HIMARS, Hand­bü­cher und Zeitpläne

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Wie das Wall Street Jour­nal west­li­che Pla­nun­gen enthüllt

Wann began­nen die west­li­chen Vor­be­rei­tun­gen auf den Krieg in der Ukrai­ne wirk­lich? Die Ent­schei­dun­gen zur Lie­fe­rung west­li­cher Waf­fen­sys­te­me waren kei­nes­wegs so spon­tan, wie es scheint. Ein Arti­kel des Wall Street Jour­nal legt das zumin­dest sehr nahe.

Wenn das Wall Street Jour­nal zu plau­dern anfängt, rut­schen ihm manch­mal Din­ge her­aus. Der neu­es­te Fall ist ein Arti­kel, in dem über Hot­lines berich­tet wird, die angeb­lich ukrai­ni­schen Mecha­ni­kern dabei hel­fen, die NATO-Waf­fen in Schuss zu hal­ten. Gan­ze 14 ver­schlüs­sel­te Chats wür­den auf einem gehei­men Stütz­punkt in Polen in der Nähe der ukrai­ni­schen Gren­ze von US-Sol­da­ten bedient, um die ukrai­ni­schen Mecha­ni­ker zu unterstützen.

Es ist nicht der Satz, die Waf­fen wür­den in der Ukrai­ne »weit über die vor­ge­se­he­ne Belas­tung hin­aus« ein­ge­setzt. Mili­tä­ri­sches Gerät, das zur Füh­rung von Kolo­ni­al­krie­gen gegen deut­lich schwä­che­re Geg­ner kon­stru­iert wur­de, taugt nun ein­mal nur begrenzt, wenn auch der Geg­ner über Artil­le­rie ver­fügt. Wir erin­nern uns an die Beschwer­den, mit den deut­schen Pan­zer­hau­bit­zen kön­ne man nur 100 Schuss am Tag ver­schie­ßen, und an die Kla­gen aus den USA, die Jave­lins wür­den viel schnel­ler ver­braucht, als sie pro­du­ziert wer­den könnten.

Und auch die­ser Satz ist eher dazu da, das Publi­kum in die Irre zu füh­ren – Repa­ra­tur­lo­gis­tik ist immer Teil einer mili­tä­ri­schen Planung.

Nach sie­ben Mona­ten des Krie­ges haben die USA und die ver­bün­de­ten west­li­chen Natio­nen, die der Ukrai­ne Waf­fen und ande­re Unter­stüt­zung lie­fern, ent­deckt, dass es nicht genug ist, Kiew Waf­fen zu geben. Sie müs­sen auch Ersatz­tei­le lie­fern und Zugang zu Exper­ten, die den Ukrai­nern dabei hel­fen kön­nen, Aus­rüs­tung zu repa­rie­ren oder Tei­le in der Nähe der Front­li­ni­en zu produzieren.

Nein, die­ser Satz dient nur der Ablenkung.

Als der Krieg begann, erhiel­ten ukrai­ni­sche Repa­ra­tur- und War­tungs­spe­zia­lis­ten eine beschleu­nig­te Aus­bil­dung durch die west­li­chen Ver­bün­de­ten und geben jetzt die­ses Wis­sen an ihre Kol­le­gen wei­ter, füg­te Res­ni­kow [der ukrai­ni­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter] hinzu.

Jetzt kommt der inter­es­san­te Punkt: Die­se Chats sol­len inof­fi­zi­ell begon­nen haben, als die ers­ten neun aus­ge­bil­de­ten Mecha­ni­ker in die Ukrai­ne zurück­ka­men und sich mit Fra­gen an ihre Aus­bil­der wand­ten. Im Juni sol­len die­se Chats dann zu einer offi­zi­el­len Ein­rich­tung gewor­den sein.

Nur um den Zeit­rah­men zu klä­ren – der deut­sche Beschluss, HIMARS-Rake­ten­wer­fer in die Ukrai­ne zu lie­fern, erfolg­te am 1. Juni. Die US-Ankün­di­gung, dies zu tun, erfolg­te einen Tag davor, am 31. Mai. Hät­te die Aus­bil­dung ent­spre­chen­der Mecha­ni­ker erst in dem Moment begon­nen, zu dem die Lie­fe­run­gen beschlos­sen wur­den, wären sie heu­te noch nicht zurück. Ein Mecha­ni­ker muss das Gerät bis zur letz­ten Schrau­be ken­nen. Mit abso­lu­ter Sicher­heit dann, wenn er, wie es Arti­kel eben­falls behaup­tet wird, imstan­de sein soll, zu improvisieren.

Es gab schon einen sol­chen Punkt – dabei ging es um die Soft­ware für eben­die­se HIMARS. Es wur­de behaup­tet, nach der Lie­fe­rung sei­en die unter­schied­li­chen Sys­te­me der HIMARS aus ver­schie­de­nen Lie­fer­län­dern in zwei Wochen ver­ein­heit­licht wor­den, durch die tol­len ukrai­ni­schen ITler. Eine Anga­be, die star­ke Zwei­fel weckt.

Tat­säch­lich müs­sen sowohl die Anpas­sung der Soft­ware als auch die Aus­bil­dung der ent­spre­chen­den Mecha­ni­ker begon­nen haben, ehe die eigent­lich zustän­di­gen Par­la­men­te über­haupt die Beschlüs­se getrof­fen haben, die­se Waf­fen zu sen­den. Mili­tä­ri­sche Büro­kra­tie ist lang­sam. Soll­te die US-Armee im Juni die­se Chats eta­bliert haben, müs­sen sie zuvor min­des­tens zwei wei­te­re Mona­te in Betrieb gewe­sen sein. Dann reden wir über ukrai­ni­sche Mecha­ni­ker, die im April zurück­ge­kehrt sind. Wie lan­ge dau­ert es, einen sol­chen Mecha­ni­ker für ein kom­pli­zier­te­res Waf­fen­sys­tem aus­zu­bil­den? Mit Sicher­heit län­ger, als es braucht, um die Bedie­nung eines sol­chen Waf­fen­sys­tems zu erler­nen. Drei Mona­te? Dann wären wir Ende Janu­ar als Aus­bil­dungs­be­ginn. Da hat­te der rus­si­sche Mili­tär­ein­satz noch nicht ein­mal begon­nen. Sechs Monate?

Übri­gens sol­len sämt­li­che west­li­chen Waf­fen ohne die zuge­hö­ri­gen Hand­bü­cher gelie­fert wor­den sein, »teil­wei­se um Her­stel­ler­infor­ma­tio­nen zu schüt­zen«. Noch ein Punkt, der die Aus­bil­dung deut­lich ver­län­gern würde.

Also ent­we­der die Lie­fe­rung west­li­cher Waf­fen folgt einem Pro­gramm, das fest­ge­legt wur­de, ehe die ers­ten Kämp­fe statt­fan­den, und es wur­den bereits Aus­bil­dun­gen an Waf­fen begon­nen, deren Lie­fe­rung erst Mona­te spä­ter von den Par­la­men­ten beschlos­sen wur­de (was poli­tisch ein unge­heu­rer Skan­dal wäre, wür­den west­li­che Demo­kra­tien noch funk­tio­nie­ren), oder die gan­ze Geschich­te mit den Chats und den ukrai­ni­schen Mecha­ni­kern ist erlo­gen, was eben­falls ein Skan­dal wäre, weil sie dann dazu dien­te, zu ver­schlei­ern, dass direkt west­li­ches Per­so­nal ein­ge­setzt wird.

Die Geschich­te mit dem tol­len ukrai­ni­schen IT-Team wird übri­gens ganz neben­bei wider­legt. »Bei einer Feu­er­auf­ga­be vor Kur­zem zeig­te der Com­pu­ter des fort­schritt­li­chen Waf­fen­sys­tems eine Feh­ler­mel­dung, die die Ukrai­ner nicht lösen konn­ten. Der Armee­leut­nant sorg­te für einen Video­chat mit einem US-Instruk­teur, der dann Goog­le-Trans­la­te nutz­te, um Anwei­sun­gen auf Ukrai­nisch zurückzuschicken.«

Hät­te es die­se tol­le ukrai­ni­schen Pro­gram­mie­rer tat­säch­lich gege­ben, hät­ten sie gefragt wer­den kön­nen. Es gab sie wohl eher wirk­lich nicht.

Das bedeu­tet aller­dings, dass all die Debat­ten, auch die im Bun­des­tag, über die Lie­fe­rung schwe­rer Waf­fen rei­nes Thea­ter waren, weil die­se Lie­fe­run­gen – von wem auch immer – längst geplant waren und die Par­la­men­te nur dazu dien­ten, die Aus­füh­rung einer Eska­la­ti­ons­pla­nung abzu­ni­cken, deren Vor­be­rei­tun­gen viel wei­ter zurück­rei­chen. Was wir sehen, ist kei­ne von Russ­land betrie­be­ne Eska­la­ti­on. Es ist eine Eska­la­ti­on des Wes­tens, die vor dem 24. Febru­ar begon­nen hat. Gut, dass das Wall Street Jour­nal so geschwät­zig ist.

Dag­mar Henn ist Mit­glied des Deut­schen Frei­den­ker-Ver­ban­des, von des­sen Web­site frei​den​ker​.org der Text über­nom­men wur­de, Erst­ver­öf­fent­li­chung am 25.09.2022 auf RT DE.

Bild: The High Mobi­li­ty Artil­lery Rocket Sys­tem fires the Army’s new gui­ded Mul­ti­ple Launch Rocket Sys­tem during test­ing at White Sands Mis­sile Ran­ge (U.S. Army pho­tohttp://​www​.pen​ta​gon​.mil/​n​e​w​s​/​n​e​w​s​a​r​t​i​c​l​e​.​a​s​p​x​?​i​d​=​2​4​398; exact image source)

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