Die Protokolle der Weisen von Ljublitzia oder warum Žižek zu zerstören ist

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MagMa veröffentlicht hier eine längere Untersuchung über Slavoj Žižeks manipulative Methode, seine Herkunft und ideologische Funktion. Der Redaktion war kein deutscher Text bekannt, der ähnlich gekonnt und fundiert in historisch-​kritischer Weise die sehr schwierige Aufgabe der Analyse Žižeks diffuser Manöver erledigt und dazu beiträgt, diese zu durchschauen, zu kritisieren und, vor allem, das Wesen seiner Manipulationsmethode zu entschlüsseln. Neben der geschichtlichen Relevanz hinsichtlich der Entwicklung der westlichen Linken im 21. Jahrhundert hat der Text weiterhin eine große ideologiekritische Relevanz. Der englische Originaltext wurde im Jahr 2016 veröffentlicht. Die Übersetzung wurde mithilfe von DeepL angefertigt.

Proudhon neigte von Natur zur Dialektik. Da er aber nie die wirklich wissenschaftliche Dialektik begriff, brachte er es nur zur Sophistik. In der Tat hing das mit seinem kleinbürgerlichen Standpunkt zusammen. Der Kleinbürger ist wie der Geschichtsschreiber Raumer zusammengesetzt aus einerseits und andrerseits. So in seinen ökonomischen Interessen, und daher in seiner Politik, seinen religiösen, wissenschaftlichen und künstlerischen Anschauungen. So in seiner Moral, so in everything. Er ist der lebendige Widerspruch. Ist er dabei, wie Proudhon, ein geistreicher Mann, so wird er bald mit seinen eigenen Widersprüchen spielen lernen und sie je nach Umständen zu auffallenden, geräuschvollen, manchmal skandalösen, manchmal brillanten Paradoxen ausarbeiten. Wissenschaftlicher Scharlatanismus und politische Akkommodation sind von solchem Standpunkt unzertrennlich. Es bleibt nur noch ein treibendes Motiv, die Eitelkeit des Subjekts, und es fragt sich, wie bei allen Eiteln, nur noch um den Erfolg des Augenblicks, um das Aufsehn des Tages. So erlischt notwendig der einfache sittliche Takt, der einen Rousseau zum Beispiel selbst jedem Scheinkompromiß mit den bestehenden Gewalten stets fernhielt.1

Im Jahr 2008, als eine mysteriöse »Krise« der LIBOR-​Spreads zum Vorwand für einen massiven Transfer von Reichtum aus den Staatskassen und von den Arbeitnehmern an die herrschende Klasse wurde (die so genannten »Rettungsaktionen« für Banken und Versicherungen2), erlebten die bürgerlichen Medien eine Saison cineastischer Apokalyptik. Auf dem Parkett der New Yorker Börse aufgestellte Kameras schwankten mit Übelkeit, als befänden sie sich auf dem Deck eines sturmgepeitschten Schiffes und beobachteten die Wall-​Street-​Händler wie todgeweihte Matrosen, die auf den Börsenticker starrten wie auf eine vernichtende Flutwelle, was an die auf die brennenden Türme des World Trade Center gerichteten Blicke vom September 2001 erinnerte.

Wie Sadams Massenvernichtungswaffen im Jahr 2002 wurde die Bedrohung durch die Kreditverknappung im Jahr 2008 als unendlich dargestellt, weil sie unbestimmt war. Doch diesmal war die schreckliche sich am Horizont abzeichnende Bedrohung global. Das Gefüge der Realität selbst, das in den Weltmedien, die diesen Begriff bisher scheuten, nun täglich als »Kapitalismus« bezeichnet wird, war vom Aussterben bedroht: Ohne wirkliche Berichterstattung verbreiteten die Nachrichtensendungen Ausschnitte aus Hollywood-​Katastrophenfilmen, in denen die totale Auslöschung des Vertrauten angekündigt wurde. Unheil wurde in furchterregenden und aufrüttelnden epischen Visionen versprochen – von einer Zeit krawalliger Turbulenzen, von kollabierenden Systemen und implodierenden Strukturen, von herrschenden Ismen, die in Trümmern liegen und die Hybris unserer Spezies züchtigen, von einer hedonistischen Gesellschaft, die im Gefolge des Kataklysmus plötzlich Reue zeigt, von Ödland des darwinistischen Kampfes. All das läge gleich hinter einer epochalen Wegbiegung. Aber zuerst wurde, und zwar mit besonderer Eindringlichkeit, auf die gefährliche Unzulänglichkeit der Wirtschaftspolitik hingewiesen. Es wurde suggeriert, dass die Welt jeden Moment in der finanziellen Scheiße versinken würde, wenn die »toxischen Vermögenswerte»3, die »das System verstopfen«, nicht unverzüglich beseitigt würden.

Passenderweise befand sich im Zentrum des ganzen gesteuerten Spektakels im Stil einer Trockeneis- und Lasershow – Modus Götterdämmerung – die äußerst merkwürdige Figur von Slavoj Žižek, dem slowenischen »intellektuellen Scharlatan»4. Dieser ist seit einigen Jahren internationaler Direktor des Londoner Birkbeck Institute for the Humanities und wurde vor allem durch seine Auslassungen zu skatologischen Themen berühmt: Schokoladenabführmittel5 als Metapher für Liberalismus, Toilettenentwürfe6 als Schlüssel zu einem psychoanalytisch verstandenen Nationalcharakter, die sagenumwobene Klopapierknappheit7 im ehemals kommunistischen Europa, ein muslimisches Klopapierverbot8 als Krux ihrer fremden Unverdaulichkeit für den aufgeklärten Westen – all das wurde als verblüffende »philosophische Einsichten« ausgegeben. « Bevor er zu einer weltweiten Berühmtheit wurde, war Žižek der Chefideologe9 der antikommunistischen, pseudolinken, ethnisch-​separatistischen slowenischen Liberaldemokratischen Partei. In den 1990er Jahren verwandelte er sich jedoch für den anglophonen Markt in einen Varieté-​Kommunisten.10 Dies gelang ihm, indem er sich einfach zum »Stalinisten« erklärte und dann damit fortfuhr, Hitlers antikommunistische Propaganda11 zu recyceln und Hitlers Klagen12 über den Liberalismus an das bereits verwirrte Publikum der imperialen Kernuniversitäten zu bringen.

Was genau an Žižek in all den Jahren kommunistisch gewesen sein soll, hat nie jemand sagen können. Zunächst wurde er als ein jugoslawischer Informant eingesetzt, der bereit war, die brandneuen US-​Propagandamythen für den illegalen Angriff der NATO auf Jugoslawien zu liefern, und zwar von der New Left Review13 (damals unter der Leitung14 der sozialistischen Renegaten Quentin Hoare und Branka Magas), die damals den kroatischen Separatisten, Neo-​Ustaschisten und Verharmloser der Judenvernichtung Franjo Tudjman unterstützte. Žižek präsentierte sich zunächst als Lacan’scher Post-​Marxist, der lose mit dem post-​strukturalistischen Zeitgeist verbunden war, obwohl er sich einer besonderen Mission verschrieben hatte ihn zu retten: (zu retten, in der Maske von Lacan) vor Aberglauben, Relativismus und Obskurantismus (seine Karikatur des gedanklichen und tatsächlichen Antiimperialismus der globalen Arbeiterklasse); zu retten mit einer wiederbelebten neokantianischen »Politik der Wahrheit»15, die in der Lage ist, »den Untergang der symbolischen Effizienz»16 zu bekämpfen. (Obwohl sie vor über einem Vierteljahrhundert zum ersten Mal versprochen wurde, ist nichts von dem, was diese neue, von der Aufklärung geprägte Politik der Wahrheit ausmacht, jemals aufgetaucht, obwohl Žižek immer noch erklärt, dass sie aufgrund der fortschreitenden Degeneration der Autorität, die er der bösartigen »Hegemonie»17 des »liberalen Multikulturalismus»18 zuschreibt, notwendig sei.) »Seine unverkennbar imperialistischen, rechtsgerichteten Affekte und Anliegen wurden im Westen schon recht früh bemerkt, zum Beispiel von einem seiner ersten Förderer, Ernesto Laclau19, dessen populistische Politik (zum Beispiel seine Unterstützung für den Chavismus in Venezuela) Žižek aus Rache als inhärent faschistisch20 angriff, während seine imperiale weiße Vorherrschaft und faschioide Feindseligkeit gegenüber einer ganzen Reihe von Protagonisten der sozialen Bewegungen der »Neuen Linken«, (Feminismus, Freiheitskampf der afrikanischen Diaspora, antikoloniale Bestrebungen) von Leigh Claire La Berge, Paul Bowman und Kollegen in dem 2005 erschienenen Band The Truth of Žižek, der seine Karriere zumindest in der akademischen Welt hätte beenden sollen, was aber mysteriöserweise nicht geschah, mit Witz abgetan wurde (u.a. in einer Verhöhnung seiner eigenen fatalen psychoanalytischen »Lesarten«). (Dass dies nicht geschah, hatte sicherlich mit einem plötzlichen massiven Schub an Crossover-​Produkten zu tun, die ihn populär machten – die salbungsvolle Fan-​Dokumentation Žižek! von Astra Taylor, die BBC-​Fernsehserie A Pervert’s Guide to Cinema, beide 2006, und andere kultige Waren und Mainstream-​Hype). Der größte Teil seiner Kritiker sind jedoch antikommunistische Progressive und ausgewählte Liberale, die, wie es scheint, unwissentlich Žižeks eigenes Projekt der Scharade und Manipulation erfüllen, indem sie ihn als Bedrohung einer wiederauferstandenen stalinistischen totalitären Tyrannei® darstellen, die die Notwendigkeit einer Lustration nahelegt.

Seit seinem großen Erfolgspamphlet von 2001 Welcome to the Desert of the Real, in dem seine Pro-​Kriegs-​Suada als »oppositionell« dargestellt wurde, verhökert Žižek eine schrille Superhelden-​Comic-​Version von Huntingtons diskreditierter These vom Kampf der Kulturen, die in traurigen Verpackungen als bedauerliches Zugeständnis an die harte Wahrheit eines eingefleischten roten Flüchtlings aus der Asche Jugoslawiens angeboten wird, eine Art maskierter Aleksii Antedilluvianovich Prelapsarianov21, aber mit ostentativ abstoßenden Manieren und kindischen Denkgewohnheiten. Vom liberalen Mainstream-​Establishment im »Westen« als ihr Lieblings-»radikaler Linker«, »Marxist« oder »Stalinist« propagiert – wie der harmlos verrückte Nachbar in einer Situationskomödie – taucht dieser Aufschneider aus dem zentralen Casting überall dort auf, wo es eine populäre »linke« Veranstaltung gibt, um sich selbst – als Faschist und Stalinist – zum Propheten und Erlöser zu erklären, der gekommen ist, um den jakobinischen Geist22 einer Linken wiederzubeleben, die durch das, was er in den 90er Jahren »Vulvoliberalismus« nannte, weich geworden ist.23 Er schimpft auf »politische Korrektheit«, »Multikulturalismus«, »Identitätspolitik«, »Lokalismus«, »direkte Demokratie«, »Kulturwissenschaften«, »Feminismus« und »Treue zum Namensjude« (austauschbare Euphemismen für hochnäsige Nicht-​Arier), erkennbar jene Figur von Nietzsches Sklavenrevolte, die seine Mitstreiter ohne Masken wie Andras Behring Breivik neuerdings »kulturellen Marxismus« nennen. Seine sub-​Rabelaisianische Beschäftigung mit erdigem Dreck, gepaart mit seinem grandiosen, erklärtermaßen somatophoben Projekt der »Wiederbelebung des deutschen Idealismus«, soll jenen Schauer charmant-​abgedroschener »Inkongruenz« (Mafioso in der Psychoanalyse, Drogenbaron im Marketing-​Einmaleins24) hervorrufen, der jugendliche Hipster in ihren Unterhaltungen kitzelt.

Nur wenige Monate nach Beginn der spektakulären Dramaturgie von »Kreditkrise« und »Sparpolitik« – auf deren Schein-​Crash die Schein-​Rebellionen der »Bewegungen der Plätze« und des »Arabischen Frühlings« folgen sollten – erschien Žižeks einunddreißigstes Buch in englischer Sprache, das sich angeblich mit dieser jüngsten Katastrophe, der letzten des Bush-​Regimes und der ersten der historischen Obama-​Präsidentschaft, befassen sollte. Es trug den ironischen Titel First as Tragedy, then as Farce (Zuerst als Tragödie, dann als Farce). Obwohl es wie alle vorherigen als die endgültige, wiederbelebte »marxistische« Analyse der aktuellen globalen Krise angekündigt wurde, war es wie alle anderen ein unzusammenhängendes, zusammengestückeltes Traktat, das (wie Tristram Shandy, der versucht, den Moment seiner Geburt zu erreichen, um die richtige Erzählung seines Lebens zu beginnen) ausschließlich aus Abschweifungen von einem Argumentationsstrang besteht, der immer versprochen und nie gehalten wird. Gewürzt wird es mit Žižeks übliches Übermaß an liberalen Plattitüden, Desinformation und faschistischen Anspielungen wie die Behauptung, dass die wirtschaftliche Misere der Welt das Ergebnis des bizarren, fremden, antisozialen Wesens sei, das Bernard Madoff25 verkörpere (dessen traditionelles Schneeballsystem in Wirklichkeit durch den kühnen Multi-​Billionen-​Dollar-​Schwindel des Bush-​Regimes zerstört wurde).

Weltsystemtheoretiker wie Wallerstein und Amin hatten seit der Zerstörung der UdSSR eine beispiellose Offensive der herrschenden Klasse beobachtet, die eine Transformation von einer überholten Form des Wettbewerbskapitalismus zur nächsten Form der Klassenherrschaft vorantreiben wollte; populäre dissidente Ökonomen und Sozialtheoretiker wie Robin Blackburn, Michael Hudson, Naomi Klein und Robert Brenner hatten gleichzeitig die zunehmende Unsicherheit der finanzialisierten Post-​Bretton-​Woods-​Vereinbarungen verfolgt. In der Tat hatte Klein vor kurzem einen enormen Bestseller mit dem Titel Die Schock-​Strategie veröffentlicht, der trotz seiner vielen Mängel einen Neologismus für die Praxis der herrschenden Klasse lieferte. Dieser Neologismus vermittelte anschaulich die vorsätzliche Bosheit, Gewalt und Gerissenheit der herrschenden Klasse und war gut geeignet, Gespräche über die Ereignisse des Jahres 2008 quer durch alle sozialen Schichten und unterschiedlichen Gemeinschaften zu fördern. Doch trotz einer beträchtlichen Anzahl etablierter öffentlicher Intellektueller, die bereit waren, entmystifizierende Erklärungen zu liefern, war es vorhersehbar Slavoj Žižek, dem sich die globalen Massenmedien in US-​Besitz und – bezeichnenderweise – viele traditionelle linke Institutionen am meisten zuwandten und der ständig im Mittelpunkt stand, um die »radikale linke«, »antikapitalistische« Perspektive zu vertreten und die »marxistische« Weisheit zu vermitteln, nach der eine fassungslose und verängstigte Öffentlichkeit nun rief. Nach seinem Verhalten in diesem Rampenlicht zu urteilen, können wir davon ausgehen, dass sein Auftrag von seinen Förderern und Sponsoren darin bestand, zu verhindern, dass sich um diesen losen Konsens herum ein Widerstand gegen Krieg und Konterrevolution formiert, der die von Klein in ihrem Bestseller verbreitete globalsierungskritische Perspektive sowie das Spektrum der Anhänger eines wiederauflebenden kommunistischen Projekts umfasst.

Als 2008 das Spektakel ankündigte, dass der zweite Akt der wiederaufgenommenen Geschichte nach Fukuyama beginnen würde, war es, als sei der Moment gekommen, für den Žižek geschaffen worden war. Er trat als bereits etablierter Herold des bolschewistischen Revolutionsterrors des liberalen Mainstream-​Märchens auf – jenes monströs virile Gespenst, das auf die Gelegenheit der kapitalistischen Schwäche lauert, um eine göttliche Gewalttat zu begehen, die die Welt zu seiner grotesken Befriedigung in einen riesigen Gulag verwandeln würde – nur um alles in dieser Richtung abzusagen. Weit davon entfernt, seine glühenden Anhänger zum Widerstand aufzufordern, setzte er in übertriebener Form die Pantomime seiner anderen Persönlichkeit fort, derjenigen, die immer in der Gegenwart ist (im Gegensatz zu einem bekennenden radikalen Linken) und Passivität26 und Gehorsam27 gegenüber dem US-​Imperium anmahnt, das schließlich »nicht immer der Bösewicht ist, »und alles, was die Arbeiterklasse unternimmt, sei es antirassistische Militanz28, lohnschützende Arbeitermobilisierungen29 oder antiimperialistische Politik30 in der Regierung, als primitiv, geistlos, in Wirklichkeit mit dem Kapital verbündet, unausweichlich konservativ und/​oder protofaschistisch verunglimpft, während sie gleichzeitig künftige Taten von unvorstellbarer epischer Originalität und Kühnheit andeutet.

Immanuel Kant setzte der konservativen Devise ›Nicht denken, gehorchen!‹ nicht etwa ein ›Nicht gehorchen, denken!‹, sondern ›Gehorchen, ABER DENKEN!‹ entgegen. Wenn wir durch Dinge wie den Rettungsplan erpresst werden, sollten wir bedenken, dass wir tatsächlich erpresst werden, also sollten wir der populistischen Versuchung widerstehen, unsere Wut auszuleben und uns damit selbst zu schlagen. Anstelle eines solchen ohnmächtigen Ausagierens sollten wir unsere Wut kontrollieren und sie in eine kalte Entschlossenheit umwandeln, um zu denken, um wirklich radikal zu denken, um zu fragen, welche Art von Gesellschaft wir verlassen, in der eine solche Erpressung möglich ist.31

Während der Žižek, der von seinen Gefolgsleuten in der liberalen Presse lange als schrecklicher und aufregender Robespierre und Lenin angekündigt wurde und von den Abkömmlingen32 aus Euston33 lange als blutrünstiger, größenwahnsinniger Hitler-​Stalin-​Mao des liberalen Albtraums gefürchtet wurde, war der Žižek, der ankam, als sich der Vorhang hob, nach seinem eigenen Wunsch nicht einmal so unkooperativ wie der Bartleby der Schreiber34 in politischen Angelegenheiten, welchen er seinem Publikum im Jahr zuvor als Modell empfohlen hatte.

»Gehorcht!« So befahl Žižek, der burleske Stalin, seinem Publikum, als die Finanzkrise am Vorabend der Wahl von Präsident Obama in die Schlagzeilen geriet. »Bush sollte für die Ehrenmitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Amerikas nominiert werden«, wiederholte er überall, wo er um einen Kommentar gebeten wurde. Ein Schritt, der nicht nur mit der Darstellung des großen Raubes durch die bürgerlichen Medien harmonierte, sondern auch ganz seiner Gewohnheit entsprach, Figuren wie Richard Nixon, Benito Mussolini oder den spartanischen König Leonidas aus dem Zeichentrickfilm 300 für ihre bewundernswerten »leninistischen« »Taten« zu feiern. Speziell im Hinblick auf die US-​Rettungspakete beharrte Žižek darauf, dass die tatsächlichen Summen »erhaben« und unbegreiflich seien, dass es sinnlos sei, sie zu diskutieren oder zu untersuchen. Als schlaffe Geste der Kritik war alles, was er aufbringen konnte, eine Plattitüde (eine klassische »Impfung«, wie Barthes vor langer Zeit in Mythologien35 diagnostizierte) über die Heuchelei der imperialen Manager, die plötzlich in der Lage sind, das Geld aufzutreiben, »wenn es wirklich darauf ankommt«, obwohl sie sich die Taschen vollstopfen, wenn es um die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen geht, usw. Die »radikal-​marxistische« Alternative zu den keynesianischen Experten der NY Times griff, um sich Autorität zu verschaffen, auf die Unsinnigkeit von Ayn Rand zurück, einer weiteren seiner Leitfiguren: »Sie sagt, Geld sei in gewisser Weise ein Mittel zur Freiheit. Im Sinne von: wir müssen die Dinge teilen, tauschen usw. Sie sagt, Geld bedeutet, dass wir das friedlich tun können. Ich bezahle dich, du verkaufst es mir nur, wenn du es willst. Wenn nicht Geld, dann muss es eine Art von direkter Herrschaft geben, brutale Erpressung, was auch immer.« Der wiederholte Rückgriff auf Rand als (bedauerlicherweise anerkannten) Propheten der Zeit begründete seine Bestätigung der offiziellen Realitätsvorstellung der herrschenden Klasse (das Thatcher’sche There Is No Alternative):

Die Utopie ist hier nicht eine radikale Veränderung des Systems, sondern die Idee, dass man einen Wohlfahrtsstaat innerhalb des Systems aufrechterhalten kann. Auch hier sollte man das Körnchen Wahrheit im Gegenargument nicht übersehen: Wenn wir innerhalb der Grenzen des globalen kapitalistischen Systems bleiben, dann sind Maßnahmen, um den Arbeitern, Studenten und Rentnern weitere Summen abzuringen, tatsächlich notwendig.36

Dieses plumpe rhetorische Manöver – bei dem die offizielle reaktionäre Haltung der Kapitalistenklasse als ultralinke radikale Ablehnung der sozialdemokratischen Scharade und als Schrei nach dem Tod des Systems vorgebracht wird – hatte Žižek schon oft vorgeführt und würde es auch danach noch oft vorführen, wobei seine Fans, angeführt von den Redakteuren der zentristischen Mainstream-​Presse, dessen nie müde zu werden scheinen.

Inmitten des Aufruhrs, den die globale Finanzkrise und die »notwendigen Maßnahmen, um den Arbeitern weitere Summen abzuringen«, mit denen die Regierungen die Krise bewältigen wollten, ausgelöst hatten, ergriffen Žižek und sein enger Verbündeter, der neoplatonische frühere »maoistische« französische Philosoph Alain Badiou, die Gelegenheit, eine große akademische Prominenten-​Konferenz zu veranstalten, die das »erneuerte Interesse an Alternativen zum Kapitalismus« ausnutzte. Sie entpuppte sich als großartiger, demoralisierender Kühlkörper für die Wut und die Aufmerksamkeit, die die Mobilisierung der Bevölkerung bedrohte, und trug in nicht geringem Maße dazu bei, die Reaktion der Universitäten in Großbritannien auf die Rettungsaktionen zu zerstreuen.

Die Konferenz »Über die Idee des Kommunismus«, die 2009 zunächst in Birkbeck stattfand und dann bis zu einem gewissen Grad auf die Straße getragen wurde, scheint nach dem Vorbild der Konferenz »Die Politik der Wahrheit« veranstaltet worden zu sein, die dieselben prominenten Rädelsführer 2001 organisiert hatten und die zu einem populären Sammelband von Verso mit dem Titel »Lenin Reloaded« im Stil des Žižek’schen Massenkults geführt hatte. Insbesondere die Beiträge von Žižek, Badiou und Stathis Kouvelakis wurden zu den Zauberbüchern der irrationalistischen Werbekampagnen für die faschioiden, linken Ersatzbewegungen Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien; auch der Maidan und die Umbrellas in Hong Kong griffen die dort vorkommenden Themen und Motive auf. Die Sprache des Altermondialismus und seiner Kritik, die miteinander verflochten und verschmolzen sind, haben etwas erreicht, das hier erkennbar beschrieben wird, in diesem Diagramm von Psyops-​Taktiken, die in den Snowden-​Leaks37 gefunden wurden:

Auffallend abwesend auf der Birkbeck-​Konferenz »Über die Idee des Kommunismus« 2009 war alles, was einem Kommunisten ähnelte. Tatsächlich hatte alles an der Konferenz den Anstrich einer List, die Ähnlichkeit mit den Streichen hatte, wie sie Farbrevolutionen hervorbringen. Also mit der Art von Operationen, die Žižek und seine Freunde bei ihrem Projekt zur Zerstörung Jugoslawiens durchführten.38 Während die Konferenz in den britischen Medien als Ausdruck einer massiven Wiedergeburt sozialistischer Militanz gefeiert und beworben wurde – erstaunlicherweise für eine akademische Angelegenheit, die sich an Studenten in den rareren Gefilden der Geisteswissenschaften richtete -, betrug der Preis für die Teilnahme geradezu verblüffende 100 Pfund und 45 Pfund für Studenten. Alle zwölf eingeladenen Redner waren weiß, elf davon waren Männer. Der Vorschlag der Konferenz bestand darin, den Kommunismus als Idee zu behandeln, als eine Art spirituellen Traum, der den Menschen in messianischer Ekstase empfohlen wurde. Auf diese Weise konnte er von der Menschheitsgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts unbefleckt bleiben, die von den anwesenden Teilnehmern allgemein beklagt wurde. Darunter befanden sich progressive Liberale (zum Beispiel Michael Hardt), gegenwärtige und ehemalige trotzkistische Antikommunisten (Terry Eagleton, Alex Callinicos), anarchistische sozialdemokratische Poststrukturalisten (Jacques Rancière) und die Anhänger der Gastgeber Žižek und Badiou.39

Obwohl diese ausschließlich weiße, zu mehr als 90 Prozent männliche, zu 100 Prozent antikommunistische Besetzung leicht durch die schiere gedankenlose Arroganz und Insellage des Veranstalters zustande gekommen sein könnte, entwickelten sich bald Dinge, die darauf hindeuteten, dass es sich um eine Art klassischer Žižek’scher »Provokation« handelte, die Teil seines laufenden revanchistischen Projekts war. Bald kursierten Gerüchte, dass einige Studenten der SOAS (School of Oriental and African Studies) sowohl die Kosten der Veranstaltung als auch die mangelnde Vielfalt der Redner beanstandeten, obwohl ihre Beschwerden die Medien meist aus zweiter Hand erreichten. (Das Interesse dieser Studenten mit diesen Einwänden an der Veranstaltung wurde nie ganz geklärt; die Nachrichtenquellen stellten die Konferenz zunehmend als eine Art globales linkes Notfalltreffen dar, so dass man einfach davon ausging, dass alle Personen mit linken Anliegen, die sich bereits in London aufhielten, daran teilnehmen wollten).

Ein größeres Auditorium40 als ursprünglich geplant und ein zusätzlicher Saal für die Beobachtung in geschlossenen Kreisen wurden beschafft. Doch dann tauchte ein anonym verfasstes »Alternativprogramm« für die Konferenz auf, das in den Netzwerken des Badiou-Žižek’schen Zentrums für moderne europäische Philosophie, der Colleges Goldsmiths und Birkbeck, des Historischen Materialismus und der Sozialistischen Arbeiterpartei zirkulierte und online veröffentlicht wurde. Dieses Dokument wurde von den Žižek-​Anhängern, die es veröffentlichten, aber weder seine Urheberschaft beanspruchten noch behaupteten, seine Herkunft zu kennen, als halb ernster, halb scherzhafter Spruch von unerklärlich anonymen SOAS-​Studenten ausgegeben, die mit der geplanten Veranstaltung unzufrieden waren. (Žižeks Handschrift ist hier bereits in der akzeptierten Ungereimtheit zu erkennen, dass die Absender wussten, dass die Autoren SOAS-​Studenten waren, ohne zu wissen, wer sie waren). In Wirklichkeit handelte es sich um eine mehrfach desavouierte, rassistische Karikatur der erwarteten Kritiker von Žižek, Badiou und der weißen Vorherrschaft, der imperialistischen, idealistischen, antikommunistischen Idee des Kommunismus, die Žižek bekanntermaßen vertritt, und um einen bösartigen Angriff auf das, was von einer radikalen Linken an den englischsprachigen Universitäten übrig geblieben ist.

Dieses scherzhafte Faksimile eines alternativen Programms für die grandiose neoplatonische, nicht rekonstruierte eurozentrische, mythologisch-​imperialistische pseudokommunistische Konferenz verkörpert, wie wir weiter unten erklären werden, die PsyOp, die Slavoj Žižek ist. Das Räderwerk der Desavouierung und Distanzierung bietet dem Publikum das Vergnügen reaktionärer Äußerungen mit unzähligen, flexiblen Alibis und fördert die erneute Trennung, die das Spektrum der Kandidaten für eine Volksfront gegen das Imperium spaltet und demoralisiert:

The original programme:

Friday March 13
Registration opens at 11.30am
2pm Costas Douzinas Welcome
Alain Badiou Introductory remarks
Michael Hardt »The Production of the Common«
Bruno Bosteels »The Leftist Hypothesis: Communism in the Age of Terror«
Peter Hallward »Communism of the Intellect, Communism of the Will«
Jean-​Luc Nancy will be present throughout the conference and will intervene in the discussions.
6 pm End
Saturday March 14
Registration opens at 8.30am
10am Alessandro Russo »Did the Cultural Revolution End Communism?«
Alberto Toscano »Communist Power /​Communist Knowledge«
Toni Negri »Communisme: reflexions sur le concept et la pratique«
1pm Lunch
3pm Terry Eagleton »Communism: Lear or Gonzalo?«
Jacques Ranciere »Communists without Communism?«
Alain Badiou »Communism: a generic name«
6pm End
Drinks Reception – Jeffery Hall
Sunday March 15
10am Slavoj Žižek »To begin from the beginning over and over again«
Gianni Vattimo »Weak Communism?«
Judith Balso »Communism: a hypothesis for philosophy, an impossible name for politics?«
Concluding Debate
2pm End

Die »Alternative« zirkulierte anonym, aber Gerüchten zufolge – die ebenfalls aus anonymen Quellen stammten – handelte es sich um die Arbeit von Studenten der School of Oriental and African Studies, die angeblich ihre wirklichen Wünsche zum Ausdruck brachten, allerdings mit Satire:

Die Botschaft ist schmerzhaft klar: Das würde passieren, wenn das virile Weiß des kommunistischen Ereignisses (durch Farbige, Feministen oder Kommunisten) beschädigt würde. Einige Frauen und Farbige (berühmte Leute, die für die »Alternative« nur aufgrund ihres Geschlechts und ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgewählt wurden, nicht weil eine dieser Personen auch nur das geringste Interesse an Žižeks anti-​linken Werbegag bekundet hätte) sind (irgendwie) gezwungen, auf der Konferenz zu sprechen – oder vielmehr werden Karikaturen dieser Berühmtheiten, lächerliche, verächtliche Parodien, wie Geister beschworen. Ihre Anwesenheit, eine deformierte Vision antiimperialer Praxis in der intellektuellen Produktion, ist nicht nur an sich eine Qualitätsminderung, die eine lächerliche und entsetzliche »Interspezies«-Folge mit sich bringt, sondern ihre Nähe infiziert, was noch unheimlicher ist, die prominenten weißen Männer, die durch die Assoziation befleckt und durch die Vermischung trivial und lächerlich werden, unfähig, die zivilisatorische Mission zu erfüllen; die Ansteckung macht auch sie dekadent; sie verlieren ihre Würde, ihr Urteilsvermögen und ihre Fähigkeit, Vorträge zu halten, zu lehren und zu führen. Terry Eagleton sollte in der rein weißen, rein männlichen Veranstaltung über die große Shakespeare-​Tragödie sprechen, aber gezwungen, sich unter die Minderwertigen auf dem Podium zu mischen, hat er sich mit deren Minderwertigkeit infiziert und wird stattdessen über minderwertige Shakespeare-​Romanzen sprechen. Peter Hallward hat den kühnen, triumphalen »Willen« seiner Gramsci-​Referenz verloren und wird stattdessen, umgeben von all diesen zu materiellen, zu irdischen, rassischen und geschlechtlichen Eindringlingen als Kollegen, über »den Körper« sprechen. Bosteels sollte zum Thema « Die linke Hypothese: Kommunismus im Zeitalter des Terrors« sprechen, aber er wurde zu einem Vortrag mit dem Titel »Die postkoloniale Hypothese: Frightened Communism?« Badious wissenschaftliches »Generikum« ist korrodiert und zu »leer« degradiert worden; Toscano wird von seiner neuen Umgebung dazu inspiriert, »Ignoranz« statt »Wissen« zu feiern. »Ach, armer Marx«, klagen die Roses vom Rand aus, während am Ende Bell Hooks auftaucht, um die ultimative Demütigung zu zeigen, die Degradierung der Sprache im Akt der komischen Hochnäsigkeit. Die Anwesenheit von Frauen und farbigen Menschen führt natürlich zur Ausübung von Magie anstelle von rationalen Bestrebungen, und wie in einem Drehbuch ist die letzte Einstellung von allen in einer lächerlichen Séance versammelt. Die Teilnehmer und die jungen Trotzkisten und Anarchisten, die diesen Scherz mitmachten, taten so, als wüssten sie nicht, was es an dem, was sie als aufrichtige und sanfte Bitte um Vielfalt und Geisterbeschwörung von nicht identifizierten Studenten der Orientalistik und Afrikanistik verstanden, auszusetzen gäbe. Das Publikum der Konferenz war schließlich fast ausschließlich weiß. Es wurde ein »sicherer Raum« für faschistische, rassistische, imperialistische Diskurse geschaffen, die fälschlicherweise als »kommunistisch« bezeichnet wurden. Dieser »sichere Raum« sollte sich in den kommenden Jahren weiter ausbreiten.

Žižek hat nie zugegeben diesen Streich verfasst zu haben, aber ein anderes anonymes Dokument, ein Bericht über die Konferenz und ihre Unzufriedenheit, erschien in der Zeitschrift Radical Philosophy, unterzeichnet von »M.H.»41 Es ignorierte die rassistische Unverfrorenheit im »Scherz«-Programm, erkannte nur die angedeuteten Einwände in Bezug auf das Geschlecht an und lobte die anonymen SOAS-​Studenten, die der anonyme Autor als anonyme Autoren bestätigte: »All das lässt die Frage in der Luft hängen, wer die einfallsreicheren politischen Denker sind: Badiou, Žižek, Rancière, Negri und die anderen, oder die anonymen Studenten der SOAS? Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, was selbst der alte Bertie Brecht darauf geantwortet hätte.« (Ersetzen Sie die antirassistischen, feministischen, linken Studenten durch rassistische und sexistische, so die Unterstellung, und das wurde auch tatsächlich erreicht).

Auf der Konferenz selbst schwärmte Žižek42 von einem seiner Lieblingsthemen, der kruden imperialistischen Vision des zivilisatorischen Geschenks, das die weißen Franzosen den Afrikanern großzügig gemacht haben, indem sie sie versklavten und sie dann über die Rechte des Menschen belehrten. Und dass »wir weißen Linken unsere endlosen Selbstgeißelungen hinter uns lassen können»43, wenn »wir« erst einmal das Wohlwollen »unserer« weißen Vorfahren gegenüber den Vorfahren von »ihnen«, »unseren« Zeitgenossen (immer Anderen, nie Kameraden) in Haiti, voll erkannt haben. Er achtete darauf, alles Afrikanische bei jeder Gelegenheit mit Verachtung zu überhäufen:

Žižek: Das Problem der Marseillaise, das ist eine wunderbare Frage! Die übliche multikulturelle Antwort wäre gewesen: Warum Marseillaise, es ist französisch, wir sollten alle singen, einige, ich weiß nicht, einige …

Costas Douzinas: Die Internationale …

Žižek: Ja, irgendein afrikanisches Lied, das ich nicht kenne oder so. Ich würde sagen, das ist leider das, was weiße, weiße multikulturelle Liberale von uns erwarten. Sie wollen nicht, dass Menschen aus der Dritten Welt ihre Lieder singen, sie wollen Respekt, so wie man ein bisschen in ein thailändisches Restaurant geht, in ein italienisches Restaurant, und so weiter und so fort, die weiße Marseillaise war dort revolutionär. Sie bedeutete nicht – sie bedeutete etwas sehr Genaues. Es bedeutete nicht, sehen Sie, selbst wir primitiven Halbaffen, unsere Großeltern sprangen noch auf Bäume wie Affen in Afrika, wir können jetzt sogar an Ihrem, Nein! Es bedeutete, wir sind mehr Franzosen als ihr!

Eine kurze Anmerkung: Costas Douzinas, Žižeks direkter Gesprächspartner, ist ein britischer Akademiker griechischer Abstammung und ein praktisches Geschöpf von Žižek. Douzinas ist in England aufgewachsen und hat dort seine gesamte Karriere gemacht; er wurde durch Žižeks Gunst und die des ehemaligen CIA-​Agenten Duncan Kennedy (von Critical Legal Studies, einer teilweise marxistischen, aber überwiegend schmittianischen Schule der poststrukturalistischen Rechtskritik) in der Wissenschaft befördert und spielte schließlich eine enorme Rolle in dem vielleicht kriminellsten Unternehmen Žižeks seit der slowenischen Veruntreuung durch die Sezession und die Zerstörung von Jugoslawien, nämlich Syriza. Douzinas ist heute bemerkenswerterweise Mitglied des griechischen Parlaments, obwohl er keine berufliche oder politische Vergangenheit in dem Land hat. Stathis Kouvelakis ist ein weiterer britischer langjähriger Mitarbeiter von Žižek, der eine zentrale Rolle in Syriza spielte; Costas Lapavitsas, ein weiterer Mitarbeiter von Zizek, der in Großbritannien eingebürgert wurde, dort sein ganzes Leben lang gearbeitet hat und zum Syriza-​Abgeordneten gewählt wurde; und natürlich ist Yanis Varoufakis, der Žižek seit der Gründung von Syriza sehr nahe steht, in Großbritannien aufgewachsen (ein »anglophiler Opportunist« und »Möchtegern-​Mavrokordatos«, wie es ein Parteimitglied und Wissenschaftler ausdrückte44). In der Tat ist Syriza, eine Art Farbrevolution, ein groß angelegter Fall der Žižek’schen Zweideutigkeit, die als »gleichzeitig pro-​BDS und pro-​Israel, gleichzeitig anti- und pro-​Memorandum, bedauerlicherweise das Memorandum durchsetzend»45 auftritt: Das neoliberale Imperium, das sich als seine eigene nationalistische Opposition ausgibt, führt die Eroberung Griechenlands durch, getarnt als ein kühner Akt im jakobinischen Geist. Auf diese Weise wurden die Mittelschichten dazu gebracht, die organisierte Arbeiterklasse zu vernichten, wie im traditionellen Faschismus. Sie wurden jedoch dazu verleitet, sich einzubilden, dass sie ihre Rettung durch die Erneuerung der »kommunistischen Idee« vollziehen würden. Aber was Žižek wirklich über den Kommunismus und die Kommunisten denkt, könnte nicht deutlicher sein, als er es in Griechenland tat46, als er (unter dem Beifall seines bürgerlichen Hipster-​Publikums) rief: »Die Partei KKE ist im Grunde die Partei der Menschen, die nur noch leben, weil sie vergessen haben zu sterben.« Diese Äußerungen fielen in eine Zeit, in der »Zusammenstöße«, bei denen anarchistische Provokateure die Reaktion der Polizei auslösten, für kommunistische Arbeiter tödlich endeten. Wer sich das Video anschaut, wird feststellen, dass es sich nicht nur um einen Scherz oder eine spontane Bemerkung handelt (er wiederholte die gleiche Formel mehrmals), sondern um eine Aufforderung zur Gewalt unter dem Deckmantel des Witzes.

Nach der Konferenz »Über die Idee des Kommunismus« im Jahr 2009, auf der die Saat für die Propagandakampagnen für den Syriza-​Schwindel und andere linke Scheinbewegungen gelegt wurde, die die Energie umlenken und den Platz des Volkswiderstandes usurpieren würden, um die Offensive der herrschenden Klasse weiter voranzutreiben, wurde Žižek ins BBC-​Radio eingeladen,[46] wo die hundert Pfund pro Sitzplatz kostende prominente intellektuelle Versammlung so beschrieben wurde, als ob es sich um ein Sondertreffen der Komintern handelte. Žižek wurde als »einer von 900 Delegierten« zu diesem Ereignis vorgestellt. Sein Resümee war, dass das Treffen wieder einmal bewiesen habe, dass »die Linke keine Alternative« zur Sparpolitik der westlichen Regierungen im Besonderen oder zum Kapitalismus im Allgemeinen habe. »Alles, was sie wollen, ist, den Rassismus zu ächten«. Kurz darauf hielt er einem anderen Londoner Publikum47 einen Vortrag darüber, dass es keine kongolesische Arbeiterklasse gibt, führte den Kongo als Beispiel dafür an, was passiert, wenn das Imperium die »ehemals« kolonisierte Welt im Stich lässt, und erklärte, dass es »eine richtig kommunistische Antwort« sei, die Öffentlichkeit (und nicht die Aktionäre von BP) für die Beseitigung der Ölpest im Golf von Mexiko zahlen zu lassen. Seine Gesprächspartner in einer anderen Diskussion im BBC-​Radio48 schnappten hörbar schockiert nach Luft, als er darauf bestand: »Ich habe mir alle Kritiken an Europa genau angeschaut, besonders diese linksliberale masochistische: ›Nein, nein, Europa ist eine Geschichte der Sklaverei, es ist das Schlimmste von allen‹. Was mir auffällt und mir Hoffnung für Europa gibt, und das meine ich ernst, in einem streng philosophischen Sinne, ist, dass wir uns bewusst sind, in welchem Ausmaß selbst die heftigste Kritik am Imperialismus, an der Gewalt in Europa im europäischen Erbe begründet ist. Zum Beispiel die indische Unabhängigkeit, die Kongresspartei. Das waren Inder, die in Cambridge ausgebildet wurden. Das ist echte europäische Tradition. Das ist es, was ich an Europa mag. Zeigen Sie mir eine andere Zivilisation, die mit all ihren Schrecken, und ich gebe sie zu, die stärksten Mechanismen entwickelt hat, die ich kenne, um sich selbst zu kritisieren.« Ein Gast aus dem vorherigen Beitrag bestand darauf, bleiben zu dürfen, um ihm in der Sendung zu widersprechen. An einem anderen Tag sagte er vor einer anderen BBC-​Kamera49 – dieses Mal, nachdem er als buchstäbliche Reinkarnation von Marx vorgestellt worden war -, dass die UdSSR der größte Schrecken der Menschheitsgeschichte sei, »schlimmer als der Faschismus«, und an einem anderen Tag erklärte er im New Statesman:

Wir sollten keine Angst davor haben, die Wiederkehr einer wichtigen Figur des egalitär-​revolutionären Terrors – des »Denunzianten«, der die Schuldigen bei den Behörden anzeigt – als eine Kombination aus Terror und Vertrauen in das Volk zu fördern. (Im Fall des Enron-​Skandals feierte das Time Magazine zu Recht die Insider, die den Finanzbehörden einen Tipp gaben, als wahre Helden der Öffentlichkeit.)

Einst nannten wir das Kommunismus.50

Unnötig zu erwähnen, dass die Enron-​Whistleblower völlig fiktiv sind.

Žižeks offensichtliche Haltung schwankt wild hin und her, um unaufhörlich jegliche aktuelle Herausforderung des Imperiums opportunistisch anzugreifen und jede Politik des Imperiums zu verteidigen, die auf Widerstand stößt. Oberflächlich betrachtet erscheint dies als »Inkohärenz« – die bolivarische51 Revolution oder jede populäre Bewegung der Arbeiterklasse, die an Boden gewinnt, wird wegen unzureichender Radikalität verunglimpft, und es wird suggeriert, dass sie der Unterstützung nicht würdig seien oder zumindest, dass ihr Untergang nichts ist, was besonders zu beklagen wäre (ihre eigene Schuld für ihre Zaghaftigkeit und Unauthentizität), während sie von den USA unterstützte Palastputsche wie in der Ukraine oder von den USA unterstützte kontra-​terroristische Umstürze wie in Libyen als »Revolutionen« bejubeln, die nur von den verachtenswerten Liberalen mit schöner Seele nicht unterstützt werden könnten – aber wenn man erst einmal die Politik verstanden hat, die hinter diesen wechselnden Positionen steht (Verteidigung des US-​Imperiums und zunehmende Faschisierung der Kultur), zeigen sich all die offensichtlichen Macken und Heucheleien als vollkommen konsistent. Obwohl er sich zwanzig Jahre lang als radikaler Linker, Marxist und Linksfaschist [dt. im engl. Original] ausgegeben hat, erwies sich Žižek in den Momenten der Wahrheit – der Finanzkrise, den Kriegen, der Flüchtlingskrise – immer wieder als gewöhnlicher (Neo-)Liberaler des Establishments und gleichzeitig als gewöhnlicher rechter Faschist.

Wie kommt er also damit durch? Auf den ersten Blick scheint die reisende Žižek-​Show eine völlig alberne Angelegenheit zu sein. In der Tat bieten viele von Žižeks Verteidigern diese Albernheit als Entschuldigung oder sogar als eine Art Verdienst an – sie »erzielt eine Reaktion«, »zieht ein Publikum an«, »bringt die Leute dazu, über Marx zu sprechen« (ähnlich wie Harry Potter gegen Kritik mit dem Ablenkungsmanöver verteidigt wird, dass es »die Kinder wieder zum Lesen bringt«), also muss sie wertvoll sein – aber das ist Teil ihrer Verschleierung. Im weitesten Sinne, wie Antonis Balasopoulos es ausdrückte:

Der Zweck [von Žižeks rhetorischer] Strategie besteht darin, 1) kommunistischen Ideen rechtsextreme Inhalte zuzuschreiben, 2) extrem reaktionären Ideen progressive Inhalte zuzuschreiben, 3) alle zu verwirren, was was ist, und 4) die Linke zu verleumden, während sie als »gewagt« und »provokativ« erscheint.52

Es überrascht nicht, dass er sich dabei eher auf die rationale Ausnutzung des Irrationalismus und mehr oder weniger wissenschaftliche Techniken der medialen Manipulation als auf Argumente stützt. Viele seiner Tricks und Taktiken stammen, wie wir zeigen werden, aus den Protokollen der Weisen von Zion und Carl Schmitts Adaption in eine »Kritik des Liberalismus«, die mit dem Marxismus konkurriert und seit dem frühen 20. Jahrhundert als dessen Abwandlung dient.

Die Rhetorik von Žižek: Motive, Schachzüge und Manöver

1. Die Kneipenhocker

Indem er in seiner Verteidigung des nominell liberalen Status quo und insbesondere des Weißen Hauses einen faschistischen Revanchismus betreibt, der unablässig daran arbeitet, diskursive »Fakten vor Ort« zu schaffen, führt Žižek die schrullige Karikatur eines europäischen bürgerlichen Intellektuellen vor, der scheinbar nichts von dem weiß, was Radikale und sogar Liberale in den Sozial- und Humanwissenschaften im 20, Jahrhunderts hervorgebracht haben. Er ist vor allem im heruntergekommenen Jargon einer Tradition bewandert, durch die die weiße Vorherrschaft ihre Ansprüche auf Zivilisation und Überlegenheit erhebt, und verwendet poststrukturalistische Tropen und rhetorische Machinationen, die er ungeschickt anwendet. Seine »mittel-​europäische Philosophen«-Persönlichkeit ist nur zu wenigen dissidenten Äußerungen fähig, die über das Gejammer über die »hedonistischen« Kids von heute und die Hippie-​verprügelnde »identitäre Linke« hinausgehen, aber er wird – und das ist die publikumswirksame Masche – auch sein abwärts bewegliches kleinbürgerliches Publikum begeistern, indem er die Maske der bürgerlichen Höflichkeit fallen lässt, um seine Ressentiments auf eine freche Art und Weise zu äußern, die es aufregt. Dabei handelt es sich in der Regel um Bauchreden oder »Sockenpuppenspiel«, oft in einer sehr raffinierten Form, bei der sich die Position des Sprechers ständig ändert.53 Diese Taktik ist nicht originell, und zu den Inspirationen für Žižeks charakteristische Beschimpfungen und Obszönitäten kann man mit Sicherheit »Nightwatch« zählen, ein regelmäßiges Sonntagsfeuilleton in Delo, der größten slowenischen Tageszeitung, das aus den neuesten sensationellen Schlagzeilen (Verbrechen, Gräueltaten, Skandale) besteht, die in die wöchentlichen Beschwerden der »Kneipenhocker« – Archie Bunker/​Alf Garnetts der populären Schichten von Ljubljana – einfließen. In einer Veröffentlichung des Mirovni-​Instituts (Soros’ Offene Gesellschaft) wird dies folgendermaßen beschrieben:

Was sind die Themen der Kneipenhocker, oder besser gesagt die ’slowenischen Blasen‹, die die Kneipenfliege beunruhigen und sie dazu bringen, diese Blasen so mühsam zu öffnen? Auf den ersten Blick ist die Liste der Themen unendlich lang. Sie ist im Grunde zeitlos und hängt daher von Medienereignissen ab, die – nach der Geschwindigkeit ihrer Verarbeitung zu urteilen – in erster Linie von den elektronischen Medien diktiert werden. In Wirklichkeit dreht sie sich jedoch um eine eiserne Logik: Bedrohtes Slowenentum (slowenische Nation), (zu niedrige) Geburtenrate, ›die aus dem Süden‹, die ›von da unten‹, das Balkanvolk, ›Balkanophilie‹, ›Jugobums‹, ›Wesen mit einem halben Dach über dem Kopf‹, (lokale) Politiker, ›Jugos‹, ›Jugowitsches‹, Rote, Serben, Kroaten, Bosnier, »Dschungelhasen«, Mafia, Chinesen, Schwule, Politik und natürlich, wenn ihnen alles ausgeht, die Frauen (egal ob einheimisch oder ›importiert‹), die immer zur Hand sind. Wenn man die Frage nach den Themen der Kneipenhocker ganz genau beantworten wollte, dann würde man sagen, dass die Kneipenhocker ein ›dunkles Repertoire an Streitthemen‹ haben, und die Favoriten unter ihnen sind ›Debatten über Balkanisierung und ähnliche Trends‹! Last but not least sind die Kneipenhocker neben all dem oben Erwähnten auch eine moralische Instanz par excellence, gewissermaßen das ›Bewusstsein der Nation‹, nur dass sie ›außer sich sind, weil sie nicht wissen, welcher Schwierigkeit, die unsere Nation bedrängt, Priorität eingeräumt werden sollte‹. (Hate Speech in Slowenien, Tonči Kuzmanić54)

Die Kneipenhocker selbst und die liberale Persönlichkeit des Autors, der ihre brutalen Ansichten vertritt, sind gleichermaßen fiktive Konstrukte (wenn auch nicht in gleichem Maße erklärtermaßen). Das Zusammenspiel ihrer Standpunkte erzeugt die verschiedenen gewünschten Effekte der Normalisierung, Dämonisierung, desavouierten Artikulation usw. Die liberale Autorenpersönlichkeit, Geschöpf und Schöpfer von Toleranz und Höflichkeit, die vor der Aufgabe steht, eine Welt mit Kneipenhockern zu managen, ist selbst eine Illusion, die indirekt, durch den angedeuteten Kontrast zu den Kneipenhockern, weitaus wirksamer erzeugt wird, als sie es als Ergebnis einer positiven Darstellung sein könnte. Žižek ist besonders geschickt im Umgang mit mehreren Stimmen, um diese Illusionen zu erzeugen, und zwar in einem weitaus ausgefeilteren Maßstab. Wie der Autor von »Nightwatch« ist Žižek, während er in seinen bemerkenswert häufigen (und sich wiederholenden bis selbstplagiierenden) Veröffentlichungen »immer neuere aktuelle Ereignisse und populärkulturelle Phänomene einbezieht»55, oft gezwungen, ausführlich widerwärtige Gefühle zu äußern, die er häufig einer Reihe von beschworenen Stereotypen zuschreibt, deren Sympathie er (nicht überzeugend) verleugnet, während er die Äußerung von Frechheit oder das Vergnügen der verächtlichen Karikatur genießt. So kann man in jedem Text oder Vortrag von ihm erwarten, dass er von »primitiven Halbaffen-​Schwarzen, deren Großeltern in Afrika wie Affen auf Bäumen herumhüpften« erzählt, »Typisch Juden! Selbst im schlimmsten Gulag fangen sie an, mit menschlichem Blut zu handeln, sobald man ihnen ein Minimum an Freiheit und Handlungsspielraum lässt«, und so weiter und so fort. In The Pervert’s Guide to Ideology bietet Žižek angesichts einer Sequenz aus dem Film Jaws, in der ein kleiner weißer Junge von einem Hai zu Tode gerissen wird und das Wasser purpurrot von seinem sprudelnden Blut an einem Strand in Carolina voller weißer Menschen ist, eine (völlig absurde) Interpretation des Films an: »Wir fürchten Immigranten, Menschen, die wir als minderwertig betrachten, die uns angreifen, uns ausrauben, unsere Kinder vergewaltigen«, und dann, unter der Aufnahme der schrecklichen Haifischflosse, die das Meer unaufhaltsam in Richtung des Bootes der Helden durchschneidet, »fürchten wir korrupte Politiker und große Unternehmen, die mit uns machen können, was sie wollen.« Es lassen sich endlose Beispiele dafür finden, wie Žižek (völlig fiktive oder fiktionalisierte) Geschichten über moralisch verwerfliche Verbrechen, die von anderen Zielpersonen begangen wurden, und Anekdoten über deren unassimilierbare Andersartigkeit erzählt, über Lesben, die Bestialität betreiben, über Feministinnen, die Männer verfolgen, weil sie ihnen in die Augen schauen, über Imame, die zu Vergewaltigungen aufrufen, über vietnamesische Kommunisten, die Kindern die geimpften Arme abhacken, um »den Westen abzulehnen«. Er versichert seinen Zuhörern, dass »jeder Mann im Kongo seine Mutter in die Sklaverei verkaufen würde, um ins Westjordanland zu ziehen« und stellt zum Westjordanland fest: »Mit all euren Terroristen hier seid ihr nichts für die South Bronx« und beginnt dann einen Aufsatz, der sich angeblich mit Lacan befasst, mit einem angeblichen Rätsel der »französischen Libertinage des 18. Jahrhunderts:

Die drei Frauen werden in einem Dreieck um einen großen runden Tisch herum platziert, wobei jede von der Taille abwärts nackt ist und sich nach vorne auf den Tisch lehnt, um die Penetration a tergo zu ermöglichen. Jede Frau wird dann von hinten entweder von einem schwarzen oder einem weißen Mann penetriert, so dass sie nur die Farbe der Männer sehen kann, die die beiden anderen Frauen vor ihr penetrieren; alles, was sie weiß, ist, dass dem Gouverneur für dieses Experiment nur fünf Männer zur Verfügung stehen, drei weiße und zwei schwarze …

… aber in einer Fußnote gesteht er: »Da wir in einer Zeit leben, die mehr und mehr eines auch nur elementaren Sinns für Ironie beraubt ist, fühle ich mich verpflichtet, hinzuzufügen, dass diese sexualisierte Version meine Erfindung ist.»56 Kürzlich an der London School of Economics platzte er plötzlich mit dieser Aussage heraus:

Jetzt werden Sie sagen, wenn Sie ein Rassist sind (ich bin es nicht, zumindest hier), werden Sie sagen, oh diese dummen N – r, sie sind mitten in Afrika. Diese N – r sind überall. Ein anderer großer N – r hier ist Putin, und ein dritter N – r sind die christlichen Fundamentalisten. Der vierte N – r sind in meinem eigenen Land, Slowenien.

Im selben Audioarchiv, zwischen den Aufzeichnungen seiner »Masterclasses«, kann man ihn hören, wie er mit der geringsten Geste die Babysitterin seines Sohnes bauchrednerisch verunglimpft, eine slowenische Roma-​Familie57 diffamiert und die benachbarten Grundbesitzer verteidigt, die ein Pogrom gegen sie durchführten. Sie wurden mitten in der Nacht mit Schrotflinten und Kettensägen aus ihren Häusern in die Wälder gejagt und ihr legal erworbenes und seit langem besiedeltes Land erfolgreich enteignet. Mit seiner eigenen Stimme, wenn auch entfremdet als »mein schlechtestes oder bestes, kritisches Ich«, erklärt er Joseph Mengele dann für »nicht so schuldig, wie wir denken« und vergleicht ihn mit »einem unschuldigen Landarzt«.58

Das Porträt von Žižek, das Jeremy Gilbert in seinem Beitrag zu dem 2005 erschienenen Band The Truth of Žižek zeichnet, ähnelt sehr den »Nightwatch«-Kneipenhocker:

Lassen Sie uns mit einigen unbestreitbaren Wahrheiten über Žižek beginnen. In jüngster Zeit ist unter seinem Namen eine außerordentliche Menge an Texten veröffentlicht worden. Diese Arbeiten wurden fast alle von Verlagen veröffentlicht, die weitgehend für akademische Veröffentlichungen bekannt sind (obwohl Verso, sein üblicher Verlag, nicht nur ein akademischer Verlag ist). Doch diese Arbeiten entsprechen nicht einmal annähernd den Standards akademischer Gründlichkeit, die man normalerweise von einem Essay für Studenten erwarten würde… Eine zweite Wahrheit. Žižeks Hauptangriffsobjekte waren die Linken. Insbesondere hat Žižek eine lose zusammenhängende Reihe von politischen Positionen und intellektuellen Tendenzen, die weitgehend mit dem Erbe der ›Neuen Linken‹ verbunden sind, zum Gegenstand seiner Kritik gemacht. ›Cultural Studies‹, ›politische Korrektheit‹, ›Feminismus‹, ›Multikulturalismus‹, Postmoderne, postkoloniale Studien, Historizisten und Dekonstruktivisten: Trotz seines erklärten Antikapitalismus sind es nicht der Kapitalismus und seine Besonderheiten, sondern dieselbe Litanei von Hassfiguren, die die fiebrige Phantasie der amerikanischen Rechten bevölkern, für die Žižek den größten Teil seines schlecht informierten Zorns reserviert hat.59

Wir können hinzufügen, dass Žižeks verblüffende Neuerung darin besteht, ein studentenfreundliches Alibi für seinen Angriff auf diese linken Hassfiguren der konservativen Phantasie zu liefern. Es besteht darin, sie als heimliche Verbündete und »Stützen« des dekadenten globalisierten Kapitalismus zu identifizieren; die Minderheiten, die er angreift, werden als Haustiere der schuldigen liberalen Multikulturalisten mit ihrer herablassenden Toleranz dargestellt; die Forderungen der Roma und der Feministinnen in Žižeks neuem neoliberalen Slowenien werden als »Ablenkungen vom Klassenkampf« denunziert (von Žižek, der ohne Scham die Kräfte des privatisierenden die Arbeiterklasse enteignende und zerschlagende Kapital lenkte, während er deren Widerstand mit diesen uralten Mitteln geschickt spaltete). Diese äußerst zynische tu quoque-Antwort auf die reale (multikulturelle, multiethnische) Arbeiterklasse, ob in den USA, Großbritannien, Frankreich oder in Slowenien beinhaltet die Vereinnahmung und Verunglimpfung populärer linker Analysen durch die verhängnisvolle Falle der neoliberalen »Identitätspolitik»60.

Die Ähnlichkeit mit den »Nightwatch« Kneipenhockern erstreckt sich auch auf die barbarisierende Wirkung, die Žižek mit seinen häufigen Ausbrüchen aus der traditionellen akademischen Manier und Sprache in eine bodenständige, unflätige »Ehrlichkeit« erzielt, indem er »anerkennt«, was er als die obszönen und vulgären, hausbackenen »Wahrheiten« des politischen Realismus und Zynismus präsentiert. Diese Art von Sprache hat buchstäblich die Rassenhierarchie und den weißen Solipsismus in den Räumen der linken Organisation und Diskussion, in die Žižek eingedrungen ist, konkret wiederhergestellt und buchstäblich eine dominante weiße Fraktion geschaffen, wo es zuvor nur den verweilenden Faktor des weißen individuellen Privilegs gab, und das unter konzertierten Angriffen.

Dieses Vorgehen (die Žižekianische Linke, die wie ein lumpiger kleinbürgerlicher Mob aufgepeitscht wird, der sich als aggressiv feindlich gegenüber der locker als Black Lives Matter bezeichneten Linken im Linken Forum positioniert und einen Kampf innerhalb »der Linken« austrägt, der in Wirklichkeit ein verdeckter Angriff auf die Linke von Seiten der faschistoiden liberalen Bourgeoisie61 ist) ist nicht, wie viele, die es unterstützen, es darzustellen versuchen, ein Sturm im Wasserglas wegen »verletzender Worte«. Es ist auf der Ebene der Kulturkriege ein Analogon der imperialen Strategie des Schürens von Sektierertum und Terror, die Žižek in Jugoslawien unterstützte und auch im Irak, in Libyen und Syrien propagierte.

Žižeks vermeintliche »Abschweifungen«, die immer wieder in Erzählungen mit rassifizierten Paradigmen und Bildern münden, verfestigen schleichend eine Reihe von Identitäten als objektive Andere und ein Verständnis, dass nur weiße Europäer und Siedler die wahren subjektiven Protagonisten des »Klassenkampfes« sein können, so dass für die (hauptsächlich weiße, kleinbürgerliche) Bevölkerung, die durch seine Unterhaltungen indoktriniert wurde, allein die Beschwörung des marxistischen Vokabulars einen zurückgeworfenen hegelschen Arianismus hervorruft, andeutet und auffrischt. Die Gesten, mit denen er und seine Anhänger eine weiße Stammespräsenz wiederherstellen, werden ebenfalls als tapfer dargestellt, im Stil der Le Pens und Farages auf der europäischen Szene – denn die Liberalen möchten nicht, dass wir so offen reden; »ihr werdet mich dafür lynchen«, versichert Žižek seinem Birkbeck-​Publikum und verdoppelt sie gleichzeitig als ihre verachtenswerten liberalen Eltern und ihr unerschrockenes tabubrechendes Selbst, was die Illusion der Existenz von beiden verstärkt.62 Diese Verachtung für die Interessen und das Wohlergehen aller außer der weißen Kernbevölkerung – die Ablehnung der Armut und des Leids der Mehrheit der Menschheit im Kapitalismus als triviale Ausnahme von der weißen europäischen Siedlerherrschaft des Wohlstands, der bürgerlichen Freiheiten und der Entrechtung – ist natürlich ein unverzichtbarer Pfeiler der Entschuldigung für das kapitalistische Imperium der USA und Europas.

Solche ungeschminkten, aber unbestreitbaren »Wahrheiten«, zu denen ihn seine raue Gutmütigkeit zwingt, wie: dass diejenigen, die Žižek als »wir weißen Linken« bezeichnet, natürlich ihre höfliche Raffinesse darin zeigen, den Untermenschen ihre Überlegenheit nicht ins Gesicht zu schleudern, aber unter sich kann das schmutzige Geheimnis, dass sie überlegen sind, eingestanden und gefeiert werden, und sollte öffentlicher verkündet werden. Dass die ganze Geschichte des real existierenden Kommunismus im 20. Jahrhundert »eine totale Katastrophe war, schlimmer als der Faschismus.« Oder: dass der kapitalistische Imperialismus natürlich schrecklich, ungerecht und zweifellos unangenehm für den Pöbel ist, aber seien wir doch ehrlich, er ist das Beste, was es gibt, und die einzige Frage ist jetzt, wie man ihn vor sich selbst retten kann.

Diese »Wahrheiten«, die, wie Žižek erklärt, von der Gestapo der politischen Korrektheit verboten werden, gehören typischerweise zur klassischen liberalen »Ja, aber«-Formel (»Ja, die Vereinigten Staaten haben in der Vergangenheit die verschwenderischste falsche Kriegspropaganda betrieben, aber das bedeutet nicht, dass der böse Gaddafi nicht vergewaltigende Orks mit Viagra vollpumpt« »Ja, die USA begehen Gräueltaten, Ja, die USA begehen Gräueltaten, es ist keine perfekte Welt, aber Hissbolasevicassad sollte nicht ungestraft davonkommen« »Ja, die Palästinenser wurden gefoltert, terrorisiert und enteignet, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht auch ausgerottet werden sollten«). Diese »Wahrheiten« bilden den Kern eines zentralen Topos in Žižeks Repertoire:

2. Die fetischistische Verleugnung

Eine Handvoll fragmentarischer Witze und Anekdoten, die Žižeks gepriesene »Ideologietheorie« bilden – seine Madison-​Avenue-​Predigten -, dienen sowohl als unaufhörlich wiederholter Inhalt seiner »Analyse« als auch als die Regeln, nach denen seine eigenen manipulativen Darbietungen konstruiert sind. Diejenige, die das Žižek’sche Werk am gründlichsten durchdringt, ist die fetischistische Verleugnung – das Beharren auf irrationalem Glauben angesichts der rationalen Überzeugung des Gegenteils. (Es ist eine beständige Ironie, dass Žižeks Verteidiger besonders beleidigt sind, wenn der Meister als psychoanalytisch erklärbar behandelt wird.)

Die »fetischistische Verleugnung« ist die oberste Maxime sowohl von Žižeks Hermeneutik als auch seiner Betrugskunst, die sein komplexes Programm irrationaler Appelle ankündigt und rechtfertigt:

Was kann man also über jemanden sagen, mit dem eine sexuelle Beziehung nur möglich ist, wenn die Klitoris herausgeschnitten wird? Und was ist von der Frau zu halten, die dies akzeptiert und das Recht einfordert, sich dem schmerzhaften Ritual des Herausschneidens ihrer Klitoris zu unterziehen? Gehört dies zu ihrem »Recht auf Genuss«, oder sollen wir sie im Namen der westlichen Werte von dieser »barbarischen« Art der Genussgestaltung befreien? Der Punkt ist, dass es keinen Ausweg gibt: Selbst wenn wir sagen, dass eine Frau sich selbst erniedrigen kann, solange sie dies aus freiem Willen tut, können wir uns die Existenz einer Fantasie vorstellen, die darin besteht, gegen ihren Willen erniedrigt zu werden. Was ist also zu tun, wenn wir mit dieser grundlegenden Sackgasse der Demokratie konfrontiert sind? Das »modernistische« Verfahren (dem Marx anhängt) würde darin bestehen, aus einer solchen »Entlarvung« der formalen Demokratie, das heißt aus der Offenlegung der Art und Weise, wie die demokratische Form immer ein inhaltliches Ungleichgewicht verbirgt, zu schließen, dass die formale Demokratie als solche abgeschafft und durch eine höhere Form der konkreten Demokratie ersetzt werden muss. Der »postmoderne« Ansatz würde von uns im Gegenteil verlangen, dieses konstitutive Paradoxon der Demokratie anzunehmen. Wir müssen eine Art »aktives Vergessen« annehmen, indem wir die symbolische Fiktion akzeptieren, obwohl wir wissen, dass »die Dinge in Wirklichkeit nicht so sind«. Die demokratische Haltung beruht immer auf einer gewissen fetischistischen Spaltung: Ich weiß sehr wohl (dass die demokratische Form nur eine Form ist, die durch Flecken von »pathologischem« Ungleichgewicht verdorben ist), aber trotzdem (ich tue so, als ob Demokratie möglich wäre). (Meine Hervorhebung) Weit davon entfernt, ihren fatalen Makel anzuzeigen, ist diese Spaltung die eigentliche Quelle der Stärke der Demokratie: Die Demokratie ist in der Lage, die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass ihre Grenze in ihr selbst liegt, in ihrem inneren »Antagonismus«. (Žižek, Looking Awry)

(Nota bene, Žižek ergreift die Gelegenheit, die er selbst in einer Demonstration geschaffen hat, die mit dem höchst europäischen Donatien Alphonse de Sade begonnen hatte, um ein Kneipenhocker-​Ärgernis zu erwecken, was mit den Barbaren und ihren Kliterodektomien zu tun sei).

Um es mit Lacan’schen Begriffen auszudrücken: In den berüchtigten 3 ½ Sekunden haben Ilsa und Rick [im Film Casablanca] es nicht für den großen Anderen (in diesem Fall: die Ordnung der öffentlichen Erscheinung, die nicht beleidigt werden sollte) getan [Ehebruch begehen], sondern für unsere schmutzige phantasmatische Vorstellung. Dies ist die Struktur der inhärenten Transgression in ihrer reinsten Form: Hollywood braucht beide Ebenen, um zu funktionieren. Das bringt uns natürlich wieder auf den Gegensatz zwischen Ich-​Ideal und obszönem Über-​Ich zurück: Auf der Ebene des Ich-​Ideals (das hier dem öffentlichen symbolischen Gesetz entspricht: dem Regelwerk, das wir in unserer öffentlichen Rede befolgen sollen) passiert nichts Problematisches, der Text ist sauber, während der Text auf einer anderen Ebene den Zuschauer mit der Über-​Ich-​Aufforderung »Enjoy!« bombardiert, das heißt gib deiner schmutzigen Fantasie nach. Um es noch einmal anders auszudrücken: Was wir hier vorfinden, ist ein klares Beispiel für die fetischistische Spaltung, für die Verleugnungsstruktur des »je sais bien, mais quand meme…« (Ich weiß sehr wohl, aber…): Allein das Bewusstsein, dass sie es nicht getan haben, lässt deiner schmutzigen Fantasie freien Lauf. Man kann sich ihr hingeben, weil man durch die Tatsache, dass sie es für den großen Anderen definitiv nicht getan haben, von der Schuld befreit ist. (Žižek, »Ego Ideal and Superego: Lacan as a Viewer of Casablanca«)

Diese Lacansche »Einsicht«, die gleichzeitig eine Faustregel der Werbeindustrie ist, bildet den Kern dessen, was großspurig als »Žižeks Ideologietheorie« angepriesen wird. Sie ist auch die praktische Grundlage von Žižeks wiederholter Formel von Behauptung und Verleugnung, seinen feierlichen Eingeständnissen oder Dementis (»Das ist meine rassistische Reaktion« oder »Ich meine das nicht nationalistisch, sondern«), die dem Publikum die Erlaubnis geben (»Genießen Sie es!«), den Inhalt, der in diese schützenden Anführungszeichen oder Klammern geklemmt ist, erneut zu behaupten und zu genießen. Ein Beispiel für die Verbreitung reaktionärer Inhalte, die mit dieser Art von Alibi ausgestattet sind und die »fetischistische Verleugnung« einsetzen, um die Funktion des Kneipenhocker-​Bauchredens zu erleichtern, sollte genügen:

In einem kürzlich erschienenen Kommentar in Le Point wies Jacques-​Alain Miller darauf hin, dass Sarah Palin – im Gegensatz zur Männlichkeit von Segolène Royal – stolz ihre Weiblichkeit und Mutterschaft zur Schau stellt. Sie hat eine ›kastrierende‹ Wirkung auf ihre männlichen Gegner, und zwar nicht dadurch, dass sie männlicher ist als diese [sic], sondern indem sie die ultimative weibliche Waffe einsetzt, die sarkastische Herabsetzung einer aufgeblasenen männlichen Autorität – sie weiß, dass die männliche ›phallische‹ Autorität eine Pose ist, ein Schein, der ausgenutzt und verspottet werden muss. Erinnern Sie sich daran, wie sie Obama als ›Community Organizer‹ verspottete, indem sie die Tatsache ausnutzte, dass Obamas physische Erscheinung mit seiner verwässerten schwarzen Haut, seinen schlanken Zügen und seinen großen Ohren etwas Steriles an sich hatte. (Žižek, Living in the End Times)

Die angemessene öffentliche Äußerung des »Über-​Ichs« besteht hier natürlich in der Verurteilung der abscheulichen prominenten Kneipenhockerin Sarah Palin. Unter dem Deckmantel dieser Verurteilung der wirklich zu verurteilenden Figur verschafft Žižek seinem weißen Publikum das »obszöne« Vergnügen einer ziemlich schockierenden Wiederbelebung der reißerischen Phantasmagorie des biologistischen Rassismus und des Bildes vom zukünftigen US-​Präsidenten als »sterilem« Maultier/​Mulatten, dessen Schwarzsein als eine Art Essenz »verwässert« wird. Dass der Mechanismus, mit dem dieses rassistische Vergnügen Palin angelastet wird, offenkundig absurd ist (»Community Organizer« mag verharmlosend und »kastrierend« sein – das gewalttätige Bild, um das Žižek seinen grotesk-​obszönen Hundepfiff herum konstruiert -, beschwört aber nicht den Mythos der Mulattensterilität herauf. Und selbst wenn es so wäre, kann es nicht erklären, warum Žižek all die beschwörenden Bilder der Rassentheorie des 19. Jahrhunderts in seinem Beharren auf »der Tatsache, dass es etwas .… gibt, das die schwarze Haut verdünnt«, positiv geltend macht). Das unterstreicht die Geschicklichkeit von Žižeks Operationen. Obwohl seine Bewegungen hier so offensichtlich sind wie nur möglich, ebenso wie sein Vergnügen, diese unansehnliche Vorstellung zu entlarven, sind sie immer noch vor Kritik oder Einwänden der »linken« Leser geschützt, die sich selbst in die »Verteidigung von Sarah Palin« und sogar in die »Verteidigung von Sarah Palins Rassismus« verwickeln würden, wenn sie Žižeks obszönes Aufblitzen hier in Frage stellen würden. Das ist eine sehr geschickte, raffinierte rhetorische Manipulation, die unter dem Deckmantel von spontanen Ad-​hoc-​Assoziationen und Desorganisation stattfindet. Und diese offen rassistische Aggression, öffentlich, aber hinter dem Kraftfeld des immer gewährten Vorteils des Zweifels, ist der Nervenkitzel, mit dem Žižek einen Teil der imperialen Kern-»Linken« verführt und bekehrt; gerade die Fadenscheinigkeit der Titelgeschichte, die gleichzeitig angemessen ist, ist Teil der Ekstase der Einschüchterung, die die Fantasie eines Jim-​Crow-​Umfelds hervorruft63.

3. Drei Ps: Paradox, Parallaxe, Parakonsistenz

Die fetischistische Verleugnung, das »konstitutive Paradoxon der Demokratie«, ist die Grundlage eines ganzen Repertoires von Manövern, die Žižek einsetzt, um sein primäres Ziel zu erreichen: sowohl liberal als auch faschistisch zu sein und sowohl den Liberalismus als auch den Faschismus voranzutreiben, um eine Vision der europäischen sozialdemokratischen Gesellschaft sowohl zu idealisieren als auch faschistisch zu verleumden. Dieses rhetorische Repertoire lässt sich sinnvollerweise als eine komplexe Konstellation von Variationen über das Thema esoterischer und exoterischer Inhalte auffassen, wie sie von Leo Strauss beschrieben wurde, der sicherlich zu Žižeks Galerie rechtsextremer reaktionärer Inspirationen gehört64:

Wir können uns leicht vorstellen, dass ein Historiker, der in einem totalitären Land lebt … durch seine Untersuchungen dazu gebracht wird, die Richtigkeit der von der Regierung geförderten Interpretation der Religionsgeschichte anzuzweifeln. Niemand würde ihn daran hindern, einen leidenschaftlichen Angriff auf das zu veröffentlichen, was er die liberale Sichtweise nennen würde. Er würde natürlich die liberale Auffassung darlegen müssen, bevor er sie angreift: er würde diese Darlegung in der ruhigen, unspektakulären und etwas langweiligen Art und Weise machen, die nur natürlich zu sein scheint; er würde viele Fachausdrücke verwenden, viele Zitate anführen und unbedeutenden Details eine übermäßige Bedeutung beimessen: er würde den heiligen Krieg der Menschheit in den kleinlichen Streitereien von Pedanten vermeintlich vergessen. Erst wenn er den Kern des Arguments erreicht hat, schreibt er drei oder vier Sätze in jenem knappen und lebendigen Stil, der die Aufmerksamkeit junger, denkfreudiger Männer zu fesseln vermag. In dieser zentralen Passage würde er die Argumente der Gegner klarer, zwingender und schonungsloser darlegen, als dies jemals in der Blütezeit des Liberalismus geschehen war, denn er würde alle törichten Auswüchse des liberalen Glaubens, die sich in der Zeit, in der der Liberalismus erfolgreich war und sich daher dem Dornröschenschlaf näherte, entwickeln durften, mit Schweigen übergehen. Sein vernünftiger junger Leser würde zum ersten Mal einen Blick auf die verbotene Frucht erhaschen… Die Verfolgung gibt also Anlass zu einer besonderen Technik des Schreibens und damit zu einer besonderen Art von Literatur, in der die Wahrheit über alle entscheidenden Dinge ausschließlich zwischen den Zeilen präsentiert wird. (»Persecution and the Art of Writing«, Leo Strauss)65

Žižek, der sich oft über die erdrückende Hegemonie der politischen Korrektheit beklagt hat, wendet diese Texttaktik häufig an. Beispielsweise, um eine bösartige pseudowissenschaftliche Homophobie wiederzubeleben, die sowohl in den von ihm angesprochenen linken als auch in den Mainstream-​Bereichen wirklich ausgerottet ist – oder war:

Vor einigen Jahren behauptete eine lesbische Feministin an einer amerikanischen Hochschule, dass Schwule heute die privilegierten Opfer seien, so dass die Analyse der Unterprivilegierung von Schwulen den Schlüssel zum Verständnis aller anderen Ausschlüsse, Unterdrückungen, Gewalttaten usw. (religiös, ethnisch, klassenbedingt usw.) liefere. Problematisch an dieser These ist gerade ihr impliziter (oder in diesem Fall sogar expliziter) UNIVERSAL-​Anspruch: Sie macht diejenigen zu exemplarischen Opfern, die das NICHT sind, die viel leichter als religiöse oder ethnische Andere (ganz zu schweigen von den sozial – ›klassenmäßig‹ – Ausgeschlossenen) voll in den öffentlichen Raum integriert werden können und volle Rechte genießen. Hier sollte man die Zweideutigkeit der Verbindung zwischen Schwulen- und Klassenkampf ansprechen. Es gibt eine lange Tradition des linken Schwulen-​Bashings, deren Spuren bis zu Adorno zu erkennen sind – es genügt, Maxim Gorkis berüchtigte Bemerkung aus seinem Essay ›Proletarischer Humanismus‹ (sic! – 1934) zu erwähnen: ›Vernichtet (sic!) die Homosexuellen, und der Faschismus wird verschwinden‹ (zitiert nach Siegfried Tornow, ›Männliche Homosexualität und Politik in Sowjet-​Russland‹, in: Homosexualität und Wissenschaft II, Berlin: Verlag Rosa Winkel 1992, S. 281). All dies kann nicht auf ein opportunistisches Kokettieren mit der traditionellen patriarchalischen Sexualmoral der Arbeiterklasse oder mit der stalinistischen Reaktion gegen die befreienden Aspekte der ersten Jahre nach der Oktoberrevolution reduziert werden; man sollte sich daran erinnern, dass die oben zitierte aufrüttelnde Äußerung Gorkis ebenso wie Adornos Vorbehalte gegenüber der Homosexualität (seine Überzeugung von der libidinösen Verbindung zwischen Homosexualität und dem Geist der militärischen Männerbünde) alle auf derselben historischen Erfahrung beruhen: Die der SA, der ›revolutionären‹ paramilitärischen Nazi-​Organisation von straßenkämpfenden Schlägern, in der Homosexualität bis zum Abwinken vorkam (Roehm). Hier ist zunächst festzuhalten, dass es bereits Hitler selbst war, der die SA säuberte, um das NS-​Regime durch Reinigung von seinen obszönen Gewaltexzessen salonfähig zu machen, und dass er die Abschlachtung der SA-​Führung gerade mit deren ’sexueller Verderbtheit‹ rechtfertigte … Um als Stütze einer ›totalitären‹ Gemeinschaft zu funktionieren, muss Homosexualität ein öffentlich geleugnetes ’schmutziges Geheimnis‹ bleiben, das von denen geteilt wird, die ›in‹ sind. Heißt das, wenn Schwule verfolgt werden, verdienen sie nur eine qualifizierte Unterstützung, eine Art ›Ja, wir wissen, dass wir euch unterstützen sollten, aber trotzdem … (ihr seid mitverantwortlich für die Nazi-​Gewalt)‹? Man sollte nur darauf bestehen, dass die politische Überdeterminierung der Homosexualität alles andere als einfach ist, dass die homosexuelle libidinöse Ökonomie von verschiedenen politischen Orientierungen vereinnahmt werden kann, und dass man HIER den ›essentialistischen‹ Fehler vermeiden sollte, die rechte ›militaristische‹ Homosexualität als sekundäre Verzerrung der ›authentischen‹ subversiven Homosexualität abzutun. (Žižek, »Repeating Lenin«)

(Natürlich erfüllt dies die übliche doppelte, dreifache und vierfache Aufgabe, indem es eine karikierte »lesbische Feministin« mit Verachtung übergießt und gleichzeitig vor revolutionären Marxisten als erschreckend homophob und autoritär warnt. zum Beispiel Wilhelm Reich, Giles Deleuze und Felix Guattari, Barbara Burris, Maria Mies, Gerda Lerner, Silvia Federici, Bell Hooks, Klaus Theweleits Männerphantasien, die die imperialen faschistischen Kulturen als Ausdruck der Extreme der herrschenden heterosexuellen patriarchalen Beziehungen untersuchen). Umgangssprachlich ausgedrückt, »pfeift« Žižek den Teil seines Publikums zurück, der – oft in tiefer Verkleidung – Faschist und Rassist ist oder mit deren Weltanschauung sympathisiert. Die Art und Weise, wie er dies tut – er spricht zu diesem reaktionären Publikum auf eine Art und Weise, die mit plausibler Bestreitbarkeit und Alibis ausgestattet ist – und das labyrinthische Gebäude von Fluchtwegen aus der Verantwortung für die Äußerung des Inhalts seiner Arbeit, ist äußerst raffiniert.

Während der Mechanismus der fetischistischen Verleugnung – die primäre Iteration dieser Mehrdeutigkeit – von Žižek in der Welt sowohl diagnostiziert als auch provoziert wird, bleibt er, wenn er konkret benannt wird, eine Markierung der Distanz, eine leicht verurteilende Identifizierung eines Fehlers oder zumindest von etwas, das möglicherweise geändert werden könnte. Wie lautstark Žižek auch darauf beharren mag, dass jeder Mensch neurotisch ist, und an der Beschreibung ist nichts Moralisierendes, die »fetischistische Verleugnung« in einer politischen Position zu entdecken, bedeutet unweigerlich, sie zu pathologisieren. So sehr er auch auf der Unausweichlichkeit dieser »Struktur der Phantasie« beharren mag, so sehr impliziert die bloße Benennung derselben einen Ausweg. Doch im Laufe seiner Texte entwickelt Žižek weitere ähnliche Mechanismen, die diesem Zweck dienen, sein doppeltes Spiel von Liberalismus und Faschismus, beide unter der Maske des »Kommunismus«, zu ermöglichen. Dabei verlagert er die Inkohärenz oder den Widerspruch, den die »fetischistische Verleugnung« in der individuellen Psyche lokalisiert, nach und nach von der Psyche auf die historische materielle Realität, wodurch die Dissonanz jeweils unheilbarer und enger mit der Wahrheit selbst identifiziert wird.

Am ausgeklügeltsten und komplexesten sind diese rhetorischen Prozesse oft in Žižeks Versuch, die weiße Vorherrschaft und die Mythologie, die der kolonialen Zivilisationsmission zugrunde liegt (die Säule der Entschuldigung für das US-​Imperium), als Wahrheit zu etablieren und dabei die offensichtliche Irrationalität zu nutzen, um den Leser in Barthes’scher Manier zu impfen (siehe wiederum »Operation Margarine»66). Beobachten Sie, wie Žižek in diesem Ausschnitt mit dieser trickreichen Sophistik mehrere rhetorische Ziele erreicht, die mit einer rationalen Argumentation unmöglich zu erreichen wären:

Selbst wenn sich alle Berichte über Gewalt und Vergewaltigungen als wahr erwiesen hätten, wären die darüber verbreiteten Geschichten immer noch ›pathologisch‹ und rassistisch, denn die Motivation für diese Geschichten sind nicht Fakten, sondern rassistische Vorurteile, die Befriedigung derjenigen, die sagen können: ›Siehst du, die Schwarzen sind wirklich so, gewalttätige Barbaren unter der dünnen Schicht der Zivilisation!‹ Mit anderen Worten, wir hätten es mit etwas zu tun, das man als Lüge im Gewand der Wahrheit bezeichnen könnte: Selbst wenn das, was ich sage, faktisch wahr ist, sind die Motive, die mich dazu bringen, es zu sagen, falsch.

Natürlich geben wir diese Motive nie offen zu. Aber von Zeit zu Zeit tauchen sie dennoch in unserem öffentlichen Raum auf, in zensierter Form, im Gewand der Verleugnung: Sobald sie als Option genannt werden, werden sie sofort wieder verworfen. Erinnern wir uns an die jüngsten Äußerungen von William Bennett, dem zwanghaften Spieler und Autor des Buches der Tugenden, in seiner Anrufsendung Morning in America: ›Aber ich weiß, dass es wahr ist, dass man, wenn man die Kriminalität reduzieren wollte, jedes schwarze Baby in diesem Land abtreiben könnte, und die Kriminalitätsrate würde sinken. Das wäre eine unglaublich lächerliche und moralisch verwerfliche Sache, aber die Kriminalitätsrate würde sinken.‹ Der Sprecher des Weißen Hauses reagierte sofort: ›Der Präsident ist der Meinung, dass die Kommentare nicht angemessen waren.‹ Zwei Tage später relativierte Bennett seine Aussage: ›Ich habe einen hypothetischen Vorschlag gemacht … und dann darüber gesagt, dass es moralisch verwerflich sei, die Abtreibung einer ganzen Gruppe von Menschen zu empfehlen. Aber das ist es, was passiert, wenn man argumentiert, dass der Zweck die Mittel heiligen kann.‹ Das ist genau das, was Freud meinte, als er schrieb, dass das Unbewusste keine Verneinung kennt: Der offizielle (christliche, demokratische … ) Diskurs wird von einem ganzen Nest obszöner, brutaler rassistischer und sexistischer Phantasien begleitet und aufrechterhalten, die nur in zensierter Form zugelassen werden können.67

A) Er hat festgestellt, oder besser gesagt, den Leser dazu gebracht, zu akzeptieren, dass die spezifische Tatsache, die William Bennett in Bezug auf die Auswirkungen der »Abtreibung jedes schwarzen Babys« in den Vereinigten Staaten behauptet, wahr ist, um einfach die Unannehmlichkeiten eines unsinnigen Absatzes zu lindern. Damit in dem Text überhaupt eine Semiose entstehen kann, muss es sich um eine Tatsachenbehauptung handeln.

B) Er hat die pejorative Konnotation von »Rassismus« untergraben – er hat in der Tat die Vorstellung von Rassismus im Denken als eine spezifische Art von Unwahrheit demontiert – und den Begriff der rassistischen Wahrheiten als verständlich eingeführt.

C) Auf subtilere Weise hat er, wie Jago, Zweifel an den historischen Tatsachen der Geschehnisse in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina geäußert (und wird dies in einem seiner Bücher fortsetzen), indem er andeutete, dass die Gestapo der politischen Korrektheit ihn zwingt, so zu tun, als ob die Gerüchte falsch wären, und ihn zwingt, die Wahrheit nur heimlich anzudeuten.

D) Er hat eine Art faschistischen Irrationalismus in Bezug auf das Verhältnis von Wissen und Wahrnehmung zu emotionalen und moralischen Überzeugungen entwickelt.

E) Er hat beiläufig festgestellt, dass es richtig ist, die Folgen von Katrina als eine Geschichte der Gewalt darzustellen, die von den (überwiegend schwarzen) Opfern der ethnischen Säuberung, des von der herrschenden Klasse und dem Bush-​Regime befohlenen weißen Terrors der Söldner, des Militärs und der Selbstjustiz begangen wurde, während die wirkliche Gewalt (des Staates, der herrschenden Klasse und des weißen Kleinbürgertums) vollkommen ausgelöscht wird.

F) Er hat sich eine Kritik zu eigen gemacht, die im liberalen progressiven antirassistischen Diskurs mehr oder weniger als gesunder Menschenverstand etabliert ist und die Art und Weise beanstandet, in der die Taten von Individuen von der bürgerlichen Kulturproduktion benutzt werden, um irreführende Stereotypen und falsche, diffamierende Ethnographien aufzubauen.

Vor allem aber hat er all dies in der ostentativen Pose getan, etwas mehr radikal Antirassistisches zu sagen, das über den liberalen Konsens hinausgeht. Seine Formulierungen schützt er vor Kritik, indem er jedem Kritiker von vornherein eine Position zuweist, die mutmaßlich den Antirassismus angreift. Er treibt dies noch weiter auf die Spitze, wenn er erklärt, dass der »weiße Rassismus« eine »performative Effizienz»68 hat und seine Protagonisten daher nicht nur »Weiße« als überlegen im »Sein« verkennen, sondern uns/​ihn buchstäblich dazu machen; Daher sind Weiße in der Tat überlegen, und zwar durch unsere/​ihre eigene Schuld/​ihren eigenen Verdienst, und die wahren Rassisten sind diejenigen, die leugnen, dass »Schwarze« in der Tat »minderwertig« sind, weil sie das wahre Ausmaß des Schadens leugnen, den der weiße Rassismus mit seiner germanischen geistigen Macht über die Realität den »Schwarzen« zufügt.

Derartige Abbot und Costello, aber verderbliche »Paradoxien«, werden schließlich zu Parallax View69 und schließlich (im »magnum opus« Less Than Nothing, mit seiner gepriesenen »neuen Lesart von Hegel«,). »Parakonsistente Logik«, Žižeks eigentümliche Adaption eines Konzepts aus der analytischen Philosophie70, vollendet die Naturalisierung der »fetischistischen Verleugnung« als die Mehrdeutigkeit der Wahrheit selbst als einer kosmischen Bedingung, in die man sich nur einfügen kann. In diesem Tausend-​Seiten-​Wälzer -, der wieder einmal nur aus Abschweifungen von einem Hauptfall besteht, der versprochen wird und wie die Arlesienne nie eintrifft – behauptet Žižek, in Hegel eine parakonsistente Logik zu entdecken, die der Wirklichkeit an sich einfach sophistische, witzig-​punkige und pilzartige Widersprüche zuweist. Alles ist immer sein Gegenteil. Bei Kopf gewinne ich, bei Zahl verlierst du. Das Universum ist wie ein Witz über einen Kerl aufgebaut, der Briefe in leeren Schubkarren stiehlt und alle jagen Elefanten in den Pyjamas der anderen. Philosophisch oder exegetisch ist das nicht sehr überzeugend, aber aus der Sicht der Propagandawissenschaft ist es durchaus bewundernswert. In der für ihn typischen, zugleich kitschigen und prätentiösen Sprache macht Žižek die gültige Entdeckung, dass Kohärenz und Rationalität dem Propagandisten nichts nützen. Dessen Aufgabe ist es, zu verführen, zu verwirren, abzulenken, zu kitzeln und zu befriedigen, nicht zu überzeugen, und eine Landschaft von Mythen und Fantasiemotiven zu kultivieren, nicht einen Weg durch die Realität zu einem synthetischen Verständnis zu ebnen. Am wirkungsvollsten ist es immer, das, was bereits begehrt wird, vielleicht auf verbotene Weise, mit dem zu beladen, was man verkauft, und die eigenen Bewegungen auf immer verworrenere Weise zu verschleiern, die oft darin besteht, sich im Verborgenen zu halten. (Viel Spaß!)

4. Ein viertes P – oder eigentlich das erste – Die Protokolle der Weisen von Zion

In den Jahren 1988/​89 veröffentlichte die Studentenzeitung Tribuna aus Ljubljana, vom Kommunistischen Jugendverband Sloweniens finanziert und betrieben, die erste bekannte slowenischsprachige Ausgabe der Protokolle der Weisen von Zion71. Žižek und seine Kollegen waren zu dieser Zeit dabei, den Verband in die Liberaldemokratische Partei umzuwandeln, deren Chefideologe Žižek von Anfang an war und deren erster Präsidentschaftskandidat er am Vorabend der Sezession werden sollte. (In seiner Kampagne verwendete er die Themen der Protokolle72). Als die Protokolle von der Studentenzeitung der Partei veröffentlicht wurden, hatte sich Žižek bereits einen Namen als Theoretiker der antisemitischen Ideologie gemacht, die er als »Ideologie« par excellence behandelte; sein 1983 in der Lacanschen Zeitschrift Problemi aus Ljubljana erschienener Aufsatz »O Slovencih in antisemitizmu« wurde zu seinem ersten englischsprachigen Buch The Sublime Object of Ideology (das sublime Objekt des Titels ist »der Jude«) erweitert, das 1989 erschien. The Sublime Object of Ideology erschien zeitgleich mit der von der Studentenzeitung herausgegebenen Ausgabe der Protokolle und hatte viele Gemeinsamkeiten mit Golovinskis berühmter Fälschung. Žižeks späteres Werk ist voll von Verweisen auf »die Juden«, Hitler und den Antisemitismus, die das Nest der Topoi bilden, zu dem alle seine Exkurse schließlich zurückzukehren scheinen. Sein erster Artikel für die anglophone linke Presse, in der New Left Review, begann mit einem antikommunistischen Judenwitz (der übrigens selbst ein Beispiel für die Mechanismen des Bauchredens ist, die Žižek für seine komische Mehrdeutigkeit verwendet), der durch eine noch so leichte Umhüllung distanzierenden Selbstbewusstseins akzeptabel gemacht und zur Belustigung des Lesers reflexartig auf Herz und Nieren geprüft wird.

Es ist bemerkenswert, wie viele der Weisheiten, Strategien und Propagandataktiken, die Žižek erneuert, weiterentwickelt und einsetzt, zusammen mit vielen Motiven und Figuren seiner politischen Weltanschauung in den Protokollen der Weisen von Zion zu finden sind. Die Protokolle sind als Reaktion auf dieselben historischen Ereignisse entstanden, die Marx‹ unschätzbar einflussreichen Essay »Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte« inspiriert haben. Sie dienen, wie bereits erwähnt, seit langem als untauglicher Ersatz für dessen Analyse. Indem er sich immer wieder als »Marxist« vorstellt, nur um eine Version des abgedroschenen »Sozialismus der Dummköpfe« zu propagieren, setzt Žižek ein altes Spiel der Einmischung und Usurpation fort.

Die »Kritik des Liberalismus«, die Carl Schmitt vom Stammesältesten der Protokolle aufgeschnappt, die Reste von Satire und Faksimile davon abgestaubt und als »Politische Theologie« neu aufgelegt hat, mit ihrem Freund-​Feind-​Drehpunkt (Jude/​Goi) und ihren oberflächlichen subhegelianischen Umkehrungen, macht offensichtlich den Großteil der politischen »Analysen« von Žižek aus. Die Haltung ist aus dem Nationalsozialismus und dem Faschismus bekannt: Die Bourgeoisie selbst (typischerweise wird ihre unzufriedene Jugend angesprochen) wird beschworen, sich gegen die bürgerliche liberale Demokratie zu wenden; es wird eine Kritik der Hohlheit, Unauthentizität und Zerbrechlichkeit der liberalen Demokratie lanciert, die Anleihen bei Marx und dem sozialistischen und anarchistischen Denken im Allgemeinen macht. Deren Ziel ist jedoch die Bewahrung der Eigentums‑, Rassen- und Herrschaftsordnung. Ihr Lamento lautet: »Das Paradoxe ist, dass der Liberalismus selbst nicht stark genug ist»73, um die (eigene und überlegene) europäische oder arische Zivilisation zu retten (vor dem gottlosen Kommunismus im Osten, vor den Barbaren der Peripherie, vor dem Islamofaschismus, vor dem aufständischen Proletariat, vor der eigenen Dekadenz). Der Liberalismus wird als die tugendhafte Essenz der europäischen und seiner Zivilisation anerkannt, aber er birgt auch die Gefahr der Entartung und Verweichlichung und muss daher geopfert werden, um einen primitiveren und virileren Feind abzuwehren. Der Liberalismus, das wahre Wesen der Europäer, muss so lange aufgeschoben werden, bis diese Rasse/​jener Stamm/​dieses Volk die fremden Eindringlinge ausgerottet (oder anderweitig eliminiert) und (oft mit einer Anspielung auf Platon) produktiv, wohlwollend oder (wie Nietzsche riet) mit gedankenlosem, schuldlosem, lebensfrohem Überschwang die nützlichen dunklen Bestien versklavt hat74.

Die Beschreibung der Übel der Moderne, die von dieser Propaganda instrumentalisiert wird, war von Anfang an eine weitgehend pervertierte Nachahmung der Art von Kritik, die Marx hervorgebracht hat und ist es auch heute noch. Wo Marx beispielsweise zwei Arten von Bestimmungen (eine historische Bestimmung und eine Klassenbestimmung) an solchen »superstrukturellen« Elementen des gesellschaftlichen Lebens wie zum Beispiel »Gerechtigkeit« identifiziert hat, bieten die pseudohistorischen Pseudokritiken der Protokolle, Schmitts und Žižeks stattdessen eine jux-​platonische, priesterliche Offenbarung, dass die demokratische bürgerliche Vorstellung von Gerechtigkeit nur ein satanischer Trick sei, der den Menschen von ihren finsteren (jüdischen, auf die eine oder andere Weise) Oberherren eingebrockt wurde. Diese Weltsicht beschrieb Gramsci als »den Glauben, dass alles, was existiert, eine ›Falle‹ ist, die von den Starken für die Schwachen, von den Gerissenen für die Armen im Geiste gestellt wird. « (aus Gefängnisheft 1475) Die Pseudokritik, die sich zu einem nietzscheanischen Solipsismus, einem mystischen heideggerschen Lamento über die verlorene Authentizität und allerlei damit zusammenhängendem abergläubischen Unsinn entwickelt, suggeriert natürlich eine ganz andere Form des Widerstands und der Opposition als die marxistische Kritik. Bei Žižek wie bei den Protokollen und Schmitt ist die vorgeschlagene Antwort auf die entlarvte, gefälschte demokratische Ordnung faschistische Gewalt. Die Parteien, die Žižek zu dieser Gewalt aufruft, sind das Kleinbürgertum, seine Leser, in einer Geißelung der Dekadenz, die in filmischen Comic-​Visionen von burlesken Jakobinern an der Macht dargestellt wird, den wildäugigen Gesandten einer Tradition, die von Johannes von Leyden und Savonarola geerbt und ähnlich karikiert wurde. Dieser jakobinische Geist, auf den sich Žižek immer wieder beruft, dient als eine Art Vermittlersymbol in einer sophistischen Argumentation, deren Zweck es ist, die zeitgenössischen Protagonisten der herrschenden Klasse, die für imperiale Aggression und Faschismus stehen, als Erben einer glorreichen Vergangenheit zu feiern. Deren jüngste und aktuellen Verkörperungen sind Nixon, Thatcher, Obama und jetzt Donald Trump.

Žižek wird oft gegen marxistische Einwände mit der Behauptung verteidigt, er tue das, was er tue, »um Liberale zu verärgern«. Dies wird dann oft als Entschuldigung für seine faschistischen Reden vorgebracht, die sowohl die Frivolität anerkennt (denn er empfiehlt Terror oder die Beleidigung von Minderheiten, nur um Liberale zu verärgern, Marxisten sollten die Empfehlung ignorieren und applaudieren, wenn sie die Liberalen verärgern) und sie leugnet (indem sie der kleinbürgerlichen Fantasie frönt, dass das Verärgern der liberalen Eltern von Žižeks Studentenfans ein revolutionärer Akt ist, der den faschistischen Terror rechtfertigt und aufwertet). Ein britischer Komiker hatte eine bissige Routine, in der er sich selbst darstellte, wie er einen auf dem Bürgersteig schlafenden Landstreicher tritt und bei jedem Schlag behauptet: »Nehmt das Amnesty International«, wobei er grunzend erklärt, wie sehr dieses befreiende und mutige Verhalten die obere Mittelklasse ärgern würde …

Neben dieser kindischen, idealistischen Pseudoanalyse findet sich ein Großteil der fantastischen Weltsicht aus den Protokollen auch in Žižeks Werk wieder. Am offensichtlichsten ist Žižeks Antisemitismus (nicht die bloße Abneigung gegen das jüdische Volk, sondern die Akzeptanz der gesamten Pseudogeschichte), der im »Westen« oft bemerkt wurde. Wenngleich er, wenn überhaupt, nur sehr dünn verschleiert ist, ist er doch Anlass zu erheblichen Auseinandersetzungen geworden.76 Viele von Žižeks Verteidigern und Kritikern haben, wenn sie seinen Antisemitismus nicht rundweg leugnen, ihn als persönlichen Kavaliersdelikt abgetan, das für das, was man großzügig seine »politische Theorie« und »Philosophie« nennt, irrelevant sei. Gleichzeitig fügen andere Kritiker, die den formelhaften »philosophischen« paulinischen Antisemitismus anerkennen, den Žižek mit Badiou teilt (beide haben Bücher geschrieben, in denen der heilige Paulus als eine weitere Action-​Figur von Lenin als Erlöser gepriesen wird), mit Nachdruck hinzu, dass dies nicht bedeute, dass Žižek eine zwischenmenschliche Judenfeindlichkeit betreibe. (Žižek selbst rühmt sich immer wieder der Allgegenwärtigkeit dieser Widersprüche in seiner Rezeption.) Im Gegensatz dazu hat Claudia Breger bereits 1999 in ihrem Aufsatz bei Diacritics »The Leader’s Two Bodies« (ohne die Vorläufer in den Klassikern des politischen Antisemitismus zu erkennen) die Integration dieser Merkmale von Žižeks Produkt wahrgenommen: »Das antidemokratische – und, wie ich argumentieren werde, sowohl antifeministische als auch antisemitische – Moment von Žižeks Theorie ist nicht nur in der Art und Weise zu suchen, wie er den Marxismus ausführt, sondern auch in der Art und Weise, wie er die Lacansche Psychoanalyse ausführt.«

Breger beobachtete:

Wenn Žižek den rassistischen Antisemitismus der Nazis als einen ›verzweifelten‹ Versuch beschreibt, ›[diesen Überrest des Realen] zu erfassen, zu messen, in eine positive Eigenschaft zu verwandeln, die es uns ermöglicht, Juden auf objektiv-​wissenschaftliche Weise zu identifizieren‹, stellt er nicht die Operation der Fremdbestimmung ›des Juden‹ als solche in Frage. Vielmehr bindet Žižeks Ideologievorstellung ›den Juden‹ an die Position dieses zugeschriebenen Andersseins, indem er Stereotypen und rassistische Witze endlos wiederholt […] Er schlägt vor: ›Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein objektiver Blick bestätigen würde – warum nicht? -, dass Juden den Rest der Bevölkerung tatsächlich finanziell ausbeuten, dass sie manchmal unsere jungen Töchter verführen, dass einige von ihnen sich nicht regelmäßig waschen.‹ Doch muss man, um diese psychoanalytische Behauptung aufstellen zu können, die mögliche Wahrheit des Stereotyps rhetorisch vorschlagen? Žižeks Darstellung des Antisemitismus deutet darauf hin, dass er weniger daran interessiert ist, seine diskursive Konstitution zu analysieren – und möglicherweise zu dekonstruieren – als vielmehr seinen notwendigen Platz in der symbolischen Ordnung zu beweisen und zu bekräftigen.77

Žižek bemerkt häufig, wie »ironisch« es ist, dass Juden, die er kennt oder von denen er gehört hat, die Protokolle als Ethnographie verkörpern und bestätigen:

Dies ist die tiefste Ironie, die [Jean-​Claude] Milner entgeht: Er bemerkt nicht die radikale Zweideutigkeit seiner These von der jüdischen Ausnahme, die sich der modernen Universalität widersetzt. Wenn Milner die Juden als auf dem Vierfachen der familiären Tradition existierend, gegen die Auflösung dieser Tradition im Nicht-​Alles der Moderne postuliert, wiederholt er damit das gängige antisemitische Klischee, wonach die Juden selbst immer in den ersten Reihen des Kampfes um universelle Vermischung, Multi-​Kulti, rassische Verwirrung, Verflüssigung aller Identitäten, nomadische, plurale, wechselnde Subjektivität [meine Hervorhebung78] stehen – mit Ausnahme ihrer eigenen ethnischen Identität. Der leidenschaftliche Appell der jüdischen Intellektuellen an universalistische Ideologien ist an das implizite Verständnis gebunden, dass der jüdische Partikularismus ausgenommen ist, als ob die jüdische Identität nicht überleben kann, wenn Juden Seite an Seite mit anderen Menschen leben, die ebenfalls auf ihrer ethnischen Identität bestehen – als ob in einer Art Parallaxenverschiebung die Konturen ihrer Identität nur deutlich werden können, wenn die Identität der anderen verschwimmt. Das Bündnis zwischen den USA und dem Staat Israel ist somit eine seltsame Kohabitation zweier gegensätzlicher Prinzipien: Wenn Israel qua ethnischem Staat par excellence für das Vierfache (Tradition) steht, stehen die USA – viel mehr als Europa – für das Nicht-​Alle der Gesellschaft, die Auflösung aller festen traditionellen Bindungen. (Žižek, The Parallax View S. 258)

Er rät seinen Lesern, sich bei der Bewertung der antitotalitären Propaganda der von ihm so genannten »jüdischen Maoisten« (einer Gruppe öffentlicher Intellektueller, von denen einige einst dem französischen Maoismus angehörten, die typischerweise als »nouveaux philosophes« bekannt sind) an vergangene jüdische Perfidie gegenüber dem christlichen Universalismus zu erinnern:

François Regnault behauptet, dass die zeitgenössische Linke von Juden (viel mehr als von anderen ethnischen Gruppen) verlangt, dass sie ›in Bezug auf ihren Namen nachgeben‹ – eine Anspielung auf Lacans ethische Maxime ›Gib nicht in Bezug auf dein Begehren nach …‹ [Auslassungspunkte im Original] Man sollte sich hier daran erinnern, dass dieselbe Verschiebung von radikaler emanzipatorischer Politik zur Treue zum jüdischen Namen bereits im Schicksal der Frankfurter Schule erkennbar ist, insbesondere in Horkheimers späteren Texten. (Žižek, In Defense of Lost Causes S.5)

Dieser unheilvolle jüdische Multikulturalismus für andere, Tribalismus für uns, wird von Žižek nicht nur als Fantasie eines Antisemiten zitiert, sondern als Realität beklagt: »Juden waren die ersten Multikulturalisten»79, schreibt Žižek (diesmal mit seiner eigenen Stimme), während er »die sprichwörtliche exzessive Political Correctness des westlichen weißen Mannes, der sein eigenes Recht auf die Behauptung seiner kulturellen Identität in Frage stellt, während er die exotische Identität anderer feiert»80, als deren Folge beklagt; inzwischen wird die Vision einer ruchlosen jüdischen Macht, die als Ergebnis dieser Praxis in dieser Mythologie existiert, von Žižek bekräftigt81, der seine Leser jedoch beruhigt: »Wer erinnert sich heute noch an den Kibbuz, den größten Beweis dafür, dass Juden nicht ›von Natur aus‹ finanzielle Mittelsmänner sind?»82

Durch sein gesamtes Werk hindurch wiederholt Žižek diese Prozedur des Othering. In Übereinstimmung mit der europäischen Kolonialmythologie des 19. Jahrhunderts werden alle Identitäten, die gewöhnlich außerhalb seiner arischen Vorstellung von Weißsein liegen, als andere betrachtet, während er immer wieder eine explizit »weiße«, »westliche« Gemeinschaft beschwört, an die und für die er denkt und spricht (hauptsächlich darüber, was mit diesen Anderen zu tun ist, die gegen »uns«/sie intrigieren oder »uns«/sie von jenen liberalen Multikulturalisten aufgezwungen werden). Und deren Interessen und Wohlergehen keiner Rechtfertigung bedürfen, während die Interessen der anderen stets zu qualifizieren sind und die Legitimität ihres Kampfes dafür dem weißen Wir zur Bestätigung vorgelegt wird. (Die Anderen müssen immer beweisen, dass ihr Kampf den weißen Europäern nützt und ihre Existenz für die weißen Europäer unschädlich ist). Nachdem Žižek festgestellt hat, dass rassistische Überzeugungen (die bizarren Behauptungen der Pseudowissenschaft, die post hoc rassifizierte Klassenbeziehungen rechtfertigen) im kosmopolitischen Kern weitgehend verschwunden sind83, fordert er sein Publikum auf, gemäß der Pascalschen Wette die Praxis dieser arischen Überzeugungen wieder aufzunehmen, die Praxis dieser arischen, antisemitischen, weißen Vorherrschaftsrituale (nicht nur rassistische Witze und rassistisches »Theoretisieren«, sondern Praktiken der Segregation und Diskriminierung). So lange, bis sie (wieder) zur Realität der Kaste werden, gemäß dem Slogan der Anonymen Alkoholiker »fake it until you make it«.84 (Im Kosovo erklärte er in einem Fernsehinterview seine Unterstützung für ethnische Separatistenstaaten – ethnische Gruppen bräuchten »Raum zum Atmen»85, sagte er und pfiff den Nazis nach; an der London School of Economics und anderswo hat er kürzlich offen für ethnische Segregation plädiert.86 In bekannten faschistischen Phrasen warnte er vor den Gefahren für Europa und die Europäer durch die anderen Einwanderer. Wenn er im Laufe der Jahre seine unablässigen rassistischen Äußerungen als »Witze« rechtfertigt, verweist er auf deren Wirksamkeit im Jugoslawien der 1970er und 80er Jahre. Das lässt die Zuhörer zu dem Schluss kommen lässt, dass sein Ziel ein globales Analogon des damaligen blutigen Bürgerkriegs ist. Diese löste das Land in ethnisch gesäuberte Ministaaten auf, nachdem die imperiale Finanzierung von Nationalismen diese Kultur der verbalen rassistischen Aggression geschürt hatte, die Separatisten wie Žižek über Jahrzehnte hinweg hinter dem Schleier eines unbeschwerten freundlichen Scherzes hervorgebracht hatten.87) Wenn man sich bewusst ist, dass die Maschinerie der »fetischistischen Verleugnung« in Žižeks Werk die ganze Zeit läuft, wird der Leser erkennen, dass die Aufforderung, die im Laufe der Zeit explizit wird, lautet: »Ja, wir wissen sehr wohl, dass die antisemitische Theorie [oder rassistische Pseudowissenschaft] eine absurde Mythologie ist, aber trotzdem .…« in Passagen wie: »Zunächst wird die Reihe der Marker, die reale Eigenschaften bezeichnen, abgekürzt – verkürzt in dem Marker ›Jude‹: (geizig, profitgierig, intrigant, schmutzig…)-Jude. Dann kehren wir die Reihenfolge um und ›explizieren‹ die Markierung ›Jude‹ mit der Reihe (geizig, profitgierig, intrigant, schmutzig…), das heißt diese Reihe gibt nun die Antwort auf die Frage ›Was bedeutet ›Jude‹?‹ «

Breger greift den Vorwand- und Ablenkungscharakter der unwirksamen, pseudomarxistischen Kritik am Liberalismus auf, die Žižek ausrollt, aber ihre Unkenntnis der faschistischen Traditionen, die Žižek wieder aufwärmt (populistische Propaganda und Elitenschrift), lässt ihre Kritik auf der Ebene der Anprangerung eines scheinbar ungeheuerlichen, historisch bedeutungslosen, vage neurotischen Einzelfalls stehen. Dieser Irrtum ist inzwischen Standard bei den vielen Liberalen, die sich darüber beschweren, dass ihre liberalen Mitstreiter sich an Žižek erfreuen und ihn fördern. Adam Kirsch von der erzliberalen New Republic wiederholte, ohne Bregers Raffinesse in Bezug auf die Gestalt von Žižek, viele der spezifischen Beobachtungen der artikulierten Judenfeindlichkeit und fügte der Liste jüngere Žižek-​Veröffentlichungen hinzu. Neben den gültigen Entdeckungen brachten beide dieselbe fundamentale Fehldiagnose hervor, die dem Antikommunismus entgegenkommt und die die Žižek-​Aktion demokratischen Liberalen entlocken soll: Sowohl Breger als auch Kirsch verdammen Žižek schließlich, wie Laclau vor ihnen, als den, wie er es zu sein vorgibt, bedrohlichen Protagonisten eines wahnsinnigen neo-»stalinistischen« Projekts auf der politischen Linken (einer Sphäre, die sich in einem solchen Durcheinander befindet, dass sie anfällig für demagogische Verrückte ist).

Die Erklärung für diese und ähnliche gängige Missverständnisse in Bezug auf Žižek findet sich auch in den Protokollen der Weisen von Zion. Von dort stammen auch die heimtückischsten und erfolgreichsten Merkmale des Žižek’schen Werks, jene Oszillationen, aus denen Žižek seine Alibis konstruiert sowie die wirklich schwindelerregende Unbestimmtheit, die er erzeugt und ausnutzt. Das Geheimnis dieser eigentümlichen proteischen Fähigkeit ist jedoch etwas komplexer als es scheint. Žižek hat eine tiefe, aber zufällige Zweideutigkeit in diesem ungewöhnlichen Text in ein Modell für die Mehrdeutigkeit verwandelt.

Die meisten Menschen wissen inzwischen, dass es sich bei den Protokollen der Weisen von Zion um eine Fälschung handelt, die für die zaristische Geheimpolizei erstellt wurde und von der man annimmt, dass sie hauptsächlich das Werk des Aristokraten Matwej Wassiljewitsch Golowinski ist. Bezeichnenderweise finden viele den Text nicht weniger überzeugend in Bezug auf sein Thema, nur weil er nachweislich eine Fälschung ist. Er gibt vor, so etwas wie das Protokoll einer Sitzung der Führer einer jüdischen Kabale zu sein, die den Plan zur Weltherrschaft schmiedet. Das Werk behält trotz seiner Entlarvung eine bemerkenswerte Überzeugungskraft als Beschreibung der Realität. Es scheint, dass Žižek, der die zufälligen Ambivalenzen des Textes nachahmt, seine tiefgreifende Inkohärenz (die verworrene Art und Weise, in der er einige kontroverse, aber attraktive Materialien präsentiert) als Quelle seiner hypnotischen Kraft und insbesondere seiner Immunität gegenüber faktischen Widerlegungen erkannt hat.

Golovinskis Fälschung entstand größtenteils durch das Plagiat eines satirischen Textes von Maurice Joly aus dem Jahr 1862: dem Dialog in der Hölle zwischen Machiavelli und Montesquieu, um den herum er einen Rahmen schuf. Wie Marx im »Der achtzehnten Brumaire von Louis Bonaparte« war Joly fasziniert von und motiviert, das Element des Betrugs, des Ersatzpopulismus, des Scheinliberalismus und der Scheindemokratie im Zweiten Kaiserreich zu erklären. Jolys Text besteht, wie der Titel schon sagt, aus einer Debatte zwischen den verdammten Geistern dieser beiden großen politischen Denker. Montesquieu, der als Verfechter des zeitgenössischen Konzepts von la République vorgestellt wird, verteidigt seine Vision einer liberalen konstitutionellen Regierung als ein System, das die Freiheit der Bürger garantiert. Machiavelli, der als eine Figur des Geistes dargestellt wird, der das Regime von Napoleon III. beseelte, erklärt genüsslich, wie eine plutokratische herrschende Klasse hinter dieser tadellos gestalteten, republikanischen Fassade eine verdeckte Tyrannei ausüben kann. Jolys Kritik ergibt sich aus dem Zusammenspiel dieser beiden Persönlichkeiten in einem satirischen Spiel: Während Jolys Sympathien tatsächlich den Werten und Hoffnungen gelten, die Montesquieu motivieren, insofern er im Text den Geist der Französischen Revolution und den Kampf für bürgerliche Freiheiten und gegen autoritäre Gewalt verkörpert, ist es natürlich Machiavelli, der der wahre Sprecher des Autors ist und seine wirkliche Einschätzung des liberalen Projekts (wenn nicht sogar seine Gefühle gegenüber dessen Bestrebungen) zum Ausdruck bringt. Es wird eine vernichtende Kritik des Liberalismus »von links« geäußert. Allerdings wird dabei die Korrumpierbarkeit des Liberalismus und seine Bequemlichkeit gegenüber dem Despotismus »von rechts« gefeiert. Die Machiavelli-​Figur ist schurkisch – er ist der Drahtzieher der despotischen, unsichtbaren Subversion des republikanischen Liberalismus -, aber auch charmant, im Recht und spricht die Wahrheit: Der Leser ist in der Auseinandersetzung wirklich »auf seiner Seite«, auch wenn er sich nicht an der Wahrheit seiner Kritik erfreuen kann. Gleichzeitig wird die Sympathie des Lesers für Montesquieus Ideale von liberté, egalité, fraternité immer mehr durch die Verachtung seiner Naivität und den zunehmenden Verdacht auf seine Aufrichtigkeit untergraben. Obwohl Machiavelli ein starkes Plädoyer für die Erwünschtheit und Unvermeidbarkeit des Despotismus hält, ist Jolys Satire stets auf der Seite des Volkes und der Ideale der Französischen Revolution, für die Montesquieu sich einsetzt. Jolys Feuer richtet sich gegen die Zerrüttung dieser Ideale in einem System, das formal dem Geist der Demokratie folgt, aber im Bereich der Eigentumsverhältnisse eine aristokratisch-​bürgerliche Plutokratie beibehält.

Golowinskis Publikation im Auftrag der zaristischen Geheimpolizei zielte darauf ab, dieses Material so umzugestalten, dass die verführerische Bitterkeit und Brillanz seiner Beschreibung des Betrugs des pseudoliberalen Konstitutionalismus unter Napoleon III. erhalten blieb, aber das Ziel des Angriffs verändert und die politischen Sympathien und das Ethos des Werks grundlegend geändert wurden. Auf raffinierte Weise spielte er ein doppeltes Spiel mit dem doppelten Spiel der Satire: Erstens verbreitete das Werk den politischen Antisemitismus als Köder, um von Analysen der Praxis der herrschenden Klasse, wie sie von Marx und Joly erstellt wurden, abzulenken; zweitens diskreditierte das Werk solche Analysen der Praxis der herrschenden Klasse bei jenen Kommunisten und anderen Linken, die nicht auf die rassistische Mythologie hereinfallen wollten, indem es sie mit Antisemitismus in Verbindung brachte.88 Golovinskis Werk war die erste erfolgreiche Verleumdung politischer Analysen der Klassenkriegsführung der herrschenden Klasse als »complottisme« (heute das Allzweck-​Disqualifizierungsmittel »Verschwörungstheorie«).

Während Jolys Satire die aristokratisch-​bürgerliche herrschende Klasse des Zweiten Kaiserreichs dafür geißelte, dass sie die oberflächlichen Verkleidungen der liberalen und demokratischen Gesellschaft ausnutzte, um ihre despotischen Kräfte fortzusetzen und sogar zu stärken – geschrieben aus einer Position, die eindeutig zugunsten der populären und populistischen, demokratischen Überzeugungen stand, die zynisch durch diese ausgeklügelten Strategeme getäuscht wurden (Joly stand zu Lebzeiten Blanqui nahe und scheint Marx gelesen und mit ihm sympathisiert zu haben) – verwendet Golovinski dasselbe Material, um einen unverhohlenen Despotismus, das zaristische Regime und seine Analoga in ganz Europa zu verteidigen. Er greift nicht nur die korrupten bürgerlichen Demokratien an, sondern auch die liberalen und sozialistischen Überzeugungen, die die Hoffnung des Volkes auf sie belebten und von ihnen verraten wurden.

Der Machiavelli von Joly wird also zum Anführer der jüdischen Weltverschwörung, zum Oberältesten von Zion. Und so entsteht in dem abgewandelten Text ein gewisses Geräusch, eine nachhallende Ambivalenz, denn Machiavelli wurde als Identifikationsobjekt für den Leser geschrieben. Er ist der kluge politische Theoretiker, der weiß, was wirklich vor sich geht und es erklären kann. Dieselben Texte werden dann von Golovinsky einer Figur zugeschrieben, die beim Leser Entsetzen und Bestürzung hervorrufen soll. Die Umdeutung von Machiavellis Äußerungen erfolgt auf vielfältige Weise, die jedoch die Wertigkeiten des Originals nicht völlig auslöscht. In der folgenden Passage wird der Leser beispielsweise ermutigt, die Einsichten Machiavellis im Geiste der Misanthropie, des Pessimismus und der Rechtschaffenheit zu akzeptieren, dabei aber weiterhin den Wunsch zu hegen und an die Möglichkeit der wahren Demokratie zu glauben – der sozialistischen Demokratie, die die korrupte liberale Demokratie, die die Verkleidung der Plutokratie ist, verdrängen muss, wenn die Ideale des Liberalismus verwirklicht werden sollen:

Machiavelli: Abstrakt gesprochen sind Gewalt und List ein Übel? Ja, aber man muss sich ihrer durchaus bedienen, um die Menschen zu regieren, solange die Menschen keine Engel sind. Alles kann gut oder schlecht sein, je nach dem Gebrauch, den man davon macht und nach den Früchten, die man daraus ziehen kann; der Zweck heiligt die Mittel. Und wenn du mich jetzt fragst, warum ich – ein Republikaner – der absoluten Regierung den Vorzug gebe, so würde ich dir sagen: Weil das Volk in meiner Heimat wankelmütig und feige ist, weil es von Natur aus einen Hang zur Knechtschaft hat, weil es unfähig ist, die Bedingungen des freien Lebens zu begreifen und zu respektieren. Ich würde antworten, dass das Volk, sich selbst überlassen, nur sich selbst zu zerstören wüsste; dass es niemals in der Lage wäre, zu verwalten, zu richten oder Krieg zu führen. Ich würde Ihnen sagen, dass Griechenland nur in den Schatten der Freiheit glänzte; dass ohne die Willkür der römischen Aristokratie und später ohne die Willkür der Kaiser diese glänzende Zivilisation niemals entstanden wäre.89

Die Neubearbeitung von Golovinsky stellt das Gefühl in einen Kontext, der nahe legt, dass der aristokratische Absolutismus unbestreitbar das einzige Mittel ist, mit dem sich die nichtjüdischen Völker gegen den ruchlosen Feind verteidigen können, der ihn deshalb mit liberaler und sozialistischer Propaganda diskreditiert hat:

Der Oberälteste: Aus dem vorübergehenden Übel, das wir jetzt zu begehen gezwungen sind, wird das Gute einer unerschütterlichen Herrschaft hervorgehen, die den regelmäßigen Lauf der Maschinerie des nationalen Lebens wiederherstellen wird, der durch den Liberalismus zunichte gemacht wurde. Das Ergebnis heiligt die Mittel. Lasst uns jedoch bei unseren Plänen unser Augenmerk nicht so sehr auf das Gute und Moralische, sondern auf das Notwendige und Nützliche richten … Um befriedigende Handlungsformen auszuarbeiten, ist es notwendig, die Unbesonnenheit, die Nachlässigkeit, die Unbeständigkeit des Pöbels zu berücksichtigen, seinen Mangel an Fähigkeit, die Bedingungen seines eigenen Lebens oder seines eigenen Wohlergehens zu verstehen und zu respektieren. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Macht des Pöbels eine blinde, sinnlose und unvernünftige Kraft ist, die einer Anregung von irgendeiner Seite ausgeliefert ist. Die Blinden können die Blinden nicht führen, ohne sie in den Abgrund zu stürzen; folglich können Mitglieder des Pöbels, Emporkömmlinge aus dem Volk, auch wenn sie ein Genie für Weisheit sein sollten, aber kein Verständnis für das Politische haben, nicht als Führer des Pöbels auftreten, ohne die ganze Nation in den Ruin zu stürzen. Nur jemand, der von Kindheit an zur unabhängigen Herrschaft erzogen wurde, kann die Worte verstehen, aus denen das politische Alphabet zusammengesetzt werden kann. Ein Volk, das sich selbst überlassen ist, das heißt den Emporkömmlingen aus seiner Mitte, bringt sich durch die vom Streben nach Macht und Ehre erregten Parteispaltungen und die daraus entstehenden Unruhen selbst in den Ruin. Ist es der Masse des Volkes möglich, sich in Ruhe und ohne kleinliche Eifersüchteleien ein Urteil zu bilden, sich mit den Angelegenheiten des Landes zu befassen, die nicht mit persönlichen Interessen vermengt werden dürfen? Können sie sich gegen einen äußeren Feind verteidigen? Das ist undenkbar; denn ein Plan, der in so viele Teile zersplittert ist, wie es Köpfe in der Menge gibt, verliert jede Homogenität und wird dadurch unverständlich und unmöglich in der Ausführung. (Die Protokolle der Weisen von Zion)

Es ist diese tiefe Unbestimmtheit, die sich aus der unvollständigen Neuausrichtung des bereits ambivalenten, satirischen, sarkastischen Joly-​Textes ergibt, die Žižek mit außerordentlichem Erfolg nachahmt. Noch verworrener und reflexiver, als es auf den ersten Blick scheint, ahmt er dessen Äußerung und eine daraus abgeleitete Kritik gleichzeitig nach (sowohl liberal als auch faschistisch zu sein… sowohl Machiavelli, der Republikaner, als auch Joly, der Blanquist, übereinandergelegt, und gleichzeitig wiederum sowohl Golovinksy, der autoritäre Edelmann, als auch Der Älteste von Zion, der satanische Stammesoligarch, übereinander gelegt). Die Grundlage seiner Kritik am Liberalismus, geschmückt mit Lacan’schem Jargon, ist, wie wir gesehen haben, diese Aufbereitung: »Die demokratische Haltung beruht immer auf einer gewissen fetischistischen Spaltung: Ich weiß sehr wohl (dass die demokratische Form nur eine Form ist, die durch Flecken des »pathologischen« Ungleichgewichts verdorben ist), aber trotzdem (tue ich so, als ob Demokratie möglich wäre).« Er nutzt diese widersprüchlichen Mischungen, die Verschiebungen von rechter Rhetorik und reichlich Desinformation in vermeintlich linke Texte, geschickt, um sie in einem scheinbar verständlichen und doch zutiefst inkohärenten (so zutiefst, dass er antirational, interpretationsflüchtig und faktisch unbestreitbar ist) Diskurs zusammenlaufen zu lassen.

5. Überidentifikation

Eines der komplizierteren Alibis, das diese Protokolsche Technik für Žižek bietet, ist die Vermutung, dass er eine übertriebene Karikatur eines wahren Gläubigen der faschistischen Rechten oder des liberalen Mainstreams aufführt, um ein vage vorgestelltes Enthüllungsspektakel zu verursachen, das heißt dass er in eine scheinbar ernsthafte Praxis der »Philosophie« so etwas wie eine Comedy-​Nummer einbettet, wie sie dem US-​amerikanischen und britischen Publikum in Stephen Colberts Parodie eines rechten Murdoch-​Fernsehpredigers oder in Sacha Baron Cohens Figur Borat vertraut ist, um irgendetwas zu bewirken (die Wirksamkeit dieser Praxis wird nur schemenhaft angedeutet, indem er darauf hinweist, dass der Kommunistische Jugendverband Sloweniens, als er vorgab, Wahlen in Slowenien für legitim zu halten, den Kommunismus einfach in Verlegenheit brachte). Mit anderen Worten, seine Verteidiger behaupten, dass Žižek nur deshalb wie ein Faschist und ein Liberaler klingt, weil dies durch irgendeine sympathische Magie den Zerfall von Faschismus und Liberalismus bewirken wird.

Das Dogma dieser Haltung geht auf Žižeks Verteidigung von Laibach90 zurück, einer slowenischen Popband, die den deutschen Namen Laibach annahm und in Nazikleidung auftrat, um das sozialistische Jugoslawien zu parodieren. Die Band war bei slowenischen Separatisten sehr beliebt. Toma Longinovich erklärte: »Laibachs Parodie des sozialistischen Staates durch eine Post-​Punk-​Performance der Überidentifikation mit seiner inhärenten totalitären Logik war eine frühe Manifestation des slowenischen Wunsches, sich vom Objekt ihrer Parodie zu distanzieren, aus der Vereinigung mit jenen anderen Völkern zu fliehen, die nicht derselben zivilisatorischen Tradition angehörten.»91 (Diese Späße fielen zeitgleich mit Streichen wie dem Anziehen von gelben Sternen durch die Slowenen zusammen, um sich als die neuen Juden zu identifizieren, die von den neuen Nazis bedroht wurden, die in der aufkommenden kaiserlichen Propaganda als »die Serben« bezeichnet wurden.92) Einer von Žižeks prominentesten amerikanischen Evangelisten, Adam Kotsko, veröffentlichte kürzlich mehrere Verteidigungen von Žižeks »Provokationen«, die die Taktik der »Überidentifikation« als Erklärung für seine rassistische und schließlich enthüllte Feindseligkeit gegenüber Immigranten und insbesondere gegenüber Flüchtlingen, die aus Regionen kommen, die unter dem apokalyptischen Gewaltangriff des Imperiums stehen, anführten. Kotskos Beschreibung der gewünschten verheerenden Wirkung dieser Aufführungen lautet, dass sie »den Rahmen« von etwas verschieben. Kotsko vermied es Einzelheiten zu nennen und weigerte sich aus Žižeks Texten zu zitieren. Aber hier ist ein Beispiel dafür, dass Žižek selbst behauptet, »den Rahmen« von irgendetwas zu verschieben:

Wenn man Formeln hört wie: ›Wir brauchen weder die totale staatliche Kontrolle noch einen völlig unregulierten Liberalismus/​Individualismus, sondern das richtige Maß zwischen diesen beiden Extremen‹, dann stellt sich sofort das Problem der Messung dieses Maßes – der Punkt des Gleichgewichts wird immer stillschweigend vorausgesetzt. Angenommen, jemand würde sagen: ›Wir brauchen weder zu viel Respekt vor den Juden noch den Holocaust der Nazis, sondern das richtige Maß dazwischen, einige Quoten für die Universitäten und das Verbot öffentlicher Ämter für die Juden, um ihren übermäßigen Einfluss zu verhindern‹, kann man nicht wirklich auf einer rein formalen Ebene antworten. Hier haben wir den Formalismus der Weisheit: Die wahre Aufgabe besteht darin, das Maß selbst zu transformieren und nicht nur zwischen den Extremen des Maßes zu pendeln. (Žižek, In Defense of Lost Causes)

Es überrascht nicht, dass Kotsko sich für ein Ersatzbeispiel entschied:

Wenn also die Menschen in den USA die Vision des mexikanischen Einwanderers als arbeitssüchtige Wohlfahrtskönigin produzieren, kann es in Wirklichkeit nicht um einen Konflikt zwischen Kulturen gehen, denn das würde für Žižek voraussetzen, dass es bereits existierende, mehr oder weniger stabile oder homogene Kulturen gibt, die zunächst existieren und dann zufällig in Konflikt geraten. Es kann auch nicht um die Mexikaner gehen, die nach Amerika kommen und das Gleichgewicht unserer einheimischen Kultur stören, denn dieses Gleichgewicht existierte von vornherein nicht. Nein, der Konflikt liegt in der kapitalistischen Ausbeutung begründet. Die Mexikaner nehmen nicht ›unsere‹ Arbeitsplätze weg – die Eigentümer tun alles, um die Löhne zu drücken, ohne sich dafür zu interessieren, wen sie bezahlen.93

Offensichtlich führen sowohl die echte Žižek-​Anekdote als auch die von Kotsko erfundene Anekdote lediglich einen Münztrick für Kinder auf: Kopf ich gewinne, Zahl du verlierst.…, indem sie verkünden, dass sie beabsichtigen, sich einer Formel zu widersetzen, sie schreiben sie lediglich neu ein: jetzt mit verstärktem Schutz vor faktischer Kritik aufgrund der Illusion, eine großartige, unanfechtbare Verteidigung gegen Anfechtung geleistet zu haben. Beide bekräftigen die nazistische oder amerikanisch-​nativistische Version eines Problems: Juden. Mexikaner. »Wir« wollen die Abwesenheit aller Beschränkungen für Juden/​Sie [wir, die wir anders sind] nicht, und das Kapital bedroht uns (dich/​die Weißen, Europäer) mit Mexikanern [wir, die wir anders sind] in der Tat. Im Übrigen stellt Kotsko Žižek besonders dreist falsch dar, indem er dieses Beispiel für ihn erfindet. Denn er ergreift immer wieder explizit Partei für europäische oder weiße Arbeiter gegen farbige Arbeiter und Immigranten in einem imaginären Konflikt, den er und andere Rassisten sich als Rassenblock-​Arbeitskonkurrenz vorstellen. Er stellt den letzteren Block immer wieder als Gefahr für den ersteren dar, wobei der erstere der Block der Subjekte ist, deren Interessen keiner Rechtfertigung bedürfen und niemals umgekehrt. Das geht so weit, dass er sogar einen Inder, der in einem Callcenter in Mumbai arbeitet, als Einwanderer bezeichnet, der noch nicht eingewandert ist und Arbeitsplätze einnimmt, die rechtmäßig weißen Europäern oder Amerikanern gehören:

Die freie Zirkulation von Arbeitskräften ist im Gegenteil im Interesse des Großkapitals, da billigere eingewanderte Arbeitskräfte Druck auf ›unsere‹ Arbeiter ausüben, niedrigere Löhne zu akzeptieren. Und handelt es sich beim Outsourcing nicht auch um eine umgekehrte Form der Beschäftigung von Arbeitsmigranten? Der Widerstand gegen die Einwanderer ist in erster Linie eine spontan-​defensive Reaktion der einheimischen Arbeiterklasse, die (nicht ganz zu Unrecht) den eingewanderten Arbeiter als eine neue Art von Streikbrecher und damit als Verbündeten des Kapitals ansieht. Kurz gesagt, das globale Kapital ist von Natur aus multikulturell und tolerant. (Žižek, First as Tragedy, then as Farce)

Wie wir sehen, wenn es eine Rolle gibt, die Žižek unaufrichtig spielt, dann ist es die komische Rolle einer rechten Karikatur (die er mit verschiedenen Inkarnationen der Neuen Linken teilt und die jetzt in den Kreisen, die Žižek vergiftet hat, wieder auflebt) des marxistischen Idealisten, der so starr an seiner Vision des Klassenkampfes von alten Bolschewiki-​Plakaten hängt, dass er die Arbeiterklasse nicht erkennen würde, wenn sie ihm mit ihren folkloristischen Pfauenstäben auf den Kopf schlagen würde. Dies deckt sich mit seinem protokollschen Vorgehen mit all seinen Oszillationen…, die Faschisten zu verpfeifen und gleichzeitig den Marxismus bei den Radikalen zu diskreditieren. »Ich, Satan, habe liberté, egalité, fraternité erfunden!« »Ich, der verrückte Stalinist, liebe den blutrünstigen Aristide und seine mörderischen Chimären94 »Ich, der marxistische Philosoph, erkenne die Immigranten als die Wilden an, die den wahren Proletariern von den liberalen Kosmopoliten aufgezwungen wurden.«

In einem Vortrag, der 2014 auf dem New Yorker Left Forum gehalten wurde, nahm Ethan Hallerman solche zynischen »Über-Identifikations«-Alibis aufs Korn und beschrieb den tatsächlichen Nutzen dieser Taktik für Žižek bei der Ausarbeitung seiner Verkleidungen und der Rekrutierung einer Fangemeinde als Leibwächter, um solch unverhohlen reaktionäre Inhalte in linke Dialoge zu eskortieren:

Žižek hat sich also für ein Pogrom entschuldigt. Er wiederholt rassistische, romafeindliche Klischees – sie sind schmutzig, sie stehlen, er beschuldigt sie fälschlicherweise, jemanden ermordet zu haben. Es sollte wohl selbstverständlich sein, dass nichts davon wahr ist, nichts davon wurde irgendwo bestätigt, aber Žižeks Interesse besteht darin, einige abstrakte Liberale zu beschuldigen, die er erfunden hat. Er setzt rassistisch in Anführungszeichen; er impliziert einen Klassengegensatz zwischen den ›bequemen Liberalen in den Großstädten‹ und den ›verängstigten Menschen‹ in ihrem Dorf, was das tatsächliche Klassenverhältnis zwischen der slowenischen Mehrheit in Ambrus – beide Artikel beschreiben das Dorf als obere Mittelschicht – und der Familie [Rom] Strojan, die am Rande der Stadt lebt, invertiert. Žižek ordnet den Rassismus ständig der Arbeiterklasse zu und den Antirassismus ausschließlich einer imaginären Gruppe von hochnäsigen kosmopolitischen Liberalen. Es ist immer ›rassistischer Populismus‹, es sind immer ›heuchlerische Linke‹, die nicht verstehen, dass Rassismus eine Haltung der Arbeiterklasse ist. Irgendwie werden für Žižek Muslime, Immigranten, Schwarze, Roma immer aus der Arbeiterklasse ausgeschlossen. Sie sind nie selbst antirassistisch. Es ist immer etwas, das zur herrschenden Klasse gehört. So wie für Žižek in diesem Fall die Einheimischen die Slowenen sind, aber nicht die Familie Strojan, die dort seit Jahrzehnten lebt. Er tut dies immer beiläufig, im Vorbeigehen, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Homogenisierung des Status der Arbeiterklasse mit dem Status der Nicht-​Muslime und Nicht-​Roma. Auch diese Verwandlung von Arbeiterklassensolidarität in ethnische Solidarität, indem man die beiden in der Rhetorik bewusst verwischt, ist eine spezifische Strategie, die zu einer bestimmten Tradition gehört… Ich würde die Leute also ermutigen, mehr darauf zu achten, inwieweit seine rechte Rhetorik, sein Anti-​Antirassismus, sein Antifeminismus, sein Autoritarismus, seine Aufwertung von Gewalt als Gut an sich nicht als Performance abgetan werden können und ihn in dieser Hinsicht ernst zu nehmen. Dass er tatsächlich einen autoritären Terrorstaat statt der Demokratie will, dass er Antirassismus und kulturelle Durchmischung für eine Bedrohung des weißen, christlichen Europas hält. Natürlich gibt es einige Dinge, die Žižek sagt, die links klingen und sich nicht mit dieser … Wenn man wie Žižek der Meinung ist, dass linke Werte die Gesellschaft dominieren und bedrohen, wie er sagt, dann ist es nur noch eine Frage, mit welchen Werten man sich ›performativ überidentifiziert‹.

In Anlehnung an Hallerman können wir darauf hinweisen, dass Žižek sich typischerweise »performativ überidentifiziert« als dieser schuldige weiße europäische Multikulturalist, den er in liberalen Kontexten lächerlich macht, wenn er sich an ein linkes Publikum wendet; diese Fälle wiederholen einen Strauss’schen Trick des (kaum) kodierten und geleugneten Rassismus der reißerischsten Art. Diese überidentifizierenden Darbietungen bestehen darin, dass Žižek (in der Regel verleumderisch, immer unehrlich) einige antiimperialistische oder Protagonisten aus der Arbeiterklasse der Gewalttätigkeit beschuldigt und dann, nachdem er anschaulich und absurd Bilder von wilden und atavistischen wilden Ausbrüchen gemalt hat, wie etwas aus H.G. Wells‹ The Island of Doctor Moreau (Bilder, die ihm oft durch die Nazi-​Propaganda-​Clips in The Sorrow and the Pity in den Kopf gesetzt worden zu sein scheinen), charakterisiert er diese meist völlig fiktiven Handlungen als »göttliche Gewalt»95, um sie von der bewusst politisch motivierten rationalen Gewaltanwendung zu unterscheiden, die er weißen europäischen Subjekten zuschreibt. Indem er sie verherrlicht und zu ihr ermutigt, erklärt er, dass er sie »nicht wirklich verurteilen kann«, obwohl sie ihn natürlich aufregt (hier gibt es nichts Authentisches) und dass sie letztlich reaktionär ist. Žižek beschwört unablässig, lebhaft und emotional, zwei Arten von Gewalt herauf, die in krassem Gegensatz zueinander stehen: die glorreiche weiße Gewalt der implizit und explizit überlegenen Rasse und ihrer Action-​Helden (Badiou zufolge hat es in Afrika nie ein Ereignis gegeben) und die furchterregende, beängstigende, unmenschliche, uralte, prähistorische, animalische oder einfach nur verabscheuungswürdige Gewalt (die oft völlig fiktiv ist), die er seitens des Rests der Menschheit beklagt, derjenigen, die bei Nietzsche als Sklavenrassen erscheinen. ( Die Strojaner, die Aufstände in Paris, London und Ferguson, die Lavalas-​Anhänger in den haitianischen Bidonvilles, die Kongolesen, die Einwanderer in Köln, die schwarzen Schüler der Chicagoer High School, die in seiner neuen Lieblingsanekdote den weißen Sohn seines Freundes verprügeln, usw.). Žižek setzt diese sensationellen und cartoonhaften Anekdoten »göttlicher Gewalt« nie mit der Art von heroischer Gewalt96 gleich, die er gewohnheitsmäßig verteidigt und romantisiert, und er erklärt auch nicht, warum. Er überlässt alles den Bildern, die von rassistischen Phantasmagorien durchdrungen sind. Und er identifiziert sich immer mit den Opfern, die immer weiß oder weiß positioniert sind.

Während diese überidentifizierende Burleske des schuldbewussten weißen Liberalen, der die primitive Blutrünstigkeit des Anderen herablassend verzeiht und von ihr fasziniert ist, vor allem für Progressive und Linke gespielt wird, sind rechte Kritiker auch oft die mitschuldigen Adressaten von Žižeks überidentifizierenden Auftritten mit einer Stalinisten-​Karikatur, seiner Lieblingsfigur aus der Galerie der faschistischen Fantasie, die er überall inszeniert und in der er die Kulissen durchkaut. Žižek widersteht selten der Versuchung, mit seinen cleveren Tricks zu prahlen. Man kann sehen, wie er Paul Mason in der BBC in einem von Masons kriecherischsten Interviews diesen Trick erklärt. Am Ende des Interviews, nachdem Žižek seine Abscheu vor der Idee des Mitleids zum Ausdruck gebracht und eine Reihe typischer verächtlicher Gesten gemacht hat, mit denen er die »humanitäre« Sorge um »hungernde afrikanische Kinder« abtut, endet das Interview: Mason dankt ihm und Žižek antwortet: »Wir sehen uns in der Hölle oder im Kommunismus.« Das Band rollt jedoch weiter, da die BBC gerne einen inszenierten Moment hinter den Kulissen zeigt, und Žižek lacht und erklärt: »Sehen Sie? Wenn man ein Rechter ist, sagt man, das ist doch das Gleiche!« Das Eingeständnis, dass er diese Reaktion mit seiner Verkörperung von Burkes berühmter Karikatur des herzlosen, völkermordenden »Monster«-Jakobiners absichtlich auslöst, vermasselt das Spiel natürlich nicht im Geringsten: Das Kraftfeld seines immer gewährten Vorteils des Zweifels verwandelt dieses Spektakel in einen anderen geheimnisvollen Akt der »Verschiebung des Rahmens«.

In ähnlicher Weise fand Žižek in Griechenland im Rahmen seiner Bemühungen, Syriza den griechischen Wählern zu verkaufen, die gegen das Troika-​Memorandum mobilisiert worden waren, es wieder nützlich, seine stalinistische Verrücktennummer aufzuführen. Er erklärte gegenüber der Presse, als die Wahlen näher rückten, dass jeder, der nicht für Syriza stimmte, »in den Gulag geschickt werden sollte«. Diese Bemerkung bekam die gesamte Aufmerksamkeit der Presse, die sich Žižek und Co. erhofft hatten. Der griechische Kommunist Antonis Balasopoulos erklärt noch einmal, was dieser Stunt bewirkt hat:

Indem er eine historisch völlig lächerliche Analogie benutzte, hat er a) SYRIZA wie die wirklich kommunistische Partei aussehen lassen, b) die sensationslüsternsten antikommunistischen Stereotypen in einer Weise eingesetzt, die nur griechischen Kommunisten schaden konnte, und c) pauschale Angriffe auf den ›Stalinismus in der griechischen Linken‹ von rechts ausgelöst, die seine absurde Verknüpfung von SYRIZA mit dem real existierenden Sozialismus weiter legitimierten. Der double bind dient dazu, genau das auszuschließen, was ihn durchbricht, deshalb ist er da.

6. Das Möbiusband

Die Atmosphäre in Belgrad ist, zumindest im Moment, auf vorgetäuschte Weise karnevalesk – wenn sie nicht in Schutzräumen sind, tanzen die Menschen auf den Straßen zu Rock- oder Ethno-​Musik unter dem Motto ›Mit Musik gegen Bomben‹ und spielen dabei die Rolle der trotzigen Helden (da sie wissen, dass die NATO nicht wirklich zivile Ziele bombardiert). Auch wenn es einige verwirrte Pseudo-​Linke faszinieren mag, ist diese obszöne Karnevalisierung des gesellschaftlichen Lebens tatsächlich das andere, öffentliche Gesicht der ethnischen Säuberung: Während in Belgrad trotzig auf den Straßen getanzt wird, findet dreihundert Kilometer weiter südlich ein Genozid afrikanischen Ausmaßes statt. (Žižek, »Against the Double Blackmail«, 1999)

Soll ein afrikanischer Völkermord größer oder kleiner sein als ein europäischer Völkermord? Doch wir können diese Frage nicht weiter verfolgen. Die Bildsprache hat ihre eingebauten Abwehrmechanismen – die Frage, was »afrikanisch« in diesem Absatz bedeuten könnte, wenn nicht die Evokation einer rassistischen Phantasmagorie, in die die Fakten eingefügt werden, um eine Fantasie von Serben als rassische Wilde in wütender Revolte gegen die zivilisatorische NATO zu erzeugen, würde als gleichgültig gegenüber afrikanischen Opfern afrikanischer Völkermorde, ja sogar als rassistisch erscheinen (warum sollte man annehmen, dass »afrikanische Ausmaße« diese reißerischen Vorstellungen von Wildheit heraufbeschwören sollen…) usw, obwohl dieser angebliche Völkermord (eine reine Erfindung der NATO-​Propaganda) in der Region des Nazi-​Holocausts stattfindet. Ein Wort oder ein Bild wie dieses fungiert als eine Art Knick in der Rhetorik, mit der Žižek seine seltsamen Texte entwirft, die rassistische und antirassistische, »linke« und »rechte«, faschistische und liberale, progressive und reaktionäre, dissidente und offizielle Diskurse in einer glatten Linie endloser Abschweifungen zusammenlaufen lassen. In seiner verworrenen und phantasiereichen Verteidigung des von den USA unterstützten ultrarechten faschistischen Putsches in der Ukraine97 und seines gesetzlosen sadistischen Krieges gegen die sich wehrende Bevölkerung kann man beispielsweise eine Reihe solcher Verdrehungen beobachten, wobei er die Bilder von Lenin- und Stalin-​Statuen einsetzt (die wie Schachfiguren verschoben werden – Lenin ist gleich Putin, Putin wird gegen Stalin ausgetauscht, Stalin ist die Allegorie des Imperiums und des Multikulturalismus!

In einem Leitartikel für Outlook im Jahr 201298 wandte Žižek dieselben Techniken an, dasselbe pseudohegelianische Jonglieren mit Abstraktionen ohne historischen Inhalt, eine klassische Žižeksche Verdrehung, um ein ideologisches Mobiusband zu erzeugen, das auf die Bedürfnisse von Modis sadistischem Angriff auf die Rechte und Ansprüche der Dalits zugeschnitten ist. Ein gewisser linker gesunder Menschenverstand, der die Solidarität mit dem Kampf der Dalits im Rahmen eines breiteren Klassenkampfes ausmacht, muss untergraben und in den Dienst des hindufaschistischen Projekts gestellt werden. Ambedkar wird die Figur sein, die, wie Lenin in dem zuvor besprochenen Artikel, von einem historischen Akteur zu einer Trope reduziert wird, die formbare Abstraktionen abbildet, deren Resignation als Falte im Band dienen wird, die es der linken Logik einer konkreten kasten- und faschismuskritischen Praxis ermöglicht, nahtlos in die Bestätigung der faschistischen Schlussfolgerung überzugehen, die die Kritik ausgelöst hat.

Žižek beginnt mit einer Wiederholung der Nietzsche’schen Darstellung der Gesetze des Manu, wobei er deren Qualität als »heilige Lüge« hervorhebt und sie innerhalb seines Motivs der »fetischistischen Verleugnung« definiert: Wie Niels Bohrs Hufeisen99,das »genauso gut funktioniert, wenn man nicht daran glaubt«, konzentrieren sich die Gesetze des Manu »auf alltägliche Praktiken als die unmittelbare Materialität der Ideologie: wie (was, wo, mit wem, wann…) wir essen, defäkieren, Sex haben, gehen, ein Gebäude betreten, arbeiten, Krieg führen, etc. « Die »Struktur« des Kodex, die nicht nur erlaubte und verbotene Handlungen voneinander trennt, sondern auch die zu erwartenden routinemäßigen Verstöße gegen Verbote minutiös regelt, ist, wie Žižek behauptet, eine »Universalität mit Ausnahmen« (ein Lieblingsmotiv von Žižek, formal homolog zu seiner Vorstellung von Lacans Bild der Psyche und von Totalitäten im Allgemeinen, die immer eine »Lücke« oder »obszöne Unterstützung« benötigen, wie »der Jude« in einem »Europa«, das als Christentum konzipiert ist). Der Kodex des Manu passt sogar noch besser zu Žižeks schmittianisch-​protokollschen Vision von der »Realität als einer Falle, die den Schwachen von den Starken gestellt wird« – die jedoch gemäß der »parakonsistenten Logik« eine unausweichliche Bedingung ist -, da sie Indien vom britischen Kolonisator aufgezwungen wurde und eine »erfundene Tradition« darstellt. Ihre eigene innere Anpassung an die Verletzung ihrer Regeln spiegelt sich dann in der Tatsache wider, dass ihre historische Illegitimität durch die Operation der »fetischistischen Verleugnung«, so Žižek, ihre soziale Wirksamkeit stärkt. Kurz gesagt, Žižek etabliert den Kodex des Manu als ein unehrliches, pragmatisches, hinterhältiges »menschliches Gesicht»100 (Haltung des Humanismus und des universellen Mitgefühls), das als Fixierung und Verkleidung auf die schöne, naive Heideggersche Barbarei der vedischen Kosmologie aufgesetzt wird. Es ist das schuldige, listige, psychologisch komplexe Judentum (in Nietzsches Vision), das gekommen ist, um das glückliche, brutale, freudige Heidentum der irdischen »Nahrungskette« zu zerstören. Wir können hier den Kodex des Manu erkennen, der sich von Nietzsches Bild der einfachen arischen Männlichkeit in seine nietzscheanische Alternative verwandelt hat: die zynischen, trickreichen, bösgläubigen Pseudomores der jüdischen Priester – ein Kastensystem, das erhalten geblieben ist, aber nicht mehr den amoralischen, affirmativen Appetit auf das Leben und die Natur mit den roten Krallen und Zähnen der kriegerischen Adligen zum Ausdruck bringt, sondern das lebensverneinende, asketische, unehrliche Gehabe der Priester.

Der Kodex des Manu ist in dieser Charakterisierung eindeutig so zu lesen, dass er die indische Verfassung mit ihren Vorbehalten101 – »Universalismus mit Ausnahmen« – nahelegt.

Žižek inszeniert dann einen Kampf zwischen Gandhi (dargestellt wie Žižek wiederholt auch Himmler darstellt, der ein Exemplar der Bhagavad Gita wie einen Talisman in der Hand hält), der als Verfechter einer verderblichen »Identitätspolitik« dargestellt wird – verbunden mit dieser lebensverneinenden, heuchlerischen Spitzfindigkeit und dem »Universalismus mit Vorbehalten« – gegen Ambedkar, ironischerweise der Autor dieser aktuellen Verfassung, dargestellt als maximalistischer Universalist (in einer, wie Žižek an anderer Stelle betonen wird, »europäischen« Tradition), der sich der Zerstörung des Kastensystems, der Nichtanerkennung der Kaste, verschrieben hat, die das Erbe der Kaste so tiefgreifend auslöschen wird, dass nur noch liberale Individuen übrig bleiben werden. Dies beinhaltet eine weitere Wendung, bei der das Christentum als Universalismus, der das listige Judentum der Priester überwindet, mit der lebensbejahenden Heideggerschen Hierarchie des Seins in der alten barbarischen »Nahrungskette« verschmolzen wird, um die neoliberale Ordnung und ihre Konkurrenz zu verherrlichen und zu naturalisieren. (Eine beiläufige Anspielung auf Marx‹ – schnell aufgegebenen – hegelianischen Begriff der »asiatischen Produktionsweise« scheint zu bestätigen, dass Žižek all seine verderblichen Tricks im Schilde führt, mit einer durchgehend kodierten Eurosuprematie). Solange »die Unberührbaren« [sic] – die »für die Universalität« (das, was durch das Kastensystem ausgeschlossen wird) stehen – anerkannt werden, wird es implizit ein Kastensystem geben. Das Gegenteil wird behauptet und impliziert die Umkehrung: Ambedkar wird mit den Worten zitiert: »Solange es Kasten gibt, wird es Ausgestoßene geben«, aber es wird beschönigt, dass es heißt: »Solange Dalits anerkannt werden (in der als »Identitätspolitik« verunglimpften Art und Weise, wie in der indischen Verfassung), wird das Kastensystem fortbestehen.« So wird Ambedkar, der Autor der Verfassung, die den Dalits Entschädigungen für historische Ausbeutung und Enteignungen garantiert, zur Brücke, die seinen kastenfeindlichen, antirassistischen Humanismus in den Bereich der Reaktion trägt und als Waffe gegen die Schwächsten einsetzt.

Es ist daher nicht überraschend, dass Modi dieses Manöver genau wiederholt102.

Auf dieselbe Weise hat sich Žižek in gewisser Weise gegen uns verteidigt, indem er uns zu einer ernsthaften Exegese verleitet hat, die er nicht verdient, und vielleicht sogar auf das Mobiusband, das unsere Kritik in einen perversen Akt der Bewunderung oder, schlimmer noch, der Werbung verwandeln wird. Auf dem Left Forum in New York hat ein junger Mann Žižek103 in einer obszönen Art und Weise »veräppelt«, die als das lang erwartete Gegenmittel dienen könnte, das endlich den Charme brechen wird, mit dem er so viele in seinen Bann gezogen hat und seiner Berühmtheit ein Ende setzt, wo so viele ernsthafte Widerlegungen und Enthüllungen versagt haben.

In diesem Essay haben wir uns bisher nur der Interpretation von Žižek gewidmet. Jetzt müssen wir uns daran erinnern, dass es unsere Pflicht ist ihn zu vernichten.

Žižek delendus est

Anmerkungen

1 Karl Marx, »Über P. J. Proudhon [Brief an J. B. v. Schweitzer]«, in: Karl Marx/​Friedrich Engels – Werke, (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 16, 6. Auflage 1975, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/​DDR. S. 25 – 32.

3 John B. Taylor & Kenneth Scott, »Why Toxic Assets Are So Hard To Clean Up,« Wall Street Journal 21 July 2009 http://​www​.wsj​.com/​a​r​t​i​c​l​e​s​/​S​B​1​2​4​8​0​4​4​6​9​0​5​6​1​6​3​533

4 Bill Van Auken and Adam Haig, »Žižek in Manhattan: An Intellectual Charlatan Masquerading as Left,« World Socialist Website, 12 November 2010

5 Zum Beispiel Slavoj Žižek, »Nobody Has To Be Vile«, London Review of Books, 6. April 2006. Dies ist ein Motiv, das Žižek ständig wiederholt, in Büchern ebenso wie in Artikeln und Vorträgen. Wenn es hier verwendet wird, um den Finanzier George Soros zu beschreiben, der die Rathenau- und Rothschild-​Figur für den wiederauflebenden Antisemitismus von heute ist, wird deutlich, was manchmal weniger offensichtlich ist, nämlich dass dieses Schokoladen-​Abführmittel-​Thema zusammen mit dem Motiv des »entkoffeinierten Anderen« eine »komische« Adaption der Klagen in Mein Kampf ist:

»In den Regalen amerikanischer Geschäfte ist ein Abführmittel mit Schokoladengeschmack erhältlich, das mit der paradoxen Aufforderung beworben wird: Haben Sie Verstopfung? Essen Sie mehr von dieser Schokolade! – das heißt essen Sie mehr von etwas, das selbst Verstopfung verursacht. Die Struktur des Schokoladen-​Abführmittels lässt sich in der gesamten heutigen Ideologielandschaft erkennen; sie ist es, die eine Figur wie Soros so anstößig macht. Er steht für rücksichtslose finanzielle Ausbeutung in Verbindung mit ihrem Gegenspieler, der humanitären Sorge um die katastrophalen sozialen Folgen der ungezügelten Marktwirtschaft. Soros’ Tagesablauf ist eine verkörperte Lüge: Die Hälfte seiner Arbeitszeit ist der Finanzspekulation gewidmet, die andere Hälfte den »humanitären« Aktivitäten (Finanzierung kultureller und demokratischer Aktivitäten in postkommunistischen Ländern, Schreiben von Essays und Büchern), die den Auswirkungen seiner eigenen Spekulationen entgegenwirken.« – Žižek, »Niemand muss abscheulich sein«

»Gesellschaftlich am giftigsten ist der fremde Nachbar – der fremde Abgrund seiner Vergnügungen, Überzeugungen und Sitten. Folglich ist das ultimative Ziel aller Regeln der zwischenmenschlichen Beziehungen, diese toxische Dimension unter Quarantäne zu stellen (oder zumindest zu neutralisieren und einzudämmen) und dadurch den fremden Nachbarn durch die Beseitigung seiner Andersartigkeit zu einem unbedrohlichen Mitmenschen zu reduzieren. Das Endergebnis: Der tolerante liberale Multikulturalismus von heute ist eine Erfahrung des Anderen, der seiner Andersartigkeit beraubt ist – des entkoffeinierten Anderen, der faszinierende Tänze tanzt und einen ökologisch fundierten ganzheitlichen Ansatz für die Realität hat, während Merkmale wie das Schlagen von Ehefrauen aus dem Blickfeld verschwinden. .… Diese Vision der Entgiftung des Nachbarn stellt einen klaren Übergang von der direkten Barbarei zur Barbarei mit einem menschlichen Antlitz dar.« – Žižek, »Barbarei mit menschlichem Antlitz«, In These Times 23/11/.2010

»Da jedoch sein ganzes Wesen immer noch zu stark den Geruch des allzu Fremden an sich haften hat, als daß besonders die breite Masse des Volkes ohne weiteres in sein Garn gehen würde, läßt er durch seine Presse ein Bild von sich geben, das der Wirklichkeit so wenig entspricht, wie es umgekehrt seinem verfolgten Zwecke dient. In Witzblättern

besonders bemüht man sich, die Juden als ein harmloses Völkchen hinzustellen, das nun einmal seine Eigenarten besitzt – wie eben andere auch –, das aber doch, selbst in seinem vielleicht etwas fremd anmutenden Gebaren, Anzeichen

einer möglicherweise komischen, jedoch immer grundehrlichen und gütigen Seele von sich gebe. Wie man sich überhaupt bemüht, ihn immer mehr unbedeutend als gefährlich erscheinen zu lassen.« – Hitler, Mein Kampf, Zwei Bände in einem Band, Ungekürzte Ausgabe, Zentralverlag der NSDAP., Frz. Eher Nachf., G.m.b.H., München, 851. – 855. Auflage 1943, S. 346 – 47.

6 Žižek, Slavoj, The Plague of Fantasies, (New York: Verso 1997), p. 3

7 Slavoj Žižek, »The Lacanian Real: Television,« Lacan dot com, http://​www​.lacan​.com/​s​y​m​p​t​o​m​/​?​p​=38

8 Slavoj Žižek, »The Antinomies of Tolerant Reason: A Blood-​Dimmed Tide is Loosed,« Lacan dot com http://​www​.lacan​.com/​z​i​z​a​n​t​i​n​o​m​i​e​s​.​htm

9 Dušan I. Bjelić , »Žižek ’s Balkans: Geopolitical Fractures in Žižek ’s Universalism,« Psychoanalysis, Culture and Society, 2011, Vol 16, 3, 276 – 280

10 Svetlana Slapsak, »Žižek/​s Lads,« 24 April 1999 http://www.desk.nl/~pribeziste/svetlana.html

11 Slavoj Žižek, »Stalinism,« http://​lacan​.com/​z​i​z​s​t​a​l​i​n​.​htm

12 For example Slavoj Žižek, »A Plea for Leninist Intolerance,« http://​www​.lacan​.com/​z​i​z​e​k​-​p​l​e​a​.​htm and Slavoj Žižek, »The True Hollywood Left,« http://​www​.lacan​.com/​z​i​z​h​o​l​l​y​w​o​o​d​.​htm

14 Tariq Ali, »Neo-​Liberalism and Protectorate States in the Post-​Yugoslav BalkansCounterpunch, 26 February 2008

15 Vgl. Žižek, Slavoj ed. Lenin Reloaded, (Durham: Duke University Press, 2007) and Butler, Judith, Laclau, Ernest & Žižek, Slavoj Contingency, Hegemony, Universality: Contemporary Dialogues on the Left (London: Verso, 2000)

16 Žižek, Slavoj, The Ticklish Subject: The Absent Center of Political Ontology (London: Verso, 2000) p.322

18 See Slavoj Žižek, »Appendix: Multiculturalism, the Reality of an Illusion,« Lacan​.com http://​www​.lacan​.com/​e​s​s​a​y​s​/​?​p​a​g​e​_​i​d​=​454

19 Ernesto Laclau, »Laclau versus Negri, Hardt and Žižek,« Pagina 21 5 June 2006

20 Slavoj Žižek, »Against the Populist Temptation,« Lacan​.com

21 Dies ist der Name des »letzten lebenden Bolschewiken« in Tony Kushners Stück Perestroika, Teil II von Angels in America.

22 Zum Beispiel Slavoj Žižek, »The Jacobin Spirit: On Violence and Democracy,« Jacobin Magazine, May 2011. Diese Zeitschrift, die von Personen aus dem Umfeld der Democratic Socialists of America herausgegeben wird, steht unter der geistigen Schirmherrschaft von Žižek und seinen Förderern: »Slavoj Žižek ist ein Außenseiter-​Philosoph, Autor von über 30 Büchern und wurde sowohl als ›Elvis der Kulturtheorie‹ als auch als ›gefährlichster Philosoph des Westens‹ bezeichnet. Er ist der umstrittenste öffentliche Intellektuelle der Gegenwart.«

23 Boris Vezjak, »The Relaxed Ideology of the Slovenes,« Mirovni Institut 2007

24 These are the situations in the HBO dramedies The Sopranos and The Wire.

25 Žižek, Slavoj, First as Tragedy, Then as Farce (London: Verso 2009) pp. 35 – 37

26 Slavoj Žižek, »Resistance is Surrender,« London Review of Books, 15 November 2007

28 Slavoj Žižek, »Some Politically Incorrect Reflections on Violence in France & Related Matters 5. C’est mon choix… to Burn Cars«, http://​www​.lacan​.com/​z​i​z​f​r​a​n​c​e​4​.​htm and Slavoj Žižek, »Shoplifters of the World Unite,« London Review of Books, 19 August 2011

30 Žižek even claims the Chavez administration in Venezuela was »exploiting« the United States: see Žižek, Slavoj, Living in the End Times, (London: Verso 2011) pp. 241 – 2 or video in Brazil https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​v​R​J​F​1​Y​u​G​zrM

31 Žižek, Slavoj, First as Tragedy, Then as Farce, (London: Verso 2009) p.17 This paragraph had also appeared in several articles globally from 2008

33 Wikipedia: Das Euston Manifest ist eine Grundsatzerklärung aus dem Jahr 2006, die von einer Gruppe von Akademikern, Journalisten und Aktivisten aus dem Vereinigten Königreich unterzeichnet wurde und nach der Euston Road in London benannt ist, wo die Gruppe ihre Treffen abhielt. Die Erklärung war eine Reaktion auf die nach Ansicht der Verfasser weit verbreiteten Verstöße gegen linke Grundsätze durch andere, die gemeinhin mit der Linken in Verbindung gebracht werden. In dem Manifest heißt es: »Die von uns angestrebte Neugestaltung der progressiven Meinung erfordert eine Abgrenzung zwischen den Kräften der Linken, die ihren authentischen Werten treu bleiben, und den Strömungen, die sich in letzter Zeit in Bezug auf diese Werte etwas zu flexibel gezeigt haben« [Anmerkung des Übersetzers.

34 See Žižek, Slavoj, The Parallax View, (London: Verso 2009) pp.342, 381 – 382 for a version of the use of the Melville short story that he had been offering in speeches and writings for some four years prior.

35 Barthes, Roland, »Operation Margarine,« in Mythologies, (New York: Macmillan 1972) p. 40+

36 Slavoj Žižek, »A Permanent Economic Emergency,« New Left Review, 64, July/​August 2010

37 Glenn Greenwald, »How Covert Agents Infiltrate the Internet to Manipulate, Deceive, and Destroy Reputations«, The Intercept, 24 February 2014 https://​theintercept​.com/​2​0​1​4​/​0​2​/​2​4​/​j​t​r​i​g​-​m​a​n​i​p​u​l​a​t​i​on/

38 See for example Žižek’s discussion of Laibach https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​1​B​Z​l​8​S​c​V​YvA, or his time in »half-​dissident, half-​tolerated« journal publishing https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​5​B​I​U​k​U​U​t​vFI, and the discussion of the role of Mladina in Kenney, Padraic, A Carnival of Revolution: Central Europe 1989, (Princeton: Princeton University Press, 2002)

39 See the collection of papers, Douzinas, Costas & Žižek , Slavoj eds. The Idea of Communism, (London: Verso 2012)

40 Duncan Campbell, »Move Over Jacko: Idea of Communism is the hottest ticket in town this weekend,« The Guardian, 12 March 2009

41 M.H., »Gender Trouble at the Birkbeck Boys’ Institute for Humanities,« Radical Philosophy 155 May/​June 2009 https://​www​.radicalphilosophy​.com/​w​p​-​c​o​n​t​e​n​t​/​f​i​l​e​s​_​m​f​/​r​p​1​5​5​_​c​o​n​f​e​r​e​n​c​e​s​.​pdf This is a rare and possibly unique pseudonymous article in the journal.

43 Žižek, Slavoj, First as Tragedy, Then as Farce, (London: Verso 2009):

[Once having grasped that great white intellect liberated the black Haitians], we white Leftist men and women are free to leave behind the politically correct process of endless self-​torturing guilt. Although Pascal Bruckner’s critique of the contemporary Left often approaches the absurd, this does not prevent him from occasionally generating pertinent insights-​one cannot but agree with him when he detects in European politically correct selfflagellation an inverted form of clinging to one’s superiority. Whenever the West is attacked, its first reaction is not aggressive defense but selfprobing: what did we do to deserve it? We are ultimately to be blamed for the evils of the world; Third World catastrophes and terrorist violence are merely reactions to our crimes. The positive form of the White Man’s Burden (his responsibility for civilizing the colonized barbarians) is thus merely replaced by its negative form (the burden of the white man’s guilt) : if we can no longer be the benevolent masters of the Third World, we can at least be the privileged source of evil, patronizingly depriving others of responsibility for their fate (when a Third World country engages in terrible crimes, it is never fully its own responsibility, but always an after-​effect of colonization: they are merely imitating what their colonial masters used to do, and so on) :

»We need our miserabilist clichés about Africa, Asia, Latin America, in order to confirm the cliché of a predatory, deadly West. Our noisy stigmatizations only serve to mask the wounded self-​love: we no longer make the law. Other cultures know it, and they continue to culpabilize us only to escape our judgments on them.«

44 … wie ein mit der KKE verbundener Korrespondent per E‑Mail mitteilte.

45 … mit den Worten desselben Korrespondenten.

51 Slavoj Žižek, »Against the Populist Temptation,« Lacan.dom

53 Here is a close reading of a passage to examine the floated voicing phrase by phrase http://​qlipoth​.blogspot​.com/​2​0​1​1​/​0​9​/​t​o​o​-​s​t​a​r​k​e​y​.​h​tml

54 Tonči Kuzmanić, »Hate Speech in Slovenia: Racism, Sexism and Chauvinism,« Mirovni Institut, 1999

55 Leigh Claire la Berge, »The Writing Cure: Slavoj Žižek, Analysand of Modernity,« in Bowman, Paul & Stamp, Richard eds. The Truth of Žižek (London: Continuum 2005)

56 Slavoj Žižek, »The Role of Chimney Sweepers in Sexual Identity,« International Journal of Zizek Studies, 7.2 2013

57 The Strojans, who were driven from Ambrus by a pogrom in 2006. See Nicholas Wood, »Roma family’s forced move raises rights issue in Slovenia – Europe,« International Herald Tribune, 7 October 2006

58 Vgl. die Audiodatei https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​i​P​m​E​5​1​O​o​-9A Lecture at Birkbeck. Friday 19 June 2009
»Slavoj Žižek – Masterclass – day 5 – Notes Towards a Definition of Communist Culture – Environment, Identity and Multiculturalism« also available at Backdoor Broadcasting site.

59 Gilbert, Jeremy, »All the Right Questions, All the Wrong Answers,« in Bowman & Stamp, eds. The Truth of Žižek (London: Continuum 2005)P. 61+

60 Slavoj Žižek, »Breaking Taboos: In the Wake of Paris Attacks the Left Must Embrace Its Radical Western Roots,« In These Times, 16 November 2015

62 Ein Leser des Entwurfs, der unter dem Pseudonym somnavagint schreibt, wies mich auf die Relevanz von Ariel Dorfmans einflussreichem How to Read Donald Duck hin, einem Buch, auf das ich ursprünglich von Jacob Levich aufmerksam gemacht wurde (und das ich offenbar verinnerlicht habe!), für diese Manöver von Žižek. Einer von Žižeks routinemäßigen Desinformationsakten besteht darin, ein gefälschtes Gramsci-​Zitat zu verbreiten, ein Zitat, das durch die Umwandlung einer schlechten französischen Übersetzung einer Passage von Gramsci in Goebbels durch scheinbar geringfügige Anpassungen des Wortlauts erfunden wurde. Žižek lässt Gramsci schreiben: »Die alte Welt stirbt, und die neue Welt kämpft darum, geboren zu werden: Jetzt ist die Zeit der Monster«, ein Ausspruch, der Gramscis Stil und Denken völlig fremd ist und der so geschrieben scheint, dass er in leuchtenden grünen Buchstaben zu den kandierten Wagner-​Klängen von John Williams im Vorspann des nächsten Star-​Wars-​Films über den Bildschirm kriecht. Die manipulierte Originalpassage aus den Gefängnisheften befasst sich mit der Frage der bröckelnden gesellschaftlichen Autorität und dem »Interregnum«, in dem sich Italien nach Gramscis Ansicht zwischen der zusammenbrechenden Autorität der vergangenen Tradition (bürgerlich und feudal, Kirche und bürgerliche Gemeinschaft) und den künftigen kommunistischen Sitten und Gebräuchen befindet. Der »Niedergang der symbolischen Effizienz«, eine bekannte Klage über die Moderne, ist Žižeks schmittianisch/​hitlerianische Sichtweise darauf; er sieht die Gegenwart als eine Ära des »Hedonismus«, der Dekadenz und der Entartung. Er verwandelt Gramsci in den Verkünder einer »Zeit der Ungeheuer«, um seine Werbung für einen Traum von sozialer Erneuerung durch faschistische Gewalt zu rechtfertigen, der jedoch von einem beruhigten und beruhigenden Liberalen geträumt wird, so dass er im Schafspelz eines komischen Gewandes daherkommt, das an Springtime for Hitler erinnert (wie in der Mel Brooks-​Komödie The Producers). Mit seinem Publikum spielt er häufig ein Spiel, wie es Disney mit den Kindern in seinen Zeichentrickfilmen spielt, indem er sie in eine faschistische Ordnung hineininterpretiert.

63 Žižek and his audience seem nostalgic for conditions memorably described by Richard Wright in »The Ethics of Living Jim Crow: An Autobiographical Sketch.«

64 See Žižek, Slavoj, Iraq: The Borrowed Kettle, (London: Verso, 2005) Appendix.

65 Ich verdanke diese Verbindung zu Strauss Julian Duane.

66 Barthes, Roland, »Operation Margarine,« in Mythologies, (New York: Macmillan 1972) p. 40+

67 Slavoj Žižek, »The Subject Supposed to Loot and Rape,« In These Times, 20 October 2005 and Žižek, Slavoj, Violence: Six Sideways Reflections, (New York: MacMillan, 2005). Versionen dieser Passage tauchen immer wieder in Žižeks Büchern und Artikeln auf, so dass die Ausrede, es handele sich um einen schlampigen und weggeworfenen Versuch, etwas ganz anderes zu sagen, und sollte daher so behandelt werden, als ob er lediglich eine Plattitüde wie »rassistische Artikulationen sind gegenüber den Rassen ungnädig« wiederholen würde, nicht zieht. Dies ist nach dem Vorbild seiner ältesten Gambits in Bezug auf den Nazi-​Antisemitismus und Antiziganismus.

68 Žižek, Slavoj, Violence: Six Sideways Reflections, (New York: MacMillan, 2005) pp. 72 – 76

69 Ein Film, dessen berühmte Gehirnwäsche-​Montage einen Großteil von Žižeks Praxis inspiriert zu haben scheint.

70 Siehe auch Thomas Riggins, »Coming to Grips with Žižek«, London Progressive Journal, 12 July 2012

71 Tribuna, vol 38, issue 18, 1988/​89

72 Siehe Bjelić, Dušan I., Normalizing the Balkans (Burlington: Ashgate Publishing, 2011)

73 Fußnote fehlt im Original [der Übers.].

74 Žižek: »Wenn man keine grundlegende patriotische Identifikation hat – nicht im Sinne von Nationalismus, sondern im Sinne von »wir sind alle Mitglieder derselben Nation usw.« -, dann funktioniert die Demokratie nicht. In diesem rein multikulturellen liberalen Traum kann man keine lebendige Demokratie haben.« http://​www​.democracynow​.org/​2​0​0​8​/​5​/​1​2​/​w​o​r​l​d​_​r​e​n​o​w​n​e​d​_​p​h​i​l​o​s​o​p​h​e​r​_​s​l​a​v​o​j​_​z​i​z​e​k​_on Appearance on Democracy Now, May 12, 2008

75 Gramsci, Antonio, Selections from the Prison Notebooks, trans. Quentin Hoare and Geoffrey Nowell Smith (London: Lawrence & Wishart 1971)

77 Claudia Breger, »The Leader’s Two Bodies: Slavoj Žižek’s Postmodern Political Theology« Diacritics Vol. 31, No. 1 (Spring, 2001), pp. 73 – 90

78 Man beachte, wie das Scherzprogramm das Ergebnis dieser jüdischen Machenschaften darstellt.

79 Slavoj Žižek, »A vile logic to Anders Breivik’s choice of target,« The Guardian, 8 August 2011

80 Slavoj Žižek, »Smashing the Neighbor’s Face,« Lacan​.com http://​www​.lacan​.com/​z​i​z​s​m​a​s​h​.​htm

81 Žižek, Slavoj, In Defence of Lost Causes, (London: Verso 2009) pp.37 – 38 and Slavoj Žižek, »Mel Gibson at the Serbsky Institute:, Lacan​.com

82 Žižek, Slavoj, The Puppet and The Dwarf, (Boston: MIT Press 2003)

83 Von Josephina Ayersza & Slavoj Žižek »It Doesn’t Have to Be a Jew,« Lacan​.com http://​www​.lacan​.com/​p​e​r​f​u​m​e​/​Z​i​z​e​k​i​n​t​e​r​.​htm

84 Ibid.

SZ: Natürlich können wir heute nicht wirklich antisemitisch sein. Duke ist eine Art nostalgische Figur. Sein Ding ist: »War es nicht schön, als es noch möglich war, wie in Hitlers guten alten Zeiten?« Ich sage nicht, dass es nicht gefährlich ist; es ist sogar noch ekelhafter, noch gefährlicher. Wissen Sie, warum?

JA: Ist es dasselbe, nur ohne sublimes Objekt?

SZ: Es ist immer noch das Symbolische im Spiel, aber auch hier ist das Grundmerkmal der heutigen Ideologie, in Übereinstimmung mit dieser spinozistischen Universalität des Signifikanten, nicht eine Art Fundamentalismus, sondern eine Mischung aus Nostalgie und Zynismus: zynische Distanz, Nostalgie, etc.

88 Žižek inszeniert sich als »Stalinismus«/»Marxismus«, der antisemitisch, rassistisch, eurozentrisch, eurosupremistisch, unehrlich, sexistisch, frauenfeindlich, queer-​bashing, ungebildet, soziopathisch gefühllos und sadistisch gewalttätig ist.

89 Joly, Maurice, Dialogue in Hell Between Machiavelli and Montesquieu, (Lanham: Lexington Books 2003) p. 11

90 Slavoj Žižek, »Why Are Laibach and NSK not Fascists?« Retrograde Reading Room Online http://​xenopraxis​.net/​r​e​a​d​i​n​g​s​/​z​i​z​e​k​_​l​a​i​b​a​c​h​.​pdf

91 Toma Longinovich, »Indivisible Remainders,« Art Margins, 16 April 2001

92 Žižeks erste Frau, Renata Salecl, aus deren Werk er sich ausgiebig bediente, schrieb in The Spoils of Freedom: Psychoanalysis, Feminism and Ideology after the Fall of Socialism (London: Routledge. 1994): »Neben den Albanern sind auch die Slowenen als Feinde des serbischen Nationalismus in Erscheinung getreten; ihnen wird unterstellt, dass sie mit den albanischen Separatisten den Wunsch teilen, die politische Hegemonie Serbiens einzuschränken. Was kommt dabei heraus, wenn man diese beiden Feinde zusammenbringt? Erinnern wir uns daran, dass die Albaner in der serbischen Mythologie als schmutzig, hurenhaft, räuberisch, gewalttätig, primitiv usw. dargestellt werden, während die Slowenen als unpatriotische, anti-​jugoslawische Intellektuelle und als unproduktive Händler dargestellt werden, die die harte Arbeit der Serben ausbeuten usw. Setzt man die beiden Bilder einfach zusammen, erhält man das typische antisemitische Porträt eines Juden: schmutzig, hurenhaft, aber gleichzeitig der intellektuelle, unproduktive, profitorientierte Händler. Fügen Sie also einen Albaner zu einem Slowenen hinzu und Sie erhalten einen Juden.« Sowohl Žižek als auch Salecl scheinen es zu genießen, sich mit den schmeichelhaften Bildern der Slowenen, die sie »den Serben« zuschreiben, zu befassen und sie schließlich zu bestätigen, die sie immer wieder als einen Haufen barbarischer Nazis darstellen, die einem Ressentiment – einer fixen Idee – verfallen sind; In Žižeks Debüt in der New Left Review, wo er ein weißes, suprematistisches Schema für das Verständnis der anglophonen Leser von Jugoslawien entwarf, als die von den USA unterstützte Aggression zur Zerschlagung des Landes begann, stellte er sicher, dass er seine Leser darüber informierte, dass die Slowenen gar nicht vom Balkan oder slawisch seien, sondern von »Etruskern« abstammten, die, wie er an anderer Stelle betonte, in der Hierarchie der vererbbaren Zivilisation und des Weißseins besonders weit oben stünden.

93 Adam Kotsko, »How to Read Žižek,« Los Angeles Review of Books, 2 September 2012. Kotsko sah sich veranlasst, Kommentare, die seinen Behauptungen widersprechen, zu unterdrücken; sie können hier nachgelesen werden: http://​alphonsevanworden​.tumblr​.com/​p​o​s​t​/​3​0​8​1​5​1​3​9​7​1​1​/​t​h​e​-​c​e​n​s​o​r​e​d​-​c​o​m​m​e​n​t​-​t​h​r​e​a​d​s​-​b​e​n​e​a​t​h​-​a​dam

94 Slavoj Žižek, »Democracy Versus the People,« The New Statesman, 14 August 2008

95 Slavoj Žižek, »Divine Violence in Ferguson,« The European, 3 September 2015

96 Duncan Laws sehr nützliche Zusammenfassung von Žižeks geschichtsrevisionistischen Manipulationen und der Verunglimpfung linker Kritik an Gewalt/​Nicht-​Gewalt findet sich hier: https://​duncanlaw​.wordpress​.com/​2​0​1​3​/​0​3​/​0​8​/​r​e​a​d​i​n​g​-​z​i​z​e​k​s​-​v​i​o​l​e​n​ce/

97 Slavoj Žižek, »Why both the left and right have got it wrong on Ukraine,« The Guardian 10 June 2014

98 Slavoj Žižek, »The Apostate Children of God,« Outlook (India) 20 August 2012

99 Slavoj Žižek, »Move the Underground,« Lacan​.com: Niels Bohr, der auf Einsteins »Gott würfelt nicht« die richtige Antwort gab (»Sagen Sie Gott nicht, was er tun soll!«), lieferte auch das perfekte Beispiel dafür, wie eine solche fetischistische Glaubensverleugnung in der Ideologie funktioniert: Als der überraschte Besucher ein Hufeisen an seiner Tür sah, sagte er, er glaube nicht an den Aberglauben, dass es Glück bringe, woraufhin Bohr zurückschnappte: »Ich glaube auch nicht daran; ich habe es dort, weil mir gesagt wurde, dass es auch funktioniert, wenn man nicht daran glaubt!« Was dieses Paradoxon deutlich macht, ist die Art und Weise, wie ein Glaube eine reflexive Haltung ist: Es geht nie darum, einfach zu glauben – man muss an den Glauben selbst glauben. Deshalb hat Kierkegaard zu Recht behauptet, dass wir nicht wirklich (an Christus) glauben, sondern nur glauben, um zu glauben – und Bohr konfrontiert uns gerade mit der logischen Verneinung dieser Reflexivität (man kann auch NICHT an seine Überzeugungen glauben…) Irgendwann treffen die Anonymen Alkoholiker auf Pascal: »Fake it until you make it …«

100 Slavoj Žižek, »Barbarism with a Human Face,« In These Times, 23 November 2010

101 See A.R., »Indian Reservations: Affirmative Action« The Economist, 29 July 2013

103 https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​a​j​r​8​q​Q​c​Z​WPo [Das Video ist leider nicht mehr online. Die Redaktion kümmert sich darum, eine Zusammenfassung oder eine Kopie des Videos zu erhalten]. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um dieses Video: https://​www​.youtube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​_​t​t​8​z​p​T​w​FSk

Bild: Titelbild der 1911 erschienenen Ausgabe von Sergej Nilus’ Buch Das Große im Kleinen, das die Protokolle der Weisen von Zion enthält.

One thought on “Die Protokolle der Weisen von Ljublitzia oder warum Žižek zu zerstören ist

  1. Ihr nennt euch »Magazin der Massen«?
    Ist das Ironie oder auf die Anzahl der Buchstaben bezogen?

    Ich geh Arbeiten, muss einkaufen, meine Wohung sauber halten, dies und jenes machen, habe also nur einen begrenzten Zeithorizont, aber ich suche eine Linke Partei/​Gruppierung die aktiv gegen den Ansturm der Übernahme aller gesellschaftlichen relevanten Bereiche durch eine Gruppe von Oligarchen ankämpft und finde nur Gedankensalat. Schade.

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