Für ein neutrales und souveränes Österreich

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Es ist eine Ehre für mich, hier für die Freie Linke zu sprechen, eine Gruppe, die sich im letzten Jahr gegründet hat als Zusammenschluss von Menschen, die der Überzeugung sind, dass eine Kritik am autoritären Corona‐​Regime gerade auch von Seiten der politischen Linken notwendig ist. Während die Maßnahmen des Corona‐​Regimes in letzter Zeit gelockert wurden, ist der schon länger andauernde Konflikt in der Ukraine durch den russischen Einmarsch zu einem tobenden Krieg im ganzen Land geworden.

Und wie auch in der sogenannten Corona‐​Krise gesellt sich zur Eskalation der Maßnahmen auch eine Eskalation der Rede, aber mit einem Unterschied: Denn während in den USA, den EU‐​Staaten und Russland in ziemlich ähnlicher Weise im Namen der Pandemiebekämpfung ein autoritäres Kontrollregime errichtet wurde, das teilweise noch immer fortgesetzt wird, so scheinen die Regierungen dieser Staaten nun auf entgegengesetzten Seiten zu stehen, wenn es um den Konflikt in der Ukraine geht. Man spricht darüber, dass man eigentlich nur Frieden in der Ukraine will, aber gleichzeitig behauptet man, dieser Frieden sei nur dann durchsetzbar, wenn die eigene Seite den Krieg gewinnt. Und weil das hier eben beide Seiten für sich behaupten, führt es zu einer immer weiteren Aufrüstung, zu einer immer weiteren Eskalation des Krieges, zu immer mehr Toten und Verletzten, zu einer immer weiteren Zerstörung der Ukraine und zu einer immer weiteren Vertiefung ihrer inneren Konflikte.

Und auch das eigentlich neutrale Österreich beteiligt sich hier mit einer Politik, die nicht gerade zur Deeskalation des Konflikts beiträgt, zwar nicht mit Waffenlieferungen wie die EU und viele andere Länder, aber nichtsdestoweniger mit einer Lieferung von Kriegsmaterial, mit einem Wirtschaftskrieg gegen Russland, und mit einem durch hohe Geldstrafen geahndetem Verbot, russische Staatsmedien zu verbreiten, als betriebe nur der russische Staat Kriegspropaganda und die westlichen Staaten nicht. So wie man beim Coronavirus immer nur Geld ins Überwachungssystem gesteckt hat, ohne das Gesundheitssystem auszubauen, so hat man jetzt viel Geld dafür, das Militär aufzurüsten. Die Belastungen durch Sanktionen und die steigenden Energiepreise, für welche der Krieg auch als Vorwand benutzt wird, führen dazu, dass das Volk die Kosten für imperialistische Interessen der herrschenden Klasse tragen muss.

Ähnlich wie in der Corona‐​Krise verengt sich die Berichterstattung der meisten großen Medien in einer Weise, dass schon vor einer Analyse feststeht, wer gut ist und wer böse, was richtig ist und was falsch, obwohl man in der Zeit davor zumindest einigermaßen differenziert über die gleichen Themen berichtet hat. Alle Unsicherheiten, alle Zweifel werden mit dem Feind assoziiert, denn im nun wieder ausufernden Schwarz‐​Weiß‐​Denken ist kein Platz für Graubereiche. Schon wer die Kriegstreiberei auf allen Seiten kritisiert, wird mitunter als Agent Putins dargestellt, obwohl er für dieselbe Position in Russland wohl schon als Landesverräter gelten würde. Mit aller Kraft versucht man uns glauben zu machen, als hätten Joe Biden, Ursula van der Leyen, Karl Nehammer oder Wolodymyr Selenskyj nicht viel mehr mit Wladimir Putin gemeinsam als mit uns.

Aus lauter Sorge vor dem Einfluss der russischen Regierung in Österreich ordnet man sich lieber gleich dem Einfluss der US‐​Regierung, der NATO und der EU unter. Und weil es sich gezeigt hat, dass es zu unbeliebt wäre, die Neutralität Österreichs offiziell aufzugeben, so besinnt man sich doch wieder nur auf die althergebrachte Tradition der österreichischen Regierungen, die Neutralität in einer Weise auszuhöhlen, dass am Ende nur mehr der Name übrigbleibt. Sogar die Teilnahme an einer EU‐​Eingreiftruppe gilt für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Bundespräsident Alexander van der Bellen als mit der Neutralität vereinbar. Aber diese Auflösung der Neutralität Österreichs schadet am Ende nur dem österreichischen Volk selbst. Erinnern wir uns zurück an die Zeit des Kalten Krieges, als in Österreich die Lage deutlich entspannter war als in den NATO‐​Staaten, nicht obwohl, sondern gerade weil es sich nicht in einem Block gegen die Sowjetunion befand. Und die Auflösung der Neutralität Österreichs schadet auch den Menschen in den Kriegsgebieten dieser Welt, wenn Kriegstreiberei und Eskalationslogik als alternativlos dargestellt werden.

Lassen wir uns nicht in dieses trügerische Versprechen von Sicherheit ein, in dem es außerhalb von großen Militärblöcken keinen Platz gibt! Stellen wir uns gegen diese angebliche Selbstverständlichkeit, mit der die Neutralität Österreichs inhaltlich abgeschafft wird, und setzen wir uns stattdessen ein für ein souveränes Österreich, das sich nicht einer oder mehreren Großmächten dieser Welt unterwirft, sondern im Gegensatz dazu die Großmächte zu Verhandlungen bringt! Setzen wir uns dafür ein, dass die Länder Europas zwischen Russland und dem Atlantik einen von Miltärblöcken jeglicher Ausrichtung unabhängigen Status anstreben und für Frieden zwischen Washington und Moskau sorgen, statt im Krieg zwischen Westen und Osten zerstört zu werden, wie es derzeit mit der Ukraine geschieht!

Denn der eigentliche Gegensatz verläuft nicht entlang irgendeiner festgelegten geographischen oder kulturellen Grenze, sondern zwischen Unten und Oben, zwischen Arm und Reich, zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern!

Hoch die internationale Solidarität!

Rede von Christoph Hammer für die Freie Linke Österreich, gehalten am 23.04.2022. Hier eine Videoaufzeichnung:

2 thoughts on “Für ein neutrales und souveränes Österreich

  1. Ein Kommentar nach fast einem Jahr:

    Ich bin mittlerweile davon abgekommen, Souveränität für ein sinnvolles politisches Konzept zu halten und denke sogar, dass ein Staat entweder neutral oder souverän sein kann, aber nicht beides. Leider streichen gerade die Überschriften des Artikels und die des Videos (welche beide nicht von mir stammen) gerade jene Aspekte heraus, die ich mittlerweile für am wenigsten wichtig halte, weil sie rein einen Staatsstandpunkt wiedergeben und den Feind externalisieren.

    Die ersten 4 Absätze unterstütze ich aber weiterhin vorbehaltlos, den vorletzten Satz sicherlich sogar noch mehr als letztes Jahr. Leider scheinen mir bei Friedensdemonstrationen in Österreich genau diese innen‐ und klassenpolitischen Aspekte oft etwas unterzugehen in lauter Völkerrecht und Geopolitik.

    Und bitte nicht falsch verstehen: Ich werde kommenden Morgen bei der Demonstration gegen die Rede von Selenskyj im österreichischen Parlament dabeisein, auch wenn mir der Aufruf eigentlich fast schon zu nationalistisch ist.

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