Euro­päi­sche Uni­on: der impe­ria­lis­ti­sche Oktober

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Von der Abschaf­fung des Musk-Plans für den Frie­den zum Zel­en­sky-Dekret für die Fort­set­zung des Krie­ges; von der EU-Reso­lu­ti­on für Waf­fen an die Ukrai­ne zum »digi­ta­len Port­fo­lio«: ein Fahr­plan für die Stär­kung des euro­päi­schen impe­ria­lis­ti­schen Pols.

Die Nach­rich­ten an die Völ­ker der Euro­päi­schen Uni­on, die rund 450 Mil­lio­nen Bür­ger und Arbeit­neh­mer der 27 EU-Län­der, schei­nen heu­te mehr denn je dun­kel und unver­ständ­lich. Aber genau: sie schei­nen: denn in Wahr­heit erwei­sen sich die­se Dun­kel­heit und Unver­ständ­lich­keit schon bei den ers­ten Ver­su­chen einer ratio­na­len Lek­tü­re der Ereig­nis­se, bei den ers­ten Ver­su­chen, sie mit­ein­an­der in Bezie­hung zu set­zen, als das, was sie sind: bedacht­sam gewähl­te Instru­men­te der »Stim­me« der ang­lo-ame­ri­ka­ni­schen und euro­päi­schen Ach­se, um das impe­ria­lis­ti­sche Nar­ra­tiv zu ver­an­kern, für die »Wahr­heit« aus dem Labor, für ein Mas­sen­den­ken, das immer mehr auf ein »syn­the­ti­sches Bak­te­ri­um« redu­ziert wird.

Die ein­hel­li­ge impe­ria­lis­ti­sche »Vox« – die auf­grund ihrer aus­ge­lösch­ten »Armeen« weit­aus furcht­ein­flö­ßen­der ist als Sant­ia­go Abas­cals wenn auch schreck­li­che spa­ni­sche »Vox«, für die Gior­gia Melo­ni arbei­tet – mani­pu­liert die Fak­ten wie ein »Drei Glo­cken (Becher) Spie­ler«: sie prä­sen­tiert sie, wobei sie ent­we­der die für sie güns­ti­gen Details her­vor­hebt oder die für sie ungüns­ti­gen weg­lässt. Zusätz­lich bringt sie noch ihre Rei­hen­fol­ge durch­ein­an­der, so dass das »syn­the­ti­sche Bak­te­ri­um« des gleich­ge­schal­te­ten Den­kens nie­mals die Zusam­men­hän­ge zwi­schen den so prä­sen­tier­ten Fak­ten her­stel­len kann. Das Spiel »Drei Glo­cken« gilt nach ita­lie­ni­schem Recht als Betrug, und die­je­ni­gen, die es prak­ti­zie­ren, als kri­mi­nel­le Ver­ei­ni­gung. In dem Unter­schied zwi­schen einem Betrug, der auf den Tischen eines Trüf­fel­fes­tes began­gen wur­de, und dem erschre­ckend wis­sen­schaft­li­chen Schaf­fen eines von Geburt an ver­blen­de­ten Mas­sen­ver­stan­des, liegt die gan­ze Wahr­heit über die Macht des Kapitals.

Im Lich­te die­ser Prä­mis­se ver­su­chen wir, die Ereig­nis­se, die in die­sem ers­ten Teil des Okto­bers statt­ge­fun­den haben, neu zu lesen: Fak­ten, an denen die impe­ria­lis­ti­sche »Vox«, die ang­lo-ame­ri­ka­ni­sche und euro­päi­sche Ein­heits­front gear­bei­tet haben, um sie von Ele­men­ten zu befrei­en, wel­che eine Gefahr für das Impe­ri­um dar­stel­len, und schließ­lich von Zusam­men­hän­gen und Schluss­fol­ge­run­gen. Also: von jedem Sinn.

Der offen­kun­dig ers­te Fakt, der in der Abfol­ge der Ereig­nis­se die­ses Okto­bers ent­schlüs­selt wer­den muss, ist das des Frie­dens­vor­schlags zwi­schen der Ukrai­ne und Russ­land, der von dem US-ame­ri­ka­ni­schen Mul­ti­mil­li­ar­där und Unter­neh­mer Elon Musk lan­ciert wur­de. Musks Plan, der zwi­schen dem 3. und 4. Okto­ber öffent­lich vor­ge­stellt wur­de, besteht aus vier Punkten:

  • Erneu­te Durch­füh­rung von Refe­ren­den in Luhansk, Donezk, Sapo­rischschja und Cher­son, dies­mal in Anwe­sen­heit von UN-Beob­ach­tern. Der Sinn die­ses ers­ten Punk­tes des »Musk-Vor­schlags« ist klar: Das JA zur Ver­ei­ni­gung die­ser vier Gebie­te des Don­bass mit der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on ist eine aus­ge­mach­te Sache, selbst mit der Anwe­sen­heit von UN-Beob­ach­tern, und der Sieg eines von den Ver­ein­ten Natio­nen sank­tio­nier­ten JA wür­de leich­ter den Weg zu ent­schei­den­den Frie­dens­ver­hand­lun­gen zwi­schen Russ­land und der Ukrai­ne öffnen;
  • der zwei­te Punkt des »Musk-Plans«: die end­gül­ti­ge Abtre­tung der Krim an Russ­land, »da die Krim« – wie der Plan behaup­tet – »seit 1783 rus­si­sches Hoheits­ge­biet ist«. Auch in die­sem zwei­ten Punkt wird die Absicht deut­lich, die auf Ent­span­nung und eine fried­li­che Bei­le­gung des anhal­ten­den Kon­flikts zwi­schen Mos­kau und Kiew abzielt;
  • der drit­te Punkt sieht die fried­li­che Lösung einer Fra­ge vor, die in der brei­ten Öffent­lich­keit kaum bekannt, objek­tiv aber von enor­mer Bedeu­tung für das täg­li­che Leben der gesam­ten Krim­be­völ­ke­rung und vol­ler stra­te­gi­scher Impli­ka­tio­nen ist: Es geht um die Was­ser­ver­sor­gung, die Kiew heu­te sämt­li­chen Krim­be­woh­nern (Tata­ren, Rus­sen, Ukrai­nern) weit­ge­hend ver­wei­gert. Der Punkt sieht eine Rück­kehr zur vol­len Was­ser­ver­sor­gung vor. Auch das zeigt, wie sehr der »Musk-Plan« auf eine fried­li­che Lösung des Kon­flikts drängt;
  • im vier­ten Punkt wird die stra­te­gi­sche Neu­tra­li­tät der Ukrai­ne vor­ge­schla­gen. Es ist der Punkt, den Russ­land immer an die ers­te Stel­le gesetzt hat, der Punkt, der bereits als zen­tra­le Fra­ge in dem Brief ent­hal­ten war, den Putin im Dezem­ber 2021 an die USA und die NATO schick­te. Der Brief bat um sofor­ti­ge Frie­dens­ver­hand­lun­gen (aus­ge­hend von der stra­te­gi­schen Neu­tra­li­tät der Ukrai­ne, das heißt vom Ver­zicht der Ukrai­ne, zu dem rie­si­gen, mit nuklea­ren und che­mi­schen Waf­fen aus­ge­stat­te­ten NATO-Stütz­punkt zu wer­den, in den sie sich ver­wan­del­te). Die­ser Brief Putins wur­de weder von Biden noch von NATO-Gene­ral­se­kre­tär Stol­ten­berg berücksichtigt.

Aber wer ist Elon Musk und war­um bringt er den 4‑Punk­te-Frie­dens­plan auf den Weg?

Musk ist einer der mäch­tigs­ten und reichs­ten ame­ri­ka­ni­schen Geschäfts­leu­te und unter ande­rem Eigen­tü­mer jener rie­si­gen Satel­li­ten­net­ze, die er – auch mit Zustim­mung des US-Kon­gres­ses – Zel­en­sky zur Ver­fü­gung gestellt hat. Sie waren (zusam­men mit dem gigan­ti­schen Sigo­nella-Satel­li­ten­ra­dar der USA und des ukrai­ni­schen Nazi­fa­schis­mus) ent­schei­dend für die jüngs­ten Vor­stö­ße der ukrai­ni­schen Trup­pen an den Gren­zen des Don­bass. Das hoch­mo­der­ne Satel­li­ten­sys­tem von Musk hat es der ukrai­ni­schen Armee bis­her ermög­licht, in kür­zes­ter Zeit (wir spre­chen hier von Scans, die nicht län­ger als 20 Minu­ten dau­ern) rus­si­sche Trup­pen­ver­le­gun­gen und ‑bewe­gun­gen im Don­bass zu loka­li­sie­ren und sie anzu­grei­fen, wobei es auch ihre Stär­ke und Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur im Gelän­de ein­schät­zen kann. Die Zeit, die den Rus­sen bleibt, um die ukrai­ni­schen Trup­pen auf­zu­spü­ren, scheint 24 Stun­den zu betra­gen. Ein Nach­teil für die rus­si­schen Trup­pen, der zusam­men mit dem immensen Arse­nal, das Zel­en­sky von den USA, der NATO, Groß­bri­tan­ni­en und der EU zur Ver­fü­gung gestellt wur­de, einer der Grün­de für ihren Rück­zug in die­ser Pha­se war.

Aber war­um bringt Musk, der Lie­fe­rant des ent­schei­den­den Satel­li­ten­sys­tems für die ukrai­ni­sche Armee, die­sen 4‑Punk­te-Frie­dens­plan auf den Weg?

Musk ist auf­grund sei­nes immensen wirt­schaft­li­chen und – wie wir gese­hen haben – mili­tä­ri­schen Ein­flus­ses in der Repu­bli­ka­ni­schen Par­tei eine »ver­bor­ge­ne Macht«. Im Novem­ber fin­den in den USA die wich­ti­gen Zwi­schen­wah­len statt, für die sich Biden und die Demo­kra­ti­sche Par­tei in Gefahr sehen und für die ein Sieg der Repu­bli­ka­ner vor­aus­ge­sagt wird. Nach Ansicht von Musk und eines inzwi­schen gro­ßen Teils der Repu­bli­ka­ner hat der Ader­lass der US-Wirt­schaft für Zel­en­sky die Wäh­ler­zu­stim­mung für die Demo­kra­ti­sche Par­tei bereits stark redu­ziert. Und ein Ende des Kon­flikts, das auch mit Zuge­ständ­nis­sen an Putin und die Füh­rung der Repu­bli­ka­ner ein­her­geht, könn­te Biden und sei­ner Par­tei den end­gül­ti­gen Todes­stoß ver­set­zen. Wir befin­den uns in einem Para­do­xon, das sich aus der erheb­li­chen Über­schnei­dung der stra­te­gi­schen Ansich­ten von Demo­kra­ten und Repu­bli­ka­nern ergibt: In die­sem Sta­di­um ist es die Repu­bli­ka­ni­sche Par­tei, die aus wahl­tak­ti­schen Grün­den am meis­ten an einem Ende des Kon­flikts zwi­schen Mos­kau und Kiew inter­es­siert ist.

Bis jetzt wur­de der 4‑Punk­te-Plan von Musk von den extre­mis­ti­schen Flü­geln der USA, der NATO und der EU abge­lehnt. Folg­lich hat das west­li­che Medi­en­sys­tem, die impe­ria­lis­ti­sche »Vox«, ihn bis­her dem Wis­sen der Völ­ker des Wes­tens vor­ent­hal­ten. Die­sel­be »Vox« gab mit gro­ßem Nach­druck die Ant­wort wei­ter, die der ukrai­ni­sche Bot­schaf­ter in Deutsch­land, Andrij Mel­nyk, auf Musks Frie­dens­plan gab: »Hier ist mei­ne diplo­ma­ti­sche Ant­wort: Fickt euch!«

Durch die »diplo­ma­ti­sche Ant­wort« von Andrij Mel­nyk kom­men wir zu einem zwei­ten The­ma, an dem das impe­ria­le Medi­en­sys­tem in die­ser ers­ten Okto­ber­hälf­te gear­bei­tet hat, um es aus dem Zusam­men­hang zu rei­ßen, zu einem iso­lier­ten Fakt und zu Gold und Ruhm für Zel­en­sky zu machen. Wir spre­chen vom »Zel­en­sky-Dekret«, das nicht zufäl­lig genau nach dem Start des 4‑Punk­te-Plans von Elon Musk ver­öf­fent­licht wur­de. Ein Dekret, das sowohl mit dem von den ame­ri­ka­ni­schen Geheim­diens­ten erfun­de­nen Schreck­ge­spenst des »Ein­sat­zes von Atom­bom­ben« durch Russ­land als auch mit dem Vor­marsch der ukrai­ni­schen Armee jeg­li­che Vor­stell­bar­keit von Frie­dens­ver­hand­lun­gen mit Russ­land gewalt­sam zurückweist.

Was wir damit sagen wol­len, ist, dass das west­li­che Medi­en­sys­tem ver­hin­dert hat, dass das Zel­en­sky-Kriegs­de­kret als Fol­ge und Ant­wort auf den Moschus-Frie­dens­plan betrach­tet wird. Dies geschah im gera­de­zu lit­ur­gi­schen Bestre­ben, den Mann zu hei­li­gen, der die Ukrai­ne mit Unter­stüt­zung des rie­si­gen west­li­chen Mili­tär­ar­se­nals und des­je­ni­gen der ukrai­ni­schen neo-»banderitischen« faschis­ti­schen Bewe­gung in Atem hält: den blut­rüns­ti­gen Komi­ker Wolo­dym­yr Zelensky.

Aber es gibt noch ein drit­tes Ereig­nis, das sich logisch in die­sen west­li­chen reak­tio­nä­ren, kriegs­trei­be­ri­schen Ansatz der ers­ten Okto­ber­hälf­te ein­fügt: die Reso­lu­ti­on des Euro­päi­schen Par­la­ments vom 6. Okto­ber, eine Reso­lu­ti­on, die nach dem Start von Musks Plan und nach Zel­en­skys »Kriegs­de­kret« ver­öf­fent­licht wurde.

Die Reso­lu­ti­on, die in ihrem Kriegs­nar­ra­tiv nicht das kleins­te Schlupf­loch für Frie­dens­ver­hand­lun­gen lässt und statt­des­sen völ­lig von einer pro­to­im­pe­ria­lis­ti­schen Rus­so­pho­bie des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts geprägt ist, ist bereits in ihrer seman­ti­schen und kon­zep­tio­nel­len Tex­tur beeindruckend.

Man muss nur die vor­be­rei­ten­den Arti­kel für das end­gül­ti­ge Urteil gegen Russ­land (»in Anbe­tracht …«) der Reso­lu­ti­on lesen, um die Bedeu­tung »ani­ma­li­scher Geis­ter« dar­in zu beurteilen:

  • »… unter Hin­weis auf die Erklä­rung des Hohen Ver­tre­ters im Namen der Euro­päi­schen Uni­on vom 28. Sep­tem­ber 2022 zu den von Russ­land in den Regio­nen Donezk, Cher­son, Luhansk und Sapo­rischschja orga­ni­sier­ten ille­ga­len Far­ce-Refe­ren­den«, in der die Liqui­die­rung der Refe­ren­den im Don­bass als »ille­ga­le Far­ce« bereits in ihrer gan­zen impe­ria­lis­ti­schen Arro­ganz erscheint;
  • »… unter Hin­weis auf die Pres­se­mit­tei­lung der Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en vom 28. Sep­tem­ber 2022 zu einem neu­en Paket restrik­ti­ver Maß­nah­men gegen Russ­land und die Bot­schaft des Prä­si­den­ten des Euro­päi­schen Rates Charles Michel vom 30. Sep­tem­ber 2022 zur ille­ga­len Anne­xi­on ukrai­ni­scher Regio­nen durch Russ­land«, wo Straf­maß­nah­men gegen Russ­land und die Defi­ni­ti­on der Ergeb­nis­se des Refe­ren­dums im Don­bass als »ille­ga­le Anne­xi­on« wie­der auf­ge­grif­fen werden
  • »… unter Hin­weis auf die Erklä­run­gen des Hohen Ver­tre­ters im Namen der Euro­päi­schen Uni­on vom 22. Sep­tem­ber 2022 zum rus­si­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne und vom 28. Sep­tem­ber 2022 zu den Gas­lecks in der Nord-Stream-Pipe­line«, wo die rus­si­sche Inter­ven­ti­on in der Ukrai­ne als Aggres­si­on abge­tan wird, wobei alle Maß­nah­men der NATO, die die­ser »Aggres­si­on« vor­aus­gin­gen, unter den Tisch gekehrt wer­den. Es wird auf die Gas­lecks in der Nord-Stream-Pipe­line ver­wie­sen, für die Russ­land ver­ant­wort­lich gemacht wird, obwohl die Mög­lich­keit einer ukrai­ni­schen ter­ro­ris­ti­schen Inter­ven­ti­on nach dem der­zei­ti­gen Stand wei­ter­hin besteht
  • »… in der Erwä­gung, dass die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on als stän­di­ges Mit­glied des Sicher­heits­ra­tes der Ver­ein­ten Natio­nen eine beson­de­re poli­ti­sche Ver­ant­wor­tung für die Auf­recht­erhal­tung von Frie­den und Sicher­heit in der Welt trägt und den­noch durch ihr aggres­si­ves Vor­ge­hen gegen die Sou­ve­rä­ni­tät, Unab­hän­gig­keit und ter­ri­to­ria­le Inte­gri­tät der Ukrai­ne wie­der­holt gegen die Grund­sät­ze der UN-Char­ta ver­sto­ßen hat, dass sie sich offen über die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft hin­weg­ge­setzt, indem sie ihre rechts­wid­ri­gen Hand­lun­gen unter Ver­let­zung der UN-Char­ta wäh­rend der UN-Gene­ral­ver­samm­lung ankün­dig­te«: auch hier wird wie­der mit einer tota­len und vor­ur­teils­be­haf­te­ten Dämo­ni­sie­rung Russ­lands argu­men­tiert, als ob der »Putsch« von 2014 in Kiew, der zum Sieg der nazi­fa­schis­ti­schen, pro-ame­ri­ka­ni­schen, pro-NATO‑, pro-EU‑, anti­rus­si­schen und anti­kom­mu­nis­ti­schen Bewe­gung führ­te, jemals exis­tiert hät­te; die Ein­krei­sung Russ­lands durch die NATO vom Pol bis nach Geor­gi­en und das schreck­li­che, his­to­risch und mora­lisch unver­zeih­li­che, aber immer unge­sühnt geblie­be­ne Mas­sa­ker, das das Asow-Batail­lon acht Jah­re lang an den pro­rus­si­schen Völ­kern des Don­bass ver­üb­te, die sich ent­schie­den hat­ten, sich von der »ban­de­ri­ti­schen« Ukrai­ne zu lösen und sich der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on anzu­schlie­ßen: bereits 2014 durch jene ultra­le­ga­len Refe­ren­den, die zu den Volks­re­pu­bli­ken des Don­bass führten;
  • »… in der Erwä­gung, dass die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft die Ukrai­ne wei­ter­hin mit moder­ner Aus­rüs­tung, Muni­ti­on, Aus­bil­dung und dem Aus­tausch nach­rich­ten­dienst­li­cher Erkennt­nis­se unter­stützt, und dass das jüngs­te Bei­spiel für eine sol­che Unter­stüt­zung die Ver­ab­schie­dung eines Gesetz­ent­wurfs durch den US-Kon­gress ist, mit dem mehr als 12,3 Mil­li­ar­den Dol­lar an Unter­stüt­zung bereit­ge­stellt wer­den«: ein voll­stän­di­ges Ein­ge­ständ­nis zumin­dest der außer­or­dent­li­chen Mili­tär- und Wirt­schafts­hil­fe des Wes­tens für die Zel­en­ski-Regie­rung, die im eige­nen Land u.a. von der nazi­fa­schis­ti­schen Bewe­gung unter­stützt wird.
  • »… in der Erwä­gung, dass die ukrai­ni­sche Armee nach Anga­ben ukrai­ni­scher Beam­ter moder­ne Kampf­pan­zer, wei­te­re Boden-Luft- und Boden-Boden-Sys­te­me, gepan­zer­te Trup­pen­trans­port­fahr­zeu­ge sowie zusätz­li­che Aus­bil­dungs­zen­tren und wei­te­re Bei­trä­ge in Form von Muni­ti­on benö­tigt«: Hier wird klar, dass auf Ersu­chen der Armee zusätz­li­che, leis­tungs­fä­hi­ge und hoch­ent­wi­ckel­te mili­tä­ri­sche Mit­tel sowie wei­te­re Unter­stüt­zung für die mili­tä­ri­sche Aus­bil­dung in die Ukrai­ne geschickt wer­den sollen;
  • »… in der Erwä­gung, dass Prä­si­dent Volo­dym­yr Zel­en­sky am 30. Sep­tem­ber bekannt gege­ben hat, die Ukrai­ne habe offi­zi­ell einen Antrag auf Mit­glied­schaft in der Nord­at­lan­tik­ver­trags-Orga­ni­sa­ti­on (NATO) gestellt«: man ver­steht, dass die EU den sofor­ti­gen Bei­tritt der Ukrai­ne zur NATO mit allen damit ver­bun­de­nen brand­ge­fähr­li­chen Kon­se­quen­zen befürwortet.

Und nach­dem all dies und mehr mit dem fried­li­chen Geist eines Dr. Selt­sam fest­ge­stellt wur­de, kommt die EU-Reso­lu­ti­on auf den Punkt und

  • »… for­dert die Mit­glied­staa­ten und ande­re Län­der, die die Ukrai­ne unter­stüt­zen, auf, ihre mili­tä­ri­sche Hil­fe mas­siv zu ver­stär­ken, ins­be­son­de­re in den Berei­chen, in denen sie von der ukrai­ni­schen Regie­rung ange­for­dert wird. So soll die Ukrai­ne in die Lage ver­setzt wer­den, die voll­stän­di­ge Kon­trol­le über ihr gesam­tes inter­na­tio­nal aner­kann­tes Hoheits­ge­biet wie­der­zu­er­lan­gen und sich wirk­sam gegen jede wei­te­re Aggres­si­on Russ­lands zu ver­tei­di­gen; sie for­dert, dass die Ein­rich­tung eines lang­fris­ti­gen Instru­ments für mili­tä­ri­sche Leih­ga­ben an die Ukrai­ne in Betracht gezo­gen wird; appel­liert ins­be­son­de­re an die zögern­den Mit­glied­staa­ten, ihren ange­mes­se­nen Anteil an der mili­tä­ri­schen Unter­stüt­zung zu leis­ten, die für eine schnel­le­re Been­di­gung des Krie­ges erfor­der­lich ist; weist dar­auf hin, dass das Zögern der­je­ni­gen, die die Ukrai­ne unter­stüt­zen, den Krieg nur ver­län­gert und das Leben unschul­di­ger Ukrai­ner kos­tet; appel­liert an die Staats- und Regie­rungs­chefs der EU, eine dau­er­haf­te Einig­keit zwi­schen gleich­ge­sinn­ten Mit­glied­staa­ten und Län­dern her­zu­stel­len, um die Ukrai­ne unein­ge­schränkt und bedin­gungs­los gegen den rus­si­schen Angriffs­krieg zu unterstützen«.

Und als ob die Kriegs­trei­be­rei noch wei­ter betont wer­den müs­se, fügt sie hinzu:

  • »… for­dert die Vize­prä­si­den­tin der Kommission/​Hohe Ver­tre­te­rin der Uni­on für Außen- und Sicher­heits­po­li­tik auf, Waf­fen­lie­fe­run­gen über den Koor­di­nie­rungs­me­cha­nis­mus des Euro­päi­schen Aus­wär­ti­gen Diens­tes (EAD) zu koor­di­nie­ren, ein­schließ­lich einer EU-Initia­ti­ve für die Lie­fe­rung fort­schritt­li­cher Waf­fen­sys­te­me wie Leo­pard-Pan­zer; for­dert die Mit­glied­staa­ten auf, unver­züg­lich mit der dies­be­züg­li­chen Aus­bil­dung ukrai­ni­scher Sol­da­ten zu beginnen.«

Pri­ma: die­se blu­ti­ge Ent­schlie­ßung des EU-Par­la­ments, die von den Volks­ver­tre­tern, den Sozia­lis­ten, den Libe­ra­len, den Grü­nen und den Kon­ser­va­ti­ven vor­ge­schla­gen wur­de, wur­de mit 504 Ja-Stim­men, 26 Nein-Stim­men und 36 Ent­hal­tun­gen ange­nom­men. Ein spä­te­rer Ände­rungs­an­trag zur Ent­schlie­ßung (der den anti­rus­si­schen Rah­men nicht auf­hob, aber zumin­dest die Auf­nah­me von Frie­dens­ver­hand­lun­gen for­der­te), der von der Frak­ti­on der Lin­ken (GUE), in der auch die kom­mu­nis­ti­schen Par­tei­en der EU ver­tre­ten sind, ein­ge­bracht wur­de, wur­de mit 436 Nein- und 118 Ja-Stim­men abge­lehnt. Her­vor­zu­he­ben ist die Ableh­nung des Ände­rungs­an­trags durch die PD (obwohl inner­halb ihrer Frak­ti­on posi­tiv für den Ände­rungs­an­trag der Lin­ken gestimmt wur­de), die Fratel­li d‘Italia und die For­za Ita­lia, die in ihrer Rus­so­pho­bie und der Hei­lig­spre­chung von Zel­en­sky ver­eint sind. Von gro­ßer Bedeu­tung war hin­ge­gen das Votum der M5S oder auch der Lega für den Ände­rungs­an­trag der Lin­ken. In einer Zeit, in der Con­te, wenn auch mit allen Wider­sprü­chen, die Demons­tra­tio­nen für den Frie­den in Ita­li­en lan­ciert, soll­te das mit Inter­es­se betrach­tet werden.

Auch im Fal­le der wahr­haft gefähr­li­chen Reso­lu­ti­on des EU-Par­la­ments, die eine Fort­set­zung des Krie­ges und ein neu­es und mäch­ti­ges wirt­schaft­lich-mili­tä­ri­sches Enga­ge­ment gegen Russ­land und, nach­ran­gig, an der Sei­te der USA und der NATO for­dert, muss her­vor­ge­ho­ben wer­den, was im all­ge­mei­nen Main­stream unter­schla­gen wird: Die Reso­lu­ti­on kommt nach dem »Kriegs­de­kret« von Zel­en­sky, das wie­der­um nach dem Frie­dens­plan von Elon Musk kam.

All die »Zufäl­le«, die Gescheh­nis­se, die sich schein­bar zufäl­lig in das all­ge­mei­ne Mus­ter der zuneh­men­den Stär­kung des impe­ria­lis­ti­schen Kriegs­ap­pa­rats fügen, die­se »Zufäl­le« fül­len den gesam­ten ers­ten Teil die­ses Okto­bers 2022.

Wir spre­chen von der »nütz­li­chen« (für die gesam­te impe­ria­lis­ti­sche und kriegs­trei­be­ri­sche Front) Ver­lei­hung des Frie­dens­no­bel­prei­ses 2022 an den Weiß­rus­sen Ales Bjal­jaz­ki, die rus­si­sche Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on »Memo­ri­al« und die ukrai­ni­sche Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on »Zen­trum für bür­ger­li­che Freiheiten«.

Ales Bjal­jaz­ki war bereits in den 1980er Jah­ren ein Akti­vist und dann ein Anfüh­rer der libe­ra­len und pro-ame­ri­ka­ni­schen Kämp­fe gegen die Sowjet­uni­on. Sein Kampf rich­te­te sich gegen das Weiß­russ­land von Prä­si­dent Alex­an­der Lukaschen­ko, gegen jenes Weiß­russ­land also, das sich den Schmei­che­lei­en, Erpres­sun­gen und Dro­hun­gen der USA und der NATO nicht beug­te und sich nie dem west­li­chen Lager und der Atlan­ti­schen Alli­anz anschlie­ßen woll­te, son­dern im Gegen­teil eine enge Bezie­hung zur Rus­si­schen Föde­ra­ti­on unter­hielt. Hier hat der heu­ti­ge Frie­dens­no­bel­preis­trä­ger Ales Biali­at­ski das heu­ti­ge Weiß­russ­land immer mit den­sel­ben ame­ri­ka­ni­schen Paro­len bekämpft, die auf die Nie­der­la­ge Lukaschen­kos und den Über­gang Weiß­russ­lands in das »demo­kra­ti­sche« Lager der USA und der NATO abzie­len. Und dafür hat er in all den Jah­ren und vor dem Nobel­preis vie­le Prei­se für den »Kampf für die Demo­kra­tie« aus den USA und dem Polen des »demo­kra­ti­schen« Lech Wale­sa erhalten.

Die bei­den ande­ren Frie­dens­no­bel­preis­trä­ger die­ses Okto­bers 2022 (die rus­si­sche Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on »Memo­ri­al« und die ukrai­ni­sche Men­schen­rechts­ver­ei­ni­gung »Zen­trum für bür­ger­li­che Frei­hei­ten«) ent­spre­chen in ihrem Kampf gegen Putins Russ­land und zuguns­ten des impe­ria­lis­ti­schen Wes­tens genau den Frie­dens­kri­te­ri­en, die heu­te von den USA, der NATO und der EU in der aktu­el­len blu­ti­gen Reso­lu­ti­on gegen Russ­land auf­er­legt werden.

Aber es gibt noch eine wei­te­re Tat­sa­che, die in die­sen frü­hen Okto­ber­ta­gen nicht zufäl­lig zu die­ser bereits lan­gen Ket­te von Krie­gen und obsku­ren kriegs­trei­ben­den Kräf­ten hin­zu­kommt, die im Wes­ten selbst und ins­be­son­de­re im EU-Raum im Ent­ste­hen sind.

Wir bezie­hen uns auf die »Ent­hül­lung« der Prä­si­den­tin der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on, Ursu­la von der Ley­en, über die bevor­ste­hen­de Ein­füh­rung des so genann­ten »digi­ta­len Port­fo­li­os« auf supra­na­tio­na­ler Ebe­ne: einer neu­en büro­kra­tisch-tech­no­lo­gi­schen Vor­rich­tung, die den grü­nen Pass und den grü­nen Super­pass erset­zen soll. Sie soll die gesam­te Geschich­te jedes Indi­vi­du­ums in der EU, alle sei­ne Doku­men­te, vom Füh­rer­schein bis zu den Steu­er­un­ter­la­gen, von der medi­zi­ni­schen Geschich­te bis zu sei­ner sozia­len und poli­ti­schen Geschich­te, in einem all­ge­mei­nen Rah­men zusam­men­füh­ren, der von einem Macht­ver­spre­chen geprägt ist: Wir wis­sen jetzt alles über Sie, und Sie müs­sen wis­sen, dass Sie mehr Kon­trol­len, mehr Geld­stra­fen, mehr Risi­ken der Sus­pen­die­rung und Ent­las­sung von Ihrem Arbeits­platz aus­ge­setzt wer­den. Für eine rigi­de­re Gesell­schafts­ord­nung, für eine noch straf­ge­wal­ti­ge­re Macht, die noch bes­ser in der Lage sein wird, Anfech­tung, sozia­len Pro­test und Kampf, ins­be­son­de­re den Klas­sen­kampf und Wider­stand gegen den Krieg, nie­der­zu­schla­gen, also gegen die – mehr denn je – Feti­sche des gro­ßen euro­päi­schen supra­na­tio­na­len Kapitals.

In Ita­li­en war es der Minis­ter für tech­no­lo­gi­sche Inno­va­ti­on, Vitto­rio Colao, der in den ers­ten Okto­ber­ta­gen die »Eröff­nung« von Ursu­la von der Ley­en wie­der auf­griff. Er mach­te den Ita­lie­nern klar bzw. gestand ihnen, dass das wahr­haft Orwell‘sche Instru­ment der sozia­len Kon­trol­le in Kriegs­zei­ten der von der EU erdach­te »digi­ta­le Pass« sein könn­te (wenn es kei­nen Wider­stand dage­gen gibt), und dass er auch von Ita­li­en akzep­tiert wer­den muss, wenn es Zugang zu den PNRR-Fonds haben will.

Um so etwas zu beschrei­ben ver­wen­det man das Wort »Erpres­sung«.

Da der Über­gang zum Auf­bau einer euro­päi­schen impe­ria­lis­ti­schen Koali­ti­on eine eben­so abrup­te wie undurch­sich­ti­ge Beschleu­ni­gung erfah­ren hat, ist es erwäh­nens­wert, dass Anfang Okto­ber, vom 6. bis zum 7. Okto­ber, ein wei­te­res Ereig­nis statt­fand: der ers­te Gip­fel der Staats- und Regie­rungs­chefs von nicht weni­ger als 44 euro­päi­schen Län­dern in Prag. Ein Gip­fel, der weit über den Bereich der 27 Län­der, die heu­te die EU bil­den, hin­aus­geht, ein Gip­fel, der sei­nen Anfüh­rer in Macron und dem fran­zö­si­schen Impe­ria­lis­mus gefun­den hat. Er zielt auf die poli­ti­sche und ideo­lo­gi­sche Struk­tu­rie­rung einer neu­en und viel brei­te­ren euro­päi­schen Koali­ti­on ab, die von noch tie­fe­ren impe­ria­lis­ti­schen und krie­ge­ri­schen Trie­ben geprägt ist.

Aber der alte Maul­wurf gräbt viel­leicht wei­ter. Und gera­de von Prag aus, wo Macron ver­sucht hat, die euro­päi­sche impe­ria­lis­ti­sche Ach­se zu stär­ken und zu erwei­tern, erschüt­ter­te in die­sen frü­hen Okto­ber­ta­gen eine immense Demons­tra­ti­on von Men­schen gegen die NATO und die hohen Lebens­hal­tungs­kos­ten die Tsche­chi­sche Repu­blik und die gesam­te EU.

Sie zei­gen, dass nur der Kampf des Vol­kes den grau­sa­men Kurs der USA, der NATO und der EU umkeh­ren kann. Nur wenn die Losung »Raus aus der NATO und raus aus der EU« ange­sichts kon­kre­ter Fak­ten, die immer weni­ger »ideo­lo­gisch« und immer aktu­el­ler sind, zum mas­sen­haf­ten com­mon sen­se wird, kann ein neu­er Befrei­ungs­kampf beginnen.

Und in die­sem Kampf kann die Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei in Ita­li­en wie­der­ge­bo­ren wer­den, wenn nicht sogar Prot­ago­nis­tin sein: als wich­ti­ger Dreh- und Angel­punkt einer brei­ten anti­im­pe­ria­lis­ti­schen Front.

Fosco Gian­ni­ni ist Direk­tor von »Cum­pa­nis« und Prä­si­dent der natio­na­len Ver­ei­ni­gung »Cum­pa­nis«.

P.S. »Cum­pa­nis« und »Inter­stam­pa« gegen die Nato und den impe­ria­lis­ti­schen Krieg

Zuerst erschie­nen auf Ita­lie­nisch im L‘Antidiplomatico

Bild: Ame­ri­ka­ni­scher Impe­ria­lis­mus ist Krieg, Skla­ve­rei, Ras­sis­mus! (1968)

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