Impe­ri­um der Infla­ti­on: Die selbst­zer­stö­re­ri­sche Natur des Finanzkapitalismus

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Dan­ny Hai­phong: Guten Tag, aller­seits. Heu­te haben wir einen ganz beson­de­ren Gast: den Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Micha­el Hud­son. Er ist der Autor des neu­en Buches The Desti­ny of Civi­liza­ti­on: Finan­ce Capi­ta­lism, Indus­tri­al Capi­ta­lism or Socia­lism. Er macht in ver­schie­de­nen Sen­dun­gen die Run­de und spricht über poli­ti­sche Öko­no­mie. Er ist eine der füh­ren­den Stim­men, die die poli­ti­sche Öko­no­mie heu­te ver­ste­hen. Hal­lo Micha­el, schön, bei Ihnen zu sein, vie­len Dank, dass Sie heu­te bei uns sind.

Micha­el Hud­son: Schön, Sie ken­nen­zu­ler­nen, Danny.

Dan­ny Hai­phong: Es freut mich sehr, Sie ken­nen­zu­ler­nen. Zuerst möch­te ich dar­über spre­chen, dass wir uns der­zeit in vie­ler­lei Hin­sicht in einer wirt­schaft­li­chen Kata­stro­phe befin­den. Es wird viel über Infla­ti­on und Geld gere­det, die Prei­se explo­die­ren. Eine Sache, die ich an Ihrer Arbeit sehr schät­ze, ist, dass Sie sich wirk­lich auf die poli­ti­sche Öko­no­mie kon­zen­trie­ren. Sie haben viel über das Finanz­ka­pi­tal und etwas namens Super­im­pe­ria­lis­mus gespro­chen, über das Sie ein Buch geschrie­ben haben, das gera­de im letz­ten Jahr mehr­mals aktua­li­siert wur­de. Des­halb woll­te ich Ihre Mei­nung über die Rol­le des Finanz­ka­pi­tals unter die­sem impe­ria­lis­ti­schen Arran­ge­ment und in die­ser Zeit der neo­li­be­ra­len Ära in den USA und in wei­ten Tei­len des Wes­tens in der Welt erfahren.

Was ist die Rol­le des Finanz­ka­pi­tals? Es scheint jetzt so domi­nant zu sein, es scheint in die­sem Moment die domi­nie­ren­de Klas­se zu sein, die wirk­lich die Hebel der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung kon­trol­liert. Könn­ten Sie dar­über spre­chen, wel­che Rol­le es spielt und wie es die Kri­sen, die wir heu­te erle­ben, aus­ge­löst hat? Sie könn­ten auch über die Infla­ti­on spre­chen, aber ich möch­te das The­ma auf jeden Fall an Sie wei­ter­ge­ben, damit unse­re Zuschau­er ein Ver­ständ­nis für die wirt­schaft­li­chen Zusam­men­hän­ge und eine Ana­ly­se bekommen.

Micha­el Hud­son: Die meis­ten Leu­te den­ken, dass alle Arten von Kapi­ta­lis­mus gleich sind. Die Annah­me ist, dass der Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts irgend­wie immer finan­zia­li­siert war, weil es immer Ban­ken gab. Aber der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus ist ein poli­ti­sches Sys­tem und als poli­ti­sches Sys­tem unter­schei­det er sich sehr von der Dyna­mik des Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus. Im Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus bestand das gan­ze Ziel oder die Hoff­nung der Indus­trie­ka­pi­ta­lis­ten im spä­ten 19. Jahr­hun­dert, ins­be­son­de­re in Deutsch­land und Mit­tel­eu­ro­pa, dar­in, dass das Bank­we­sen nicht mehr nur Wuche­rei sein wür­de, dass es nicht mehr nur Kon­su­men­ten­kre­di­te zur Aus­beu­tung der Arbeits­kraft geben wür­de, und dass es nicht mehr irgend­wie Kre­di­te an die Regie­rung geben würde.

Das Finanz­sys­tem wür­de die Erspar­nis­se der Wirt­schaft, die Geld­schöp­fung und die Kre­dit­ver­ga­be in die indus­tri­el­le Pro­duk­ti­on zurück­füh­ren und die Pro­duk­ti­ons­mit­tel finan­zie­ren, um die­se pro­duk­tiv zu machen, anstatt räu­be­risch und para­si­tär zu sein, wie es der Fall war. So schien sich der indus­tri­el­le Kapi­ta­lis­mus bis zum Ers­ten Welt­krieg zu ent­wi­ckeln. Danach änder­te sich alles. Plötz­lich über­nahm das Finanz­sys­tem die Kon­trol­le als Fol­ge der Kri­se, die in den 1920er Jah­ren durch die deut­schen Repa­ra­ti­ons­schul­den ver­ur­sacht wur­de, die nicht bezahlt wer­den konn­ten. Aber auch durch die Schul­den zwi­schen den Allier­ten, auf denen bestan­den wur­de, um den Ver­ei­nig­ten Staa­ten die Waf­fen zurück­zu­zah­len, mit denen Euro­pa im Ers­ten Welt­krieg und im Jahr­hun­dert davor lieferte.

Die Alli­ier­ten sag­ten: Wir haben nicht erwar­tet, dass wir tat­säch­lich an die Ver­ei­nig­ten Staa­ten zah­len müs­sen. Wenn wir an die Ver­ei­nig­ten Staa­ten zah­len müs­sen, dann müs­sen wir Deutsch­land Repa­ra­tio­nen auf­er­le­gen. Über ein Jahr­zehnt lang gab es eine Debat­te zwi­schen John May­nard Keynes und Harold Moul­ton und ande­ren, die sag­ten, dass die­se Schul­den nicht bezahlt wer­den kön­nen. Wie soll man mit einer Situa­ti­on umge­hen, in der die Schul­den nicht bezahlt wer­den können?

Die Finanz­ka­pi­ta­lis­ten von damals waren im Grun­de die Vor­fah­ren der heu­ti­gen Neo­li­be­ra­len. Sie sag­ten, dass jede Men­ge Schul­den von jedem Land bezahlt wer­den kön­nen, wenn man nur den Lebens­stan­dard senkt und die Arbeits­kräf­te aus­rei­chend unter Druck setzt. Das ist im Grun­de die Phi­lo­so­phie des Inter­na­tio­na­ler Wäh­rungs­fonds IWF seit dem Zwei­ten Welt­krieg. Wenn Län­der der Drit­ten Welt ihre Schul­den nicht bezah­len kön­nen, dann kommt der IWF mit einem Spar­pro­gramm und sagt: »Ihr müsst die Löh­ne sen­ken, ihr müsst die Gewerk­schaf­ten zer­schla­gen, wenn nötig, müsst ihr eine Demo­kra­tie haben, ihr könnt kei­ne Demo­kra­tie haben, wenn ihr nicht bereit seid, die Gewerk­schafts­füh­rer und die Befür­wor­ter der Land­um­ver­tei­lung zu ermor­den und zu ver­haf­ten, denn eine Demo­kra­tie bedeu­tet im Grun­de die Herr­schaft des Finanz­sek­tors mit dem Zen­trum in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten.« Und so ist der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus seit dem Ers­ten und ins­be­son­de­re dem Zwei­ten Welt­krieg und vor allem seit 1980 die natio­na­lis­ti­sche Dok­trin der ame­ri­ka­ni­schen Ban­ken und des ame­ri­ka­ni­schen einen Pro­zents wie des ame­ri­ka­ni­schen Finanz­sek­tors, der in einer Art sym­bio­ti­scher Ein­heit mit dem Finanz‑, Ver­si­che­rungs- und Immo­bi­li­en­sek­tor ver­schmol­zen ist.

Mit ande­ren Wor­ten: Anstatt zu ver­su­chen das all­ge­mei­ne Wirt­schafts­wachs­tum für die 99 Pro­zent zu för­dern, anstatt die Indus­tria­li­sie­rung der Wirt­schaft mit stei­gen­der Pro­duk­ti­vi­tät und stei­gen­dem Lebens­stan­dard zu finan­zie­ren, kan­ni­ba­li­siert der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus jetzt den Indus­trie­sek­tor, kan­ni­ba­li­siert den Unter­neh­mens­sek­tor. Wie Sie in den USA sehen, ist der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus die öko­no­mi­sche Dok­trin der Deindus­tria­li­sie­rung, die in Ame­ri­ka in Eng­land statt­ge­fun­den hat und jetzt in Euro­pa stattfindet.

Das Pro­blem ist: wie über­lebt man, wenn man sich nicht indus­tria­li­siert, wenn man nicht sei­ne eige­nen Mit­tel zum Lebens­un­ter­halt pro­du­ziert – wie wird man die­se von ande­ren Län­dern bekom­men? Die Ant­wort ist, dass man nicht gegen sie in den Krieg zieht, so wie die Län­der frü­her gegen­ein­an­der in den Krieg zogen, um sich ihr Geld und ihr Land anzu­eig­nen, son­dern dass man das Finanz­we­sen als neu­es Kriegs­mit­tel ein­setzt. Das heißt der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus ist die Tak­tik der Wirt­schafts­kriegs­füh­rung der Ver­ei­nig­ten Staa­ten gegen Euro­pa und den glo­ba­len Süden, um den gesam­ten wirt­schaft­li­chen Über­schuss die­ser Län­der in Form von Schul­den­dienst abzu­schöp­fen. Nichts davon ist also wirk­lich das Ergeb­nis indus­tri­el­ler Gewin­ne, die durch die Beschäf­ti­gung von Arbeits­kräf­ten und den Ver­kauf ihrer Pro­duk­te mit einem Auf­schlag erzielt werden.

Der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus basiert nicht auf Mehr­wert, wie es im indus­tri­el­len Kapi­ta­lis­mus war. In der Tat zer­stört er die Indus­trie. Durch die­se Kan­ni­ba­li­sie­rung des indus­tri­el­len Kapi­tals trock­net er im Grun­de die Wirt­schaft aus und macht sie unfä­hig kos­ten­de­ckend zu arbei­ten oder auch nur zu funk­tio­nie­ren. Wenn man sich zum Bei­spiel heu­te in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten die Bilan­zen der Unter­neh­mens­ge­win­ne ansieht, stellt man fest, dass ein Groß­teil davon für Akti­en­rück­käu­fe aus­ge­ge­ben wird. Man kauft sei­ne eige­nen Akti­en zurück oder schüt­tet Divi­den­den aus. Nur acht Pro­zent der Unter­neh­mens­ge­win­ne wer­den für neue Kapi­tal­in­ves­ti­tio­nen oder For­schung und Ent­wick­lung, für Fabri­ken, Maschi­nen und Pro­duk­ti­ons­mit­tel zur Beschäf­ti­gung von Arbeits­kräf­ten ausgegeben.

Wie ist Gene­ral Elec­tric (GE) plei­te gegan­gen? Im Grun­de genom­men sag­te Jack Welch, wir soll­ten unser Ein­kom­men nicht dazu ver­wen­den, wei­ter­hin in die Her­stel­lung von mehr elek­tro­ni­schen Gütern, Dienst­leis­tun­gen und Gerä­ten zu inves­tie­ren, son­dern wir soll­ten es dazu ver­wen­den, unse­re eige­nen Akti­en zu kau­fen, was unse­re Akti­en in die Höhe trei­ben wird. Im Grun­de genom­men wer­den wir ein­fach unse­re Geschäfts­be­rei­che ver­kau­fen und das Geld aus dem Ver­kauf unse­rer Wasch­ma­schi­nen­fir­men usw. ein­fach an die Aktio­nä­re aus­zah­len. Das wird die Akti­en­kur­se in die Höhe trei­ben. Neben­bei bemerkt: sein Gehalt basier­te dar­auf, wie sehr er die GE-Akti­en in die Höhe trei­ben konn­te. Er wur­de in Form von Akti­en­op­tio­nen bezahlt. All dies ist heu­te das nor­ma­le Unter­neh­mens­ver­hal­ten in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Die Unter­neh­men wer­den nicht mehr von Wirt­schafts­in­ge­nieu­ren geführt, wie es noch vor eini­gen Jahr­hun­der­ten im neun­zehn­ten und zwan­zigs­ten Jahr­hun­dert der Fall war.

Sie wer­den von Finanz­in­ge­nieu­ren, den Chief Finan­cial Offi­cers, geführt. Das Ide­al die­ser Unter­neh­men ist es Geld zu ver­die­nen, aber nicht durch indus­tri­el­le Inves­ti­tio­nen … Auf der engen mikro­öko­no­mi­schen Ebe­ne ist der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus also im Grun­de genom­men ein Weg, ein Unter­neh­men zu ver­kau­fen und den Erlös den Aktio­nä­ren und den Anlei­he­gläu­bi­gern zukom­men zu las­sen. Als poli­ti­sches Sys­tem aber, weil es so zer­stö­re­risch für die Wirt­schaft ist, wie man es in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und in Groß­bri­tan­ni­en durch die Deindus­tria­li­sie­rung gese­hen hat, wird es krie­ge­risch in dem Ver­such, ande­re Län­der eben­so zu läh­men, indem es die­se Län­der dazu bringt, den USA, Eng­land und den finan­zia­li­sier­ten Volks­wirt­schaf­ten Tri­but zu zah­len. Das geschieht mit­tels Finanz-Engi­nee­ring, durch Schul­den­dienst, durch den Ver­kauf ihrer Boden­schät­ze, ihrer öffent­li­chen Ver­sor­gungs­be­trie­be, ihres Lan­des, ihrer Stra­ßen an aus­län­di­sche Inves­to­ren – im Grun­de an die­je­ni­gen, die sich das Geld lei­hen, das ein­fach in den USA geschaf­fen wird und die ihr gan­zes Geld in ihren Zen­tral­bank­re­ser­ven in Form von Kre­di­ten an das US-Finanz­mi­nis­te­ri­um, das Schatz­an­lei­hen hält, auf­be­wah­ren. So funk­tio­nier­te das inter­na­tio­na­le Wäh­rungs­sys­tem bis vor ein paar Mona­ten, als sich alles änderte.

Wenn Sie also Eng­land und Ame­ri­ka sind, kön­nen Sie sich die Reden von Prä­si­dent Biden anse­hen, in denen er sag­te, dass Chi­na unser größ­ter Feind sei, weil es einen unfai­ren Wett­be­werb betrei­be. Chi­na sub­ven­tio­niert die indus­tri­el­le Ent­wick­lung, indem es sei­ne eige­ne Infra­struk­tur hat. Es bie­tet kos­ten­lo­se Bil­dung an, anstatt sie zu pri­va­ti­sie­ren und die Arbeits­kräf­te dafür zah­len zu las­sen. Es hat ein öffent­li­ches Gesund­heits­we­sen, anstatt die Sozi­al­me­di­zin zu pri­va­ti­sie­ren, wie wir es in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten tun, und Arbeit­ge­ber und Arbeit­neh­mer dafür zah­len zu lassen.

Der indus­tri­el­le Kapi­ta­lis­mus des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts war für eine star­ke staat­li­che Infra­struk­tur. Das Ide­al des Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus bestand dar­in, die Lohn­kos­ten der Pro­duk­ti­on nied­rig zu hal­ten: nicht indem man die Löh­ne senk­te, son­dern indem der Staat eine grund­le­gen­de Infra­struk­tur bereit­stell­te, um die Grund­be­dürf­nis­se der Arbeit­neh­mer zu decken.

Bedürf­nis­se der Arbeit­neh­mer: Regie­run­gen sorg­ten für kos­ten­lo­se Bil­dung, damit die Arbeit­ge­ber nicht dafür zah­len muss­ten. Die Regie­run­gen sorg­ten für eine medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung, sodass die Arbeit­neh­mer nicht dafür bezah­len muss­ten und die Arbeit­ge­ber den Arbeit­neh­mern nicht genug Geld zah­len muss­ten, um die Kos­ten für die Aus­bil­dung und die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung zu decken. Die Regie­rung bau­te Stra­ßen und Infra­struk­tu­ren und alles, um die Gesamt­kos­ten für die Geschäfts­tä­tig­keit des indus­tri­el­len Kapi­tals zu senken.

Der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus ist genau das Gegen­teil. Der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus will pri­va­ti­sie­ren und das Bil­dungs­we­sen, die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung, die Stra­ßen in maut­pflich­ti­ge Stra­ßen umwan­deln, um all das zu Finanz­un­ter­neh­men machen, die im Wesent­li­chen ihre Ren­te an die Anlei­he- und Akti­en­be­sit­zer aus­zah­len. Die­se Ren­te erhöht die Kos­ten für Bil­dung und alles ande­re, wovon die Arbei­ter leben müs­sen, sodass das Ergeb­nis eine Wirt­schaft mit hohen Kos­ten ist. Des­halb hat Biden gesagt, dass Chi­na und Russ­land Ame­ri­kas Fein­de sind. Weil – ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Ame­ri­ka­ner bis zu 43% ihres Ein­kom­mens für Mie­te aus­ge­ben müs­sen, ange­sichts der Tat­sa­che, dass acht­zehn Pro­zent des ame­ri­ka­ni­schen BIP für die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung auf­ge­wen­det wer­den, ange­sichts der hohen Ver­schul­dung durch Stu­den­ten­dar­le­hen – der ein­zi­ge Weg, wie Ame­ri­ka ange­sichts unse­rer pri­va­ti­sier­ten Wirt­schaft erfolg­reich sein kann, nur dar­in bestehen kann, ande­re Län­der auch auf die­se Wei­se zu fes­seln. Nur wenn ande­re Län­der ihren Arbeits­kräf­ten und ihrer Indus­trie die glei­chen wirt­schaft­li­chen Gemein­kos­ten auf­er­le­gen, kann es glei­chen Wett­be­werb geben.

Wenn ande­re Län­der eine gemisch­te Wirt­schaft haben und effi­zi­en­ter sind, weil sie eine akti­ve Regie­rung haben, die für die Grund­be­dürf­nis­se sorgt, dann ist das »Auto­kra­tie« und damit das ist das Gegen­teil von »Demo­kra­tie«. Demo­kra­tie ist, wenn alles pri­va­ti­siert wird und letzt­lich das eine Pro­zent alles besitzt.

Auto­kra­tisch ist jede Regie­rung, die stark genug ist, um ihre eige­nen öffent­li­chen Inves­ti­tio­nen zu täti­gen. Jede Regie­rung, die stark genug ist, den Finanz­sek­tor zu besteu­ern oder zu regu­lie­ren, wird als »Auto­kra­tie« bezeich­net. Dem­nach waren auch die USA im 19. Jahr­hun­dert eine Auto­kra­tie, wie es die öster­rei­chi­sche Schu­le wohl nann­te. Die Zivi­li­sa­ti­on ist im Grun­de eine »Auto­kra­tie«.

Es hat nie eine unge­misch­te Wirt­schaft ohne staat­li­che Regu­lie­rung, ohne staat­li­che Inves­ti­tio­nen gege­ben, obwohl Rom am Ende sei­nes Rei­ches begann, die­sen Punkt zu errei­chen. Wir alle wis­sen, was dar­aus wur­de. Im Grun­de ist der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus also eine räu­be­ri­sche inter­na­tio­na­le Wirt­schafts­po­li­tik, die dar­auf abzielt, den Rest der Welt aus­zu­blu­ten, um das füh­ren­de eine Pro­zent der Ver­mö­gens­be­sit­zer in den USA und ihre Satel­li­ten­o­lig­ar­chie in Eng­land und eini­gen euro­päi­schen Län­dern zu bezahlen.

Dan­ny Hai­phong: Das war eine Zusam­men­fas­sung mit so viel Inhalt. Was Sie beschrei­ben, erin­nert mich an das, was wir im »Black Agen­da Report« als gro­ßen Unter­bie­tungs­wett­lauf bezeich­net haben. Also das das Finanz­ka­pi­tal ermög­li­chen­de: Out­sour­cing und Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­rung aus den USA und dem Wes­ten in ande­re Län­der in den glo­ba­len Süden, in arme Län­der, unter­drück­te Natio­nen. All das wird vom Finanz­ka­pi­tal finan­ziert, weil es die­ses inter­na­tio­na­le Wäh­rungs­sys­tem ist, das Sie beschrei­ben, das den Glo­ba­len Süden für Super­pro­fi­te ausplündert.

Es ist also so, dass die Super­pro­fi­te von allen Sei­ten her­ein­strö­men. Oft stel­len Chau­vi­nis­ten die Din­ge so dar, dass Chi­na uns die Arbeits­plät­ze weg­nimmt. Sie sagen sel­ten, dass Ban­gla­desch oder ein ande­res Land tat­säch­lich aus­ge­beu­tet wird. In vie­ler­lei Hin­sicht wird das so dar­ge­stellt, um uns von all dem abzu­len­ken, was Sie beschrie­ben haben. Von der Tat­sa­che, dass die­se Klas­se und die­se Poli­tik alle Sei­ten ausplündern.

Micha­el Hud­son: Sie benut­zen das Wort Super­pro­fit. Was ist eigent­lich Super­pro­fit? Super­pro­fit ist das, was die klas­si­schen Öko­no­men als öko­no­mi­sche Ren­te bezeich­ne­ten. Er geht über den Gewinn hin­aus. Gewin­ne wer­den durch den Ein­satz von Arbeits­kräf­ten erzielt. Das ist im Grun­de nicht die Art und Wei­se, wie der meis­te Wohl­stand in der heu­ti­gen Welt geschaf­fen wird. In einer finan­zia­li­sier­ten Wirt­schaft wird Reich­tum nicht dadurch geschaf­fen, dass man Gewin­ne macht, indem man in Fabri­ken, Anla­gen und Aus­rüs­tun­gen inves­tiert und Arbeits­kräf­te beschäf­tigt, um einen Gewinn zu erzie­len, son­dern dadurch, dass man ein Land der Drit­ten Welt, ein Land des Glo­ba­len Südens ver­schul­det und dann sagt: »Na ja, wenn ihr die Schul­den, die wir euch gege­ben haben, nicht bezah­len könnt, dann müsst ihr eure Roh­stof­fe, euer Land, all eure natür­li­chen Mono­po­le ver­kau­fen, und die Art und Wei­se, wie man im Finanz­ka­pi­ta­lis­mus Geld macht, besteht dar­in, die Mono­po­le aufzukaufen.«

Das Haupt­ziel war die Klas­se der Grund­be­sit­zer los­zu­wer­den, die aus dem Feu­da­lis­mus her­vor­ge­gan­gen war: die Kriegs­her­ren, die Eng­land, Frank­reich und ande­re Län­der erobert hat­ten. Grund und Boden soll­te in die öffent­li­che Hand über­führt wer­den. Das war der ers­te Punkt im Kom­mu­nis­ti­schen Mani­fest. Man besteu­ert die Boden­ren­te und ver­staat­licht und ver­ge­sell­schaf­tet den Boden. Die Idee war die Mono­pol­ren­te los­zu­wer­den, denn Mono­pol­ren­te ist unver­dien­tes Ein­kom­men. Dann die Finanz­ren­te der Zin­sen los­zu­wer­den, die, wie John Ste­wart Mill sag­te, ein­fach erwirt­schaf­tet wird: Man »erwirt­schaf­tet sie im Schlaf«, wenn man ein Anlei­hen­be­sit­zer oder ein Ver­mie­ter ist. Man erhält die Ren­te nicht durch die Erbrin­gung einer pro­duk­ti­ven Leis­tung, son­dern durch das Ver­die­nen des Gel­des im Schlaf. Das hat nichts mit Gewin­nen zu tun.

Lei­der wird in der volks­wirt­schaft­li­chen Gesamt­rech­nung die Wirt­schafts­ren­te nicht als eige­ne Kate­go­rie aus­ge­wie­sen. Statt­des­sen wird jedes erziel­te Ein­kom­men – sei es Gold­man Sachs, Citi­bank, GE oder ein ande­res Land – als Gewinn bezeich­net. Die Theo­rie besagt, dass jeder ver­dient, was er ver­dient. Das aber war nicht die Idee des indus­tri­el­len Kapitalismus.

Die Idee des indus­tri­el­len Kapi­ta­lis­mus stammt von den Phy­sio­kra­ten und Adam Smith und John Ste­wart Mill und Marx. Sie besagt, dass Ein­kom­men etwas ist, das tat­säch­lich pro­duk­tiv mit Geld gemacht wird, indem man Arbeit ein­setzt, um einen Über­schuss zu pro­du­zie­ren, der reinves­tiert wird. Dage­gen ist die öko­no­mi­sche Ren­te unver­dient. Des­halb soll­ten alle natür­li­chen Mono­po­le in der öffent­li­chen Domä­ne gehal­ten wer­den, anstatt für Mono­po­le ver­füg­bar zu sein. Als India­na in Schwie­rig­kei­ten geriet, wur­den die Stra­ßen pri­va­ti­siert und ver­kauft, um sie maut­pflich­tig zu machen. Jetzt mei­det fast jeder die maut­pflich­ti­gen Stra­ßen und fährt auf Nebenstraßen.

Als Chi­ca­go Pro­ble­me hat­te sei­ne Schul­den zu bezah­len, ver­kauf­te man die Rech­te an den Bür­ger­stei­gen und Park­uh­ren. Das führ­te zu einem enor­men Anstieg der Lebens- und Geschäfts­kos­ten, wenn man in der Innen­stadt von Chi­ca­go wohnt und par­ken muss. Das Ide­al des Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus war also, wie Schum­pe­ter es nann­te, die »schöp­fe­ri­sche Zer­stö­rung« durch die Sen­kung der Pro­duk­ti­ons­kos­ten, so dass ein Indus­trie­land auf dem Welt­markt gewin­nen wür­de. Zuerst Eng­land, dann die Ver­ei­nig­ten Staa­ten, Deutsch­land, Japan. Die Art und Wei­se, wie sie sich durch­setz­ten, war die der Unter­bie­tung der Konkurrenz.

Aber der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus erhöht die Pro­duk­ti­ons­kos­ten so stark wie mög­lich. Er erhöht die Lebens­hal­tungs­kos­ten so stark wie mög­lich. Anstatt Bil­dung, Gesund­heits­für­sor­ge und Trans­port als öffent­li­ches Recht, als natür­li­ches Men­schen­recht zu behan­deln, wird das alles von dem einen Pro­zent privatisiert.

Dan­ny Hai­phong: Ja, das ist wahr. Sogar im Kom­mu­nis­ti­schen Mani­fest gibt es einen Abschnitt, in dem Marx die Idee skiz­ziert, wie der Sozia­lis­mus aus­se­hen wür­de. Dar­in wird expli­zit gesagt, dass der Sozia­lis­mus mit den Füh­rungs­ebe­nen der Wirt­schaft begin­nen wird, wie Sie sag­ten, mit den natür­li­chen Mono­po­len. Die­se soll­ten in öffent­li­chem Besitz sein. Als ob das der ein­zi­ge Weg wäre, um irgend­et­was auch nur annä­hernd Sozia­lis­ti­sches zu haben. Jetzt sind wir an dem Punkt ange­langt, an dem das Finanz­ka­pi­tal sie an sich geris­sen hat, sie voll­stän­dig pri­va­ti­siert hat oder ver­sucht dies mit dem zu tun, was von der öffent­li­chen Domä­ne übrig geblie­ben ist: dem öffent­li­chen Sek­tor, sozu­sa­gen welt­weit. Und Sie haben die­sen wirk­lich inter­es­san­ten Punkt ange­spro­chen, dass die Kos­ten für alles stei­gen, ins­be­son­de­re die Produktionskosten.

Das sieht man dar­an, dass vie­le die­ser gro­ßen Unter­neh­men jetzt enor­me Schul­den haben. Die Ver­schul­dung der Unter­neh­men ist astro­no­misch hoch. Dabei denkt man: schau dir doch all die­se Super­ge­win­ne an, die sie machen, schau dir all die­se rie­si­gen Gewin­ne an, die sie machen. Wir hören immer von all die­sen Unter­neh­men, die die­se rie­si­gen Gewin­ne machen, aber wir hören sel­ten von all den Schul­den, die die­se Unter­neh­men wegen des Finanz­ka­pi­tals anhäu­fen – und des­halb ist es wirk­lich unglaublich.

Ich spre­che ger­ne dar­über, weil es die­se Din­ge sind, von denen wir nichts hören, weil das Finanz­ka­pi­tal wirk­lich die Regeln schreibt und einen unan­ge­mes­se­nen Ein­fluss auf die Medi­en und auf so vie­le Din­ge hat. Ich woll­te Sie aber etwas über Chi­na fra­gen. Ich möch­te Ihnen eine Fra­ge stel­len, weil ich vor kur­zem in eine Debat­te mit die­sem Kom­men­ta­tor, Matt Stol­ler, gera­ten bin. Er ist sehr china­feind­lich. Das ist vor allem in der extre­men Rech­ten ein Gesprächs­the­ma. Wobei ich sagen wür­de, dass vie­le Leu­te den­ken, Chi­na und die Wall Street sei­en mit­ein­an­der ver­schmol­zen, arbei­te­ten zusam­men, um die Arbei­ter in der gan­zen Welt zu hin­ter­ge­hen und das vor allem in den kapi­ta­lis­ti­schen Epi­zen­tren, den Epi­zen­tren des Finanz­ka­pi­ta­lis­mus: den USA und den west­li­chen Ländern.

Könn­ten Sie über Chi­na und sein Wäh­rungs­sys­tem spre­chen? Sie haben kurz erwähnt, war­um die USA im Moment so feind­se­lig sind, war­um Biden nicht auf­hö­ren kann über Wett­be­werb und Auto­kra­tie ver­sus Demo­kra­tie zu reden. Sie spre­chen über die Unter­schie­de in den Wäh­rungs­sys­te­men und dar­über, wie Chi­na mit Finan­zen umgeht. Ich habe den Ein­druck, dass dies nicht wirk­lich gut ver­stan­den wird, dabei aber enor­me glo­ba­le Aus­wir­kun­gen hat. Ich den­ke, dass es eine gene­rel­le Ver­schie­bung in der Rich­tung gibt, wie wir die­se tau­meln­de, vom Dol­lar gelei­te­te Wirt­schaft betrach­ten: die glo­ba­le Wirt­schaft des Impe­ria­lis­mus. Chi­na steht wirk­lich im Zen­trum die­ser Entwicklung.

Micha­el Hud­son: Was die Ame­ri­ka­ner so wütend macht, ist, dass Chi­na reich wird, indem es genau das tut, was die Ver­ei­nig­ten Staa­ten im 19. Jahr­hun­dert getan haben. Ich habe ein Buch über Ame­ri­kas pro­tek­tio­nis­ti­schen Auf­schwung geschrie­ben, in dem ich die gan­ze Idee des ame­ri­ka­ni­schen Pro­tek­tio­nis­mus beschrei­be: Zoll­schutz für die Indus­trie, staat­lich sub­ven­tio­nier­te For­schung und Ent­wick­lung, staat­li­che Sub­ven­tio­nie­rung der Indus­trie durch Infra­struk­tur als vier­ten Pro­duk­ti­ons­fak­tor neben Land, Arbeit und Kapi­tal – und es soll­te ein öffent­li­ches Bank­we­sen geben.

Im Grun­de genom­men sag­te Chi­na wie die Ver­ei­nig­ten Staa­ten, dass wir den Lebens­stan­dard der Arbei­ter nicht auf­grund eines abs­trak­ten Ide­als anhe­ben wol­len, son­dern weil hoch­be­zahl­te Arbei­ter effi­zi­en­ter sind, hoch­be­zahl­te Arbei­ter bes­ser aus­ge­bil­det sind, sich bes­ser ernäh­ren, gesün­der sind. Die Ame­ri­ka­ner im neun­zehn­ten Jahr­hun­dert wie­sen dar­auf hin, dass Ame­ri­ka die höchst­be­zahl­ten Arbei­ter der Welt hat­te, aber auch die pro­duk­tivs­ten und dass hoch­be­zahl­te Arbei­ter bes­ser waren als arme Arbeiter.

Auf Bil­dern aus Chi­na aus den Fünf­zi­gern als Mao begann und sogar den frü­hen Sech­zi­gern sieht man Mas­sen von Bett­lern. Ich sah mir die Bil­der an und frag­te mich: »Wie in aller Welt wol­len sie die­ses Pro­blem lösen?«. Nun, sie haben es tat­säch­lich geschafft! Chi­na hat erkannt, dass man, um in der moder­nen Welt zu über­le­ben, gut bezahl­te, gut unter­ge­brach­te, gut ernähr­te und gut aus­ge­bil­de­te Arbeits­kräf­te haben muss. Des­halb haben sie es geschafft.

Der Unter­schied ist, dass in Ame­ri­ka die Geld­schöp­fung seit der Ein­füh­rung der Green­backs [Papiergeld/​Anm. d. Red.] im ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg in den Hän­den des Finanz­mi­nis­te­ri­ums lag. Im Grun­de schuf die Regie­rung Geld. Dann aber kamen 1913 JP Mor­gan und der Finanz­sek­tor zusam­men und sag­ten: »Wir müs­sen die Regie­rung aus Geld und Kre­dit her­aus­ho­len. Wenn wir Geld und Kre­dit kon­trol­lie­ren kön­nen, kön­nen wir auch die Wirt­schaft kon­trol­lie­ren.« So über­zeug­ten sie Prä­si­dent Wil­son, die Fede­ral Reser­ve Bank ein­zu­rich­ten. Sie sag­ten, sie wür­den nicht ein­mal einen Beam­ten des Finanz­mi­nis­te­ri­ums in die Fede­ral Reser­ve Bank las­sen: »Wir wer­den die Fede­ral Reser­ve Ban­ken aus Washing­ton her­aus ver­le­gen. Wir wer­den die Haupt­bank in New York haben.« Dort ist die Wall Street das Ide­al einer Fede­ral Reser­ve Bank. Ame­ri­ka ist eine viel zen­tra­li­sier­te­re Plan­wirt­schaft als Chi­na, aber die zen­tra­li­sier­te Pla­nung erfolgt an der Wall Street durch den Finanz­sek­tor, durch die füh­ren­den Finanz­un­ter­neh­men und nicht durch die Regierung.

Wäh­rend also Ame­ri­ka 1913 die wirt­schaft­li­che Vor­aus­pla­nung aus den Hän­den der Regie­rung nahm, hat Chi­na das Finanz­sys­tem in den Hän­den der Regie­rung behal­ten. Schau­en wir uns an, wie die­se bei­den Län­der seit Beginn der Oba­ma-Depres­si­on im Jahr 2008 auf unter­schied­li­che Wei­se Geld schaffen.

Die Fede­ral Reser­ve hat eine Flut­wel­le von Kre­di­ten geschaf­fen, die alle in den Akti­en­markt, in den Anlei­he­markt und in die jüngs­te Null­zins­po­li­tik flos­sen. Die­se Flut, die­se neun Bil­lio­nen Dol­lar an Kre­di­ten der Fede­ral Reser­ve dien­ten nur dazu, die Ban­ken, die Immo­bi­li­en­prei­se, die Anlei­he- und Akti­en­kur­se zu stüt­zen. Das ist nicht das, was sie in Chi­na tun. Der Wohl­stand, den Chi­na geschaf­fen hat, hat die Immo­bi­li­en­prei­se erhöht. Es gab Pri­vat­kre­di­te, die die Immo­bi­li­en­prei­se erhöht haben. Chi­na hat die Geld­schöp­fung in den Hän­den der Regie­rung selbst belas­sen, sodass die Regie­rung, wenn sie Geld schöpft, damit den Bau von Fabri­ken und Anla­gen, Däm­men, Ver­kehrs­in­fra­struk­tur und öffent­li­chem Woh­nungs­bau finan­zie­ren kann.

Es wird kein Geld geschaf­fen, um es an Finanz­spe­ku­lan­ten und Aktio­nä­re zu ver­lei­hen, damit die­se ihre Antei­le erhö­hen. Statt­des­sen wer­den tat­säch­lich greif­ba­re Pro­duk­ti­ons­mit­tel geschaf­fen. Wenn man greif­ba­re Pro­duk­ti­ons­mit­tel schafft und Arbeits­kräf­te beschäf­tigt und Hoch­ge­schwin­dig­keits-Eisen­bah­nen und For­schungs­la­bors hat, wird man natür­lich Län­der über­ho­len, die damit beschäf­tigt sind Fabri­ken zu schlie­ßen und For­schung und Ent­wick­lung zu kür­zen, weil sie schnel­le Gewin­ne erzie­len wollen.

Der wich­tigs­te öffent­li­che Nut­zen, der in der öffent­li­chen Hand ver­blei­ben muss (Chi­na hat dies von Anfang an erkannt), ist das Ban­ken­sys­tem und die Kre­dit­schöp­fung (auch wenn es bis zu einem gewis­sen Grad noch pri­va­te Kre­dit­schöp­fung gibt). Man hat auch eine gewis­se Betei­li­gung ame­ri­ka­ni­scher Wall-Street-Fir­men wie Gold­man Sachs zuge­las­sen, weil man hofft, einen Krieg ver­mei­den zu kön­nen. Auch hegt man die Hoff­nung, durch die Bereit­stel­lung von finan­zi­el­len Gewinn­mög­lich­kei­ten für ame­ri­ka­ni­sche Unter­neh­men die Wall Street irgend­wie davon über­zeu­gen zu kön­nen, sich dem Ras­sen­hass der Biden-Admi­nis­tra­ti­on gegen Chi­na und dem Ver­such, einen neu­en Krieg gegen Chi­na zu begin­nen, zu widersetzen.

Die Annah­me Chi­nas, die damals ver­nünf­tig erschien, war natür­lich, dass die ame­ri­ka­ni­sche Wirt­schaft von der Wall Street gelei­tet wird, wenn wir also die Wall Street dazu brin­gen kön­nen zu sagen, dass wir mit Chi­na gut aus­kom­men, wird alles in Ord­nung sein. Aber die Wall Street und die Fede­ral Reser­ve Bank und das Finanz­mi­nis­te­ri­um wur­den nicht ein­mal zu dem dies­jäh­ri­gen Krieg, dem Krieg der NATO mit Russ­land in der Ukrai­ne, kon­sul­tiert. Es sind Blin­ken und Biden und die Neo­cons, die im Grun­de einen Krieg füh­ren, bei dem die Finanz­welt außen vor bleibt. Das Ergeb­nis ist der gegen­wär­ti­ge Absturz der Akti­en­kur­se und der par­al­le­le Rück­gang der Anleihekurse.

Der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus ist also von Natur aus selbst­zer­stö­re­risch, wäh­rend der Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus selbst­aus­brei­tend ist. Der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus ist selbst­zer­stö­re­risch. Genau das pas­siert heu­te und genau das will Chi­na ver­mei­den, indem es im Grun­de der Logik des­sen folgt, was man frü­her Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus nannte.

Im 19. Jahr­hun­dert benutz­te jeder das Wort Sozia­lis­mus. Es waren nicht nur Mar­xis­ten, die das Wort Sozia­lis­mus benutz­ten. Es gab christ­li­che Sozia­lis­ten, liber­tä­re Sozia­lis­ten, anar­chis­ti­sche Sozia­lis­ten und alle ande­ren Arten von Sozia­lis­ten. Sie erkann­ten, dass eine aus­ge­wo­ge­ne und gerech­te wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung staat­lich geför­dert wer­den muss. Man muss ver­hin­dern, dass die Leu­te reich wer­den, indem sie kei­ne pro­duk­ti­ve Leis­tung erbrin­gen, son­dern ein­fach nur gute Abzo­cker sind. Das ist im Grun­de genom­men das, was der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus ist: eine Gele­gen­heit für Abzo­cker reich zu wer­den, indem sie den 99 Pro­zent der Bevöl­ke­rung das Geld weg­neh­men und in ihre eige­nen Hän­de nehmen.

Dan­ny Hai­phong: Ja, und genau das ist pas­siert. Chi­na war in der Lage, das Wachs­tum trotz der welt­wei­ten Wirt­schafts­kri­se auf­recht­zu­er­hal­ten. Wie Sie sag­ten, stieg der Lebens­stan­dard wei­ter an. Ich glau­be, die Löh­ne stie­gen nach der Finanz­kri­se jedes Jahr um etwa sie­ben bis zehn Pro­zent. Das lag zum gro­ßen Teil an den Inves­ti­tio­nen in Arbeitsplätze.

Ich habe mit Men­schen in Chi­na gespro­chen. Sie sagen, dass in Chi­na die Löh­ne stei­gen, wenn man in einer Fabrik arbei­tet; dass die Arbei­ter dort blei­ben wol­len, obwohl Chi­na ver­sucht sich mehr auf den High-Tech-Sek­tor und den Dienst­leis­tungs­sek­tor zu ver­la­gern. Vie­le Men­schen wol­len in den Fabri­ken blei­ben, weil sie dort gut bezahlt wer­den und eini­ge der Vor­tei­le und Sub­ven­tio­nen genie­ßen, die hier nicht mehr üblich sind.

Wenn ich den Leu­ten erzäh­le, dass es Wohn­geld gibt, fra­gen sie: »Was ist das? Wie kön­nen Sie das sagen? Das ist Chi­na! Chi­na ist furcht­bar!« Wie wollt ihr die Arbeit repro­du­zie­ren? Wir schau­en uns Marx an: Chi­na ist sehr stark auf Marx fixiert. Sehen Sie sich an, was Marx sag­te: Man muss die Arbeits­kraft repro­du­zie­ren, man muss dafür sor­gen, dass der Arbei­ter das hat, was er braucht, das ist das abso­lu­te Mini­mum des­sen, was jede Wirt­schaft tun soll­te, aber das war es, was der Kapi­ta­lis­mus ursprüng­lich tun sollte.

Man repro­du­ziert die Arbeits­kraft, damit man den Über­schuss abschöp­fen kann. Das Finanz­ka­pi­tal ist ein gro­ßer Wett­lauf nach unten, bei dem sich die Arbei­ter oft nicht selbst repro­du­zie­ren. Es gibt eine gro­ße Kri­se der Lebens­er­war­tung und alle mög­li­chen Din­ge, die frü­her nicht cha­rak­te­ris­tisch für den Kapi­ta­lis­mus waren. Frü­her stie­gen die Stan­dards, als der Kapi­ta­lis­mus fort­schritt­li­che­re Pro­duk­tiv­kräf­te entwickelte.

Sie erwähn­ten die aktu­el­le Kri­se des Dol­lars und dass das Finanz­ka­pi­tal in der Ukrai­ne-Kri­se sozu­sa­gen ins Abseits gera­ten ist. Ich fin­de das sehr inter­es­sant, denn das Finanz­ka­pi­tal ist so hege­mo­ni­al und hat so viel Ein­fluss auf Washing­ton und Euro­pa, aber was Sie sagen, ist sehr wahr, denn wir sehen gera­de, dass es eine Kata­stro­phe gibt. Es gibt die­se enor­me Infla­ti­on und die Kri­se des Dol­lars. Was pas­siert hier?

Wie kommt es, dass die USA, je wei­ter sie sich in die­sen Stell­ver­tre­ter­krieg mit Russ­land um die Ukrai­ne hin­ein­zie­hen las­sen, ihre Ver­stri­ckung immer mehr ver­tie­fen und das schon seit lan­gem, nicht erst seit Febru­ar, son­dern seit die­ser Zeit sehen wir die­sen dro­hen­den wirt­schaft­li­chen Zusam­men­bruch. Was pas­siert hier also? War­um wird das Finanz­ka­pi­tal bei­sei­te gescho­ben? Wie wird sich das Ihrer Mei­nung nach mit der Ukrai­ne-Kri­se und ins­be­son­de­re mit dem Dol­lar entwickeln?

Micha­el Hud­son: Was mei­nen Sie mit Kri­se des Dollars?

Dan­ny Hai­phong: E scheint, dass das, was die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ver­su­chen, ihre Hege­mo­nie durch ihre aus­län­di­schen Sank­tio­nen durch­zu­set­zen, die­sen Rück­kopp­lungs­ef­fekt hat, bei dem nun Län­der nach Alter­na­ti­ven zum Dol­lar suchen und die USA wirt­schaft­lich anfäl­li­ger zu sein schei­nen, obwohl sie expan­die­ren und ver­su­chen zu domi­nie­ren. Das ist ein sehr selt­sa­mer Wider­spruch, der sich sehr insta­bil anfühlt. E scheint, als wür­de sich der Dol­lar künst­lich auf­blä­hen, wäh­rend er gleich­zei­tig mit der Tat­sa­che zu kämp­fen hat, dass es in der Ukrai­ne kein End­spiel gibt. Wenn wir uns mit einem gro­ßen Land wie Russ­land und sei­nen Bezie­hun­gen zu Euro­pa anle­gen, schei­nen wir auf eine wirt­schaft­li­che Kata­stro­phe zuzu­steu­ern, eine Wirt­schafts­kri­se, wenn es nicht schon eine gibt.

Micha­el Hud­son: Nein, das ist über­haupt nicht, was mit dem Dol­lar pas­siert. Bei all der Beto­nung von Ame­ri­kas Krieg gegen Russ­land, um es zu ver­su­chen von Chi­na abzu­spal­ten, bevor man gegen letz­te­res in den Krieg zieht – das ers­te, was Ame­ri­ka tun woll­te, war sei­ne Kon­trol­le über Euro­pa zu sichern. Denn das ist der ein­fachs­te Weg, Din­ge zu bekom­men, wenn man die reichs­ten Volks­wirt­schaf­ten der Welt über­neh­men will.

Das bedeu­tet die Über­nah­me der Euro­zo­ne, Eng­lands und Japans. Der Dol­lar ist gegen­über die­sen Wäh­run­gen stark angestiegen.

Mit ande­ren Wor­ten: Der Euro ist auf einen Dol­lar pro Euro gefal­len. Das Pfund Ster­ling ist auf einen Dol­lar pro Ster­ling gefal­len. Der japa­ni­sche Yen ist sogar noch stär­ker gefal­len, sodass es eine rie­si­ge Flucht­be­we­gung in den Dol­lar gibt.

Die Ame­ri­ka­ner haben erfolg­reich die Basis der euro­päi­schen Indus­trie zer­stört. Sie haben Deutsch­land end­gül­tig besiegt. Sie haben Deutsch­land ohne Ener­gie zurück­ge­las­sen. Das Brut­to­in­lands­pro­dukt im Ver­gleich zur Ener­gie pro Arbei­ter ist ein Grad­mes­ser der Pro­duk­ti­vi­tät, mit der Waren her­ge­stellt wer­den. Im Grun­de genom­men ver­kör­per­te Ener­gie die Pro­duk­ti­vi­tät und Euro­pa hat sei­ne Ener­gie aus Russ­land in Form von Gas und Öl bezogen.

Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben Euro­pa auf­ge­for­dert wirt­schaft­li­chen Selbst­mord zu bege­hen, indem sie sag­ten: »Kauft kein rus­si­sches Gas, war­tet drei oder vier Jah­re, gebt fünf Mil­li­ar­den Dol­lar für den Bau neu­er Häfen aus, damit ihr ame­ri­ka­ni­sches Flüs­sig­erd­gas zum sie­ben- oder acht­fa­chen Preis impor­tie­ren könnt und lasst in der Zwi­schen­zeit eure che­mi­sche Indus­trie, eure Auto­in­dus­trie, eure Grund­stoff­in­dus­trien bank­rott­ge­hen.« Die­se Ent­schei­dung wur­de nicht von Euro­pa getrof­fen, son­dern von den Poli­ti­kern, die Ame­ri­ka in die euro­päi­sche Poli­tik ein­ge­bracht hat. Auch wenn die Euro­pä­er kei­nen Selbst­mord bege­hen wol­len, hat Ame­ri­ka in den Tony Blairs, den Vor­sit­zen­den der sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en und den Befür­wor­tern von Umwelt­schutz und Kampf gegen die glo­ba­le Erwär­mung an der Spit­ze der grü­nen Par­tei­en sei­ne Stellvertreter.

In Eng­land gibt es einen Boris John­son und in Japan gibt es Poli­ti­ker, die bereit sind, Japans Wachs­tum wei­ter­hin den Ver­ei­nig­ten Staa­ten zu opfern. Die­se Län­der, die Inves­to­ren in Euro­pa, Eng­land und Japan ver­la­gern also ihr Geld in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten, vor allem, weil die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ihre Zins­sät­ze durch die Fede­ral Reser­ve anhe­ben und Japan und Euro­pa auf­for­dern, dies nicht zu tun, so dass die Euro­zo­ne sehr nied­ri­ge Zins­sät­ze hat.

Die Leu­te lei­hen sich Geld zu einem Zins­satz von unter einem Pro­zent und trans­fe­rie­ren es in die Ver­ei­nig­ten Staa­ten, um zwei, zwei­ein­halb Pro­zent zu ver­die­nen. Japan hat fast zins­lo­ses Geld von der Zen­tral­bank. Es hat sein Geld in die USA trans­fe­riert, sodass der Dol­lar, obwohl ich nicht sagen wür­de, dass er gegen­über die­sen Wäh­run­gen in die Höhe schießt, ande­re Wäh­run­gen in der US-Umlauf­bahn gegen­über dem Dol­lar kol­la­bie­ren, weil sie dem Rat der USA folgen.

Wenn Sie also sagen, dass ande­re Län­der aus dem Bereich des Dol­lars weg­bre­chen, dann mei­nen Sie damit den größ­ten Teil der Welt: Zen­tral­asi­en, Latein­ame­ri­ka und Chi­na. Der Schlüs­sel zum gegen­wär­ti­gen Neu­en Kal­ten Krieg ist, dass Ame­ri­ka sei­ne fast dik­ta­to­ri­sche Vor­herr­schaft über Euro­pa und Japan errei­chen muss. Es sind die Kli­en­tel-Olig­ar­chien und Kli­en­tel-Dik­ta­tu­ren. Ohne zu mer­ken, dass es sich dabei um eine ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie han­delt, bei der die Füh­rer der gan­zen Welt dem fol­gen, was die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ihnen sagen, weil sie sich selbst als das demo­kra­ti­sche Zen­trum bezeichnen.

Demo­kra­tie bedeu­tet also nicht mehr ein poli­ti­sches Sys­tem, in dem die Wäh­ler bestim­men, wer das Sagen hat. Demo­kra­tie ist die vom Außen­mi­nis­te­ri­um der Ver­ei­nig­ten Staa­ten dik­tier­te Poli­tik. Jedes Land, das sei­nen eige­nen Weg geht oder poten­zi­ell die Macht ent­wi­ckelt, sei­nen eige­nen Weg zu gehen, wie Chi­na und Russ­land, wird als Auto­kra­tie bezeich­net. Sie müs­sen also erken­nen, dass in der heu­ti­gen Welt Demo­kra­tie Auto­kra­tie und Auto­kra­tie Demo­kra­tie ist.

Man könn­te sagen: Ja, die Fra­ge ist natür­lich, ob die Welt wirk­lich in zwei Hälf­ten zer­bricht. Es sieht so aus, als ob sie in zwei Tei­le zer­bricht: die USA und ihre Ver­bün­de­ten, die USA, Euro­pa und Japan gegen einen eura­si­schen Kern, der Hand in Hand mit Afri­ka und Latein­ame­ri­ka und ande­ren asia­ti­schen Län­dern geht, die sich auf Han­del und Inves­ti­tio­nen unter­ein­an­der ver­las­sen kön­nen. Indem die Ver­ei­nig­ten Staa­ten Russ­land, Chi­na, den Iran und ande­re Län­der zu iso­lie­ren schei­nen, iso­lie­ren sie in Wirk­lich­keit ihren eige­nen Dol­lar vom Rest der Welt. Es gibt also einen eiser­nen Vor­hang, aber nicht, um ande­re Län­der aus­zu­schlie­ßen, son­dern um die eige­nen Ver­bün­de­ten im Inne­ren zu halten.

Dan­ny Hai­phong: Glau­ben Sie, dass dies gelin­gen wird? Wir haben viel über die Bezie­hun­gen Russ­lands zu Euro­pa gehört und dar­über, wie eng sein Ener­gie­sek­tor mit Euro­pa ver­floch­ten ist; wie schwie­rig es ist, die­se Bezie­hung wirt­schaft­lich zu durch­bre­chen. Obwohl Euro­pa alles tut, was es kann, wie Sie beschrie­ben haben. Ich habe dar­über nach­ge­dacht, dass Euro­pa wäh­rend der gesam­ten Kri­se auf­grund der Domi­nanz der USA und der Tat­sa­che, dass es nur auf das hör­te, was die USA sag­ten, weit über das hin­aus­ging, wozu sich die USA in Bezug auf Russ­land ver­pflich­ten wür­den und wie sie die­se Art von Krieg wirt­schaft­lich füh­ren wür­den. Aber Chi­na und Russ­land, mit Russ­lands Ener­gie und sei­nen natür­li­chen Res­sour­cen, aber auch Chi­na, den­ke ich, haben Euro­pa so viel zu bie­ten, glau­ben Sie, dass dies gelin­gen wird?

Euro­pa hat vie­le Jah­re lang den Weg der Austeri­tät beschrit­ten, dies scheint ein gro­ßer Schritt in die­se Rich­tung zu sein. Euro­pa könn­te schon bald den Ver­ei­nig­ten Staa­ten sehr ähn­lich sein. Glau­ben Sie, dass das funk­tio­niert, wenn man bedenkt, dass Chi­na so viel zu bie­ten hat und bereits vie­le Län­der in Euro­pa zu sei­nen Kun­den zählt? Viel­leicht nicht die größ­ten, wie z.B. Groß­bri­tan­ni­en, aber vie­le euro­päi­sche Län­der haben gute Bezie­hun­gen zu Chi­na, sogar Groß­bri­tan­ni­en, trotz all des Unsinns, des Neu­en Kal­ten Krie­ges. Was mei­nen Sie dazu?

Micha­el Hud­son: Futu­ris­ten nei­gen dazu, auf eine Men­ge Unsinn her­ein­zu­fal­len. Dazu zählt die Vor­stel­lung, dass Län­der in ihrem eige­nen Inter­es­se han­deln wer­den. Das ist der Feh­ler, den Sta­lin mit Hit­ler gemacht hat. Er dach­te, wenn Deutsch­land Russ­land im Zwei­ten Welt­krieg angreift, wird es natür­lich ver­lie­ren. Kein ver­nünf­ti­ges Land wür­de Russ­land angrei­fen, wenn der Win­ter naht, aber Hit­ler griff Russ­land an. Das wür­de man den­ken, wenn man ver­sucht zu sagen, was eine logi­sche Zukunft ist.

Gehen wir zurück ins Jahr 1991, als sich die Sowjet­uni­on selbst auf­lös­te. Die gan­ze Idee, der Traum der rus­si­schen Füh­rung zu die­sem Zeit­punkt war: »Wenn wir Frie­den haben, brau­chen wir kei­nen Kriegs­haus­halt mehr. Euro­pa wird in uns inves­tie­ren und uns beim Wie­der­auf­bau einer ratio­na­li­sier­ten, effi­zi­en­ten Indus­trie hel­fen. Wir wer­den mit Euro­pa Han­del trei­ben und wer­den bei­de durch den gegen­sei­ti­gen Han­del reich werden.«

Das hat die Ver­ei­nig­ten Staa­ten erschreckt. Sie sag­ten: »Oh je! Wir, wir Ame­ri­ka­ner wol­len die Nutz­nie­ßer Russ­lands sein. Wir wol­len nicht mit Russ­land han­deln. Wir wol­len es zer­stü­ckeln, pri­va­ti­sie­ren und über­neh­men.« Im Grun­de genom­men soll die Wall Street die Ölres­sour­cen, die Gas­res­sour­cen, die Nickel­res­sour­cen und die Strom­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men über­neh­men. Das Letz­te, was Ame­ri­ka woll­te, war die­se sym­bio­ti­sche gegen­sei­ti­ge Berei­che­rung zwi­schen Euro­pa und Russ­land. Ich glau­be, dass Putin und die meis­ten füh­ren­den Poli­ti­ker damals davon aus­gin­gen, dass Euro­pa in sei­nem Eigen­in­ter­es­se han­deln wür­de und am Ende bei­de Sei­ten davon pro­fi­tie­ren könnten.

Aber das ist offen­sicht­lich nicht gesche­hen. Euro­pa hat sich dem ame­ri­ka­ni­schen Dik­tat unter­wor­fen und tut es wei­ter­hin, weil es sei­nen Füh­rern folgt, sei­ne Füh­rer sind genau wie Selen­sky in der Ukrai­ne. Sie sind genau­so abhän­gig von dem, was das Außen­mi­nis­te­ri­um ihnen dik­tiert, wie Selen­sky es ist. Das hat etwas Evan­ge­lis­ti­sches an sich.

Die Euro­pä­er, mit denen ich gespro­chen habe, glau­ben wirk­lich, dass Ame­ri­ka das Land der Zukunft ist und dass der Neo­li­be­ra­lis­mus, der Finanz­ka­pi­ta­lis­mus irgend­wie ein Ide­al der Pri­vat­wirt­schaft sein wird. Sie haben das Rat­ten­gift gekauft, sie haben das Rat­ten­gift geges­sen, und sie glau­ben es tat­säch­lich und sehen sich nicht nur als folg­sa­me Die­ner der Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Wie der frü­he­re paki­sta­ni­sche Pre­mier­mi­nis­ter vor eini­gen Wochen sag­te: Sie sind Skla­ven der Poli­tik der Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Sie sind tat­säch­lich evan­ge­lis­ti­sche För­de­rer des Neo­li­be­ra­lis­mus und eine Art Jün­ger – wie Bischö­fe, könn­te man sagen. Es ist wie eine Reli­gi­on. Sie behan­deln den ame­ri­ka­nisch gepräg­ten Neo­li­be­ra­lis­mus als die neue Reli­gi­on. Es ist buch­stäb­lich ein Kreuz­zug gegen Russ­land und Euro­pa. Ich glau­be, das hat Putin schockiert.

Ich könn­te mir vor­stel­len, dass die chi­ne­si­sche Füh­rung auch denkt: Wie kann Euro­pa so völ­lig unrea­lis­tisch sein? Wie kön­nen sei­ne Medi­en stän­dig so lügen, was in der Ukrai­ne wirk­lich pas­siert? Wie kann Euro­pa die Neo­na­zis in der Ukrai­ne als Frei­heits­kämp­fer, als Hel­den, als wun­der­ba­re Men­schen, die man unter­stüt­zen muss, vergöt­tern? Ich glau­be, das war ein sol­cher Schock für die rus­si­sche Füh­rung, dass sie end­lich begrif­fen hat, dass Euro­pa nicht in ihrem eige­nen Inter­es­se han­deln wird.

Es wird kei­nen gegen­sei­ti­gen Vor­teil geben. Euro­pa wird sich immer wie­der das Geld schnap­pen, das wir dort haben, genau­so wie es sich unser Geld in euro­päi­schen oder ame­ri­ka­ni­schen Ban­ken geschnappt hat. Es gibt wirk­lich nichts, was wir tun kön­nen. Es hat also eine grund­le­gen­de Neu­ord­nung mit Russ­land und dem Rest der Shang­hai­er Orga­ni­sa­ti­on für Zusam­men­ar­beit (SOZ) statt­ge­fun­den, d. h. nicht nur mit Chi­na, son­dern auch mit dem Iran, mit Indi­en und mit allen ande­ren eura­si­schen Län­dern. In die­sem Sin­ne haben die Ver­ei­nig­ten Staa­ten also genau das bewirkt, was sie befürch­tet haben. Der gan­ze Rest der Welt geht sei­nen eige­nen pro­duk­ti­ven Weg, indem er Inves­ti­tio­nen tätigt, den Lebens­stan­dard anhebt und Din­ge tut, die Demo­kra­tien eigent­lich gut tun sollten.

In den Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben wir wirk­lich kei­ne Demo­kra­tie, weil die poli­ti­schen Par­tei­en von der Geber­klas­se, dem einen Pro­zent, kon­trol­liert wer­den – das ist es, was das Urteil des Obers­ten Gerichts­hofs Citi­zens United bedeu­tet. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben kei­ne Mög­lich­keit mehr, sich selbst zu ver­sor­gen. Auch Euro­pa wird irgend­wann kei­ne Mög­lich­keit mehr haben sich selbst zu ver­sor­gen. Euro­pa wird viel­leicht sagen: »Wir haben einen Feh­ler gemacht, viel­leicht hät­ten wir ver­su­chen sol­len von Russ­land zu pro­fi­tie­ren, denn alle ande­ren pro­fi­tie­ren von rus­si­schem Gas und Nickel und Chi­na und ande­re Län­der bau­en die rus­si­sche Indus­trie wie­der auf, und wir hät­ten mit unse­rer Auto­in­dus­trie Russ­land auf­bau­en kön­nen, aber wir haben kei­ne Auto­in­dus­trie mehr, weil wir nicht das Gas aus Russ­land haben, das wir brau­chen, die Roh­stof­fe und das Titan.«

Euro­pa ist also ziem­lich obso­let gewor­den. Selbst wenn es sagt: »wir haben einen Feh­ler gemacht, lasst uns wie­der Freun­de sein«, glau­be ich nicht, dass Russ­land oder ande­re Län­der ihm ver­trau­en wer­den. Haupt­säch­lich, weil sie es sich leis­ten kön­nen ihm nicht zu vertrauen.

Sie sagen, war­um soll­te man ein Risi­ko ein­ge­hen und dar­auf ver­trau­en, dass Euro­pa nicht ein­fach wei­ter­hin Ame­ri­kas Pudel sein wird?

War­um ein Risi­ko ein­ge­hen? War­um nicht ein­fach sagen, dass es uns gut geht, so wie wir sind? War­um arbei­ten wir nicht ein­fach fried­lich zusam­men? Und alles, was die Ver­ei­nig­ten Staa­ten dage­gen tun kön­nen, ist, mit einer Bom­bar­die­rung zu dro­hen! Der Weg, die­ser Dro­hung zu ent­ge­hen, besteht ein­fach dar­in zu sagen: »Seht her, ihr geht euren Weg, wir gehen unse­ren Weg«. Und dabei genug Mili­tär zwi­schen sich zu haben, um sich gegen einen mög­li­chen ame­ri­ka­ni­schen Mili­tär­schlag zu ver­tei­di­gen, trotz der fast acht­hun­dert Mili­tär­stütz­punk­te, die die Ver­ei­nig­ten Staa­ten haben. Wenn die Ver­ei­nig­ten Staa­ten kei­ne Devi­sen mehr von die­sen Län­dern bekom­men, wird der Dol­lar zusam­men mit dem Euro, dem Yen und dem Pfund Ster­ling gegen­über dem eura­si­schen Wäh­rungs­block stark an Wert ver­lie­ren. Sie wer­den sich zu einem gemein­sa­men Block zusam­men­schlie­ßen mit ihrem eige­nen Gegen­stück zum IWF, ihrem eige­nen Gegen­stück zur Welt­bank, ihrer eige­nen Han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on. Die Welt wird in zwei Tei­le gespal­ten sein – so wie die Welt sich gespal­ten hat, als das Römi­sche Reich aus­ein­an­der­fiel und der Osten vor­wärts ging und West­eu­ro­pa unter­ging. Dies ist wirk­lich das end­gül­ti­ge Abtau­chen Westeuropas.

Dan­ny Hai­phong: Ja, wir haben jetzt mehr Akti­vi­tät in den BRICS plus. Die BRICS-Län­der ver­su­chen, vor­an­zu­kom­men, mehr Part­ner zu gewin­nen und ihre Finanz­ge­schäf­te aus­zu­wei­ten. Es gibt so vie­le mul­ti­la­te­ra­le Insti­tu­tio­nen, die haupt­säch­lich von Chi­na ange­führt wer­den, mit star­ker Betei­li­gung Russ­lands und ande­rer Län­der, die eine Art unab­hän­gi­ges Wäh­rungs­sys­tem und Wirt­schafts­ent­wick­lungs­sys­tem auf­bau­en, das, wie Sie sag­ten, »die Risi­ken ver­mei­den« kann.

Die Ukrai­ne-Kri­se ist auch des­halb von so gro­ßer Bedeu­tung, weil die Geo­po­li­tik, wie Sie schon sag­ten, eine so gro­ße Rol­le spielt. Was die Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Euro­pa in die­ser Ukrai­ne-Kri­se getan haben, ist, Län­dern wie Russ­land und Chi­na zu zei­gen, dass man ihnen nicht nur nicht trau­en kann, son­dern dass es fast eine Garan­tie dafür gibt, dass die Situa­ti­on in der Ukrai­ne nicht nur kein schnel­les Ende neh­men wird, son­dern dass es auch kein »Wir zie­hen uns zurück« gibt. Der Ball ist im Rol­len und sie kön­nen ihn nicht fan­gen. Sie wer­den nicht in der Lage sein, zu stop­pen was sie tun. Es gibt so vie­le Pro­ble­me damit, aber sie haben die Situa­ti­on sogar eska­liert. Es gibt Län­der wie Finn­land und Schwe­den, die sagen, wir wer­den der NATO bei­tre­ten. Es gibt so vie­le Punk­te, die zei­gen, dass man den Ver­ei­nig­ten Staa­ten und Euro­pa nicht trau­en kann.

Was soll man da ande­res tun, als dafür zu sor­gen, dass das Recht auf sou­ve­rä­ne wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung, wie Chi­na sagt, gewahrt bleibt? Das aber kann man nur, indem man den sou­ve­rä­nen Teil, die Sou­ve­rä­ni­tät, stärkt. Ich glau­be, Russ­land hat hier eine wich­ti­ge Lek­ti­on gelernt. Sie haben die gestoh­le­nen Ver­mö­gens­wer­te erwähnt. Sie wur­den ein­fach gestoh­len. Das war ein grö­ße­res Pro­blem als in Afgha­ni­stan, wo das­sel­be geschah, aber für Russ­land war es wahr­schein­lich das größ­te Pro­blem bei all den wirt­schaft­li­chen Schrit­ten, die gegen Russ­land unter­nom­men wur­den, da die Ver­mö­gens­wer­te ein­fach gestoh­len wur­den. Das ist ein enor­mer wirt­schaft­li­cher Schlag und hat so vie­le Ver­än­de­run­gen ermöglicht.

Vor dem Gefühl, das habe, dass vie­le die­ser Ent­wick­lun­gen zu etwas Posi­ti­vem füh­ren, wenn wir sehen, dass Län­der wie Chi­na und Russ­land die Sou­ve­rä­ni­tät ihrer wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lungs­mo­del­le erhö­hen, woll­te ich mei­ne letz­te Fra­ge stel­len: Könn­ten Sie abschlie­ßend über den Sozia­lis­mus spre­chen, genau­er über das Kon­zept des Sozia­lis­mus als poli­ti­sche Ökonomie?

Wir wis­sen, dass Chi­na sein Modell hat. Ande­re Län­der ver­su­chen ihre eige­nen Model­le. Was den­ken Sie, wie sind die Aus­sich­ten in die­sem Umfeld? Chi­na hat sein beson­de­res Modell, vie­le Län­der schei­nen es nach­ah­men wol­len. Sie sehen, dass Kuba und ande­re Län­der ver­ste­hen wol­len, wie man das macht, was Chi­na geschafft hat. Denn es ist in vie­ler­lei Hin­sicht ein Wirtschaftswunder.

Sie spra­chen davon, wie Chi­na leb­te, wie die Men­schen in Chi­na in den sech­zi­ger und sieb­zi­ger Jah­ren gelebt haben. Es ist eine völ­lig ande­re Situa­ti­on. Wie sehen Sie die Aus­sich­ten in die­sem Umfeld, in dem die Geo­po­li­tik, das impe­ria­lis­ti­sche Finanz­ka­pi­tal all die­ses Cha­os ver­ur­sacht? Und könn­ten Sie unse­re Zuhö­rer über den Sozia­lis­mus und Ihre Arbeit dar­an aufklären?

Micha­el Hud­son: Der Sozia­lis­mus ist eigent­lich die Art und Wei­se, wie sich der indus­tri­el­le Kapi­ta­lis­mus des 19. sich ent­wi­ckeln soll­te. Alle dach­ten, dass er sich zu einem demo­kra­ti­sche­ren Sys­tem ent­wi­ckeln wür­de, weil das ers­te Ziel des indus­tri­el­len Kapi­ta­lis­mus, was er poli­tisch wirk­lich brauch­te, dar­in bestand, die Klas­se der Land­be­sit­zer los­zu­wer­den; weil es kei­ne Mög­lich­keit gibt, wie David Ricar­do beton­te, dass Eng­land die Werk­statt der Welt wer­den könn­te, wenn man die Klas­se der Land­be­sit­zer wei­ter­hin immer mehr Land­pacht bekom­men lässt und die Arbei­ter zwingt immer mehr für ihre Lebens­mit­tel zu bezahlen.

Heu­te geht es sowohl um Wohn­raum als auch um Lebens­mit­tel. Um die Klas­se der Land­lords los­zu­wer­den, muss­te man in Eng­land das House of Lords und in allen euro­päi­schen Län­dern das Ober­haus abschaf­fen, denn das Ober­haus und der Senat wur­den von den erb­li­chen Land­lords kon­trol­liert. Des­halb unter­stütz­te der indus­tri­el­le Kapi­ta­lis­mus die Demokratie.

Bereits 1848, dem Jahr, in dem das Kom­mu­nis­ti­sche Mani­fest geschrie­ben wur­de, führ­te dies zu Revo­lu­tio­nen in allen euro­päi­schen Län­dern, um die alte Aris­to­kra­tie los­zu­wer­den. Die Ren­tiers wehr­ten sich und tat­säch­lich wur­den die Mon­ar­chien erst im Ers­ten Welt­krieg gestürzt und die Aris­to­kra­tien mit den Mon­ar­chien ver­bun­den. Grund und Boden war nicht mehr im Besitz einer erb­li­chen Klas­se. Er wur­de demo­kra­ti­siert, aller­dings auf Kre­dit demo­kra­ti­siert. Das Ban­ken­sys­tem über­nahm die Rol­le, die zuvor die Klas­se der Grund­be­sit­zer gespielt hat­te. Die Ban­kiers waren die neue Ren­tier­klas­se. Die Ban­kiers waren die neu­en Leu­te, die mit ihren Zin­sen und Schul­den­diens­ten und der Pri­va­ti­sie­rung wirt­schaft­li­cher Ren­ten ver­hin­der­ten, dass die Volks­wirt­schaf­ten die nicht ren­tier­li­chen Volks­wirt­schaf­ten unterboten.

Der Sozia­lis­mus bedeu­te­te also im Grun­de die Abschaf­fung des kos­ten­lo­sen Mit­tag­essens. Marx beschrieb den Kapi­ta­lis­mus als revo­lu­tio­när, weil er sag­te, das Revo­lu­tio­nä­re sei die Besei­ti­gung aller unnö­ti­gen Pro­duk­ti­ons­kos­ten. Das bezog sich auf die unnö­ti­gen Ren­tiers, die Cou­pon­schnei­der, die Finan­ziers und die Mono­po­lis­ten. Alle waren sich einig, dass der Sozia­lis­mus die­se para­si­tä­re Klas­se besei­tig­te, die für das Wachs­tum der Wirt­schaft nicht not­wen­dig war und deren Ein­künf­te die Wirt­schaft sogar bremsten.

Der Sozia­lis­mus soll­te die Volks­wirt­schaf­ten und die Märk­te vom Rent-See­king befrei­en. Nach den 1890er Jah­ren ging es im Sozia­lis­mus dar­um, ein kos­ten­lo­ses Mit­tag­essen los­zu­wer­den, wäh­rend es im Finanz­ka­pi­ta­lis­mus dar­um geht, wie man ein kos­ten­lo­ses Mit­tag­essen bekommt, wenn man zu dem einen Pro­zent gehört.

In gewis­sem Sin­ne befreit der Sozia­lis­mus also die Volks­wirt­schaf­ten vom Erbe des Feu­da­lis­mus, der sich in der moder­nen Welt zu einer Art Neo-Feu­da­lis­mus zurück­ent­wi­ckelt hat, der durch finan­zi­el­le Kon­trol­le und nicht nur durch Land­be­sitz und Mono­pol­ei­gen­tum funk­tio­niert. Chi­na hat es geschafft sich davon zu befrei­en und gleich­zei­tig die zen­tra­le Pla­nung zu ver­mei­den, die dem Sozia­lis­mus unter dem Sta­li­nis­mus einen schlech­ten Ruf ein­brach­te. Chi­na sag­te: »Nun gut, lasst hun­dert Blu­men blü­hen und wir wer­den erken­nen, dass wir nicht alle Arten von Inno­va­tio­nen pla­nen kön­nen, weil es so vie­le Mög­lich­kei­ten für pro­duk­ti­ve Inno­va­tio­nen gibt.«

Wir las­sen die Leu­te reich wer­den, indem sie krea­tiv sind, indem sie pro­duk­tiv sind, indem sie etwas hin­zu­fü­gen, aber wir las­sen sie nicht super­reich wer­den. Sie kön­nen ziem­lich reich wer­den, aber an einem bestimm­ten Punkt sind sie so reich, dass sie ein Mono­pol haben. Wir wer­den die hohen Wei­zen­kör­ner, wie man sagt, abhauen.

Ande­re Län­der wer­den gro­ße Schwie­rig­kei­ten haben dies umzu­set­zen, denn es gibt kei­ne Wirt­schafts­dok­trin des Sozia­lis­mus, die in letz­ter Zeit ent­wi­ckelt wor­den wäre. Jede Dis­kus­si­on dar­über, was der Sozia­lis­mus wirk­lich ist und was eine sozia­lis­ti­sche Wirt­schaft effi­zi­en­ter macht als eine finanz­ka­pi­ta­lis­ti­sche, wur­de schlicht­weg abge­lehnt. Das ist wirk­lich der Schlüssel.

Wenn die Län­der, wenn die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten dar­über spre­chen wür­de, was ein sozia­lis­ti­sches Land effi­zi­en­ter macht, näm­lich nied­ri­ge­re Kos­ten bei höhe­rem Lebens­stan­dard, dann wäre es kei­ne Wirt­schafts­wis­sen­schaft mehr, denn Wirt­schafts­wis­sen­schaft ist das, was in den Wirt­schafts­jour­na­len der Uni­ver­si­ty of Chi­ca­go ver­öf­fent­licht wird. Ich weiß nicht, wie man es nen­nen soll, Futu­ris­mus oder Rea­li­täts­öko­no­mie. Es muss eine neue Dis­zi­plin geben, die unse­re Län­der ent­wi­ckeln wer­den, um zu erklä­ren, wie man über die Ent­wick­lung einer Welt ohne Para­si­ten nachdenkt.

Dan­ny Hai­phong: Rich­tig. Ich mei­ne, was Sie über all das gesagt haben, lässt einen dar­über nach­den­ken, was Chi­na getan hat, um die­se Kräf­te zu kon­trol­lie­ren. Das sieht man vor allem im Tech­no­lo­gie­sek­tor. Jetzt sieht man es auch bei die­sem all­ge­mei­nen Wohl­stands­stre­ben. Es gibt ein Bestre­ben, die­se Kräf­te zu kon­trol­lie­ren, die außer Kon­trol­le gera­ten kön­nen, wie der indus­tri­el­le Kapi­ta­lis­mus in Ame­ri­ka und Euro­pa gezeigt haben. Chi­na hat die Macht­über­nah­me des Finanz­ka­pi­tals ver­hin­dert. Dar­über sprich aber nie­mand – nicht ein­mal im sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Milieu von Ber­nie Sanders.

Sie wer­den sagen: »Sozia­lis­mus ist, wenn man Medi­ca­re for All hat.« Aber es geht nicht nur dar­um, son­dern wie Sie sag­ten, dar­um bestimm­te Kräf­te auf­zu­hal­ten. Wel­che Kräf­te müs­sen gestärkt wer­den, um sicher­zu­stel­len, dass das öffent­li­che Wohl und der öffent­li­che Reich­tum geschützt wer­den? Das ist kein Gegen­stand der Dis­kus­si­on. Nicht ein­mal die soge­nann­ten Pro­gres­si­ven dis­ku­tie­ren dar­über. Sie spre­chen nicht so dar­über, weil es, wie Sie vor­hin sag­ten, wie Auto­kra­tie oder Auto­ri­ta­ris­mus aus­sieht, wenn eine Regie­rung im Inter­es­se der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung der Men­schen stark ist. Es ist fast so, als ob das Finanz­ka­pi­tal sogar die Idee davon und die Vor­stel­lung davon, was Sozia­lis­mus ist und was er sein könn­te, dominiert.

Aus dem Publi­kum des Live-Stream erreicht uns eine Fra­ge. Ich wür­de ger­ne wis­sen, was Sie dazu sagen?

Sie sag­ten, dass die Volks­re­pu­blik Chi­na drei Bil­lio­nen US-Dol­lar an Devi­sen­re­ser­ven hat. Wel­che Maß­nah­men soll­te die Zen­tral­re­gie­rung ergrei­fen, um sicher­zu­stel­len, dass sie nicht beschlag­nahmt wer­den, so wie die USA Russ­lands Devi­sen­re­ser­ven beschlag­nahmt haben?

Micha­el Hud­son: Ich wet­te, das ist genau das, wor­über sie jetzt gera­de in Chi­na dis­ku­tie­ren. Wegen COVID bin ich seit 2019 nicht mehr dort­hin gereist, weil ich dafür zwei Wochen lang in einem Hotel­zim­mer iso­liert sein müss­te, also bin ich nicht an der Dis­kus­si­on betei­ligt, aber sie sind offen­sicht­lich besorgt, dass die Ame­ri­ka­ner ihnen das antun könn­ten, was sie Russ­land ange­tan haben. Was wer­den sie tun?

Sie müs­sen ein paar Dol­lar behal­ten, um auf dem Devi­sen­markt zu inter­ve­nie­ren und ihren Wech­sel­kurs zu sta­bi­li­sie­ren, aber sie brau­chen nicht all­zu vie­le Dol­lar. In der Tat hat sich die drit­te Auf­la­ge mei­nes Buches Super Impe­ria­lism, das jetzt auf Chi­ne­sisch erscheint, in der ers­ten Auf­la­ge etwa sech­zig­tau­send Mal ver­kauft. Es ist das ers­te Buch von mir, das in Chi­na über­setzt wur­de. Das war also alles zu die­ser Fra­ge, die Sie gestellt haben. Die­se Fra­ge ist der­zeit in aller Munde.

Wie wer­den sie ihre Dol­lar­be­stän­de abbau­en und womit wer­den sie sie ersetzen?

Im Prin­zip kön­nen sie ihn durch den Besitz ande­rer Fremd­wäh­run­gen erset­zen: Rubel, indi­sche und paki­sta­ni­sche Wäh­run­gen sowie Gold, denn Gold ist nicht mit einer Ver­bind­lich­keit ver­bun­den. Es ist ein rei­ner Vermögenswert.

Die gan­ze Welt ent­dol­la­ri­siert sich jetzt. Biden hat den Dol­lar­stan­dard abge­schafft. Das war Ame­ri­kas kos­ten­lo­ses Mit­tag­essen – in der Lage zu sein Dol­lars zu dru­cken und sie nie zurück­zah­len zu müs­sen. Aber jetzt wer­den alle Län­der Dol­lars absto­ßen. Sie erken­nen, dass Ame­ri­ka ein finan­zi­el­ler Gangs­ter­staat ist. Natür­lich wer­den sie die Dol­lars absto­ßen, was wahr­schein­lich den Wech­sel­kurs Chi­nas in die Höhe trei­ben wird. Län­der, die Dol­lars ver­kau­fen, wer­den ihren Wech­sel­kurs gegen­über dem Dol­lar erhö­hen, was ihre rela­ti­ven Expor­te beein­träch­ti­gen wird. Ich den­ke also, dass sie ver­su­chen her­aus­zu­fin­den, wie sie das alle gemein­sam tun kön­nen und eine gro­be Pari­tät zwi­schen ihren eige­nen Wäh­run­gen auf­recht­erhal­ten kön­nen, wäh­rend sie den Dol­lar wirk­lich abbau­en. Ich weiß nicht, was sie tun, aber Sie kön­nen sicher sein, dass dies in den Köp­fen aller Betei­lig­ten ganz oben steht.

Dan­ny Hai­phong: Ein tol­les Gespräch, Micha­el. Vie­len Dank, dass Sie gekom­men sind. Wir wer­den uns wie­der unter­hal­ten müs­sen, wenn sich die Din­ge wei­ter ent­wi­ckeln, also vie­len Dank.

Micha­el Hud­son: Es war schön, hier zu sein, Dan­ny. Dan­ke, dass ich hier sein durfte.

Hier liegt eine redi­gier­te über­setz­te Ver­si­on des bei The Unz Review erschie­nen Gesprächs­tran­skripts vor.

Bild: Pix­a­bay

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