Grün ist der Unter­gang – Teil 1: Welt­un­ter­gangs­fan­ta­sien als Ressource

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Als die ers­ten Grü­nen im Bun­des­tag saßen, Pull­over strick­ten und ein Ende der Atom­be­waff­nung for­der­ten, da wirk­ten sie wie lie­bens­wür­di­ge Spin­ner. Wie wur­de dar­aus die­se men­schen­feind­li­che, kriegs­lüs­ter­ne Par­tei, eine Trup­pe, die lei­den­schaft­lich am völ­li­gen Ruin des Lan­des arbei­tet, das sie her­vor­ge­bracht hat? Steck­te das immer schon in ihnen oder wur­de das aus ihnen gemacht, und falls ja, von wem? End­gül­tig beant­wor­ten wird man das erst kön­nen, wenn alle Doku­men­te zugäng­lich sind; bis dahin blei­ben nur Vermutungen.

Am Anfang war die­se Par­tei ein Schwamm, der vie­les auf­sog, was an poli­ti­schen Bewe­gun­gen außer­halb der Par­la­men­te gera­de übrig war. Die Res­te der »neu­en Lin­ken« der 70er, also vie­le der mao­is­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen; Tei­le der Frie­dens­be­we­gung, die sich gegen die Sta­tio­nie­rung US-ame­ri­ka­ni­scher Pers­hing-Rake­ten gebil­det hat­te; die Anti-Atom-Bewe­gung, die sich ursprüng­lich vor allem aus der Land­be­völ­ke­rung rekru­tier­te, Anhän­gern einer ziem­lich indus­trie­feind­li­chen Natur­ro­man­tik und Fans der Weis­sa­gun­gen des Club of Rome. Als hät­te man die Res­te der kur­zen demo­kra­ti­schen Blü­te der Bun­des­re­pu­blik, die schon längst zwi­schen Berufs­ver­bo­ten und Ter­ro­ris­ten­jagd zu Ende gegan­gen war, zusam­men­ge­fegt und in einen Beu­tel gewor­fen. Nie­mand hät­te damals gedacht, dass dar­aus fana­ti­sche Anhän­ger der NATO her­vor­ge­hen könn­ten; das Ende des Viet­nam­kriegs lag erst weni­ge Jah­re zurück, und es gab noch kei­ne ein­zi­ge Demons­tra­ti­on, egal zu wel­chem The­ma, bei dem nicht min­des­tens der Spruch USA-SA-SS geru­fen wur­de, der pass­te immer.

Man­ches, was mit die­sem Hau­fen geschah, erklärt sich ein­fach. Dass aus jun­gen, radi­ka­len Stu­den­ten spä­ter bra­ve, ange­pass­te Bür­ger wer­den, Leh­rer oder Jour­na­lis­ten, das ist der Lauf der Welt. Dass den Grü­nen die Spit­ze ihres frie­dens­be­weg­ten Teils so abrupt abhan­den kam, unter Umstän­den, die bis heu­te Zwei­fel hin­ter­las­sen, ist schon eine ande­re Geschich­te. Und wie »natür­lich« die inne­re Ent­wick­lung einer Par­tei sein kann, die zu Beginn (tat­säch­lich!) ganz offi­zi­ell unter Beob­ach­tung des Ver­fas­sungs­schut­zes stand und ganz inof­fi­zi­ell aus vie­len der Ursprungs­or­ga­ni­sa­tio­nen eine ent­spre­chen­de Bei­fracht gelie­fert bekom­men haben dürf­te, ist wirk­lich schwer zu beantworten.

Mit Aus­nah­me der RAF-Pro­zes­se ist die Ein­wir­kung der diver­sen Diens­te auf lin­ke oder sich links defi­nie­ren­de Orga­ni­sa­tio­nen nie Gegen­stand grö­ße­rer Gerichts­ver­fah­ren gewe­sen. Wenn man aber ernst nimmt, was im NPD-Ver­bots­ver­fah­ren und im NSU-Pro­zess für die ande­re Sei­te des poli­ti­schen Spek­trums bekannt wur­de, und berück­sich­tigt, dass die Ener­gie, die in Über­wa­chung, wenn nicht Steue­rung der poli­ti­schen Lin­ken inves­tiert wur­de, stets grö­ßer war, dann dürf­te die­se Ein­wir­kung beträcht­lich gewe­sen sein. Nur, um es ins Gedächt­nis zu rufen – der ers­te Anlauf, die NPD zu ver­bie­ten, war vor dem Ver­fas­sungs­ge­richt geschei­tert, weil so vie­le Ver­fas­sungs­schüt­zer in den Vor­stän­den geses­sen hat­ten, dass gar nicht mehr zwi­schen poli­ti­schem Han­deln der Par­tei und dem Ein­fluss der Agen­ten hat­te getrennt wer­den kön­nen. Und das NSU-Ver­fah­ren gab eine quan­ti­ta­ti­ve Haus­num­mer: von 120 Mit­glie­dern des »Thü­rin­ger Hei­mat­schut­zes« waren 40 für den einen oder ande­ren Dienst tätig.

Eine Par­tei der klei­nen Leu­te waren die Grü­nen jeden­falls nie. In und um die »neue Lin­ke« fan­den sich vie­le künf­ti­ge Erben, deren Poli­ti­sie­rung oft mit einem gewis­sen Ekel vor den Ursprün­gen die­ses Erbes zu tun hat­te; Kin­der aus gutem Hau­se, die spä­ter einen Weg fin­den soll­ten, über ver­schie­de­ne Metho­den des Ablass­han­dels, per Bio­la­den oder per Stif­tung, ihren Frie­den mit dem leis­tungs­lo­sen Reich­tum zu schlie­ßen. Eine Befas­sung mit sozia­len Fra­gen gab es so nur in ver­mit­tel­ter Wei­se, nicht als Ver­tre­tung eige­ner Inter­es­sen der Ärme­ren, son­dern als Ver­tre­tung eige­ner Inter­es­sen der reich­lich vor­han­de­nen Sozialpädagogen.

Trotz aller basis­de­mo­kra­ti­schen Ritua­le, die eigent­lich ver­hin­dern soll­ten, dass sich eine Kas­te von Berufs­po­li­ti­kern absetzt, hat sich kei­ne Par­tei so schnell und so gründ­lich inhalt­lich ent­leert wie die Grü­nen. Von den selbst gestrick­ten Pull­overn aus der Land­kom­mu­ne und den roman­ti­schen Vor­stel­lun­gen einer Har­mo­nie mit der Natur blie­ben nur die The­sen des Club of Rome übrig, ein poli­ti­sches Auf­tre­ten, das noch stär­ker auf Wer­be­träch­tig­keit hin ori­en­tiert war als bei ande­ren Par­tei­en, und die Über­zeu­gung eige­ner mora­li­scher Über­le­gen­heit, die den Puri­ta­nern Kon­kur­renz gemacht hät­te. Sie saug­ten Bewe­gun­gen schnel­ler auf, als sich die­se bil­den konn­ten, wur­den durch Tscher­no­byl nach oben gespült und voll­zo­gen dann spä­tes­tens ab 1989 eine schar­fe Wen­de nach rechts.

Anfangs wur­de mit den Grü­nen das glei­che Spiel getrie­ben wie spä­ter mit der Links­par­tei und dann mit der AfD. Gegen sie stan­den »alle demo­kra­ti­schen Par­tei­en«. Und das trug mit Sicher­heit dazu bei, dass die »Neu­en« beson­ders offen gegen­über Stif­tun­gen und Orga­ni­sa­tio­nen waren, die sie nicht als eine Art Paria behan­del­ten, sich geschmei­chelt und aner­kannt fühl­ten. Auf jeden Fall ist der Ein­fluss diver­ser Ein­flüs­te­rer stark, ob sie nun WEF oder Atlan­tik-Brü­cke heißen.

Die ers­te Lan­des­re­gie­rung mit grü­ner Betei­li­gung gab es in Hes­sen 1985, und sie hat­te genau einen grü­nen Minis­ter, Josch­ka Fischer, der vor allem als »Turn­schuh­mi­nis­ter« auf­fiel. Koali­ti­ons­part­ner war die SPD unter Hol­ger Bör­ner, der zuvor bei den Aus­ein­an­der­set­zun­gen um eine wei­te­re Start­bahn für den Frank­fur­ter Flug­ha­fen die Sache noch mit der Dach­lat­te hat­te regeln wol­len. 18 Mona­te spä­ter zer­brach die­se Koali­ti­on an der Atompolitik.

Neben­bei: Natür­lich stand hin­ter der Ableh­nung der Atom­kraft in Deutsch­land auch die Ableh­nung einer nuklea­ren Bewaff­nung der BRD und das wäh­rend des Kal­ten Krie­ges immer prä­sen­te Wis­sen, dass es zwar Stell­ver­tre­ter­krie­ge an allen Ecken der Welt geben moch­te, eine direk­te Kon­fron­ta­ti­on zwi­schen den bei­den Blö­cken aber ein prä­de­sti­nier­tes Schlacht­feld hat­te und mit einem Auf­ein­an­der­pral­len zwei­er deut­scher Armeen begin­nen wür­de. (Inzwi­schen ist bekannt, wie knapp die Welt die­sem Schick­sal ent­ron­nen ist und wie rea­lis­tisch die­se Furcht damals war, und eigent­lich müss­te die Gegen­wart sie wie­der zurückbringen.)

Irgend­wie kam immer etwas völ­lig ande­res her­aus, als ange­kün­digt wor­den war, wenn die Grü­nen irgend­wo in der Regie­rung waren. Die Wäh­ler, die 1998 die ers­te rot-grü­ne Bun­des­re­gie­rung unter Ger­hard Schrö­der an die Macht brach­ten, woll­ten Frie­den und eine sozia­le­re Poli­tik; sie beka­men Bom­ben auf Bel­grad und Hartz IV. Und das war kein Ver­se­hen. Jedes gro­ße grü­ne Vor­ha­ben hat einen Pfer­de­fuß. Min­des­tens einen.

Kata­stro­phen und Notstandsjünger

Die Zwie­späl­tig­keit all des­sen, was unter dem Stich­wort »Öko­lo­gie« läuft, war von Anfang an ange­legt. Da gab es auf der einen Sei­te viel berech­tig­te, auch schar­fe Kri­tik, an Umwelt­ver­schmut­zung, an Phar­ma­kon­zer­nen, an indus­tri­el­ler Land­wirt­schaft. Aber da war auch jenes ver­klär­te, roman­ti­sche, der Moder­ne gegen­über zutiefst feind­li­che Ide­al eines har­mo­ni­schen Land­le­bens, das his­to­risch so nie exis­tiert hat­te. Und das völ­lig über­ging, inwie­weit es gera­de Errun­gen­schaf­ten der Indus­trie­ge­sell­schaft sind, die das Leben nor­ma­ler Bür­ger siche­rer mach­ten. Kana­li­sa­ti­on bei­spiels­wei­se, Elek­tri­zi­tät, bis hin zu jenen seri­el­len Bau­wei­sen, die die Woh­nungs­not der Nach­kriegs­jah­re been­de­ten, lei­der nur vorübergehend.

Umge­setzt wur­de das in den kon­ti­nu­ier­li­chen Schre­cken. Es reich­te nicht, zu sagen, die Welt wird bes­ser, wenn die Emscher nicht mehr fünf Kilo­me­ter gegen den Wind stinkt. Es muss­te der Welt­un­ter­gang sein. Was womög­lich damit zu tun hat, dass der ganz rea­le Schre­cken der wech­sel­sei­tig garan­tier­ten Zer­stö­rung (mutual­ly assu­red des­truc­tion, MAD) in der BRD, wenn auch unbe­wusst, so prä­sent war; jedes neue The­ma muss­te sich dage­gen durch­set­zen; das galt vor allem in der grü­nen Par­tei selbst. Das ist viel­leicht der tiefs­te Umbruch, der mit den Grü­nen in die Poli­tik kam: Bis dahin waren es die posi­ti­ven Fan­ta­sien gewe­sen, die Poli­tik antrie­ben; eine gerech­te­re Gesell­schaft, Zugang zu Bil­dung für alle Kin­der, Auf­he­bung von Arm und Reich – seit­dem gibt es nur noch Welt­un­ter­gän­ge in ver­schie­de­nen Geschmacksrichtungen.

Der Vor­teil der Welt­un­ter­gangs­fan­ta­sien besteht natür­lich dar­in, dass sie über den diver­gie­ren­den Inter­es­sen zu schwe­ben schei­nen, so, wie das einst der Staat oder die Nati­on zu tun schie­nen. Der Wald stirbt, wir wer­den alle ster­ben … Der Atom­müll ist so gefähr­lich, wir wer­den alle ster­ben … Die Glet­scher schmel­zen, wir wer­den alle … Tat­säch­lich hat die­ses dau­er­haf­te Bom­bar­de­ment mit einem Unter­gang nach dem ande­ren dazu geführt, dass die Erkennt­nis, dass es Grup­pen mit völ­lig ent­ge­gen­ge­setz­ten Inter­es­sen in der Gesell­schaft gibt, fast völ­lig aus­ge­löscht ist. Denn immer gibt es irgend­ei­ne dräu­en­de Kata­stro­phe, hin­ter der eigent­lich alles ande­re zurück­ste­hen muss. Kli­ma-Irre wie die »Letz­te Gene­ra­ti­on« sind tat­säch­lich schon die zwei­te Gene­ra­ti­on im per­ma­nen­ten Notstandsmodus.

Inzwi­schen ist gut sicht­bar, was das mit der gewöhn­li­chen Demo­kra­tie macht; aber die Durch­set­zung von Poli­tik im Kata­stro­phen­mo­dus ist so all­täg­lich gewor­den, auch in ande­ren Par­tei­en, von der Ren­ten­re­form bis zu Coro­na, dass all die­se Schrit­te wahr­ge­nom­men wer­den, als wäre es kei­ne Poli­tik, kein Rin­gen zwi­schen unter­schied­li­chen Grup­pen um die Durch­set­zung der jewei­li­gen Inter­es­sen, son­dern immer nur die Ver­mei­dung eines noch grö­ße­ren Übels, die Abwen­dung eines wei­te­ren Unter­gangs. Carl Schmitt hät­te sei­ne Freu­de an die­ser Methode.

Erst­ver­öf­fent­li­chung am 02.07.2022 auf RT DE, über­nom­men von frei​den​ker​.org

Bild: Pix­a­bay

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