Die Lin­ke hat ver­sagt? Vor­wärts! Raus aus dem Netz der Zer­mür­bungs­dis­kur­se! Soli­da­risch in eine bes­se­re Welt!

Lese­zeit10 min

Pro­blem­um­rah­mung

Die­ser Ideen­bei­trag knüpft an den berech­tig­ten kri­ti­schen Mag­Ma-Arti­kel von Wil­fried Schwetz mit dem Titel »Lin­ke und Coro­na: Wie konn­te das pas­sie­ren? Und was ist die Auf­ga­be einer Frei­en Lin­ken?« (1) und den eben­falls im Mag­ma erschie­ne­nen Text »War­um hat die Lin­ke in der Coro­na­kri­se ver­sagt?« (2) von Jan Mül­ler an.

Wäh­rend Schwetz die Kol­la­bo­ra­ti­on der »Lin­ken« mit der tota­li­tä­ren glo­ba­len Covid-Agen­da beklagt und eine „popu­lä­re Bewe­gung aus der Brei­te der Bevöl­ke­rung“ als Visi­on einer selbst­be­wuss­ten und eman­zi­pier­ten Pro­gram­ma­tik in den Raum stellt, taucht Jan Mül­ler in die his­to­ri­sche Patho­ge­ne­se der »Lin­ken« ein um am Ende ähn­lich wie Schwetz das Ziel zu defi­nie­ren, »die­je­ni­gen Grup­pen zu über­zeu­gen, die schon vor 2020 zu den Ver­lie­rern des Neo­li­be­ra­lis­mus gehört haben und zwar Arbei­ter, Pre­kä­re und Arme«.

Die­se zukunfts­per­spek­ti­vi­schen Ansät­ze ver­die­nen es in eine Kon­kre­ti­sie­rung gegos­sen zu wer­den. Denn was die »Lin­ke« in den letz­ten Jahr­zehn­ten wahr­lich nicht ver­mis­sen ließ, war es, Men­schen auf­grund getä­tig­ter Aus­sa­gen sprach- und moral­po­li­zei­lich einem Poli­ti­cal-Cor­rect­ness-Scan zu unter­zie­hen, wobei die Gesell­schafts­struk­tur auf ver­ti­ka­ler Ebe­ne (öko­no­mi­sche Ver­tei­lungs­fra­gen) immer wei­ter aus dem Blick­feld gera­ten ist. Als Ergeb­nis die­ser Ent­wick­lung hat sich eine dis­kurs­prä­gen­de Lin­ke aus ato­mi­sier­ten, mate­ri­ell abge­si­cher­ten, von Exis­tenz­nö­ten befrei­ten Indi­vi­du­en her­aus­ge­bil­det, wel­che unter dem Dach des Post­ma­te­ria­lis­mus (Stre­ben nach ent­ma­te­ria­li­sier­ten höhe­ren Idea­len wie Gesund­heit, Glück, Kul­tur, Ver­wirk­li­chung, Umwelt- und Tier­schutz etc.) eine von den mate­ri­el­len Exis­tenz­sor­gen der pre­ka­ri­sier­ten Bevöl­ke­rungs­schich­ten ent­frem­de­te neue ideo­lo­gi­sche Hei­mat gefun­den haben. Die­se post­ma­te­ria­lis­ti­sche Iden­ti­täts­lin­ke ver­folgt nach Jan Mül­ler eine »Läu­te­rungs­agen­da, die sich vor allem um die Her­stel­lung des mora­lisch Guten dreht«.

Klar wird an die­sem Punkt, wie­so die Covid-Maß­nah­men­po­li­tik die post­ma­te­ria­lis­ti­sche Denk­ma­trix der Iden­ti­täts­lin­ken der­ma­ßen erfolg­reich und ver­ein­nah­mend trig­gern konn­te. Denn die Covid-Agen­da ist gespickt mit post­ma­te­ria­lis­ti­schen Wer­te­fel­dern: Gesund­heit, Soli­da­ri­tät, Nächs­ten­lie­be, gewürzt mit jeder Men­ge Heroi­sie­rungs­se­man­tik: »Lass dich imp­fen – ret­te Leben!«, »Tra­ge die Mas­ke! Schüt­ze die Risi­ko­grup­pen!«, »Schau auf dich! Schau auf mich!«

Es ist ein his­to­ri­scher Weck­ruf, eine Selbst­ver­wirk­li­chungs­chan­ce, ja eine Lebens­auf­ga­be für Post­ma­te­ria­lis­ten auf die­sen Zug auf­zu­sprin­gen, aus dem Schat­ten der läh­men­den Ato­mi­sie­rung zu tre­ten und die­sen his­to­ri­schen Auf­trag, sich hero­isch für das mora­lisch Gute ein­set­zen zu dür­fen, soli­da­risch mit den Genoss*Innen im über­le­bens­wich­ti­gen Kampf gegen die schwurb­le­ri­sche, rechts­extre­me Gefahr des in öko­no­misch und zukunfts­per­spek­ti­visch in Exis­tenz­not gera­te­nen Min­der­pri­vi­le­gier­ten zu erfüllen.

Für wei­ter­füh­ren­de und auf­schluss­rei­che Kri­tik an den hier beschrie­be­nen »Lin­ken« möch­te ich an die­ser Stel­le auf die bei­den ein­gangs erwähn­ten Arti­kel ver­wei­sen. In die­sem Arti­kel soll ein posi­ti­ver Schwenk erfol­gen. Die dys­to­pi­sche Kon­sta­tie­rung, die Lin­ke sei ein hoff­nungs­lo­ser Koma­pa­ti­ent, ver­kennt den star­ken ideo­lo­gi­schen Unter­bau lin­ker Bewe­gun­gen und Visio­nen, wel­che Quel­len zur Trans­for­ma­ti­on und zum Aus­bruch aus ver­meint­li­chen dilem­ma­ti­schen Struk­tu­ren bieten.

Bei aller berech­tig­ten Kri­tik an der repres­si­ven und kapi­tal­stär­ken­den Instru­men­ta­li­sie­rung post­ma­te­ria­lis­ti­scher Wer­te, wie sie in der Covid-Cau­sa gesche­hen und die vie­le Life­style-Lin­ke nicht sehen wol­len, ist die Antriebs­sub­stanz der Akteu­re auf der sozia­len Mikroebe­ne im Grun­de genom­men eine posi­ti­ve, auch wenn sie durch ihren unre­flek­tier­ten Gehor­sam zu Erfül­lungs­ge­hil­fen eines aus­beu­te­ri­schen Appa­rats mutiert sind.

Das ist die fata­le Dia­lek­tik des Ist-Zustan­des. Der das Feld des Sag­ba­ren defi­nie­ren­de Iden­ti­täts­lin­ke auf der Mikroebe­ne möch­te im Grun­de etwas Gutes tun, doch ver­kennt er gleich­zei­tig die mikro­fa­schis­ti­sche Ver­kom­men­heit sei­nes Sit­ten­wäch­ter­tums bei­spiels­wei­se in einem öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel, wenn er in einem hys­te­ri­schen Gut­men­schen­an­fall das Tra­gen der Mas­ke ein­mahnt oder maß­nah­men- und aus­beu­tungs­kri­ti­sche Akteu­re mit den noto­ri­schen Stig­ma­wör­tern a la Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker versieht.

Im Meer der all­ge­mei­nen Demo­ra­li­sie­rung und Spal­tun­gen möch­te ich nichts­des­to­trotz den Fokus auf das »Gute« auf indi­vi­du­el­ler Ebe­ne legen. Wel­che tie­fer­lie­gen­den sozi­al­psy­cho­lo­gi­schen Vor­gän­ge könn­ten die Vehe­menz hin­ter dem Maß­nah­men­fe­ti­schis­mus der Life­style-Lin­ken erklären?

Die Hypo­the­se lau­tet: Die Sehn­sucht den Man­tel der ent­frem­den­den Ato­mi­sie­rung end­lich able­gen und sich als Teil eines sinn­stif­ten­den kol­lek­ti­ven Auf­tra­ges begrei­fen zu dürfen.

Das Erfolgs­re­zept der Coro­na-Maß­nah­men­dy­na­mik fußt in der Ein­bet­tung in ein Sys­tem der unmit­tel­ba­ren Ergeb­nis­rück­kopp­lung an die »ver­ant­wor­tungs­vol­len Hel­den«, die sei­tens der Medi­en und der Poli­tik mit den dis­kur­si­ven Ver­dienst­or­den »die Soli­da­ri­schen« oder „Lebens­ret­ter“ aus­ge­zeich­net und mit zu QR-Code-Pri­vi­le­gi­en umde­fi­nier­ten Grund­rech­ten (z.B. Gas­tro­no­mie­be­such) belohnt werden.

Nun ist der gedul­di­ge Leser die­ses Bei­tra­ges an den Punkt ange­langt, an wel­chem die Fra­ge auf­ge­wor­fen wird, wie die­se Sehn­sucht der woken Life­style-Lin­ken (als Vor­zei­ge­bei­spiel), im Diens­te eines Kol­lek­tivs sinn­stif­ten­de Auf­ga­ben wahr­neh­men zu wol­len, ihre Erfül­lung nicht auf Sei­ten der Agen­da des Kapi­tals und des Über­wa­chungs­ka­pi­ta­lis­mus, son­dern der werk­tä­ti­gen Mas­se fin­den kann. Der eine oder ande­re Iden­ti­täts­lin­ke, der den Arti­kel liest, ist ein­ge­la­den sich über fol­gen­de Aus­füh­run­gen Gedan­ken zu machen und sich einer frei­en, per­spek­ti­vi­schen Lin­ken anzuschließen.

Was kann die Freie Lin­ke tun?

Für Akteu­re einer neu­en und der Frei­en Lin­ken bedeu­tet dies, per­spek­ti­vi­scher zu agie­ren und Men­schen zu inspi­rie­ren. Es gilt den Men­schen Tools für eine huma­ne Zukunft zu prä­sen­tie­ren. Klingt abge­dro­schen und uto­pisch? Keineswegs!

Wenn man Uto­pie als Ergeb­nis von Ein­grif­fen in vie­le Berei­che des Lebens begrei­fen kann, dann wäre der ers­te Ein­griff aus dem Netz der Zer­mür­bungs­dis­kur­se auszubrechen.

Denn die Struk­tur der poli­ti­schen Dis­kur­se ist fol­gen­der­ma­ßen auf­ge­baut: Gespal­ten in Frak­tio­nen kommt es zu pro­pa­gan­dis­tisch zer­mür­ben­den Wort­ge­fech­ten, Ent­po­li­ti­sie­run­gen und Per­so­na­li­sie­run­gen der Sach­ver­hal­te, sodass unter dem Strich eine Reduk­ti­on auf Gute-Böse-Gegen­sät­ze erfolgt. Anstatt in die Tie­fe zu gehen und genui­ne Ursa­chen­for­schung für sozio­po­li­ti­sche Ent­wick­lun­gen zu betrei­ben, kommt es all­zu häu­fig zu pola­ri­sie­ren­den Lagerbildungen.

Einer Frei­en Lin­ken soll­te es bewusst wer­den, dass sie auch frei von reak­ti­ven Vor­ge­hens­wei­sen und somit los­ge­löst von der Rol­le als Gegen­pol zur dis­kur­si­ven Geg­ner­schaft, neu­ar­ti­ge Ope­ra­ti­ons­mo­di schaf­fen kann.

Da wären wir beim zwei­ten Ein­griff: Info­ti­sche auf der Stra­ße auf­bau­en und den zukunfts­ge­stal­te­ri­schen Dis­kurs mit der Basis anstoßen.

Dar­un­ter ist nicht bloß das Ver­tei­len von Infor­ma­ti­ons­ma­te­ri­al zu ver­ste­hen, son­dern ein Ideen­aus­tausch in Koope­ra­ti­on mit den Adres­sa­ten der Kam­pa­gnen selbst, wie man die Gesell­schaft der Zukunft nach der Teue­rungs­kri­se, die eine noch nie dage­we­se­ne Umver­tei­lung von unten nach oben mar­kie­ren wird, auf­bau­en kann. Es gilt den Men­schen Anhalts- und Anknüp­fungs­punk­te für die Zeit danach zu präsentieren.

Akteu­re einer Frei­en Lin­ken könn­ten sich in diver­sen Arbeits­grup­pen Gedan­ken über alter­na­ti­ve öko­no­mi­sche Kon­zep­te machen und bereits eta­blier­te soli­dar­öko­no­mi­sche Model­le bewerben.

Modell­bei­spie­le

Aus­gangs­punkt könn­te in etwa das Pare­con-Modell, das in den 80ern und 90ern vom poli­ti­schen Akti­vis­ten Micha­el Albert und dem Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler Robin Hahn­el ent­wi­ckelt wur­de, sein. (3) (4)

Pare­con – par­ti­zi­pa­to­ri­sche Öko­no­mie, ein Wirt­schafts­mo­dell, das auf den Grund­wer­ten Gerech­tig­keit, Selbst­be­stim­mung, Soli­da­ri­tät, Viel­falt, Effi­zi­enz und öko­lo­gi­sches Gleich­ge­wicht fußt, ermög­licht Arbeit­neh­mern Ent­schei­dun­gen in Selbst­ver­wal­tung zu tref­fen. Mit Bedacht zeit­ge­nös­si­scher Ent­wick­lun­gen (mas­si­ve Preis­stei­ge­run­gen, Arbeits­platz­ver­lust, kein Aus­kom­men mit dem Ein­kom­men) wer­den Rest­be­stän­de der markt­wirt­schaft­li­chen Ver­hei­ßung, durch Arbeits­kraft Pri­vat­ei­gen­tum auf­bau­en zu kön­nen, zu Gra­be getra­gen. Die markt­wirt­schaft­li­che Logik, die beim Eigen­nutz der Men­schen ansetzt, wird durch die mas­si­ve Teue­rungs- und (sub­ti­le) Ent­eig­nungs­wel­le, wel­che die Mas­sen erfas­sen wird, ad absur­dum geführt.

Die Auf­ga­be für eine Freie Lin­ke wäre es die­sen Aspekt auf­zu­grei­fen und den Men­schen ein Wirt­schafts­mo­dell zu prä­sen­tie­ren, das auf Soli­da­ri­tät und Zusam­men­halt fußt. Beim Pare­con-Modell gehö­ren die Pro­duk­ti­ons­mit­tel der Gemein­schaft, was ein Mit­ein­an­der vor­aus­setzt. Wei­te­re Prin­zi­pi­en sind selbst­be­stimm­te Pro­du­zen­ten- und Kon­su­men­ten­rä­te, aus­ge­gli­che­ne Tätig­keits­bün­del (Mischung von anspruchs­vol­len und unan­ge­neh­men Rou­ti­ne­ar­bei­ten: die Kluft zwi­schen Arbei­ter- und Koor­di­na­to­ren­klas­se wird dadurch auf­ge­ho­ben) und par­ti­zi­pa­to­ri­sche Planung.

Auf­grund der dro­hen­den Mas­sen­ver­ar­mung und Arbeits­markt­kri­se wird der Ruf nach einem soli­da­ri­schen Mit­ein­an­der unwei­ger­lich lau­ter wer­den – nicht bloß auf Arbeitnehmer‑, son­dern auch auf Arbeitgeberebene.

Ein Best Prac­ti­ce-Bei­spiel für eine par­ti­zi­pa­to­ri­sche Öko­no­mie bie­tet das genos­sen­schaft­li­che Mond­ra­gon-Modell im bas­ki­schen Bil­bao, das die größ­te Genos­sen­schaft der Welt dar­stellt. (5) (6) (7) (8)

Die Mond­ra­gon-Genos­sen­schaf­ten, zu denen mehr als 100 Unter­neh­men ver­schie­dens­ter Sek­to­ren wie Maschi­nen­bau, Auto­mo­bil­in­dus­trie, Haus­halts­ge­rä­te, Bau­in­dus­trie, Ein­zel­han­del, Ban­ken und Ver­si­che­run­gen gehö­ren, sind im bas­ki­schen Mond­ra­gon aus einer Kri­se her­aus ent­stan­den (Spa­ni­scher Bür­ger­krieg). Zudem ver­eint die­ser Genos­sen­schafts­kom­plex über ein Dut­zend Tech­no­lo­gie­zen­tren und eini­ge Aus­bil­dungs­zen­tren (z.B. eine Fach­hoch­schu­le) unter sei­nem Dach. Das Mond­ra­gon-Modell ist im Prin­zip ein auto­poie­ti­sches Sys­tem, das inmit­ten einer kapi­ta­lis­ti­schen Hege­mo­nie seit über 65 Jah­ren erfolg­reich wirt­schaf­tet, über 75 Tau­send Men­schen beschäf­tigt und jähr­lich Umsät­ze im zwei­stel­li­gen Mil­li­ar­den­be­reich erzielt.

Die Arbei­ter sind am Grund­ka­pi­tal des genos­sen­schaft­li­chen Unter­neh­mens­ver­bun­des betei­ligt, wer­den in die Ent­schei­dun­gen des Füh­rungs­per­so­nals durch demo­kra­ti­sche Abstim­mungs­pro­zes­se ein­ge­bun­den und erle­ben ein Arbeits­um­feld, in wel­chem das Kapi­tal der Arbeit unter­ge­ord­net ist. Die Ein­zel­ge­nos­sen­schaf­ten aus ver­schie­dens­ten wirt­schaft­li­chen Bran­chen ste­hen in einem Koope­ra­ti­ons­ver­hält­nis. Sie sind in ein Netz der Inter­ko­ope­ra­ti­on ein­ge­bet­tet und arbei­ten auf den Gebie­ten Finan­zie­rung, Sozi­al­ver­si­che­rung, Forschung&Entwicklung und Schulung/​Ausbildung zusam­men. Soll­te eine Teil­ge­nos­sen­schaft in wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten gera­ten, wer­den die Mit­ar­bei­ter von ande­ren Teil­ge­nos­sen­schaf­ten zur Über­brü­ckung über­nom­men. Die erwirt­schaf­te­ten Erlö­se flie­ßen zurück an die Mit­ar­bei­ter. Im Unter­schied zu kapi­ta­lis­ti­schen Fir­men fehlt hier die Ergeb­nis­rück­kopp­lung an die Mit­ar­bei­ter nicht. Die Gewin­ne gehen nicht an die Share­hol­der, son­dern an die Mit­ar­bei­ter selbst. Ein beträcht­li­cher Anteil der Gewin­ne (über 65%) wird reinves­tiert. Neben der Gewinn­be­tei­li­gung steht es den Mit­ar­bei­tern auch frei ein­zel­ne Teil­ge­nos­sen­schaf­ten in finan­zi­el­len schwie­ri­gen Pha­sen durch Lohn­ein­bus­sen unter die Arme zu grei­fen. Die Gehalts­so­li­da­ri­tät ist ein Basis­prin­zip des Unter­neh­mens, das durch eine gerin­ge Gehalts­sprei­zung cha­rak­te­ri­siert ist.

Die Mana­ger ver­die­nen maxi­mal das Acht­fa­che eines Arbei­ters. Zum Ver­gleich: ein Mana­ger in einem Dax-Kon­zern ver­dient das 50-fache eines Arbei­ters. Mond­ra­gon för­dert die sozia­le, mate­ri­el­le und indi­vi­du­el­le Ent­wick­lung sei­ner Mit­ar­bei­ter. Nicht nur das, ein Teil der Gewin­ne fließt als Soli­dar­bei­trag in die ört­li­che Gemeinde.

Die Basis­prin­zi­pi­en des Genos­sen­schafts­kom­ple­xes las­sen sich also wie folgt darstellen:

  1. Offe­ner Zugang und Neutralität
  2. Demo­kra­ti­sche Organisation
  3. Sou­ve­rä­ni­tät der Arbeit
  4. Unter­ord­nung des Kapitals
  5. Par­ti­zi­pa­ti­ves Management
  6. Gehalts­so­li­da­ri­tät
  7. Inter­ko­ope­ra­ti­on der Teilgenossenschaften
  8. Sozia­le Transformation
  9. Uni­ver­sa­li­tät
  10. Erzie­hung (Aus­bil­dung)

Da die­se Genos­sen­schaft, wie erwähnt, aus einer Kri­se her­aus ent­stan­den ist, sind die Vor­aus­set­zun­gen in der his­to­ri­schen Jetzt­zeit also ide­al für eine Aus­brei­tung des Genos­sen­schafts­mo­dells auf ande­re Gebie­te der Welt. Die aktu­el­len Kri­sen­dy­na­mi­ken und die sys­te­mi­sche Ver­fei­ne­rung des aus­beu­te­ri­schen Repres­si­ons­ap­pa­ra­tes ent-uto­pi­sie­ren ein Stück weit die­se Uto­pie und könn­ten Mensch und Unter­neh­men für solch ein Empower­ment-Modell emp­fäng­li­cher machen, da es sowohl der immer gra­vie­ren­der wer­den­den Macht­asym­me­trie zwi­schen Kapi­tal und Arbeit als auch der fata­len Ato­mi­sie­rung des Indi­vi­du­ums entgegenwirkt.

Ein wei­te­rer Ein­griff in die­sem Zusam­men­hang könn­te sich somit der­art gestal­ten, dass in den ein­zel­nen Arbeits­grup­pen ein reger Aus­tausch über Zukunfts­mo­del­le erfolgt und Stra­te­gien ent­wi­ckelt wer­den, wie man inter­es­sier­te Men­schen und Unter­neh­men in geschaf­fe­nen Aus­tausch­fo­ren zusam­men­brin­gen und Kon­zep­te wie Pare­con und Mond­ra­gon vor­stel­len könnte.

Die Zeit ist reif für ein genu­in soli­da­ri­sches Mit­ein­an­der. Die Not wird unwei­ger­lich Fra­gen auf­wer­fen und Men­schen offe­ner für alter­na­ti­ve, Sicher­heit, Schutz und Wert­schät­zung schen­ken­de zwi­schen­mensch­li­che und sys­te­mi­sche Kon­zep­te machen, für Kon­zep­te fern von Mikro­fa­schis­men, fern der Reduk­ti­on auf das nack­te Leben (Gior­gio Agam­ben) und als Gegen­ge­wicht zu einem über­grif­fi­gen bio­po­li­ti­schen und ent­mach­ten­den Überwachungskapitalismus.

Lasst uns das Den­ken neu den­ken und aus der zer­mür­ben­den Spi­ra­le der Reak­ti­on und des Ener­gie­ver­schlei­ßes im aus­sichts­lo­sen Kampf gegen die Ratio­na­li­täts­ko­lo­ni­sie­rung aus­bre­chen und empor­stei­gen – wie ein roter Phö­nix aus der Asche!

Ver­wei­se

  1. Wil­fried Schwetz (2022): Lin­ke und Coro­na: Wie konn­te das pas­sie­ren? Und was ist die Auf­ga­be einer Frei­en Lin­ken?, im Inter­net: https://​mag​ma​-maga​zin​.su/​m​a​g​m​a​/​2​0​2​2​/​0​4​/​l​i​n​k​e​-​u​n​d​-​c​o​r​o​n​a​-​w​i​e​-​k​o​n​n​t​e​-​d​a​s​-​p​a​s​s​i​e​r​e​n​-​u​n​d​-​w​a​s​-​i​s​t​-​d​i​e​-​a​u​f​g​a​b​e​-​e​i​n​e​r​-​f​r​e​i​e​n​-​l​i​n​ken, abge­ru­fen am 04.04.2022.
  2. Jan Mül­ler (2022): War­um hat die Lin­ke in der Coro­na­kri­se ver­sagt?, im Inter­net: https://​mag​ma​-maga​zin​.su/​m​a​g​m​a​/​2​0​2​2​/​0​4​/​w​a​r​u​m​-​h​a​t​-​d​i​e​-​l​i​n​k​e​-​i​n​-​d​e​r​-​c​o​r​o​n​a​k​r​i​s​e​-​v​e​r​s​a​gt/, abge­ru­fen am 05.04.2022
  3. Micha­el Albert (2010): Why Par­ti­ci­pa­to­ry Eco­no­mics?, im Inter­net: https://​zcomm​.org/​z​m​a​g​a​z​i​n​e​/​w​h​y​-​p​a​r​t​i​c​i​p​a​t​o​r​y​-​e​c​o​n​o​m​i​c​s​-​b​y​-​m​i​c​h​a​e​l​-​a​l​b​e​rt/, abge­ru­fen am 05.04.2022
  4. at: Eine Ein­füh­rung in das Kon­zept der par­ti­ci­pa­to­ry eco­no­mics – Pare­con, im Inter­net: https://​www​.anar​chis​mus​.at/​t​e​x​t​e​-​a​n​a​r​c​h​i​s​m​u​s​/​a​l​t​e​r​n​a​t​i​v​e​-​o​e​k​o​n​o​m​i​e​/​6​0​9​5​-​e​i​n​e​-​e​i​n​f​u​e​h​r​u​n​g​-​i​n​-​d​a​s​-​k​o​n​z​e​p​t​-​d​e​r​-​p​a​r​t​i​c​i​p​a​t​o​r​y​-​e​c​o​n​o​m​i​c​s​-​p​a​r​e​con, abge­ru­fen am 05.04.2022
  5. Kon­trast Redak­ti­on (2021): Eines der größ­ten Unter­neh­men Spa­ni­ens gehört sei­nen Arbei­tern, die Genos­sen­schaft von Mond­ra­gon, im Inter­net: https://​kon​trast​.at/​m​o​n​d​r​a​g​o​n​-​g​e​n​o​s​s​e​n​s​c​h​a​f​t​-​b​a​s​k​e​n​l​a​nd/, abge­ru­fen am 05.04.2022
  6. Chris­ti­an Kase­rer (2019): Eine Repor­ta­ge aus dem Bas­ken­land: Huma­ni­ty at work, im Inter­net: https://​www​.volks​stim​me​.at/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​b​l​o​g​/​i​t​e​m​/​3​4​3​-​e​i​n​e​-​r​e​p​o​r​t​a​g​e​-​a​u​s​-​d​e​m​-​b​a​s​k​e​n​l​a​n​d​-​h​u​m​a​n​i​t​y​-​a​t​-​w​o​r​k​.​h​tml, abge­ru­fen am 05.04.2022
  7. Achim Brand (2018): Mond­ra­gon – 60 Jah­re Coope­ra­ti­ve im Bas­ken­land Spa­ni­en, Attac Mün­chen, im Inter­net: https://​www​.you​tube​.com/​w​a​t​c​h​?​v​=​F​m​o​q​h​D​E​W​hCI, abge­ru­fen am 04.04.2022
  8. Astrid Haf­ner (2009): Genos­sen­schaft­li­che Rea­li­tät im bas­ki­schen Mond­ra­gon. In: Mat­ters­bur­ger Kreis für Ent­wick­lungs­po­li­tik an den öster­rei­chi­chen Uni­ver­si­tä­ten (Hrsg.), Soli­da­ri­sche Öko­no­mie zwi­schen Markt und Staat. Gesell­schafts­ver­än­de­rung oder Selbst­hil­fe? Wien: Man­del­baum Ver­lag, 43 – 64, im Inter­net: https://www.mattersburgerkreis.at/dl/OOOsJMJKOkJqx4KooJK/JEP‑3 – 2009_AUINGER_Solidarische-_konomie-zwischen-Markt-und-Staat-Gesellschaftsver_nderung-oder-Selbsthilfe.pdf, abge­ru­fen am 04.04.2022

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