Chi­na und der Ukrai­ne­krieg – Arti­kel­se­rie zu Chi­na Teil XIV

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Dies ist der vier­zehn­te Teil einer umfas­sen­den auf meh­re­re Tei­le ange­leg­ten Arti­kel­se­rie von Jan Mül­ler über Chi­na. Beinhal­ten wird die Serie fol­gen­de Teile:

  1. Das alte Chi­na (plus Einleitung)
  2. Die Ent­ste­hung des Kapi­ta­lis­mus in Chi­na und die Ers­te Chi­ne­si­sche Revolution
  3. Die Zwei­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on (1925 – 27)
  4. Die KPCh wird Gue­ril­la­be­we­gung (1928 – 1945)
  5. Der Chi­ne­si­sche Bür­ger­krieg und die Drit­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on (1945 – 49)
  6. Von der »neu­de­mo­kra­ti­schen« zur sozia­lis­ti­schen Revolution
  7. Im Bünd­nis mit der Sowjet­uni­on (1949 – 60)
  8. Gro­ßer Sprung nach vor­ne, Bruch mit der Sowjet­uni­on und Kul­tur­re­vo­lu­ti­on: Der Hoch­mao­is­mus (1958 – 69)
  9. Umkehr der Alli­an­zen und Drei-Wel­ten-Theo­rie: Der Spät­mao­is­mus (1969 – 78)
  10. Ers­te Etap­pe der Wirt­schafts­re­for­men und Putsch­ver­such (1978 – 89)
  11. Chi­na im Zeit­al­ter des Neo­li­be­ra­lis­mus (1989 – 2008)
  12. Klei­ner Wohl­stand und neue Sei­den­stra­ße (ab 2008)
  13. Chi­na und Corona
  14. Chi­na und der Ukrainekrieg
  15. Schluss­fol­ge­run­gen über den Cha­rak­ter Chinas

Die Arti­kel­se­rie als Bro­schü­re mit wei­te­ren Anhän­gen, Lite­ra­tur­ver­zeich­nis und wei­ter­füh­ren­der Lite­ra­tur kann man unter fol­gen­dem Link her­un­ter­la­den: Chi­na: Ein lan­ger Weg – wohin?

Chi­na und der Ukrainekrieg

Chi­na stand zu Beginn des Jah­res 2020 im Faden­kreuz einer inten­si­ven Kam­pa­gne, die von Straf­zöl­len über Sank­tio­nen und Boy­kot­ten, einer tech­no­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung, Ver­haf­tun­gen von Spit­zen­per­so­nal in west­li­chen Län­dern, mili­tä­ri­schen Pro­vo­ka­tio­nen, diplo­ma­ti­scher Erpres­sung, einem gna­den­lo­sen Wett­rüs­ten bis zu unun­ter­bro­che­ner Medi­en­het­ze1 reichte.

Zudem wur­de in US-Thinktanks die Mög­lich­keit ven­ti­liert, so genann­te eth­ni­sche Bio­waf­fen zu schaf­fen, also Waf­fen, die nur Han-Chi­ne­sen oder Groß­rus­sen töten wür­den. Die­se Besorg­nis wur­de dadurch ver­stärkt, dass die zahl­rei­chen Aus­brü­che von ver­hee­ren­den Vieh­seu­chen in den Jah­ren vor 2020 nach chi­ne­si­schen Anga­ben fast mit Sicher­heit von den USA her­vor­ge­ru­fen wur­den. Es fand also ver­mut­lich schon eine bio­lo­gi­sche Kriegs­füh­rung statt.2 In Chi­na gab es zudem die Besorg­nis, dass auch das SARS-CoV2-Virus vom Wes­ten in Chi­na aus­ge­bracht wur­de, um das Land ins Cha­os zu stürzen.

Ande­rer­seits arbei­tet Chi­na mit Russ­land in ver­schie­de­nen For­ma­ten eng zusam­men, so zum Bei­spiel im BRICS-Club und der Shang­hai­er Orga­ni­sa­ti­on für Zusam­men­ar­beit SOZ. Im Febru­ar 2022 ver­ein­bar­ten bei­de Län­der eine Aus­wei­tung des gegen­sei­ti­gen Handels.

Den­noch ver­langt der Wes­ten, dass sich Chi­na den Sank­tio­nen im Febru­ar und März 2022 ver­häng­ten Sank­tio­nen gegen Russ­land anschließt und er droht sei­ner­seits mit Sekun­där­sank­tio­nen gegen Chi­na. Der Wes­ten könn­te zum Bei­spiel die Lie­fe­rung von Mikro­pro­zes­so­ren unter­bin­den, was Chi­na emp­find­lich tref­fen würde.

Aber ein Erfolg die­ser Anstren­gun­gen ist unwahr­schein­lich: Soll­te es dem Wes­ten gelin­gen, Russ­land in die Knie zu zwin­gen und des­sen Wirt­schaft zu zer­stö­ren, was ja nach Aus­sa­ge von Außen­mi­nis­te­rin Anna­le­na Baer­bock Ziel der Sank­tio­nen ist, wäre der Wes­ten so stark, dass er vor Kraft kaum noch lau­fen könn­te. Er wür­de sich dann mit aller Macht auf Chi­na stür­zen. Es liegt also im lang­fris­ti­gen Inter­es­se auch der chi­ne­si­schen Kapi­ta­lis­ten­klas­se, Russ­land in jeder Bezie­hung beizustehen.

Die bekann­te chi­ne­si­sche Mode­ra­to­rin Liu Xin bringt die Unver­schämt­heit des Wes­tens auf den Punkt: »Can you help me fight your fri­end, so that I can con­cen­tra­te on fight­ing you later?«

Als Fol­ge des Wirt­schafts­krie­ges des Wes­tens dürf­te der Han­del zwi­schen Russ­land und Chi­na stark zuneh­men. Russ­land wird jetzt Öl- und Gas­pipe­lines nach Chi­na bau­en und so vie­le Roh­stof­fe wie mög­lich in Chi­na abset­zen. Denn der Wes­ten hat sich spä­tes­tens mit dem Raub der rus­si­schen Zen­tral­bank­gel­der als unzu­ver­läs­sig und wort­brü­chig erwie­sen. Chi­ne­si­sche Fir­men wie­der­um könn­ten zumin­dest teil­wei­se die­je­ni­gen west­li­chen Fir­men erset­zen, die Russ­land nun ver­las­sen haben. Für Russ­land beson­ders inter­es­sant sind der Ver­kauf und die Pro­duk­ti­on von Autos, Unter­hal­tungs­elek­tro­nik und Indus­trie­an­la­gen. In vie­len Fäl­len kön­nen west­li­che Pro­duk­te ohne oder nur mit mode­ra­ten Qua­li­täts­ein­bu­ßen durch chi­ne­si­sche ersetzt werden.

Es ist fast unnö­tig zu erwäh­nen, dass der Han­del zwi­schen Russ­land und Chi­na nun in Rubel und Yuan abge­wi­ckelt wird und zwar mit­tels alter­na­ti­ven Inter­bank-Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­men, die SWIFT umge­hen und wo die USA noch nicht ein­mal mit­le­sen können.

Chi­na wäre so weit­aus blo­cka­de­fes­ter, denn in die­sem Fall müss­ten deut­lich weni­ger stra­te­gi­sche Roh­stof­fe durch die Stra­ße von Malak­ka, die die USA pro­blem­los schlie­ßen kön­nen. Der chi­ne­si­sche Yuan könn­te sich zu einer Welt­wäh­rung ent­wi­ckeln. Russ­land wie­der­um könn­te durch den Han­del mit Chi­na einen gro­ßen Teil der vom Wes­ten geplan­ten wirt­schaft­li­chen Schock­wel­len abfan­gen. Die bei­den Län­der rücken also enger zusammen.

Aller­dings wird Chi­na auf­grund sei­ner über­le­ge­nen Wirt­schafts­macht der ent­schei­den­de Part der Alli­anz sein. Russ­land wird sich gezwun­gen sehen, chi­ne­si­sche Posi­tio­nen etwa zu Tai­wan und den Inseln im Süd­chi­ne­si­schen Meer zu über­neh­men. Aller­dings wird Russ­land ver­su­chen, sei­ne guten Bezie­hun­gen zu Viet­nam und Indi­en soweit es geht auf­recht zu erhalten.

Russ­land und Chi­na sind gegen­wär­tig noch von west­li­chen Mikro­pro­zes­so­ren abhän­gig. Nach Mei­nung von rus­si­schen geo­po­li­ti­schen Ana­lys­ten wür­de es sich anbie­ten, die For­schungs­an­stren­gun­gen in die­sem Bereich zu ver­ei­nen. Auch in der Flug­zeug­indus­trie könn­ten bei­de Län­der enger zusam­men­ar­bei­ten. Ob Chi­na hier­zu bereit ist, ist frei­lich völ­lig offen. Schließ­lich geht es ja auch um zukünf­ti­ge Pro­fi­te auf dem Welt­markt in beträcht­li­cher Größenordnung.

Für Euro­pa frei­lich bleibt lang­fris­tig kaum noch Öl und Gas aus Russ­land übrig. Die geplan­te Sojus-Wos­tok-Pipe­line wür­de von den west­si­bi­ri­schen Gas­fel­dern direkt nach Chi­na füh­ren. Die­se Gas­fel­der ver­sor­gen bis­her Euro­pa. Wenn der alte Kon­ti­nent über­haupt Ersatz fin­den kann, dürf­te dann das Gas wesent­lich teu­rer wer­den, was die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der euro­päi­schen Wirt­schaft wesent­lich beein­träch­ti­gen würde.

Ver­wei­se

1 Sie­he dazu Teil XII hie­si­ger Artikelserie.

2 Jochen Mit­sch­ka: War­um Chi­na an einen Biowf­fen­an­griff glaubt, Ken­FM – Stand­punk­te, 09.07.2020, im Inter­net: https://​ken​fm​.de/​c​o​r​o​n​a​-​w​a​r​u​m​-​c​h​i​n​a​-​a​n​-​e​i​n​e​n​-​b​i​o​w​a​f​f​e​n​a​n​g​r​i​f​f​-​g​l​a​u​b​t​-​v​o​n​-​j​o​c​h​e​n​-​m​i​t​s​c​h​ka/, abge­ru­fen am 02.04.2021. Aus Kuba kamen vor Jah­ren ähn­li­che Vorwürfe.

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