Die Zwei­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on (1925 – 27) – Arti­kel­se­rie zu Chi­na Teil III

Lese­zeit10 min

Dies ist der drit­te Teil einer umfas­sen­den auf meh­re­re Tei­le ange­leg­ten Arti­kel­se­rie von Jan Mül­ler über Chi­na. Beinhal­ten wird die Serie fol­gen­de Teile:

  1. Das alte Chi­na (plus Einleitung)
  2. Die Ent­ste­hung des Kapi­ta­lis­mus in Chi­na und die Ers­te Chi­ne­si­sche Revolution
  3. Die Zwei­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on (1925 – 27)
  4. Die KPCh wird Gue­ril­la­be­we­gung (1928 – 1945)
  5. Der Chi­ne­si­sche Bür­ger­krieg und die Drit­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on (1945 – 49)
  6. Von der »neu­de­mo­kra­ti­schen« zur sozia­lis­ti­schen Revolution
  7. Im Bünd­nis mit der Sowjet­uni­on (1949 – 60)
  8. Gro­ßer Sprung nach vor­ne, Bruch mit der Sowjet­uni­on und Kul­tur­re­vo­lu­ti­on: Der Hoch­mao­is­mus (1958 – 69)
  9. Umkehr der Alli­an­zen und Drei-Wel­ten-Theo­rie: Der Spät­mao­is­mus (1969 – 78)
  10. Ers­te Etap­pe der Wirt­schafts­re­for­men und Putsch­ver­such (1978 – 89)
  11. Chi­na im Zeit­al­ter des Neo­li­be­ra­lis­mus (1989 – 2008)
  12. Klei­ner Wohl­stand und neue Sei­den­stra­ße (ab 2008)
  13. Chi­na und Corona
  14. Chi­na und der Ukrainekrieg
  15. Schluss­fol­ge­run­gen über den Cha­rak­ter Chinas

Die Arti­kel­se­rie als Bro­schü­re mit wei­te­ren Anhän­gen, Lite­ra­tur­ver­zeich­nis und wei­ter­füh­ren­der Lite­ra­tur kann man unter fol­gen­dem Link her­un­ter­la­den: Chi­na: Ein lan­ger Weg – wohin?

Die Zwei­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on (1925 – 27)

Die Volks­be­we­gung nahm 1919 einen neu­en Auf­schwung. Am 4. Mai die­ses Jah­res demons­trier­ten Stu­den­ten in Peking gegen die erneu­te Demü­ti­gung Chi­nas durch die West­mäch­te auf der Ver­sailler Frie­dens­kon­fe­renz, wo die ehe­mals deut­schen Besit­zun­gen in Chi­na Japan zuge­spro­chen wur­den. Die Pro­tes­te rich­te­ten sich auch dage­gen, dass die Regie­rung dies pas­siv hin­nahm. Nach Mas­sen­ver­haf­tun­gen kam es zu Streiks der Arbei­ter und Kauf­leu­te. Die Bewe­gung des vier­ten Mai war noch ohne jeden mar­xis­ti­schen Ein­fluss.[1]

Das offi­zi­el­le Grün­dungs­da­tum der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Chi­nas KPCh ist der 23. Juli 1921. An die­sem Tag fand in Schang­hai der ers­te Par­tei­tag statt. Die Dele­gier­ten ver­tra­ten 57 Mit­glie­der. Zu die­sen Grün­dungs­de­le­gier­ten gehör­te auch Mao Tse-tung, damals noch Biblio­the­kar in Peking. Die Par­tei ent­stand unter dem Ein­fluss der Rus­si­schen Revo­lu­ti­on von 1917. Das Pro­gramm war noch sehr all­ge­mein gehalten.

Die KPCh war ohne Vor­läu­fer in sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en. Ihre Mit­glie­der hat­ten zunächst kei­ne Erfah­rung in poli­ti­scher Arbeit und auch nur rudi­men­tä­re Kennt­nis­se des Mar­xis­mus. Zu die­sem Datum waren nur ganz weni­ge Schrif­ten von Marx, Engels und Lenin ins Chi­ne­si­sche über­setzt wor­den.[2]

Aller­dings begann der Ein­fluss der KPCh unter dem Ein­fluss anstei­gen­der Klas­sen­kämp­fe zu wach­sen. So streik­ten im Janu­ar 1922 See­leu­te in Hong Kong, wobei sich der Streik zu einem Gene­ral­streik aus­wei­te­te. Die­ser Streik ende­te mit einem vol­len Erfolg für die Arbeiter.

Der am 1. Mai 1922 tagen­de 1. All­chi­ne­si­sche Arbei­ter­kon­gress ver­trat 300.000 Arbeiter.

Im August 1923 schlug der Kom­in­tern-Beauf­trag­te Maring (Hen­ryk Sneevliet) auf einer Sit­zung des Zen­tral­ko­mi­tees der KPCh vor, dass alle KP-Mit­glie­der in die Kuom­in­tang ein­tre­ten sol­len. Die KMT sei eine Alli­anz der revo­lu­tio­nä­ren Kräf­te und kei­ne bür­ger­li­che Par­tei. Ihre Stär­ke müs­se aus­ge­nutzt wer­den. Es gab zwar Wider­spruch in der KPCh gegen die­sen Vor­schlag, aber Maring bezie­hungs­wei­se die Kom­in­tern setz­te sich durch. Denn ihr Sta­tut ermög­lich­te es, in die ein­zel­nen Par­tei­en hineinzuregieren.

Am Anfang war die von Maring und der Kom­in­tern­füh­rung betrie­be­ne Poli­tik des Ein­tritts in die KMT wohl noch prag­ma­ti­scher Natur. Das änder­te sich bin­nen kur­zem und die Füh­rung Stalin/​Bucharin mach­te hier­aus eine Prin­zi­pi­en­fra­ge. Denn nach Mei­nung von Sta­lin habe die chi­ne­si­sche Bour­geoi­sie die Füh­rungs­rol­le in der ers­ten Etap­pe der Chi­ne­si­schen Revo­lu­ti­on inne. Des­halb müs­se gegen­wär­tig alles ver­mie­den wer­den, was die­se Bour­geoi­sie erschre­cken könn­te.[3]

Die­ses ste­ri­le Sche­ma stimm­te natür­lich nicht mit der Wirk­lich­keit über­ein. In der Zeit auf­stei­gen­der Arbeits­kämp­fe und Akti­vi­tät mach­te das Pro­le­ta­ri­at eine schar­fe Links­wen­dung, die Bour­geoi­sie wand­te sich spie­gel­bild­lich nach rechts. Aus­ge­rech­net in die­ser Zeit wur­de die KPCh genö­tigt, in einer bour­geoi­sen Orga­ni­sa­ti­on zu wir­ken. De fac­to brems­te die KP damit die kom­men­de Revo­lu­ti­on ab, anstatt sie voranzutreiben.

Der am 1. Mai 1925 tagen­de 2. Natio­na­le Arbei­ter­kon­gress ver­trat bereits 540.000 Mit­glie­der. Es wur­de die Grün­dung des All­chi­ne­si­schen Gewerk­schafts­bun­des und sein Bei­tritt zur Roten Gewerk­schafts­in­ter­na­tio­na­le beschlossen.

Als eigent­li­cher Beginn der Zwei­ten Chi­ne­si­schen Revo­lu­ti­on gilt die Bewe­gung des 30. Mai 1925. In einer japa­ni­schen Spin­ne­rei in Schang­hai war eini­ge Tage vor­her ein Arbei­ter wäh­rend eines Streiks von den Japa­nern erschos­sen wor­den. Kurz dar­auf wur­den 8 Per­so­nen von aus­län­di­schen Mari­ne­sol­da­ten in Tsa­ng­tao erschos­sen. Als Reak­ti­on gab es in Schang­hai am 30. Mai 1925 mas­si­ve Stu­den­ten­de­mons­tra­tio­nen. Die Poli­zei der aus­län­di­schen Sett­le­ments schoss auf die Demons­tran­ten und die­se Sze­nen wie­der­hol­ten sich in den fol­gen­den Tagen. Dut­zen­de von toten Demons­tran­ten blie­ben auf dem Pflas­ter. Die­ses Mas­sa­ker lös­te einen wochen­lan­gen Streik der Arbei­ter, Stu­den­ten und Kauf­leu­te aus. Eine Streik­wel­le ging durch das gan­ze Land.

In Hong Kong wur­den Wirt­schaft und Han­del erneut durch einen Gene­ral­streik still­ge­legt. 50.000 Arbei­ter führ­ten eine Blo­cka­de durch. Sie errich­te­ten einen Streik­de­le­gier­ten­rat und Keim­for­men der Arbei­ter­macht: Es gab bewaff­ne­te Streik­pos­ten und eine eige­ne Gerichts­bar­keit. Die­ser Streik dau­er­te 16 Monate.

Der Streik der Kauf­leu­te ende­te in Schang­hai am 20. Juni 1925. Denn als die impe­ria­lis­ti­sche Sett­le­ments­bour­geoi­sie die Strom­zu­fuhr zu den chi­ne­si­schen Betrie­ben unter­bre­chen ließ, um die chi­ne­si­schen Kapi­ta­lis­ten zum Nach­ge­ben zu zwin­gen, lenk­ten die­se auch prompt ein und ver­sag­te den Arbei­tern jede wei­te­re Hilfe.

Die KP wuchs in die­sen Tagen sehr schnell. Im Janu­ar 1925 hat­te sie 995 Mit­glie­der gehabt, im Novem­ber die­ses Jah­res bereits 10.000. Die neu­en Mit­glie­der waren größ­ten­teils Arbei­ter. Gleich­zei­tig wur­de auch der Ein­fluss der KPCh in der KMT grö­ßer, was die Bour­geoi­sie mit gro­ßer Sor­ge betrach­te­te. Sie befürch­te­te, dass sich die KP unter dem Ein­fluss der revo­lu­tio­nä­ren Aktio­nen der Arbei­ter gegen sie wen­den wür­de. In der KMT hat­te sich des­halb ein rech­ter Flü­gel gebil­det, die soge­nann­te West­berg­kon­fe­renz­grup­pe, gegen den die KMT-Füh­rung nur halb­her­zig vor­ging. Chiang Kai-shek war der star­ke Mann der rech­ten KMT.

Unter einem Vor­wand putsch­te Chiang am 20. März 1926 in Kan­ton. Alle kom­mu­nis­ti­schen Polit­kom­mis­sa­re sei­ner Ein­heit wur­den ver­haf­tet, die Büros des Kan­ton-Hong­kong-Streik­ko­mi­tees gestürmt und die Waf­fen beschlag­nahmt, Kom­mu­nis­ten und lin­ke KMT­ler ver­haf­tet, die sowje­ti­schen Bera­ter unter Haus­ar­rest gestellt. Die lin­ke KMT setz­te ihm kei­nen Wider­stand entgegen.

Anschlie­ßend setz­te Chiang Kai-shek auf einer Ple­nar­sit­zung des Zen­tral-Exe­ku­tiv Komi­tees ZEK der KMT einen Beschluss gegen die Kom­mu­nis­ten durch:

  • Die Kom­mu­nis­ten durf­ten Sun Yat-sen und sei­ne Prin­zi­pi­en nicht mehr kritisieren
  • Sie muss­ten dem stän­di­gen Aus­schuss des ZEK der KMT eine Lis­te mit allen Kom­mu­nis­ten übergeben.
  • KP-Mit­glie­der durf­ten maxi­mal ein Drit­tel in den Stadt‑, Pro­vinz und zen­tra­len Gre­mi­en ausmachen.
  • Sie durf­ten nicht als Lei­ter von Par­tei- und Regie­rungs­ab­tei­lun­gen fungieren.
  • Alle Instruk­tio­nen des ZK der KPCh muss­ten einem gemein­sa­men Komi­tee bei­der Par­tei­en zur Zustim­mung vor­ge­legt werden.
  • KMT-Mit­glie­der, die nicht bereits Mit­glie­der der KPCh waren, durf­ten die­ser nicht mehr beitreten.

Chiang Kai-shek wur­de auf die­ser Sit­zung zum Vor­sit­zen­den der KMT und Kom­man­deur des Nord­feld­zugs bestimmt.[4]

Trotz die­ser demü­ti­gen­den Beschlüs­se ver­lang­te die Kom­in­tern, dass die KPCh wei­ter­hin der KMT wir­ke. Sie wur­den als inter­ne Ange­le­gen­heit der KMT akzep­tiert und in der Pres­se der Kom­in­tern, zum Bei­spiel der Inpre­korr, tot­ge­schwie­gen.

Die KMT hat­te einen Feld­zug gegen die War­lords im Nor­den beschlos­sen, der im Som­mer 1926 begann und zu bedeu­ten­den Erfol­gen führ­te. Hier­an hat­te die KPCh einen erheb­li­chen Anteil. Denn vor den Trup­pen berei­te­ten ihre Agi­ta­to­ren den Boden für eine erfolg­rei­che Tätig­keit der Armee vor. Sie nutz­ten ihre Tätig­keit jedoch nicht für das Vor­an­trei­ben der Revolution.

Der Nord­feld­zug ver­stärk­te den bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ven Cha­rak­ter der KMT. Sie führ­te kei­ner­lei Ver­bes­se­run­gen der Lage der Arbei­ter und Bau­ern durch. Wäh­rend der Zeit der Nord­ex­pe­di­ti­on waren Streiks ver­bo­ten. Ent­ge­gen den Ver­spre­chun­gen führ­te die KMT noch nicht ein­mal eine Pacht­be­schrän­kung durch. Das war nicht ver­wun­der­lich, da ein gro­ßer Teil der Offi­zie­re der Nord­ar­mee aus Groß­grund­be­sit­zern bestand. Im Ver­lauf des Nord­feld­zu­ges wur­den die Armeen vie­ler klei­ne­rer War­lords in die Armee Tschiang Kai-scheks ein­ge­glie­dert. Die­se waren weit über­wie­gend selbst Grund­her­ren.[5]

Die KPCh ori­en­tier­te nicht auf die Orga­ni­sie­rung von Sol­da­ten­zel­len. Statt­des­sen wur­den ent­spre­chend der Anwei­sung der Kom­in­tern kom­mu­nis­ti­sche Zel­len aus Kom­man­deu­ren gebil­det, denen die Auf­nah­me von ein­fa­chen Sol­da­ten ver­bo­ten war. Die Par­tei lehn­te im Juli 1926 auch eine Land­auf­tei­lung ab. Ledig­lich eine Pacht­sen­kung soll­te pro­pa­giert werden.

Der­weil wuchs die Stär­ke der Arbei­ter­klas­se wei­ter. Die Ent­wick­lung lief ohne und teil­wei­se gegen die KPCh ab. Die Arbei­ter for­der­ten nicht nur höhe­re Löh­ne, son­dern auch Kon­troll­rech­te im Betrieb. Der All­chi­ne­si­sche Gewerk­schafts­bund wuchs auf 3.065.000 Mitglieder.

Auch die Mit­glied­schaft der KPCh nahm noch zu und zwar von 30.000 im Juli 1926 auf 57.963 im April 1927. Trotz die­ser sehr posi­ti­ven Ent­wick­lung einer­seits und bedroh­li­chen Vor­zei­chen ande­rer­seits bestand Sta­lin unnach­gie­big dar­auf, dass die Mit­glie­der der KPCh in der KMT ver­blie­ben und sich ihrer Dis­zi­plin unter­ord­ne­ten. Die KMT war sogar als sym­pa­thi­sie­ren­de Orga­ni­sa­ti­on in die Kom­in­tern auf­ge­nom­men worden.

Die zwei­te Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on ent­schied sich in Schang­hai. Das dor­ti­ge Pro­le­ta­ri­at hat­te drei Auf­stän­de hin­ter­ein­an­der durch­ge­führt: Am 23. Okto­ber 1926, am 22. Febru­ar 1927 und am 21. März 1927. Die ers­ten bei­den Auf­stän­de konn­ten den loka­len War­lord Sun Chu­an-fang nicht besie­gen. Das gelang erst mit dem drit­ten Auf­stand. Zu die­sem Zeit­punkt befand sich die Armee Chiang Kai-sheks nur weni­ge Kilo­me­ter vor der Stadt. Sie hat­te ihre Kräf­te geschont und den Kampf gegen Sun Chu­an-fang den Arbei­tern über­las­sen, um dann die frei­ge­kämpf­te Stadt betre­ten zu können.

Bereits im Febru­ar 1927 hat­te Chiang eine Repres­si­ons­kam­pa­gne gegen Gewerk­schaf­ten, Stu­den­ten­ver­ei­ni­gun­gen, Bau­ern­ver­bän­de und lin­ke KMT-Orga­ni­sa­tio­nen durch­ge­führt. Am 12. April 1927 und den fol­gen­den Tagen ließ er alle Kom­mu­nis­ten und Gewerk­schaft­ler in Schang­hai von sei­nen Trup­pen abschlach­ten. Es gab meh­re­re 1.000 Tote. Trotz­dem gab es in den fol­gen­den Tagen noch Arbei­ter­de­mons­tra­tio­nen, an denen meh­re­re 100.000 Men­schen teil­nah­men und einen Gene­ral­streik. Aber da nie­mand die Füh­rung über­nahm, muss­te er schei­tern.[6]

Trotz die­ser kata­stro­pha­len Nie­der­la­ge hielt die Kom­in­tern an ihrem Kurs der Zusam­men­ar­beit mit der KMP fest. Angeb­lich wür­de Chiang Kai-shek nicht die gan­ze KMT reprä­sen­tie­ren, son­dern nur 10 Pro­zent. Die Repres­si­ons­po­li­tik wur­de von der »lin­ken« KMT-Regie­rung in Wuhan vor­erst nicht kopiert, also blie­ben die Kom­mu­nis­ten außer­halb des Macht­be­reichs von Chiang Kai-shek in der KMT. Aller­dings einig­te sich die­ser »lin­ke« Flü­gel der KMT bald mit Chiang und am 23. Juli 1927 wur­den Kom­mu­nis­ten und Gewerk­schaft­ler auch in Wuhan mas­sa­kriert. Die Poli­tik der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei war damit voll­kom­men geschei­tert.[7]

Die Ursa­che der Nie­der­la­ge ist nicht eine man­geln­de Durch­füh­rung der Kom­in­tern­be­schlüs­se. Sie lag viel­mehr an der grund­le­gend fal­schen Ana­ly­se der chi­ne­si­schen Situa­ti­on durch die Kom­in­tern­füh­rung. Trotz­ki stellt zurecht fest: »Wenn wir zu Anfang des Nord­feld­zu­ges damit begon­nen hät­ten, in den befrei­ten Gebie­ten Sowjets zu errich­ten (die Mas­sen streb­ten ganz instink­tiv und mit allen Kräf­ten danach), dann hät­ten wir die not­wen­di­ge Basis und den revo­lu­tio­nä­ren Anlauf bekom­men. Wir hät­ten die ein­zel­nen Agrar­auf­stän­de um uns zusam­men­fas­sen, unse­re Armee auf­bau­en und die Armee der Fein­de zer­set­zen kön­nen. Und trotz ihrer Jugend hät­te die chi­ne­si­sche Kom­mu­nis­ti­sche Par­tei unter einer rich­ti­gen Füh­rung der Kom­in­tern in die­sen Aus­nah­me­jah­ren her­an­rei­fen und zur Macht gelan­gen kön­nen, wenn viel­leicht auch nicht gleich in ganz Chi­na, so doch wenigs­tens in einem bedeu­ten­den Teil des­sel­ben. Und was die Haupt­sa­che ist, wir hät­ten eine Par­tei gehabt.«[8]

Als in Chi­na in den Jah­ren von 1925 bis 27 eine wirk­lich revo­lu­tio­nä­re Situa­ti­on exis­tier­te, hat die Kom­in­tern ver­sucht, die Revo­lu­ti­on »abzu­dämp­fen«. Als eine sol­che Situa­ti­on Ende 1927 nicht mehr bestand, befahl sie dage­gen den bewaff­ne­ten Auf­stand! Denn die Kom­in­tern war in ihre drit­te, put­schis­ti­sche Peri­ode ein­ge­tre­ten. Wenig über­ra­schend brach der am 11. Dezem­ber 1927 in Kan­ton begon­ne­ne Auf­stand schon nach eini­gen Tagen zusam­men und es wur­den wie­der tau­sen­de Kom­mu­nis­ten und Arbei­ter abge­schlach­tet.[9]

Die kata­stro­pha­le Poli­tik der Kom­in­tern bewirk­te, dass die Kader der KPCh und der Gewerk­schaf­ten in den Städ­ten ver­nich­tet wur­den. Sie soll­ten in der chi­ne­si­schen Revo­lu­ti­on kei­ne Rol­le mehr spie­len. Aller­dings führ­te der Auf­stand in den Städ­ten auch zu Unru­hen auf dem Lan­de, wie bereits von Trotz­ki ange­spro­chen. Mao Tse-tung, Mit­be­grün­der der KPCh, gelang es schließ­lich, die Bau­ern­schaft in der Par­tei zu orga­ni­sie­ren, als sie in den Städ­ten nicht mehr existierte.

Es bleibt nur die Fra­ge nach Grün­den für die sowje­ti­sche Poli­tik. Die­se kann man nicht erklä­ren ohne die Theo­rie vom Sozia­lis­mus in einem Lan­de. Nach die­ser Erfin­dung Sta­lins, die im völ­li­gen Gegen­satz zu den Ansich­ten von Marx, Engels und Lenin steht, kön­ne der Sozia­lis­mus und sogar der Kom­mu­nis­mus in einem Land auf­ge­baut wer­den. Ande­re Län­der sei­en hier­für nicht not­wen­dig.[10]

Die Sowjet­uni­on brauch­te drin­gend Ver­bün­de­te. Die chi­ne­si­sche Bour­geoi­sie schien Sta­lin offen­bar bes­ser hier­für geeig­net als das chi­ne­si­sche Pro­le­ta­ri­at. Das hat auch der sowje­ti­sche KI-Dele­gier­te Micha­el Boro­din ein­mal offen gegen­über dem Jour­na­lis­ten Lou­is Fischer zuge­ge­ben: Eine erfolg­rei­che Chi­ne­si­sche Revo­lu­ti­on wäre sei­ner Mei­nung nach eine Bür­de und kei­ne Hil­fe für Sowjet­uni­on. Also wur­de sie abge­würgt.[11]

Ver­wei­se

[1] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 41

[2] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 42

[3] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 48, Frank a.a.O., 453f

[4] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 58

[5] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 59

[6] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 65ff

[7] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 68ff

[8] Vgl. Leo Trotz­ki: Die Inter­na­tio­na­le Revo­lu­ti­on und die Kom­mu­nis­ti­sche Inter­na­tio­na­le, Kapi­tel 2, 1928, im Inter­net: https://​www​.mar​xists​.org/​d​e​u​t​s​c​h​/​a​r​c​h​i​v​/​t​r​o​t​z​k​i​/​1​9​2​8​/​k​r​i​t​i​k​/​t​e​i​l​3​a​.​h​t​m​#s2, abge­ru­fen am 04.03.2022

[9] Vgl. Car­dorff a.a.O., S. 80ff

[10] Vgl. Alfred Kosing: „Sta­li­nis­mus“, Ber­lin 2016, S. 290ff

[11] Vgl. Frank a.a.O., S. 477

Bild: Die his­to­ri­sche Stät­te des Grün­dungs­kon­gres­ses der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Chi­nas in Shang­hai (in der ehe­ma­li­gen Fran­zö­si­schen Kon­zes­si­on), heu­te Teil der Denk­mal­lis­te der Volks­re­pu­blik China

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