Inter­view mit Klaus-Jür­gen Bru­der zum Kon­gress »Coro­na. Die Insze­nie­rung einer Kri­se« der Neu­en Gesell­schaft für Psychologie

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Im Vor­feld des vom 7. bis 9. Juli statt­fin­den­den Kon­gres­ses der Neu­en Gesell­schaft für Psy­cho­lo­gie inter­view­te Mag­Ma ihren Vor­sit­zen­den Klaus-Jür­gen Bruder. 

Herr Bru­der, bis­her fand die Kon­fe­renz der Neu­en Gesell­schaft für Psy­cho­lo­gie im Gebäu­de des Neu­en Deutsch­land statt – war­um dies­mal nicht?

Aus unse­rer bis­he­ri­gen Her­ber­ge, dem ND-Gebäu­de mit der fan­tas­ti­schen Adres­se Stra­ße der Pari­ser Kom­mu­ne haben uns die kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­ren Ver­wal­ter hin­aus­ge­wor­fen, nach­dem wir ursprüng­lich bei ihnen Asyl gefun­den hat­ten, nach­dem die neo­li­be­ral gewen­de­te Uni­ver­si­tät uns nur noch gegen hals­ab­schnei­de­ri­sche Mie­ten akzep­tie­ren wollte.

Sym­pto­ma­tisch für den Ver­fall der Insti­tu­tio­nen Uni­ver­si­tät und poli­ti­sche Lin­ke – nicht?

Ja, abso­lut. Das ist Aus­druck der Zer­stö­rung der Uni­ver­si­tät durch den Neo­li­be­ra­lis­mus, Zer­stö­rung bezie­hungs­wei­se Selbst­zer­stö­rung des lin­ken Milieus durch ihren tor­schluss­pa­nik­ar­ti­gen Ver­such, in den abfah­ren­den Zug der Regie­rungs­be­tei­li­gung auf­zu­sprin­gen, bei dem sie die Bevöl­ke­rung, deren natür­li­che Inter­es­sen voll­kom­men aus den Augen ver­lo­ren und ver­ra­ten hatten.

Wie sehen Sie die Rol­le der Neu­en Gesell­schaft für Psy­cho­lo­gie in Anbe­tracht des mas­si­ven Rechts­rucks mit­samt Gleich­schal­tung einst kri­ti­scher Institutionen?

In die­sem für ein Men­schen­le­ben rela­tiv lan­gen Pro­zess der Zer­stö­rung von Demo­kra­tie und Wider­stand, bis hin zur völ­li­gen Zer­stö­rung von Den­ken und Mensch­lich­keit haben wir, die Neue Gesell­schaft für Psy­cho­lo­gie, unse­re pre­kä­re Rol­le auf der Sei­te der immer lei­ser wer­den­den Kri­tik der all­ge­mei­nen Ent­wick­lung gespielt und wer­den das wei­ter­hin tun.

Wor­in besteht das Neue der NGfP, was macht sie besonders?

Das wich­tigs­te, das ich her­aus­he­ben möch­te, war und ist unse­re wis­sen­schaft­li­che Ausrichtung:

Psy­cho­lo­gie aus ihrer fach­spe­zi­fi­schen Iso­la­ti­on her­aus auf das wei­te­re Feld der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten zu füh­ren, dabei den gesell­schaft­li­chen Kon­text im Blick zu hal­ten, in dem die­se Wis­sen­schaf­ten agie­ren, mit der Per­spek­ti­ve einer »Kri­tik aller Ver­hält­nis­se, in denen der Mensch ein ihm nicht wür­di­ges Dasein füh­ren muss«.

Das impli­ziert bereits die Kon­zi­pie­rung in Rich­tung auf eine »kon­kre­te Psy­cho­lo­gie« (Polit­zer), in Rich­tung einer kon­kre­ten Kri­tik, wie sie sich in den The­men­stel­lun­gen der jewei­li­gen Kon­gres­se zeigt: Mili­ta­ri­sie­rung, Ras­sis­mus, Anti­se­mi­tis­mus, Digi­ta­li­sie­rung und nun Coronapandemie-Inszenierung.

Die aktu­el­len Debat­ten der Zeit von einem kri­tisch-wis­sen­schaft­li­chen Stand­punkt beleuch­ten, ist das der Anspruch der NGfP?

So ist es. Die The­men waren durch die jeweils aktu­el­len poli­ti­schen Ereig­nis­se bezie­hungs­wei­se Debat­ten bestimmt, auf sie aus­ge­rich­tet. Wenn man sie so hin­ter­ein­an­der auf­zählt, las­sen sie eine Ent­wick­lung des öffent­li­chen Dis­kur­ses erken­nen, in der immer mehr die Bil­dung von Bewusst­sein, bezie­hungs­wei­se des­sen Zer­stö­rung nicht nur vor­an­schrei­tet, son­dern zugleich von immer grö­ße­ren Tei­len – ich woll­te sagen der Bevöl­ke­rung – mit­ge­tra­gen wird.

Aber ich mer­ke: an die­ser Stel­le muss mich sofort kor­ri­gie­ren, aber das haben wir bereits im letz­ten Kriegs­kon­gress von 2019 the­ma­ti­siert: nicht nur mit­ge­tra­gen, son­dern aktiv und offen­siv ver­tre­ten, pro­pa­giert von den Intel­lek­tu­el­len, genau­er gesagt den Aka­de­mi­kern, zunächst den in den Anstal­ten der öffent­li­chen Mei­nungs­bil­dung agie­ren­den, dann aber auch außer­halb die­ser, in viel­fäl­ti­gen Berufs­or­ga­ni­sa­tio­nen sich artikulierenden.

Sie kon­sta­tie­ren also einen Rol­len­wan­del der Funk­ti­on des Intel­lek­tu­el­len weg vom kri­ti­schen und unbe­stech­li­chen Gewis­sen der Gesell­schaft hin zum Pro­pa­gan­dis­ten der Macht?

Die Rol­le die­ser bereits ange­spro­che­nen Intel­lek­tu­el­len schält sich immer mehr her­aus in ihrer Bedeu­tung für den Dis­kurs der Macht, für die Her­stel­lung von Kon­sens wie Chom­sky gesagt hat, für die Mani­pu­la­ti­on des Bewusst­seins und damit des poli­ti­schen Ver­hal­tens der Bevölkerung.

Wir erle­ben das in der gegen­wär­ti­gen Pan­de­mie-Insze­nie­rung mit einer bis­her unge­kann­ten Gewalt. Gleich­zei­tig ist unüber­seh­bar, dass die Intel­lek­tu­el­len von einer Spal­tung gezeich­net sind, die auch durch die Gesell­schaft geht, dass die Spal­tung der Gesell­schaft durch die Staats­macht, die in ihrer Rigo­ro­si­tät bis­her nicht der­art wahr­nehm­bar gewe­sen ist, auch durch die Schicht der Intel­lek­tu­el­len schlägt.

Wie macht sich das bemerkbar?

Das Shib­bo­leth, das wie ein Gra­ben durch ihre Rei­hen geht, lau­tet: »Ver­schwö­rungs­theo­rie«. Es trennt die Staats­treu­en von den Ungläubigen.

Für Psy­cho­lo­gen doch ein gefun­de­nes Fressen?

Durch­aus. Als Psy­cho­ana­ly­ti­ker ist mir die Dif­fe­renz zwi­schen sicht­ba­rem Ver­hal­ten und dem, was man nicht sieht, zwi­schen dem, was jemand sagt und dem, was er nicht sagt, was ihm aber durch den Kopf geht, selbstverständlich.

Wir nen­nen das aller­dings nicht »Ver­schwö­rungs­theo­rie«, son­dern Dif­fe­renz zwi­schen dem Bewusst­sein und dem Unbe­wuss­ten, bezie­hungs­wei­se Vorbewussten.

Und für den Psy­cho­ana­ly­ti­ker ist das, was nicht gesagt wird, viel inter­es­san­ter als das, was gesagt wird.

Und das ist in der poli­ti­schen Rede, in der Rede von Poli­ti­kern, in den Berich­ten der Medi­en nicht anders.

Nun haben auch vie­le Psy­cho­ana­ly­ti­ker viel nicht gesagt. Sind Sie ent­täuscht von den Kollegen?

Als Psy­cho­ana­ly­ti­ker bin ich nicht über­rascht, dass die Rede vom »neu­ar­ti­gen«, lebens­ge­fähr­li­chen oder gar Mil­lio­nen töten­den Virus nicht der Ver­pflich­tung ent­springt, Unheil von der Bevöl­ke­rung abzu­wen­den, wie Poli­ti­ker es in ihrem Amts­eid geschwo­ren haben, son­dern etwas ganz ande­rem, das im Ver-Spre­chen der Poli­ti­ker nicht erscheint.

Von daher über­rascht es im Gegen­teil, dass die Psy­cho­ana­ly­ti­ker nicht die ers­ten waren, die Alarm geschla­gen hätten.

Sind Psy­cho­ana­ly­ti­ker nicht auch nur Menschen?

Sicher weiß der Psy­cho­ana­ly­ti­ker nicht, was sich hin­ter der Rede des ande­ren ver­birgt. Aber er weiß, dass es nicht unbe­dingt das ist, was in der Rede erscheint.

Die Grund­struk­tur des Redens: durch Spre­chen ver­schwei­gen, ver­ste­cken durch Zei­gen, wie sie Chom­sky und Bour­dieu zur Grund­la­ge ihrer Medi­en­ana­ly­se gemacht haben, ist dem Psy­cho­ana­ly­ti­ker durch­aus eine Binsenweisheit.

Des­halb bleibt auch dem Psy­cho­ana­ly­ti­ker nichts ande­res übrig als dem Sicht­ba­ren gegen­über, dem das gesagt wird, eine skep­ti­sche Hal­tung ein­zu­neh­men. Zugleich aber hat auch er nichts ande­res, als die­se Ebe­ne. Er weiß, dass er alle sei­ne Schluss­fol­ge­run­gen nur aus der Ana­ly­se des Sicht­ba­ren und Hör­ba­ren zie­hen kann, sei­ne eige­nen Fan­ta­sien eben­so wie sei­ne Absich­ten an der Kan­da­re hal­ten muss. Freud nann­te das den »kal­ten Blick des Chir­ur­gen«. (Er wür­de sich als psy­cho­ana­ly­tisch aus­ge­ben­de Fern­dia­gno­sen von Putin1 oder von Quer­den­kern ver­sagt haben).

Sie wol­len sagen, Freud wäre heu­te Querdenker?

Das kann ich nicht sagen, aber mir vor­stel­len, dass ihm auf der Ebe­ne des Sicht­ba­ren der Coro­na­pan­de­mie-Insze­nie­rung von Anfang an womög­lich Wider­sprü­che ins Auge gefal­len wären:

Die Wider­sprü­che zwi­schen den unter­schied­li­chen Regis­tern des Spre­chens: zwi­schen den Behaup­tun­gen (über die Gefähr­lich­keit des Virus) und den Anwei­sun­gen, die vor die­ser Gefähr­lich­keit schüt­zen sollten;

die Wider­sprü­che zwi­schen dem Reden der Poli­ti­ker und ihrem Han­deln: die Gefähr­lich­keit des Virus galt offen­sicht­lich nicht für sie, oder nicht für Ihre aus­füh­ren­den Apparate;

die Wider­sprü­che zwi­schen den ver­schie­de­nen Diskursarten:

Die ein­fachs­ten Stan­dards wis­sen­schaft­li­chen Arbei­tens und Argu­men­tie­rens waren außer Kraft gesetzt: Bei­spie­le: Ver­wen­dung der Sta­tis­tik, Test­theo­rie, bis hin zu den wis­sen­schaft­li­chen Grund­la­gen der Virologie.

Die­se Dif­fe­ren­zen, Wider­sprü­che sind für den Psy­cho­ana­ly­ti­ker die frucht­bars­ten Momen­te, Ein­satz­stel­len sei­ner Arbeit:

Hier sind Kon­flik­te zu ver­mu­ten, Ver­su­che der Kom­pen­sa­ti­on, Ver­drän­gung, Ver­leug­nung von etwas, was nicht sicht­bar wer­den darf.

Das ist im Raum der Poli­tik, der Öffent­lich­keit nicht anders. Der ein­zi­ge Unter­schied zur Psy­cho­ana­ly­se besteht dar­in, dass wir es im poli­ti­schen Raum mit einer grund­sätz­lich ande­ren Struk­tur der Bezie­hung zu tun haben.

Kön­nen Sie die­se grund­sätz­li­che Anders­ar­tig­keit näher erläutern?

Wäh­rend Freund die psy­cho­ana­ly­ti­sche Situa­ti­on als »mit­ein­an­der reden von zwei­en« defi­niert, haben wir es im Poli­ti­schen, im »öffent­li­chen Debat­ten­raum« mit einer Bezie­hung zwi­schen unglei­chen Part­nern, von unglei­cher Macht zu tun, die zugleich nicht unmit­tel­bar, son­dern ver­mit­telt durch ein Medi­um, die auch soge­nann­ten Medi­en her­ge­stellt ist (Maletz­ke 1963: »disper­ses Publi­kum«2), wes­halb das Reden zwi­schen die­sen bei­den Posi­tio­nen einem Dis­kurs der Macht folgt.

Die­se Dif­fe­renz zu ver­ges­sen ist fatal, kann töd­lich sein, töd­lich zumin­dest für das Bewusstsein.

Mit der Macht, der Macht-Dif­fe­renz, schär­fer noch als Klas­sen­dif­fe­renz zu bezeich­nen, wird eine zwei­te Struk­tur auf alles gelegt, was wir als Erfah­rung aus der »pri­mä­ren« Bezie­hung und damit als Wis­sen der Psy­cho­lo­gie des All­tags ken­nen, von Marx als »zwei­te Natur« bestimmt.

Marx for­mu­liert sehr eindrücklich:

»Gesetzt, wir hät­ten als Men­schen pro­du­ziert.« (so wäre mei­ne Arbeit freie Lebens­äu­ße­rung, daher Genuss des Lebens). Und kon­sta­tiert: »Unter der Vor­aus­set­zung des Pri­vat­ei­gen­tums ist sie Lebens­ent­äu­ße­rung, denn ich arbei­te, um zu leben, um mir ein Mit­tel des Lebens zu ver­schaf­fen. Mein Arbei­ten ist nicht Leben.«3

Des Pudels Kern sind also nach wie vor die Eigentumsverhältnisse?

Die­se Vor­aus­set­zung, das Pri­vat­ei­gen­tum an Pro­duk­ti­ons­mit­teln – in der Hand der Klas­se der Pro­duk­ti­ons­mit­tel­be­sit­zer – ist es, die das Leben heu­te zu dem macht, wie wir es ken­nen. Das Pri­vat­ei­gen­tum ist die Vor­aus­set­zung der Ver­keh­rung. Letzt­lich die Ver­keh­rung aller mensch­li­chen Ver­hält­nis­se in ihr Gegenteil.

Was Genuss des Lebens hät­te sein sollen/​können, mei­ne Lebens­äu­ße­rung, ist »Lebens­ent­äu­ße­rung« gewor­den. »Mein Arbei­ten ist nicht Leben«, »denn ich arbei­te, um mir ein Mit­tel des Lebens zu ver­schaf­fen«, »mir ver­haßt, eine Qual und viel­mehr nur der Schein einer Tätig­keit, dar­um auch eine nur erzwun­ge­ne Tätig­keit und nur durch eine äußer­li­che zufäl­li­ge Not, nicht durch eine inne­re not­wen­di­ge Not mir auf­er­legt«. »Daher erscheint sie nur noch als der gegen­ständ­li­che, sinn­li­che, ange­schau­te und dar­um über allen Zwei­fel erha­be­ne Aus­druck mei­nes Selbst­ver­lus­tes und mei­ner Ohnmacht.«

Die Welt steht also gewis­ser­ma­ßen auf dem Kopf, wenn sie nicht gar kopf­los ist?

Es han­delt sich um eine grund­le­gen­de Verkehrung:

Die Pro­duk­ti­on hat nicht mehr die Funk­ti­on, Pro­duk­te für mensch­li­che Bedürf­nis­se her­zu­stel­len, son­dern umge­kehrt die mensch­li­chen Bedürf­nis­se, der Mensch selbst sind nur noch der Vor­wand für die Pro­duk­ti­on, deren Zweck in ers­ter Linie die Pro­duk­ti­on des Werts, nicht des Gebrauchs­werts ist.4

Die­se Ver­keh­rung durch­zieht nicht nur das Leben aller und trennt die einen von den ande­ren, son­dern ver­kehrt auch alles, was wir tun, den­ken, pro­du­zie­ren in sein Gegenteil.

An die Stel­le der mensch­li­chen Bezie­hung tritt die sach­li­che, die Bezie­hung von Sachen, der Pro­duk­te mensch­li­cher Arbeit zuein­an­der, sie schei­nen Herr­schaft über die Men­schen aus­zu­üben (wäh­rend sich hin­ter ihnen die tat­säch­lich Herr­schen­den verstecken.

Um den Bogen zum The­ma der anste­hen­den Kon­fe­renz zurück­zu­span­nen: Wo spielt bei all­dem die Insze­nie­rung der Pan­de­mie rein?

Die gera­de the­ma­ti­sier­te Funk­ti­on der Ver­keh­rung kommt bereits in der Rede, im Nar­ra­tiv vom Virus als Sub­jekt zum Vor­schein, womit das Virus, also die »Natur« und nicht die ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­ker für die Fol­gen ihrer Poli­tik ver­ant­wort­lich gemacht wer­den konnte.

Der Dis­kurs der Macht ist zugleich eine Insze­nie­rung, bezie­hungs­wei­se setzt die­se vor­aus: die Macht, das Nar­ra­tiv zum herr­schen­den zu machen. Des­halb heißt er ja auch »Dis­kurs der Macht«.

Wie schaff­ten es die Mäch­ti­gen, eine Insze­nie­rung als Rea­li­tät zu verkaufen?

Die Insze­nie­rung der Coro­na – »Pan­de­mie« wur­de mit einer Über­rum­pe­lung der Bevöl­ke­rung eröff­net und durchgesetzt.

Am wir­kungs­volls­ten erwie­sen sich die Bil­der von Sär­gen, mit denen die Behaup­tung als belegt ver­brei­tet wur­de, das Coro­na­vi­rus habe in Ber­ga­mo bereits eine gro­ße Zahl von Men­schen dahin­ge­rafft. Es war tat­säch­lich die von Nao­mi Klein beschrie­be­ne Schock­stra­te­gie, mit der die Men­schen in Panik ver­setzt wer­den kön­nen und tat­säch­lich wurden.

Wie aber kann es sein, dass die Insze­nie­rung so lan­ge nicht erkannt wird?

Im Rah­men der ein­mal instal­lier­ten Insze­nie­rung konn­ten dann alle wei­te­ren Behaup­tun­gen ihre bestä­ti­gen­de Bedeu­tung erhal­ten, so zum Bei­spiel: Es läge an den Maß­nah­men, dass doch nicht so vie­le Men­schen an Coro­na ster­ben muss­ten, weil sie durch die Maß­nah­men geschützt wor­den waren. Das­sel­be Argu­ment erweist sei­ne Frucht­bar­keit als »Beweis«, dass Imp­fen vor Anste­ckung schüt­ze: wäre ich nicht geimpft, so hät­te mei­ne Anste­ckung, mei­ne Krank­heit einen wesent­lich schlim­me­ren Ver­lauf genommen.

Flan­kiert wird die­se Argu­men­ta­ti­on natür­lich durch das gleich­zei­ti­ge Ver­schwei­gen der tat­säch­li­chen Impf­fol­gen, die eine Über­sterb­lich­keit zei­gen, die durch das Imp­fen gera­de ver­hin­dert wer­den soll­te, ganz abge­se­hen von den unzäh­li­gen Impf-»Nebenwirkungen«.

»Dis­kurs« und »Insze­nie­rung« sind die bei­den Begrif­fe, die das, was wir in den letz­ten zwei Jah­ren erlebt haben am bes­ten erfas­sen. Sie sind des­halb als zen­tra­le Begrif­fe auch der psy­cho­lo­gi­schen Ana­ly­se pro­duk­tiv geworden.

Was sind die Beson­der­hei­ten einer sol­chen psy­cho­lo­gi­schen Herangehensweise?

Eine sol­che psy­cho­lo­gi­sche Ana­ly­se weicht von der, vor allem unter Nicht-Psy­cho­lo­gen ver­brei­te­ten Erwar­tung ab, Psy­cho­lo­gie könn­te gesell­schaft­li­che Phä­no­me­ne aus dem Inne­ren des Sub­jekts, sei­ner »in der (inner-) psy­chi­schen Ver­fasst­heit« zurei­chend erklären.

Wir betrach­ten die­se inner-psy­chi­schen Struk­tu­ren und Ver­hal­tens­wei­sen als Ant­wor­ten des Sub­jekts auf äuße­re, »außer­psy­chi­sche« Bedin­gun­gen, Her­aus­for­de­run­gen, Anre­gun­gen und Ver­füh­run­gen (s. Parin: »Anpas­sungs­me­cha­nis­men«):

Wir ken­nen die For­mel des Behaviorismus:

»Ver­hal­ten ist die Funk­ti­on der Bedin­gun­gen des Verhaltens.«

Oder auch bekannt in der Fassung:

S → R

Davon aus­zu­ge­hen ist nach den Erfah­run­gen der letz­ten zwei Jah­re nicht nur ange­bracht, son­dern höchst aktuell:

Die Insze­nie­rung ist nichts ande­res als die Umset­zung die­ser For­mel, eine Instal­la­ti­on genau der Bedin­gun­gen, die zu den Ergeb­nis­sen von Panik und Gehor­sam geführt haben, die wir in den letz­ten zwei Jah­ren fas­sungs­los beob­ach­ten, mit­er­le­ben mussten.

Könn­ten Sie das bit­te für den Lai­en anschau­lich machen?

Vor allem im wei­te­ren Ver­lauf der Pan­de­mie­insze­nie­run­gen zeig­te sich immer deut­li­cher das beha­vio­ris­ti­sche Schema:

»Wenn Du kei­ne Mas­ke vor die Nase hältst, kommst Du hier nicht rein«, »wenn Du nicht getes­tet bist, und kein nega­ti­ves Test­ergeb­nis vor­wei­sen kannst, kommst Du hier nicht rein«, schließ­lich der vor­läu­fi­ge Höhe­punkt: »ohne Impf-Nach­weis darfst Du Dei­nen Beruf nicht mehr ausüben«.

Was vor­her selbst­ver­ständ­lich war: die Teil­nah­me am gesell­schaft­li­chen beruf­li­chen und kul­tu­rel­len Leben wird Bedin­gun­gen unter­wor­fen, For­de­run­gen, die zu erfül­len die Vor­aus­set­zung dafür wur­de, die vor­her zurück­ge­nom­me­nen Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten als Beloh­nung zurück zu erlan­gen – nichts ande­res als das chi­ne­si­sche Social-Cre­dit-Sys­tem – nur auf ande­rer sozia­ler Grundlage.

Trotz aller Kri­tik aus huma­nis­ti­scher Ecke scheint sich der Beha­vio­ris­mus als Herr­schafts­tech­nik unge­bro­che­ner Beliebt­heit zu erfreuen?

Die Kri­tik am beha­vio­ris­ti­schen Men­schen­bild war bis­lang immer:

Der Mensch ist kei­ne Bil­lard­ku­gel, die ohne eige­ne Betei­li­gung auf den Stoß des Queue reagiert.

Der Mensch muss den Sti­mu­lus des Sto­ßes nicht nur wahr­neh­men, son­dern muss ihn auch »inter­pre­tie­ren« um »rich­tig« dar­auf reagie­ren zu können.

In ter­mi­nis der Theo­rien, die sich mit dem Inter­pre­tie­ren beschäf­ti­gen (Sauss­u­re) heißt das: dem Stoß, dem Sti­mu­lus (S2) eine »Bedeu­tung« (S1) unter­le­gen, um der Bedeu­tung ent­spre­chend zu handeln:

S2
S1

Der zeit­ge­nös­si­sche Beha­vio­ris­mus hat die­se Not­wen­dig­keit längst einbezogen:

S→R

Das klingt sehr inter­es­sant, aber was bedeu­tet das genau?

Die Insze­nie­rung kann auf die beglei­ten­de Bei­ga­be der Bedeu­tung nicht ver­zich­ten: in der Form von Behaup­tun­gen – zum Bei­spiel über die Gefähr­lich­keit des Virus, über sei­ne Häu­fig­keit, über die Häu­fig­keit von Krank­heits- oder gar Todes­fol­gen, die Erklä­rung von Impf­ne­ben­wir­kun­gen als Fol­gen nicht der Imp­fung, son­dern ande­rer ungüns­ti­ger Bedin­gun­gen, bezie­hungs­wei­se mit der Behaup­tung, ohne Imp­fung wäre alles noch viel schlim­mer gewor­den usw.

Die Inter­pre­ta­ti­on ist also nicht nur der Anteil des Sub­jekts, der erst sein Ver­hal­ten als Ant­wort aus­macht, ja mög­lich macht, son­dern »tro­ja­ni­sches Pferd« für den Ein­tritt äuße­rer Mäch­te in die Len­kung sei­nes Handelns.

Man wird also dazu gebracht, sich ein­zu­re­den, dass man dem Zwang »frei­wil­lig« folgt?

Genau dies ist die Funk­ti­on des Dis­kur­ses der Macht. Er ver­führt das Sub­jekt, den Anwei­sun­gen, Befeh­len der Macht zu gehor­chen, indem er die­ses Gehor­chen als selbst­be­stimm­tes Han­deln anbie­tet, indem er die Recht­fer­ti­gun­gen des vom Sub­jekt gefor­der­ten Ver­hal­tens lie­fert, indem er die Erklä­run­gen für die Anwei­sun­gen (»Nar­ra­ti­ve«) monopolisiert.

Es scheint, die NGfP ist ange­sichts der geschil­der­ten Ent­wick­lun­gen not­wen­di­ger denn je?

Das mag man bedau­ern, aber es ist so. Wir ste­hen an einem Wen­de­punkt. Wir haben mit der Arbeit der NGfP die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung der letz­ten zwölf bis 15 Jah­re, im beson­de­ren der Ent­wick­lung der Mani­pu­la­ti­on der Zustim­mung zum Dis­kurs der Macht bis zu einem Punkt ver­folgt, an dem wir sagen kön­nen: der Dis­kurs der Macht bestimmt das Den­ken und Han­deln der Men­schen in einem Maße, wie es bis­her unvor­stell­bar gewe­sen war, unvor­stell­bar auch für die mar­xis­ti­sche Analyse.

Mit der Kriegs­pro­pa­gan­da geht es gera­de unter ande­ren Vor­zei­chen weiter?

Unse­re Ana­ly­se des Dis­kur­ses der Macht hat mit dem jetzt erreich­ten Höhe­punkt der kom­plet­ten Mani­pu­la­ti­on des Bewusst­seins gro­ßer Tei­le der Bevöl­ke­rung bestä­tigt. Die Kriegs­pro­pa­gan­da kann als unmit­tel­ba­re Fort­set­zung ver­stan­den wer­den – auch wenn die Lin­ken, das (wie­der, immer noch) nicht ver­ste­hen (wol­len).

Wir bedan­ken uns für das Inter­view und wün­schen der bald anste­hen­den Kon­fe­renz gebüh­ren­den Erfolg.

Hier fin­det man das Pro­gramm des Kon­gres­ses und hier Anmel­de­mög­lich­kei­ten.

Bild: Buch­co­ver des bei Soden­kamp & Lenz erschei­nen­den Sam­mel­ban­des zum Kongress.

Ver­wei­se

1 Wie jüngst Wolf­gang Leu­sch­ner, FR vom 1.6.22: Putins lan­ger Schat­ten von Leningrad

2 Maletz­ke: Psy­cho­lo­gie der Mas­sen­kom­mu­ni­ka­ti­on, Ham­burg 1963

3Karl Marx (1844): »Aus­zü­ge aus James Mills Buch ‚Elé­ments d’économie poli­tique‘. Trad. Par J. T. Par­isot, Paris 1823, in: MEW Ergän­zungs­band Ers­ter Teil, Dietz Ver­lag Ber­lin, 1968, S. 462f.

4 Karl Marx: »4. Der Fetisch­cha­rak­ter der Ware und sein Geheim­nis«, in: MEW 23, Das Kapi­tal, Ers­ter Band, Buch I: Der Pro­duk­ti­ons­pro­zeß des Kapi­tals, 1. Abschnitt, Ware und Geld, 1. Kapi­tel, Die Ware, S. 85 – 94.

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