Nordstream gesprengt, wie weiter?

In der Nacht vom Sonntag, dem 25. September auf Montag, dem 26. September 2022 entstand ein gewaltiges Leck in der Pipeline Nordstream 2 südöstlich der dänischen Insel Bornholm. Es kam zu einem starken Druckabfall. In der Nacht vom Montag, dem 26. September auf Dienstag, dem 27. September 2022 ereigneten sich ein gezielter Druckabfall in der parallel verlaufenden Pipeline Nordstream 1. Behörden gehen von einem gezieltem Anschlag aus. Ein solcher Anschlag ist alles andere als trivial, das er mit Spezialkräften, zum Beispiel Marinetauchern oder einem U‑Boot ausführt werden muss. Das engt den Kreis der Verdächtigen auf staatliche Akteure ein.

Auf jeden Fall sind die beiden Pipelines für eine lange Zeit stillgelegt. Eine Reparatur dauert Monate, wenn nicht Jahre, soweit sie überhaupt noch möglich ist. Zumal müssten die NATO‐​Staaten Dänemark und Schweden ihr Einverständnis dafür geben, dass russische Verlegungsschiffe in ihren Gewässern operieren, was unwahrscheinlich ist. Außerdem steht der russische Öl‐ und Gassektor unter Sanktion. Eine solche Reparatur würde also gegen EU‐​Recht verstoßen.

Die westlichen Medien und Politiker machen unisono Russland für die Sprengung der eigenen Pipelines verantwortlich. Dabei wird überhaupt nicht gefragt, ob eine solche Sprengung in russischem Interesse liegt. Selbst wenn man unterstellt, dass die technischen Probleme mit Nordstream 1 vorgeschoben sind, dann dient der Lieferstopp vor allem dazu, den Westen und besonders Deutschland unter Druck zu setzen, seine proukrainische Politik zu ändern. Die Sprengung wird Druck von der Bundesregierung nehmen, was nicht im Interesse Russlands sein kann.

Jetzt aber sind die Wirtschaftsbeziehungen von Deutschland zu Russland irreversibel zerstört. Das ist genau das, was die USA anstreben. Nun ist es nicht mehr eine Frage des guten Willens, ob Deutschland mit ausreichend preiswertem russischem Gas versorgt werden kann. Das ist jetzt physisch unmöglich. Daran haben die USA ein großes Interesse. Es nützt ihnen auf vielfache Weise:

  • Die von den USA gefürchtete Zusammenarbeit von Deutschland (Technologie) und Russland (Rohstoffe) ist nun unmöglich.
  • Die USA können ihr um Größenordnungen teureres Frackinggas konkurrenzlos nach Europa verkaufen.
  • Die USA könnten befürchtet haben, dass angesichts des heraufziehenden heißen Herbstes die Bundesregierung der Bevölkerung gegenüber einknickt und Nordstream 2 doch noch öffnet. Diese Gefahr besteht nun nicht mehr.
  • Ein Niedergang der deutschen Industrie ist nun nicht mehr aufzuhalten. Das nützt den USA, da nun ein großer Konkurrent für sie ausgeschaltet wird. Zudem werben sie gezielt deutsches Kapital ab.

Dass die USA die militärischen Fähigkeiten für eine Sprengung von Nordstream haben, steht außer Frage. Man muss sich vor Augen halten: Sollte die Pipeline von den USA gesprengt worden sein und gegen ihren Willen repariert werden, können sie diese an einer anderen Stelle erneut sprengen. Die Pipeline ist nicht gegen den Willen der USA zu betreiben. Für eine solche Sprengung spricht auch, dass Joe Biden am 7. Februar 2022 bei einem Besuch von Kanzler Scholz in seiner Anwesenheit offen gedroht hat, man habe Mittel und Wege, die Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern.

Man sollte auch eine weitere Möglichkeit nicht ausschließen: Auch die deutsche Bundeswehr besitzt zumindest die militärischen Fähigkeiten für eine entsprechende Sabotageaktion: Die neuen U‑Boote der Klasse 212A haben eine Ausstiegsschleuse für Kampfschwimmer. Zudem verfügt die Bundeswehr über eine solche Truppe, die maritime Komponente der Spezialkräfte. Wir wissen ja, dass Annalena Baerbock, die starke Frau der deutschen Regierung, Volksaufstände fürchtete. Da kann es den Grünen nur recht sein, wenn die wichtigste Forderung der Protestbewegung und zwar die Öffnung von Nordstream 2 nun physisch unmöglich geworden ist. Dadurch wird – so möglicherweise die Hoffnung – den Protesten die Spitze abgebrochen.

Egal, wer es nun war: Die Sprengung der Nordstream‐​Pipelines sollte allen Menschen die Augen öffnen, mit welchen »Verbündeten« es wir hier zu tun haben und welche Regierung jetzt an der Macht ist. Daran kann – hoffentlich – auch eine Pferdedosis Propaganda nichts mehr ändern. Das Motto für die Proteste kann nur sein: Rücktritt der deutschen Regierung! Deutschland raus aus der NATO! Beide Forderungen sind nun zu einer Frage des Überlebens der deutschen Bevölkerung geworden. Denn wer solche »Verbündeten« hat, braucht keine Feinde mehr.

Man muss sich nur die Frage stellen: Wer hat Deutschland mehr geschadet? Russland, das uns mit preiswerten Rohstoffen versorgen will, oder die USA, die an einer Deindustrialisierung des Landes arbeiten?

Sollten sich die Vermutung einer Sprengung der Pipeline durch die Westmächte erhärten, käme das zudem einer offenen Kriegserklärung an Russland gleich. Es ist nicht abzusehen, wie Russland reagieren wird. Aber es kann durchaus sein, dass es auf diese Eskalation seinerseits mit einer Gegeneskalation antwortet. Etwa indem Russland US‐​Satelliten und Spionageflugzeuge abschießt. Durch die Sprengung von Nordstream 2 sind wir einem Weltkrieg wieder ein Stück näher gerückt.

Die Frage für die Protestbewegung ist nun, wie weiter? Die Forderung nach einer Öffnung von Nordstream 2 ist keine Option mehr. Ebenso wenig die Forderung nach der Reparatur der Pipeline. Sie dauert in jedem Fall zu lange und ist kaum gegen den Willen der USA möglich.

Nun, nach der Zerstörung von Nordstream 2 kann ein scharfer Niedergang der deutschen Wirtschaft kaum mehr verhindert werden. Es kann kurzfristig nur noch darum gehen, die schlimmsten sozialen Verwerfungen abzufedern. Mittel‐ und langfristig muss die deutsche Industrie auf eine völlig neue Rohstoffbasis gestellt werden. Nur dann wäre ein Überleben der Bevölkerung noch möglich.

Ich schlage folgende Forderungen vor:

kurzfristig

  • Einstellung der Gasverbrennung in Kraftwerken
  • So viele Kohlekraftwerke wie möglich ans Netz
  • Braunkohleförderung beibehalten
  • Weiterbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland.
  • Wiederinbetriebnahme der Kernkraftwerke Grohnde, Gundremmingen C und Brockdorf
  • Aussetzung des preistreibenden Börsenhandels für Strom, Gas und Benzin. Verteilung dieser Ressourcen ausschließlich durch den Staat.
  • Dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie, Abschaffung der CO2-Steuer
  • Preisstopp für Gas
  • Aufhebung des Ölembargos gegen Russland.

mittelfristig

  • Förderung von eigenen großen Erdgasvorräten mittels Fracking. Umweltschäden sind bei der heutigen Frackingtechnologie und der großen Fördertiefe nahezu ausgeschlossen.
  • Rückumstellung der chemischen Industrie von Erdgas auf Erdöl
  • Wiederaufnahme des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet
  • Vergasung der Kohle zur Produktion von Stadtgas als Ersatz für das Erdgas
  • Rückumstellung der Gasheizungen von Erdgas auf Stadtgas

langfristig

  • Umstellung der chemischen Industrie auf Kohlebasis (teilweise)
  • Bau von neuen, inhärent sicheren Kernkraftwerken, den Dual‐​Fluid‐​Reaktoren, zur Stromerzeugung1
  • Nutzung der Dual‐​Fluid‐​Reaktoren auch zur Produktion künstlicher Kohlenwasserstoffe, von Wasserstoff allgemein, Industriewärme und Fernwärme

Es bestehen große Fragen nach der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemieindustrie auf dem Weltmarkt bei einer Kohlechemie. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Dual‐​Fluid‐​Reaktoren einen sehr hohen, bisher nicht erreichten Wirkungsgrad haben. Bisher sind sie in keinem anderen Land in Betrieb. Dies könnte die Zusatzkosten der Kohleförderung zum Teil ausgleichen.

Zumindest langfristig würde sich der zusätzliche CO2-Ausstoß in Grenzen halten. Kohlekraftwerke könnten mit der Technologie der CO2-Ausscheidung ausgestattet werden, wobei das CO2 später im Ozean verpresst würde.

Letztlich setzt dieses Programm aber voraus, dass sich die deutsche Bevölkerung von der neoliberalen Grünideologie freimachen kann. Daran dürfte es scheitern. Denn das Zeitfenster für eine solche Umstellung schließt sich. Jetzt kann sie noch möglich sein. Wenn aber große Teile der deutschen und europäischen Industrie in einem Jahr stillgelegt sein werden, existieren keine technologischen und menschlichen Kapazitäten mehr hierfür.

Verweise

1 Zu Dual‐​Fluid‐​Reaktoren: Götz Rupprecht, Hans Joachim Lüdecke: Kernkraft – Der Weg in die Zukunft, Jena 2018
Jan Müller: Der vermutlich kommende Klimalockdown und seine Alternativen, in: Autorenkollektiv: Dark Winter, Oktober 2021 (Broschüre), im Internet: https://​magma​-magazin​.su/​b​r​o​s​c​h​u​e​r​e​n​/​d​a​r​k​-​w​i​n​t​e​r​-​a​n​a​l​y​s​e​n​-​z​u​m​-​c​o​r​o​n​a​-​k​a​p​i​t​a​l​i​s​m​us/, abgerufen am 31.08.2022, ab S. 175ff

Bild: Pixabay

3 thoughts on “Nordstream gesprengt, wie weiter?

    1. 1. »Rücktritt der deutschen Regierung!« ist als Forderung sinnvoll, wenn klar ist, wer wie den Staat danach leiten soll. Bis dahin ist die Forderung bestenfalls populistisch, eigentlich nicht weniger reaktionär als die bisherige(n) Staatsführung(en) der BRD.
      2. Soweit publiziert wurde, gäbe es weitere praktikable Möglichkeiten der Energieumwandlung/​‐​bereitstellung. Es war von Energieausbeute ›verbrauchter‹ Kernbrennstäbe in nahezu beliebigen Größenordungen und Verteilungen zu lesen. Oder z.B. die Forschungen von Prof. Turtur fortführen. (Ich selbst habe dazu keine Urteilsfähigkeit, kann also nur darauf beispielsweise hinweisen.)
      3. Sich »von der neoliberalen Grünideologie freimachen« dürfte eine objektive Notwendigkeit sein, kann also durch subjektives Wollen nur hinausgezögert werden. Um so einschneidender setzt sich dann das Objektive durch. -
      Was ja wohl einer Essenz des Artikels entspricht.

  1. Ein rundum guter Artikel! Ich hätte nur die Frage, seit wann Fracking nicht mehr umweltschädlich ist.

    Jens Berger weist in den Nachdenkseiten heute darauf hin, dass die Ostsee von allen Seiten extrem stark überwacht wird. Wie werden die US die verdeckte Op angegangen sein? Zitat Jens Berger:
    »… Wer etwas verstecken will, macht dies bekanntlich am besten in aller Öffentlichkeit. Was darunter zu verstehen ist, zeigt ein Gedankenexperiment.
    Um halbwegs unbemerkt Sprengkörper an einer Gaspipeline anbringen zu können, bräuchte man eine plausible Ablenkung – einen Grund, warum man in der Nähe von Bornholm taucht, ohne dass man gleich in den Verdacht gerät, einen Sabotageakt zu verüben. Das muss zeitlich gar nicht einmal in direktem Zusammenhang mit den Anschlägen erfolgt sein. Moderne Sprengsätze sind natürlich fernzündbar. Wer hat also in den letzten Wochen derartige Operationen in dem Seegebiet durchgeführt?
    Anfang bis Mitte Juni fand in der Ostsee das jährliche NATO‐​Manöver Baltops statt. Unter dem Kommando der 6. US‐​Flotte nahmen in diesem Jahr 47 Kriegsschiffe an der Übung teil, darunter der US‐​Flottenverband rund um den Hubschrauberträger USS Kearsarge. Von besonderer Bedeutung ist dabei ein bestimmtes Manöver, das von der Task Force 68 der 6. Flotte durchgeführt wurde – einer Spezialeinheit für Kampfmittelbeseitigung und Unterwasseroperationen der US‐​Marines, also genau die Einheit, die die erste Adresse für einen Sabotageakt an einer Unterwasserpipeline wäre. Wie das Fachblatt „Seapower“ berichtete, war im Juni dieses Jahres genau diese Einheit vor der Insel Bornholm mit einem Manöver beschäftigt, bei dem man mit unbemannten Unterwasserfahrzeugen operierte.
    ›Zur Unterstützung von BALTOPS hat sich die 6. Flotte der US‐​Marine mit Forschungs‐ und Kriegsführungszentren der US‐​Marine zusammengetan, um die neuesten Fortschritte in der Minenjagdtechnologie mit unbemannten Unterwasserfahrzeugen in die Ostsee zu bringen und die Wirksamkeit des Fahrzeugs in Einsatzszenarien zu demonstrieren.
    Die Experimente wurden vor der Küste von Bornholm, Dänemark, mit Teilnehmern des Naval Information Warfare Center Pacific, des Naval Undersea Warfare Center Newport und des Mine Warfare Readiness and Effectiveness Measuring durchgeführt, die alle unter der Leitung der U.S. 6th Fleet Task Force 68 standen.‹
    Aus: BALTOPS 22: A Perfect Opportunity for Research and Resting New Technology, Seapower

    Unterwasserfahrzeuge, die Minen entschärfen können, können sicherlich auch Minen oder Sprengsätze legen. Es ist fraglich, ob während eines militärischen Manövers davon jemand Notiz genommen hätte.
    Wie der Zufall es will, war genau jene Einsatzgruppe rund um die USS Kearsarge in der letzten Woche abermals im Seegebiet um Bornholm. Das letzte öffentlich verfügbare Positionssignal kam am letzten Mittwoch von einer Position, keine 10 Seemeilen von Bornholm entfernt. Seitdem haben die Schiffe des Flottenverbandes ihr automatisches Identifikationssystem AIS ausgeschaltet. Für die Seeraumüberwachung der Anrainerstaaten sind sie natürlich dennoch zu orten. Ist das die ’smoking gun‹? …«
    https://​www​.nachdenkseiten​.de/​?​p​=​8​8​603

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