Ernst Thäl­mann – Geburts­hel­fer eines neu­en Lebens

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Am 18. August 1944 wur­de Ernst Thäl­mann im KZ Buchen­wald wie ein räu­di­ger Hund erschos­sen. Der belieb­te Trans­port­ar­bei­ter aus Ham­burg stand erfolg­reich an der Spit­ze der KPD und des Roten Front­kämp­fer­bunds RFB, bevor er von den Faschis­ten inhaf­tiert, ohne Gerichts­ver­hand­lung mehr als elf Jah­re in Ein­zel­haft gehal­ten und dann ermor­det wurde.

Mit den unsäg­li­chen bür­ger­li­chen und pseu­do­lin­ken Labels »Sta­li­nist« und »mos­kau­hö­rig« wird der cha­ris­ma­ti­sche Thäl­mann oft beschert. Es miss­fällt wohl, dass er eine Epo­che der Arbei­ter­be­we­gung ver­kör­pert, in der Bür­ger­tum, Kapi­ta­lis­mus, Mili­ta­ris­mus und Faschis­mus in arge Bedräng­nis gerie­ten, die sie nur mit bar­ba­ri­scher Repres­si­on abwen­den konn­ten. Das ande­re Deutsch­land, das Thäl­mann und die Kom­mu­nis­ten schaf­fen woll­ten, gab es ab 1949 trotz­dem. Zwei Spiel­fil­me des VEB DEFA unter der Regie von Kurt Maet­zig set­zen die­ser Epo­che und ihrem Reprä­sen­tan­ten ein Denk­mal: Ernst Thäl­mann, Sohn sei­ner Klas­se, DDR 1954, und Ernst Thäl­mann, Füh­rer sei­ner Klas­se, DDR 1955. Sie wur­den rea­li­siert und der Öffent­lich­keit gezeigt, als die 1947 los­ge­tre­te­ne anti­kom­mu­nis­ti­sche, anti­sta­li­nis­ti­sche Pro­pa­gan­da in Euro­pa und den USA hohe Wel­len schlug. Die­ser Dif­fa­mie­rung der kom­mu­nis­ti­schen Bewe­gung und den bür­ger­li­chen Ver­dre­hun­gen und Fäl­schun­gen der Geschich­te setz­te die im Wes­ten per­ma­nent ver­leum­de­te DDR unter ande­rem die bei­den ins­ge­samt vier­stün­di­gen Spiel­fil­me entgegen.

Ein­drück­lich, ergreifend

Es wird hier nicht mit Brechts Ver­frem­dungs­ef­fekt gear­bei­tet, son­dern auf Iden­ti­fi­ka­ti­on und Emo­tio­nen gesetzt, um die edle Sache des alten und welt­wei­ten Arbei­ter­kampfs für Brot, Demo­kra­tie und Men­schen­rech­te, gegen Kapi­ta­lis­mus, Faschis­mus und Krieg zu bekräf­ti­gen und posi­tiv auf­zu­la­den. Auf You­tube sind bei­de in vol­ler Län­ge zu sehen. Plus ver­schie­de­ne ein­drück­li­che und ergrei­fen­de Aus­schnit­te, zum Bei­spiel, als an einer Demo die Poli­zis­ten über­rannt wer­den von den fest geschlos­se­nen Rei­hen der Demons­tran­ten oder als die Ernst-Thäl­mann-Kol­lon­ne im spa­ni­schen Bür­ger­krieg auf das Batal­li­on »Com­mu­ne de Paris« trifft.

Im zwei­tei­li­gen Werk wer­den auch Thäl­mann-Zita­te gefei­ert: »Wir Kom­mu­nis­ten sind Tote auf Urlaub? – Falsch, wir sind Geburts­hel­fer eines neu­en Lebens!«, »Einen Fin­ger kann man bre­chen, aber eine Faust nicht!« oder »An ihrer Ein­stel­lung zur Sowjet­uni­on erkennt man die ech­ten Revo­lu­tio­nä­re!« Aktua­li­siert wür­de der Spruch lau­ten: »An ihrer Ein­stel­lung zu DDR und UdSSR, zu Kuba und Vene­zue­la erkennt man die ech­ten Revo­lu­tio­nä­re.« Trotz Sti­li­sie­run­gen und Idea­li­sie­run­gen zwei gute, inter­es­san­te Fil­me zur Geschich­te der Arbei­ter­be­we­gung des Zwan­zigs­ten Jahrhunderts.

Trans­port­ar­bei­ter

»Ernst Thäl­mann, Trans­port­ar­bei­ter, Ham­burg«, stand auf dem Stimm­zet­tel zur Reichs­prä­si­den­ten­wahl 1932. Wer sei­ne Kon­tra­hen­ten in die­ser Abstim­mung waren und wel­che gesell­schaft­li­che Posi­ti­on sie ein­nah­men, lässt auch ohne genaue­re Kennt­nis der poli­ti­schen Ver­hält­nis­se der dama­li­gen Zeit den Zustand und die Klas­sen­la­ge in der Spät­pha­se der Wei­ma­rer Repu­blik erken­nen: »Paul von Hin­den­burg, Reichs­prä­si­dent, Gene­ral­feld­mar­schall, Ber­lin«, »Adolf Hit­ler, Regie­rungs­rat im braun­schwei­gi­schen Staats­dienst, Mün­chen«. Ein Jahr spä­ter besie­gel­ten der Gene­ral und der Gefrei­te per Hän­de­druck das ter­ro­ris­ti­sche und krie­ge­ri­sche Bünd­nis von Mili­tär, Mono­pol­ka­pi­tal und faschis­ti­scher Mas­sen­par­tei. Da sass der Trans­port­ar­bei­ter bereits seit eini­gen Wochen im Gefäng­nis. Eine inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­täts­be­we­gung setz­te sich für sei­ne Rech­te ein und infor­mier­te die Öffentlichkeit.

Die mythi­sche Figur der Arbei­ter­be­we­gung liess sich offen­bar trotz Fol­ter und Psy­cho­ter­ror nicht ver­ein­nah­men und dazu her­ab, die sozia­lis­ti­sche Revo­lu­ti­on zu ver­ra­ten und Namen, Treff­punk­te, Ver­ste­cke, Aktio­nen und ande­re kom­pro­mit­tie­ren­de Infor­ma­tio­nen preis­zu­ge­ben. Ernst Thäl­mann wur­de im August 1944, nach fast zwölf Jah­ren Ein­zel­haft, hoch­of­fi­zi­ell im KZ Buchen­wald erschos­sen, Hit­ler soll per­sön­lich den Befehl dazu gege­ben haben. Die Nazi-Pro­pa­gan­da ver­brei­te­te Lügen wie er sei bei einem Ter­ror­an­griff auf die Umge­bung von Wei­mar ums Leben gekom­men oder bei einem Bom­ben­an­griff der Alli­ier­ten auf Buchen­wald ums Leben gekommen.

Mas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on

Der unge­lern­te Arbei­ter, gebo­ren am 16. April 1886, war ein Tod­feind einer wirt­schaft­lich-poli­ti­schen Ord­nung, deren wich­tigs­te Prin­zi­pi­en Aus­beu­tung und Gewinn heis­sen, und die dafür täg­lich über Lei­chen geht. Ohne theo­re­ti­sche Aus­bil­dung brach­te es der Auto­di­dakt Thäl­mann 1925 an die Spit­ze der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Unter sei­ner Füh­rung ent­wi­ckel­te sie sich zu einer Mas­sen­or­ga­ni­sa­ti­on, die als ein­zi­ge die kapi­ta­lis­ti­schen Ver­hält­nis­se der Wei­ma­rer Repu­blik ernst­haft in Fra­ge stell­te – die SPD hat­te da mit ihnen schon längst ihren Frie­den gemacht. Die bei­den Arbei­ter­par­tei­en waren ein­an­der spin­ne­feind. Wie sehr, zei­gen die Reichs­prä­si­den­ten­wah­len von 1932. Um den Faschis­ten zu ver­hin­dern, rie­fen die Sozi­al­de­mo­kra­ten zur Wahl des Mon­ar­chis­ten auf. Die KPD hielt dem war­nend ent­ge­gen: »Wer Hin­den­burg wählt, wählt Hit­ler. Wer Hit­ler wählt, wählt Krieg.« Sie soll­te recht behalten.

In sein Herz eingeprägt

Thäl­mann wahr­te auch als Par­tei­vor­sit­zen­der in Ber­lin stets Kon­takt zu sei­ner Hei­mat­stadt und zu den dor­ti­gen Pro­le­ten. Als Zehn­jäh­ri­ger hat­te er den erbit­tert geführ­ten Ham­bur­ger Hafen­ar­bei­ter­streik von Novem­ber 1896 bis Febru­ar 1897 erlebt. Sei­ner Toch­ter schrieb er aus dem Gefäng­nis, der gros­se Hafen­ar­bei­ter­streik in Ham­burg vor dem Krieg sei der ers­te sozi­al­po­li­ti­sche Kampf gewe­sen, der sich für immer in sein Herz ein­ge­prägt habe. Drei­ßig Jah­re spä­ter ver­wei­ger­ten sich die Ham­bur­ger Hafen­ar­bei­ter erneut. Laut Thäl­mann war die­ser Aus­stand ein Signal der Soli­da­ri­tät mit den eng­li­schen Berg­ar­bei­tern, die seit dem 1. Mai 1926 im Streik waren.

Zuerst erschie­nen damian​bug​mann​.ch

Bild: Lit­faß­säu­le mit Film­pla­ka­ten für »Ernst Thäl­mann – Sohn sei­ner Klas­se«, im Hin­ter­grud der Haupt­bahn­hof Leip­zig sowie Passanten

One thought on “Ernst Thäl­mann – Geburts­hel­fer eines neu­en Lebens

  1. Hal­lo,
    Thäl­man ist der fate­len Stra­te­gie eines wahn­sin­ni­gen Sta­lin gefolgt. Was gibt es da schön zu reden. Das die Nazis ihn umbrach­ten ist schreck­lich und traurig.
    Es macht sei­ne poli­ti­sche Hal­tung aller­dings nicht bes­ser. Er war ein ein­fa­cher Arbei­ter, der von Sta­lin übelst miss­braucht wurde.
    Mit bes­ten Grüßen
    Gün­ter Steigerwald

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