»Schmut­zig und ent­ner­vend«: Wie Marx und Engels mit den Corona-»Linken« abrechnen

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Die Ver­wun­de­rung dar­über, dass in der »Coro­na-Kri­se« die Par­tei Die Lin­ke, auch die DKP und die meis­ten ande­ren als links gel­ten­den Orga­ni­sa­tio­nen – von Attac bis zur Anti­fa, von der Frie­dens­be­we­gung bis zu den Gewerk­schaf­ten –, jäm­mer­lich ver­sagt haben und immer noch ver­sa­gen, soll­te nie­man­den erstau­nen. Auf kei­nen Fall soll­ten sich die­je­ni­gen, wel­che Das Mani­fest der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei (MEW 4, Ber­lin 1964) gele­sen haben oder es noch lesen wer­den, durch die Insze­nie­rung des lin­ken Mit­mach-Thea­ters irri­tie­ren las­sen. Schon Karl Marx und Fried­rich Engels waren mit Sozia­lis­men kon­fron­tiert, die sie »mit sehr weni­gen Aus­nah­men« (S. 488) als schmut­zig und ent­ner­vend bezeich­net haben (1).

Die Mani­fest-Nie­der­schrift wur­de im Dezem­ber 1847 – also vor 175 Jah­ren! – von Karl Marx und Fried­rich Engels begon­nen und im Janu­ar 1848 abge­schlos­sen. Das Doku­ment besteht aus vier Kapiteln:

  • I. Abschnitt »Bour­geois und Pro­le­ta­ri­er«, eine Art Klassenanalyse;
  • II. »Pro­le­ta­ri­er und Kom­mu­nis­ten«, über die Rol­le der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei und ihrer Kader im Ver­hält­nis zu den Werktätigen;
  • III. »Sozia­lis­ti­sche und kom­mu­nis­ti­sche Lite­ra­tur«, eine kri­ti­sche Zurecht- und Zurück­wei­sung von diver­sen sozia­lis­ti­schen und kom­mu­nis­ti­schen, kurz: lin­ken Strö­mun­gen und ihrer Wortführer;
  • IV. Kapi­tel »Stel­lung der Kom­mu­nis­ten zu den ver­schie­de­nen oppo­si­tio­nel­len Parteien«.

In Kapi­tel III, das – wie auch die ande­ren Kapi­tel – bis in die Gegen­wart eine beson­de­re Aktua­li­tät bean­spru­chen kann, erör­tern Marx und Engels drei damals zeit­ge­nös­si­sche ideo­lo­gi­sche Strö­mun­gen des Sozia­lis­mus. Es sind dies: der reak­tio­nä­re Sozia­lis­mus, der kon­ser­va­ti­ve oder Bour­geois-Sozia­lis­mus sowie der kri­tisch-uto­pis­ti­sche Sozia­lis­mus und Kommunismus.

Der kri­tisch-uto­pis­ti­sche Sozia­lis­mus for­dert #Zero­Co­vid

Um mit Letz­te­rem zu begin­nen: Die Erfin­der der kri­tisch-uto­pis­ti­schen Sys­te­me »sehen zwar den Gegen­satz der Klas­sen wie die Wirk­sam­keit der auf­lö­sen­den Ele­men­te in der herr­schen­den Gesell­schaft selbst. Aber sie erbli­cken auf der Sei­te des Pro­le­ta­ri­ats kei­ne geschicht­li­che Selbst­tä­tig­keit, kei­ne ihm eigen­tüm­li­che poli­ti­sche Bewe­gung.« (S. 490)

Die kri­tisch-uto­pis­ti­schen Sozia­lis­ten heu­te machen sich stark für #Zero­Co­vid.

An die Stel­le der gesell­schaft­li­chen Tätig­keit muss ihre per­sön­lich erfin­de­ri­sche Tätig­keit tre­ten, an die Stel­le der geschicht­li­chen Bedin­gun­gen der Befrei­ung phan­tas­ti­sche, an die Stel­le der all­mäh­lich vor sich gehen­den Orga­ni­sa­ti­on des Pro­le­ta­ri­ats zur Klas­se eine eigens aus­ge­heck­te Orga­ni­sa­ti­on der Gesell­schaft.« (Ebd.)

Sprich: Sie for­dern Lock- und Shut­downs, Home­schoo­ling, Home­of­fice, digi­ta­le Zoom-Kon­fe­ren­zen, Mas­ken­pflicht und Impf­zwang, Rei­se­be­schrän­kun­gen, Begeg­nungs- und Feierverbote.

Da die­se Lin­ken »in ihren Plä­nen haupt­säch­lich das Inter­es­se der arbei­ten­den Klas­se als der lei­dends­ten Klas­se (ver­tre­ten)«, exis­tiert das Pro­le­ta­ri­at für sie »nur unter die­sem Gesichts­punkt der lei­dends­ten Klas­se«. (Ebd.).

»Sie wol­len die Lebens­la­ge aller Gesell­schafts­glie­der, auch der best­ge­stell­ten, ver­bes­sern.« (Ebd.) Abstand zu hal­ten, Mund­schutz­mas­ken zu tra­gen, sich tes­ten, Gen­ma­te­ri­al imp­fen und boos­tern zu las­sen, all dies sei­en Zei­chen gesell­schaft­li­cher Ver­ant­wor­tung und Bewei­se von Soli­da­ri­tät: »Sie appel­lie­ren daher fort­wäh­rend an die gan­ze Gesell­schaft ohne Unter­schied, ja vor­zugs­wei­se an die herr­schen­de Klas­se. Man braucht ihr Sys­tem ja nur zu ver­ste­hen, um es als den best­mög­li­chen Plan der best­mög­li­chen Gesell­schaft anzu­er­ken­nen.« (Ebd.) Sie­he bei­spiel­wei­se Kuba und Chi­na als Vor­bild. (Dass die gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se in den genann­ten Län­dern ganz ande­re sind als bei uns, wird nicht zur Kennt­nis genom­men. Als ob der Sozia­lis­mus sich auto­ma­tisch ein­stellt, wenn Maß­nah­men wie in der Volks­re­pu­blik Chi­na exe­ku­tiert werden.)

Zu recht haben Marx und Engels dar­auf ver­wie­sen, dass die revo­lu­tio­nä­re Lite­ra­tur die­ses Typs »dem Inhalt nach not­wen­dig reak­tio­när (ist). Sie lehrt einen all­ge­mei­nen Aske­tis­mus und eine rohe Gleich­ma­che­rei« (S. 489). Wir gemein­sam und Ähn­li­ches for­dert die Pro­pa­gan­da der Regie­rung und der Medien.

Zwar waren, so wört­lich im Mani­fest, »die Urhe­ber die­ser (kri­tisch-uto­pis­ti­schen) Sys­te­me auch in vie­ler Bezie­hung revo­lu­tio­när, … (aber) ihre Schü­ler (bil­de­ten) jedes­mal reak­tio­nä­re Sek­ten. Sie hal­ten die alten Anschau­un­gen der Meis­ter fest gegen­über der geschicht­li­chen Fort­ent­wick­lung des Pro­le­ta­ri­ats.« (S. 491) Jenes ver­harrt nicht in Sta­gna­ti­on, son­dern es hat sich gezwun­ge­ner Maßen dem Fort­schritt der Pro­duk­tiv­kräf­te ange­passt bezie­hungs­wei­se unterworfen.

Die kon­ser­va­ti­ven Sozia­lis­ten hei­ßen Schwab, Gates, Neu­bau­er und Die Linke

All­mäh­lich, so äußern Marx und Engels sich über den kri­tisch-uto­pis­ti­schen Sozia­lis­mus und Kom­mu­nis­mus, fal­len die Anhän­ger des­sel­ben in die Kate­go­rie des zwei­ten Typus, näm­lich des kon­ser­va­ti­ven oder Bour­geois­so­zia­lis­mus. Die­sen woken Gen­der- und Gren­zen­öff­nungs-Sozia­lis­mus cha­rak­te­ri­siert das Mani­fest der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei wie folgt:

Ein Teil der Bour­geoi­sie wünscht den sozia­len Miß­stän­den abzu­hel­fen, um den Bestand der bür­ger­li­chen Gesell­schaft zu sichern. Es gehö­ren hier­her: Öko­no­mis­ten, Phil­an­thro­pen, Huma­ni­tä­re, Ver­bes­se­rer der Lage der arbei­ten­den Klas­sen, Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sie­rer, Abschaf­fer der Tier­quä­le­rei, Mäßig­keits­ver­eins­stif­ter, Win­kel­re­for­mer der bunt­sche­ckigs­ten Art. Und auch zu gan­zen Sys­te­men ist die­ser Bour­geois­so­zia­lis­mus aus­ge­ar­bei­tet wor­den. (S. 488)

Wer denkt bei die­ser Auf­zäh­lung bei­spiels­wei­se nicht an das World Eco­no­mic Forum und sei­nen ‚Gre­at Reset-Wort­füh­rer‘ Klaus Schwab, an ver­meint­li­che Phil­an­thro­pen wie Bill Gates, an den Trans­hu­ma­nis­mus, an die Grü­nen und Fridays4Future, an die Tafeln und die Vega­ne Bewe­gung, an Tier­schüt­zer, die Gewerk­schaf­ten des DGB, an die SPD, die Frie­dens­be­we­gung und nicht zuletzt Die Lin­ke?

Zutref­fend hat­ten Marx und Engels erkannt: »Die sozia­lis­ti­schen Bour­geois wol­len die Lebens­be­din­gun­gen der moder­nen Gesell­schaft ohne die not­wen­dig dar­aus her­vor­ge­hen­den Kämp­fe und Gefah­ren. Sie wol­len die Bour­geoi­sie ohne das Pro­le­ta­ri­at« (ebd.), ohne Auf­stän­de und Rebel­li­on, ohne Gelb­wes­ten und Fabrik­be­set­zun­gen: »Eine … weni­ger sys­te­ma­ti­sche und mehr prak­ti­sche Form des (kon­ser­va­ti­ven oder Bourgeois-)Sozialismus such­te der Arbei­ter­klas­se jede revo­lu­tio­nä­re Bewe­gung zu ver­lei­den durch den Nach­weis, wie nicht die­se oder jene poli­ti­sche Ver­än­de­rung, son­dern nur eine Ver­än­de­rung der mate­ri­el­len Lebens­ver­hält­nis­se ihr von Nut­zen sein kön­ne.« (S. 489) Reform statt Revo­lu­ti­on lau­tet die Devise.

Schlim­mer noch: »Zel­len­ge­fäng­nis­se! im Inter­es­se der arbei­ten­den Klas­se:« – das heißt Lock­downs, Kon­trol­len, Ver­samm­lungs­ver­bo­te und Über­wa­chung im Inter­es­se der arbei­ten­den Klas­se – »das ist das letz­te, das ein­zi­ge ernst­ge­mein­te Wort des Bour­geois­so­zia­lis­mus. Der Sozia­lis­mus der Bour­geoi­sie besteht eben in der Behaup­tung, daß die Bour­geois Bour­geois sind – im Inter­es­se der arbei­ten­den Klas­se.« (Ebd.)

Der reak­tio­nä­re Sozia­lis­mus ist offen faschistisch

Eine drit­te Kate­go­rie vor­geb­lich lin­ker Ideo­lo­gie ist der »reak­tio­nä­re Sozia­lis­mus« (S. 482), des­sen Unter­ka­te­go­rien der »feu­da­le Sozia­lis­mus« (ebd.) und »der christ­li­che Sozia­lis­mus« (S. 284), der »klein­bür­ger­li­che« (ebd.) und jener Sozia­lis­mus sind, den Marx und Engels als » ›deut­schen‹ oder wah­ren Sozia­lis­mus« (S. 485) bezeich­net haben. Letzterer:

[…] pro­kla­mier­te die deut­sche Nati­on als die nor­ma­le Nati­on und den deut­schen Spieß­bür­ger als den Nor­mal­men­schen. Er gab jeder Nie­der­tracht des­sel­ben einen ver­bor­ge­nen, höhe­ren, sozia­lis­ti­schen Sinn, wor­in sie ihr Gegen­teil bedeu­te­te. Er zog die letz­te Kon­se­quenz, indem er direkt gegen die ›roh­de­struk­ti­ve‹ Rich­tung des Kom­mu­nis­mus auf­trat und sei­ne unpar­tei­ische Erha­ben­heit über alle Klas­sen­kämp­fe ver­kün­de­te. (S. 488)

Alle, die bei der Lek­tü­re die­ser Mani­fest-Pas­sa­ge nicht den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Faschis­mus vor Augen haben, wer­den sich gewiss wei­ter­hin dar­über wun­dern, wes­halb die Anti­fa das Impf­re­gime der Regie­rung unter­stützt. In SA-Manier (2) stö­ren die Anti­fas Demons­tra­tio­nen und wün­schen »Unge­impf­te« in Konzentrationslager.

Das Mani­fest der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei gibt in sei­nem III. Kapi­tel eine Hand­ha­be zur Erklä­rung, war­um Die Lin­ke und ande­re als links gel­ten­de Orga­ni­sa­tio­nen seit 2020 jäm­mer­lich ver­sagt haben und immer noch ver­sa­gen – zum Scha­den der Werk­tä­ti­gen, im wohl­ver­stan­de­nen Inter­es­se der Unternehmens‑, Medien‑, Digi­tal- und Finanz-Bour­geoi­sie, des Mili­tä­risch-Indus­tri­el­len und des Medi­zi­nisch-Indus­tri­el­len Komplexes.

Quel­len und Anmerkungen

(1) Karl Marx und Fried­rich Engels: Mani­fest der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Ver­füg­bar auf www​.mar​xists​.org/​d​e​u​t​s​c​h​/​a​r​c​h​i​v​/​m​a​r​x​-​e​n​g​e​l​s​/​1​8​4​8​/​m​a​n​i​f​e​s​t​/​i​n​d​e​x​.​htm (abge­ru­fen am 7.8.2022).

(2) Die Sturm­ab­tei­lung (SA) war die para­mi­li­tä­ri­sche Kampf­or­ga­ni­sa­ti­on der NSDAP (Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deut­sche Arbei­ter­par­tei) wäh­rend der Wei­ma­rer Repu­blik. Die SA spiel­te eine ent­schei­den­de Rol­le beim Auf­stieg der Nazis. Als Ord­ner­trup­pe schirm­te sie die Ver­samm­lun­gen der Nazis vor poli­ti­schen Geg­ner ab und stör­te bezie­hungs­wei­se behin­der­te geg­ne­ri­sche Ver­an­stal­tun­gen und Ver­samm­lun­gen. Im Vor­feld der Macht­er­grei­fung der Nazis 1933 tat sich die SA im Bereich der Pro­pa­gan­da her­vor, beim Stra­ßen­kampf und bei Über­fäl­len auf Sozi­al­de­mo­kra­ten, Kom­mu­nis­ten und Juden. Kon­flik­te mit der Staats­macht wur­den von der SA vermieden.

Der Bei­trag wur­de mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Autor von Neue Debat­te über­nom­men.

Bild: Marx und Engels bei der Rhei­ni­schen Zei­tung (Öl auf Leinwand)

One thought on “»Schmut­zig und ent­ner­vend«: Wie Marx und Engels mit den Corona-»Linken« abrechnen

  1. Ein sehr guter Text, der mir wie­der ein­mal beweist, daß das »Stu­di­um der Klas­si­ker« zu Ein­sich­ten befä­higt, die mich die heu­ti­gen poli­ti­schen Ver­hält­nis­se bes­ser ver­ste­hen lassen.
    Er zeigt die Stär­ke des lin­ken Ana­lys­ten RB.
    (Das war der Teil »bru­tus ist eine ehren­wer­ter mann«.)

    Was ich aber bei bei allen, die ich bis­her im Netz gele­sen habe und die ich als enst­haft und kom­pe­tent schät­ze, nicht fin­de ist:
    Was tun?
    Bren­nen­de Fra­gen unse­rer Bewegung
    https://​www​.mar​xists​.org/​d​e​u​t​s​c​h​/​a​r​c​h​i​v​/​l​e​n​i​n​/​1​9​0​2​/​w​a​s​t​un/

    (Ein Anfang wäre, sich mit einer roten Nel­ke im Knopf­loch in die Schlan­ge vor der Tafel ein­rei­hen und mit den Leu­ten reden und ihnen zuhö­ren. Beson­ders zu emp­feh­len für die jun­ge aka­de­mi­sche Linke.)

    Habt einen schö­nen Abend 🙂

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