Der Faschis­mus über­lebt versteckt

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Nach dem Sieg von Sta­lin­grad im Früh­jahr 1943 ver­folg­te die Rote Armee die deut­sche Impe­ria­lis­ten-Wehr­macht aus­dau­ernd bis nach Ber­lin und erreich­te 1945 ihre bedin­gungs­lo­se Kapi­tu­la­ti­on. Auf den Sieg und die Aner­ken­nung durch die West­al­li­ier­ten folg­ten aber bald Kal­ter Krieg und Konterrevolution.

Er unter­hält mit fas­zi­nie­ren­den Bil­dern, rea­lis­ti­schen Figu­ren und nicht zu dick auf­ge­tra­ge­ner Span­nung und Action: der rus­si­sche Spiel­film Der weis­se Tiger – Die gros­se Pan­zer­schlacht (2012) von Karen Shakhna­za­row. Dar­über hin­aus macht er Aus­sa­gen über den deutsch-euro­päi­schen Faschis­mus und Impe­ria­lis­mus. Die Hand­lung: Obwohl sei­ne Haut fast voll­stän­dig ver­brannt ist, über­lebt der Fah­rer eines sowje­ti­schen Pan­zers den Angriff eines Feu­er spei­en­den, weis­sen deut­schen Pan­zers. Er hat zwar das Gedächt­nis ver­lo­ren, kann dafür aber die Bewe­gun­gen der feind­li­chen Pan­zer vor­aus­se­hen. Zusam­men mit zwei robus­ten, tüch­ti­gen und wit­zig gezeich­ne­ten Schüt­zen hat er den Auf­trag, in einem spe­zi­ell gepan­zer­ten Tank den geheim­nis­vol­len und unver­letz­lich schei­nen­den »wei­ßen Tiger« auf­zu­spü­ren und zu zer­stö­ren. Der taucht bei Pan­zer­schlach­ten über­ra­schend aus dem Nichts auf, zer­stört vie­le sowje­ti­sche Pan­zer, ver­brennt ihre Besat­zun­gen, ver­schwin­det wie­der im Nichts und ver­zö­gert so den sowje­ti­schen Vor­marsch auf Berlin.

Die drei­köp­fi­ge Pan­zer­be­sat­zung und ihr Major kön­nen ihm zwar emp­find­li­che Schä­den zufü­gen, ihn aber nicht unschäd­lich machen. Der nicht fass­ba­re, gefähr­li­che Pan­zer steht für den Faschis­mus, der nicht voll­stän­dig besiegt wor­den ist, der ver­steckt über­lebt und immer wie­der erscheint.

In der Schluss­sze­ne, nach der Kapi­tu­la­ti­on der Deut­schen vom 8. Mai, mono­lo­gi­siert ein stink­rei­cher Faschist in sei­ner Luxus­vil­la über die Nie­der­la­ge des deut­schen Impe­ria­lis­mus, über die bar­ba­ri­schen Rus­sen und Juden und über die Mis­si­on der Nazis. Das Vor­ha­ben, die dunk­len jüdi­schen und sla­wi­schen Mäch­te zu zer­stö­ren, sei nicht gelun­gen, das Vor­ha­ben, das sei­ner Mei­nung nach ganz Euro­pa von Deutsch­land erwar­tet habe. Der Krieg sei zwar vor­bei, aber er sei nor­mal, es wer­de immer wie­der Krieg geben. Das klingt wie die Dro­hung »Freut euch nicht zu früh, wir kom­men wie­der!«. Es ist offen­bar nicht genug, dass mehr als drei­zehn Mil­lio­nen ost­eu­ro­päi­sche Zivi­lis­ten und Kriegs­ge­fan­ge­ne umge­bracht wur­den. Der Film Der wei­ße Tiger zeigt sehr gut die rus­si­sche Sicht auf den andau­ern­den West-Ost-Konflikt.

Stär­kung des Sozia­lis­mus, dann Konterrevolution

Die Sowjet­uni­on hat­te den gröss­ten Anteil am Sieg über die Nazis. Beim Zusam­men­tref­fen der West- und Ost­al­lier­ten an der Elbe kam schon fast eine ver­söhn­li­che Stim­mung auf. Josef Sta­lin, Gene­ral­se­kre­tär des ZKs der KPdSU und Ober­be­fehls­ha­ber der Roten Armee, trat an der Frie­dens­kon­fe­renz von Jal­ta auf der Krim im Novem­ber 1945 als geschick­ter Diplo­mat, gros­ser Staats­mann und gross­zü­gi­ger Gast­ge­ber auf. Die West­al­li­ier­ten akzep­tier­ten, dass Polen sozia­lis­tisch blei­ben soll­te und dass die UdSSR in Ost­eu­ro­pa einen Gür­tel von befreun­de­ten Staa­ten gegen west­li­che Angrif­fe bekam – ein Schutz, den die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on nach der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on 1990 ver­lor: Bun­des­wehr und Nato ste­hen weit im Osten, ähn­lich wie 1942 die Wehr­macht und ihre Verbündeten.

Der Feind »Bol­sche­wis­mus« und Russ­land war vom deut­schen Impe­ria­lis­mus nicht besei­tigt, son­dern durch des­sen Zer­stö­rungs- und Aus­rot­tungs­krieg gestärkt wor­den. Die Rote Armee und kom­mu­nis­ti­sche Par­ti­sa­nen fei­er­ten mili­tä­ri­sche Erfol­ge in Euro­pa und Asi­en. Sta­lin und die Sowjet­uni­on waren 1945 als Befrei­er und Ret­ter der euro­päi­schen Zivi­li­sa­ti­on beliebt, Chi­na arbei­te­te an der sozia­lis­ti­schen Revo­lu­ti­on und in Deutsch­land hät­te laut Umfra­gen eine Mehr­heit der kapi­ta­lis­ti­schen Unter­ta­nen die Plan­wirt­schaft der Markt­wirt­schaft vorgezogen.

Zuerst Kriegs­held, dann Monster

In den USA galt Gene­ral­se­kre­tär Josef Sta­lin unter Prä­si­dent Frank­lin D. Roo­se­velt noch als Kriegs­held, unter Har­ry Tru­man als Mons­ter und Mas­sen­mör­der. Der bri­ti­sche Ex-Pre­mier Win­s­ton Chur­chill lan­cier­te 1946 gewich­tig den Begriff des »Eiser­nen Vor­hangs«. Der West­im­pe­ria­lis­mus zeig­te mit der ato­ma­ren Zer­stö­rung und Ver­seu­chung von Hiro­shi­ma und Naga­sa­ki dro­hend sei­ne ver­hee­ren­de Macht. Ab 1947 setz­te er eine gewal­ti­ge anti­kom­mu­nis­tisch-ras­sis­ti­sche Pro­pa­gan­da­ma­schi­ne in Gang. Die­se leug­ne­te die gros­sen Ver­diens­te der Sie­ger von Sta­lin­grad und Befrei­er Ost­eu­ro­pas und mach­te sie zu blut­rüns­ti­gen Unter­drü­ckern, hin­ter­lis­ti­gen Schur­ken und unfä­hi­gen, herz­lo­sen Büro­kra­ten. Von den Nazis muss­te man sich ange­sichts der nicht zu leug­nen­den Ver­bre­chen distan­zie­ren, also muss­te die Sowjet­uni­on min­des­tens eben­so grau­sam dar­ge­stellt werden.

Kon­sum und Geschichtsrevisionismus

Anti­kom­mu­nis­ti­sche Pro­pa­gan­da­fäl­schun­gen allein genüg­ten nicht. Es brauch­te eine def­ti­ge wirt­schaft­li­che Pro­spe­ri­tät mit viel­fäl­ti­gen Kon­sum­an­ge­bo­ten in Deutsch­land und ande­ren Staa­ten, um Poli­ti­ker, Medi­en­schaf­fen­de und eine Bevöl­ke­rungs­mehr­heit in der Tasche zu haben. Eilig muss­te der »Mar­shall-Ret­tungs­plan« her, das »Wirt­schafts­wun­der« wur­de von den USA lan­ciert, die Ber­li­ner Luft­brü­cke insze­niert und der Mythos der Rosi­nen­bom­ber ver­brei­tet. Unab­ding­bar waren im Kal­ten Krieg auch Sabo­ta­ge, Anschlä­ge und Putsch­ver­su­che, geheim­dienst­li­che und mili­tä­ri­sche Offen­si­ven, ato­ma­res Wett­rüs­ten, grau­sa­me Erobe­rungs­krie­ge und Mas­sa­ker wie in Korea, Viet­nam und Indonesien.

Es brauch­te gut vier­zig Jah­re har­te und fie­se Diffamierungs‑, Infil­tra­ti­ons- und Inter­ven­ti­ons­ar­beit bis die impe­ria­lis­ti­schen Mäch­te die Mut­ter der Welt­re­vo­lu­ti­on besei­ti­gen konn­ten, Chi­na wur­de früh­zei­tig diplo­ma­tisch und wirt­schaft­lich abge­spal­tet. Die anti­kom­mu­nis­ti­sche patri­ar­cha­le Geschichts­fäl­schung ist des­halb heu­te auf dem Pla­ne­ten so tief ver­in­ner­licht wie noch nie. Sys­tem­kri­tik gilt im Main­stream als undank­bar, unan­stän­dig, dog­ma­tisch und veraltet.

Der Arti­kel erschien zuerst bei http://​damian​bug​mann​.ch

Bild: Sowje­ti­sche Sol­da­ten berei­ten Flö­ße zur Über­que­rung des Dne­prs vor, 1943.

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