbildungszentren und weitere Beiträge in Form von Munition benötigt«: Hier wird klar, dass auf Ersuchen der Armee zusätzliche, leistungsfähige und hochentwickelte militärische Mittel sowie weitere Unterstützung für die militärische Ausbildung in die Ukraine geschickt werden sollen;
- »… in der Erwägung, dass Präsident Volodymyr Zelensky am 30. September bekannt gegeben hat, die Ukraine habe offiziell einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Nordatlantikvertrags‐Organisation (NATO) gestellt«: man versteht, dass die EU den sofortigen Beitritt der Ukraine zur NATO mit allen damit verbundenen brandgefährlichen Konsequenzen befürwortet.
Und nachdem all dies und mehr mit dem friedlichen Geist eines Dr. Seltsam festgestellt wurde, kommt die EU‐Resolution auf den Punkt und
- »… fordert die Mitgliedstaaten und andere Länder, die die Ukraine unterstützen, auf, ihre militärische Hilfe massiv zu verstärken, insbesondere in den Bereichen, in denen sie von der ukrainischen Regierung angefordert wird. So soll die Ukraine in die Lage versetzt werden, die vollständige Kontrolle über ihr gesamtes international anerkanntes Hoheitsgebiet wiederzuerlangen und sich wirksam gegen jede weitere Aggression Russlands zu verteidigen; sie fordert, dass die Einrichtung eines langfristigen Instruments für militärische Leihgaben an die Ukraine in Betracht gezogen wird; appelliert insbesondere an die zögernden Mitgliedstaaten, ihren angemessenen Anteil an der militärischen Unterstützung zu leisten, die für eine schnellere Beendigung des Krieges erforderlich ist; weist darauf hin, dass das Zögern derjenigen, die die Ukraine unterstützen, den Krieg nur verlängert und das Leben unschuldiger Ukrainer kostet; appelliert an die Staats‐ und Regierungschefs der EU, eine dauerhafte Einigkeit zwischen gleichgesinnten Mitgliedstaaten und Ländern herzustellen, um die Ukraine uneingeschränkt und bedingungslos gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen«.
Und als ob die Kriegstreiberei noch weiter betont werden müsse, fügt sie hinzu:
- »… fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen‐ und Sicherheitspolitik auf, Waffenlieferungen über den Koordinierungsmechanismus des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) zu koordinieren, einschließlich einer EU‐Initiative für die Lieferung fortschrittlicher Waffensysteme wie Leopard‐Panzer; fordert die Mitgliedstaaten auf, unverzüglich mit der diesbezüglichen Ausbildung ukrainischer Soldaten zu beginnen.«
Prima: diese blutige Entschließung des EU‐Parlaments, die von den Volksvertretern, den Sozialisten, den Liberalen, den Grünen und den Konservativen vorgeschlagen wurde, wurde mit 504 Ja‐Stimmen, 26 Nein‐Stimmen und 36 Enthaltungen angenommen. Ein späterer Änderungsantrag zur Entschließung (der den antirussischen Rahmen nicht aufhob, aber zumindest die Aufnahme von Friedensverhandlungen forderte), der von der Fraktion der Linken (GUE), in der auch die kommunistischen Parteien der EU vertreten sind, eingebracht wurde, wurde mit 436 Nein‐ und 118 Ja‐Stimmen abgelehnt. Hervorzuheben ist die Ablehnung des Änderungsantrags durch die PD (obwohl innerhalb ihrer Fraktion positiv für den Änderungsantrag der Linken gestimmt wurde), die Fratelli d‘Italia und die Forza Italia, die in ihrer Russophobie und der Heiligsprechung von Zelensky vereint sind. Von großer Bedeutung war hingegen das Votum der M5S oder auch der Lega für den Änderungsantrag der Linken. In einer Zeit, in der Conte, wenn auch mit allen Widersprüchen, die Demonstrationen für den Frieden in Italien lanciert, sollte das mit Interesse betrachtet werden.
Auch im Falle der wahrhaft gefährlichen Resolution des EU‐Parlaments, die eine Fortsetzung des Krieges und ein neues und mächtiges wirtschaftlich‐militärisches Engagement gegen Russland und, nachrangig, an der Seite der USA und der NATO fordert, muss hervorgehoben werden, was im allgemeinen Mainstream unterschlagen wird: Die Resolution kommt nach dem »Kriegsdekret« von Zelensky, das wiederum nach dem Friedensplan von Elon Musk kam.
All die »Zufälle«, die Geschehnisse, die sich scheinbar zufällig in das allgemeine Muster der zunehmenden Stärkung des imperialistischen Kriegsapparats fügen, diese »Zufälle« füllen den gesamten ersten Teil dieses Oktobers 2022.
Wir sprechen von der »nützlichen« (für die gesamte imperialistische und kriegstreiberische Front) Verleihung des Friedensnobelpreises 2022 an den Weißrussen Ales Bjaljazki, die russische Menschenrechtsorganisation »Memorial« und die ukrainische Menschenrechtsorganisation »Zentrum für bürgerliche Freiheiten«.
Ales Bjaljazki war bereits in den 1980er Jahren ein Aktivist und dann ein Anführer der liberalen und pro‐amerikanischen Kämpfe gegen die Sowjetunion. Sein Kampf richtete sich gegen das Weißrussland von Präsident Alexander Lukaschenko, gegen jenes Weißrussland also, das sich den Schmeicheleien, Erpressungen und Drohungen der USA und der NATO nicht beugte und sich nie dem westlichen Lager und der Atlantischen Allianz anschließen wollte, sondern im Gegenteil eine enge Beziehung zur Russischen Föderation unterhielt. Hier hat der heutige Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski das heutige Weißrussland immer mit denselben amerikanischen Parolen bekämpft, die auf die Niederlage Lukaschenkos und den Übergang Weißrusslands in das »demokratische« Lager der USA und der NATO abzielen. Und dafür hat er in all den Jahren und vor dem Nobelpreis viele Preise für den »Kampf für die Demokratie« aus den USA und dem Polen des »demokratischen« Lech Walesa erhalten.
Die beiden anderen Friedensnobelpreisträger dieses Oktobers 2022 (die russische Menschenrechtsorganisation »Memorial« und die ukrainische Menschenrechtsvereinigung »Zentrum für bürgerliche Freiheiten«) entsprechen in ihrem Kampf gegen Putins Russland und zugunsten des imperialistischen Westens genau den Friedenskriterien, die heute von den USA, der NATO und der EU in der aktuellen blutigen Resolution gegen Russland auferlegt werden.
Aber es gibt noch eine weitere Tatsache, die in diesen frühen Oktobertagen nicht zufällig zu dieser bereits langen Kette von Kriegen und obskuren kriegstreibenden Kräften hinzukommt, die im Westen selbst und insbesondere im EU‐Raum im Entstehen sind.
Wir beziehen uns auf die »Enthüllung« der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, über die bevorstehende Einführung des so genannten »digitalen Portfolios« auf supranationaler Ebene: einer neuen bürokratisch‐technologischen Vorrichtung, die den grünen Pass und den grünen Superpass ersetzen soll. Sie soll die gesamte Geschichte jedes Individuums in der EU, alle seine Dokumente, vom Führerschein bis zu den Steuerunterlagen, von der medizinischen Geschichte bis zu seiner sozialen und politischen Geschichte, in einem allgemeinen Rahmen zusammenführen, der von einem Machtversprechen geprägt ist: Wir wissen jetzt alles über Sie, und Sie müssen wissen, dass Sie mehr Kontrollen, mehr Geldstrafen, mehr Risiken der Suspendierung und Entlassung von Ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt werden. Für eine rigidere Gesellschaftsordnung, für eine noch strafgewaltigere Macht, die noch besser in der Lage sein wird, Anfechtung, sozialen Protest und Kampf, insbesondere den Klassenkampf und Widerstand gegen den Krieg, niederzuschlagen, also gegen die – mehr denn je – Fetische des großen europäischen supranationalen Kapitals.
In Italien war es der Minister für technologische Innovation, Vittorio Colao, der in den ersten Oktobertagen die »Eröffnung« von Ursula von der Leyen wieder aufgriff. Er machte den Italienern klar beziehungsweise gestand ihnen, dass das wahrhaft Orwell‘sche Instrument der sozialen Kontrolle in Kriegszeiten der von der EU erdachte »digitale Pass« sein könnte (wenn es keinen Widerstand dagegen gibt), und dass er auch von Italien akzeptiert werden muss, wenn es Zugang zu den PNRR‐Fonds haben will.
Um so etwas zu beschreiben verwendet man das Wort »Erpressung«.
Da der Übergang zum Aufbau einer europäischen imperialistischen Koalition eine ebenso abrupte wie undurchsichtige Beschleunigung erfahren hat, ist es erwähnenswert, dass Anfang Oktober, vom 6. bis zum 7. Oktober, ein weiteres Ereignis stattfand: der erste Gipfel der Staats‐ und Regierungschefs von nicht weniger als 44 europäischen Ländern in Prag. Ein Gipfel, der weit über den Bereich der 27 Länder, die heute die EU bilden, hinausgeht, ein Gipfel, der seinen Anführer in Macron und dem französischen Imperialismus gefunden hat. Er zielt auf die politische und ideologische Strukturierung einer neuen und viel breiteren europäischen Koalition ab, die von noch tieferen imperialistischen und kriegerischen Trieben geprägt ist.
Aber der alte Maulwurf gräbt vielleicht weiter. Und gerade von Prag aus, wo Macron versucht hat, die europäische imperialistische Achse zu stärken und zu erweitern, erschütterte in diesen frühen Oktobertagen eine immense Demonstration von Menschen gegen die NATO und die hohen Lebenshaltungskosten die Tschechische Republik und die gesamte EU.
Sie zeigen, dass nur der Kampf des Volkes den grausamen Kurs der USA, der NATO und der EU umkehren kann. Nur wenn die Losung »Raus aus der NATO und raus aus der EU« angesichts konkreter Fakten, die immer weniger »ideologisch« und immer aktueller sind, zum massenhaften common sense wird, kann ein neuer Befreiungskampf beginnen.
Und in diesem Kampf kann die Kommunistische Partei in Italien wiedergeboren werden, wenn nicht sogar Protagonistin sein: als wichtiger Dreh‐ und Angelpunkt einer breiten antiimperialistischen Front.
Fosco Giannini ist Direktor von »Cumpanis« und Präsident der nationalen Vereinigung »Cumpanis«.
P.S. »Cumpanis« und »Interstampa« gegen die Nato und den imperialistischen Krieg
Zuerst erschienen auf Italienisch im L‘Antidiplomatico
Bild: Amerikanischer Imperialismus ist Krieg, Sklaverei, Rassismus! (1968)