Deutschlands Kriegserklärung

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Sevim Dagdelen von der Linkspartei hat völlig recht, wenn sie den Bundestagsbeschluss zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine als faktische Kriegserklärung Deutschlands an Russland betrachtet.

Allerdings gibt es beschwichtigende Stimmen, die behaupten, dass dieser Beschluss primär Symbolpolitik sei. So sei der Luftabwehrpanzer Marder veraltet und schwer zu bedienen. Allerdings ist der ebenfalls beschlossene Ringtausch, also die Lieferung von hunderten T‑72-​Panzern osteuropäischer NATO-​Mitglieder an die Ukraine im Tausch gegen moderne deutsche Panzer wie dem Leopard 2 von einem anderen Kaliber. Hunderte oder tausende zusätzliche Panzer in der Ukraine können durchaus einen Unterschied machen.

Auch aus symbolischen Gründen ist diese Kriegserklärung verheerend. 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unternimmt Deutschland ganz offiziell einen erneuten Versuch, die russische Staatlichkeit zu vernichten. Das sagen sie inzwischen auch so. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock will die russische Wirtschaft ruinieren, die EU setzt auf einen Siegfrieden über Russland.

Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte ursprünglich Bedenken gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine. Dies könnte – wie er zu Recht bemerkte – in den Dritten Weltkrieg führen. Umso erschreckender ist die Tatsache, dass Scholz seine Position noch nicht einmal eine Woche lang aufrecht erhalten konnte. Medien wie der Spiegel organisierten bereits den Sturz des »unentschlossenen« Bundeskanzlers durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Indem Scholz sich an die Spitze der ganz großen Waffenlieferungskoalition setzte, konnte er die reale Drohung einer neuen CDU/​CSU-​Grüne-​FDP-​Regierung abwenden. Allerdings um den möglichen Preis der Beendigung der deutschen Staatlichkeit. Im Angesicht des drohenden atomaren Infernos solche Machtspielchen zu treiben ist erbärmlich.

Die Medien haben Scholz vor sich hergetrieben und die übergroße Kriegskoalition aus CDU/​CSU-​SPD-​FDP-​Grüne geschmiedet. Sie taten das, weil sie die US-​Amerikanischen und nicht mehr die deutschen Interessen vertreten. Die USA haben in den letzten Jahren Redaktionen und Politik mit ihren Einflussagenten durchsetzt. Aber sie konnten das nur, weil es keine deutsche Bourgeoisie mehr gibt. Diese hätte schon darauf geachtet, dass Medien und Politiker die eigenen und nicht fremde Interessen vertreten. Aber die Regierung Schröder hat die »Deutschland AG«, den deutschen Monopolkomplex aufgelöst. Ähnliches passierte in anderen westlichen Ländern. Alle wichtigen europäischen Industriebetriebe gehören jetzt US-​Amerikanischen Schattenbanken wie Blackrock, Vanguard und State Street. Für diese wiederum sind ihre deutschen Beteiligungen nicht so wichtig. Die Schattenbanken gehorchen vielmehr den Wünschen der mächtigsten US-​Kapitalisten, den Gates, Musk, Bezos und Co. Das alles hat dazu geführt, dass die USA auch im Binnenverhältnis zu ihren Vasallen um ein Vielfaches mächtiger sind als noch vor etwa 20 Jahren.

US-​Verteidigungsminister Lloyd Austin erklärte auf dem Kriegsrat in Ramstein Ende April 2022, man werde »Himmel und Erde« in Bewegung setzten, um Russland zu besiegen. Das ist ein klarer Strategiewechsel von einem Abnutzungskrieg gegen Russland hin zu einem Weltkrieg.

Zu diesem Zweck wird ständig weiter eskaliert und provoziert. Nach Angaben des Journalisten Pepe Escobar waren es die USA und nicht die Ukraine, die den russischen Raketenkreuzer Moskwa versenkt haben. Auch in Transnistrien, einer abtrünnigen Teilrepublik Moldawiens, zündeln sie wie verrückt. Der Zeitpunkt ist nicht mehr fern, wo russische Raketen nicht nur Ziele in der Ukraine, sondern auch deren Nachschubeinrichtungen in NATO-​Ländern treffen können. Das hat Putin bereits angekündigt. Im Unterschied zu westlichen Politikern blufft er grundsätzlich nicht, sondern meint genau das, was er sagt. Dann wäre mit einem Mal der Bündnisfall da und der Westen würde ganz offiziell in den Krieg gegen Russland eintreten. Dieser Krieg würde fast mit Sicherheit zu einem Nuklearkrieg eskalieren.

Die USA sind offenbar grundsätzlich nicht bereit, auch nur einen relativen Bedeutungsrückgang zu akzeptieren. Eher würden sie die Welt mit sich in den Abgrund reißen. Sie haben jedoch gute Gründe zu glauben, dass sie einen Nuklearkrieg überleben können, während ihre Konkurrenten Europa, Russland und China total vernichtet werden. Warum? Die Modernisierung der US-​Atomwaffen ist abgeschlossen. Sie können problemlos Präzisions- und Enthauptungsschläge gegen russische Kommandozentralen ausführen. Russland kann dagegen nichts unternehmen und noch nicht einmal mit gleicher Münze heimzahlen. Denn die USA haben seit den 80er Jahren, seit der Zeit des berühmten SDI-​Programms, ihre Raketenabwehr ständig weiterentwickelt. Sie sind jetzt in der Lage, jeden Raketenstart zu detektieren und Interkontinentalraketen, die sich auf ballistischen Bahnen bewegen, mit Abfangraketen abzuschießen. Russland entwickelte als Reaktion auf diese hochentwickelte Raketenabwehr seine Hyperschallwaffen. Darunter befindet sich auch die hyperschallschnelle Interkontinentalrakete Sarmat. Sie wird in einen niedrigen Orbit geschossen und kann überraschend aus jeder Richtung angreifen. Und das in Hyperschallgeschwindigkeit. Dagegen gibt es keine Abwehr. Das Problem: Sarmat befindet sich erst in der Testphase. Entsprechende Waffen stehen Russland noch nicht zur Verfügung, während die US-​Amerikanische Raketenabwehr und ultrapräzise Sprengköpfe schon längst operativ sind. Deshalb macht es für die USA Sinn, jetzt anzugreifen und nicht erst später, wenn Russland besser gerüstet sein wird.

Nach unterschiedlichen Schätzungen kann die US-​Raketenabwehr bis zu 80 Prozent der anfliegenden Sprengköpfe zerstören. Zwar würden durch einen Atomkrieg auch in den USA große Verwüstungen angerichtet werden und auch ein nuklearer Winter ist möglich. Aber der US-​Staat als Instrument der herrschenden Klasse dürfte weiterbestehen. Wir wissen ja inzwischen, dass die heutigen Kapitalisten auf die Überlebensinteressen ihrer Bevölkerungen nicht mehr die geringste Rücksicht nehmen. Nach einem solchen Krieg und der Phase des nuklearen Winters von vielleicht 10 Jahren hätten die USA die tatsächliche Weltherrschaft erlangt und wären für Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende unangreifbar. Erst dann können die Pläne der westlichen Oligarchen wie Gates und Schwab für einen Great Reset, den großen Neustart, durchgesetzt werden und das bei einer wesentlich verringerten Weltbevölkerung, die deren feuchten Träumen nahe kommen dürfte.

Unter diesen Umständen ist es für die USA rational, ihre Verbündeten, besonders aber die BRD als die stärkste europäische Macht maximal niederzudrücken und zu demütigen. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie gegen die zerstörerische US-​Politik nicht aufmucken. Diesem Zweck diente unter anderen der provokativ ohne jede Konsultation der Bundesregierung angesetzte Kriegsrat auf der US-​Basis Ramstein. Diesem Zweck dienen auch die ständigen Beleidigungen und Drohungen des Ukraine-​Botschafters Melnyk. Man hat den Eindruck, er und nicht die Bundesregierung übe die tatsächliche Macht im Lande aus. Melnyk kann nur so agieren, weil er von den USA geschützt wird. Ansonsten wäre schon längst seine Abberufung fällig. Diesem Zweck dienen auch die Aktionen der ukrainischen Faschisten in Deutschland wie die ständigen Schändungen sowjetischer Kriegsdenkmäler. Diesem Zweck dient auch das Trommelfeuer der Russophobie, die ständig von den Medien geschürt wird und bis zum ordinären Rassismus reicht.

Was tun? Nur eine starke Friedensbewegung könnte – vielleicht – an dieser verzweifelten Situation etwas ändern. Aber auch nur dann, wenn es in den USA, dem Herz der Finsternis, eine solche Bewegung gäbe.

Das Corona-​Narrativ hat gezeigt, dass es knapp zwei Jahre gedauert hat, bis eine starke Bewegung gegen seine Zumutungen zustande kam. Die Menschen kommen mit der brutalen Propaganda und den schroffen Wendungen der Politik einfach nicht mehr mit. Um eine starke soziale Bewegung zu schaffen, muss man sich erst mal von der Propaganda befreien, diese widerlegen, sich organisieren und aufklären. Dafür braucht man Jahre. Gegenwärtig bewegt sich die Politik im Rhythmus der militärischen Operationen mit einem Zeithorizont von Wochen und bestenfalls Monaten. Das ist viel zu schnell für die Menschen.

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