Frei­heit für Öster­reich: Zwi­schen Lock­down, Impf­pflicht und Aufstand

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Die neu­en Aus­gangs­sper­ren, die ange­kün­dig­te Impf­pflicht, und das Aus­sper­ren von Unge­impf­ten bringt Öster­reich auf die Stra­ße. In Wien kam es am Sams­tag zu einer Groß­de­mo: Wo steht die Bewe­gung aktuell? 

Es war eine der größ­ten Demons­tra­tio­nen, die Öster­reich in der Geschich­te der Zwei­ten Repu­blik erlebt hat. 1993 hat­ten sich 250.000 Men­schen zu einem „Lich­ter­meer“ gegen Frem­den­hass in der Wie­ner Innen­stadt getrof­fen – die bis­her größ­te Kund­ge­bung. Wie viel es dies­mal waren, kann nur ver­mu­tet wer­den. Die Poli­zei sagt, 40.000 Men­schen hät­ten sich zusam­men­ge­fun­den, um gegen das Coro­na-Regime zu pro­tes­tie­ren. Das ist defi­ni­tiv eine gro­be Unter­trei­bung. 350.000 Men­schen dürf­ten es dann viel­leicht auch nicht gewe­sen sein. Doch die Men­ge war enorm. Viel­leicht, war tat­säch­lich eine Vier­tel Mil­li­on am Sams­tag auf der Straße.

Zwi­schen 700 und 1,5 Mil­lio­nen Menschen

Als Besu­cher war es Sams­tag­nach­mit­tag, am Höhe­punkt der Kund­ge­bung, unmög­lich sich ein Bild über die Lage zu machen. Ein Men­schen­meer, ohne Ende und Anfang. Zehn­tau­sen­de Men­schen zogen über die Ring­stra­ße. »Frei­heit!«, »Demo­kra­tie« ver­lang­ten die Men­schen. Das Publi­kum bunt: Jung & Alt, Alter­na­tiv & Kon­ser­va­tiv, Inlän­der & Ausländer.

Die­ser Twit­ter-User hat die Teil­neh­mer­zahl wohl rich­tig geschätzt. 

Die Grup­pie­rung „Demo­kra­tie und Grund­rech­te, initi­iert vom lin­ken Her­aus­ge­ber Han­nes Hof­bau­er hat­te sich gemein­sam mit der Frei­en Lin­ken Öster­reich gesam­melt, als bereits die Mas­sen über die Ring­stra­ße zogen. Mit etwa 50 Per­son schloss man sich nach einem kur­zen Marsch durch einen Weih­nachts­markt und über die äuße­re Ring­stra­ße dem Demo­zug an. Wil­helm Lang­tha­lers Wor­te vor Beginn soll­ten sich bewahr­hei­ten: »Es ist nicht so dass die­se Volks­be­we­gung von der FPÖ ange­scho­ben wird, son­dern sie ver­sucht sich drauf­zu­set­zen«, sag­te Lang­tha­ler in Rich­tung inner­lin­ker Oppor­tu­nis­mus-Kri­tik, sich die­ser Bewe­gung anzuschließen.

Die Freie Lin­ke Öster­reich schloss sich die­ser Ana­ly­se an. Es sei ein gro­ßer Feh­ler, als Lin­ke sich von die­ser Bewe­gung zu distan­zie­ren. Statt­des­sen müs­se man um die Deu­tungs­ho­heit kämp­fen, der FPÖ dür­fe man nicht das Spiel­feld über­las­sen: »Denn eines ist klar: Nur Inter­na­tio­na­le Soli­da­ri­tät kann uns aus die­sem Schla­mas­sel füh­ren. Es han­delt sich um einen glo­ba­len Staats­streich, Natio­na­lis­mus bleibt eine Sack­gas­se«, so ein Spre­cher der FL Ö. Das Ziel sei aber nicht die Wie­der­her­stel­lung der bür­ger­li­chen Ord­nung von Vor­märz 2020, denn die­se habe die aktu­el­len Zustän­de erst ermög­licht. Der Weg zu einer Gesell­schaft jen­seits des Kapi­ta­lis­mus brau­che im ers­ten Schritt jedoch die Rück­kehr von Grund­rech­ten und Demokratie.

Sym­pto­me, die schon in den letz­ten Mona­ten inner­halb der Pro­test­be­we­gung latent sicht­bar waren, zeig­ten sich am Sams­tag in Wien ganz deut­lich – und bestä­tig­ten die Ana­ly­sen der Red­ner: Was man beob­ach­ten konn­te, war ein bun­ter Mix an besorg­ten Men­schen, die zu einem gro­ßen Teil kaum poli­ti­sche Erfah­rung mit­brin­gen. Es sind Lohn­ab­hän­gi­ge, die nicht nur wirt­schaft­lich immer mehr unter Druck ste­hen, son­dern ihre Grund­rech­te und bald sogar das Recht auf kör­per­li­che Selbst­be­stim­mung, ver­lo­ren haben.

Von rechts?

Die­se Lücke schließt die orga­ni­sier­te natio­na­lis­ti­sche Bewe­gung, mit Unter­stüt­zung der FPÖ, aktu­ell mit Erfolg. Wäh­rend die aller­meis­ten die Spit­ze der Demo gar nicht aus­ma­chen konn­ten, schaff­te es die­se, sich medi­en­wirk­sam nach vor­ne zu set­zen. Ein Erfolg, sowohl für die außer­par­la­men­ta­ri­schen Tei­le der Rech­ten wie auch für die links­li­be­ra­le Pres­se: Mit den Bil­dern von Iden­ti­tä­ren an der Spit­ze konn­te man das Nar­ra­tiv der rechts­extre­men Pro­tes­te weiterbespielen.

Zuvor hat­te aber ohne­hin die FPÖ zur Demo gela­den, sie wird wei­ter ver­su­chen, den Pro­test für sich zu bean­spru­chen. Nicht ganz zu Unrecht: Ein gro­ßer Teil der Bewe­gung ist froh über die raf­fi­nier­te Fun­da­men­tal­op­po­si­ti­on von Her­bert Kickl, setzt er der Regie­rung doch tat­säch­lich zu. Das er mit sei­nem Par­la­ments­klub aber eben­so schnell der Bewe­gung die außer­par­la­men­ta­ri­schen Zäh­ne zie­hen kann, wird eben­so wenig beach­tet, wie die Poli­tik Kick­ls unter der Regie­rung Kurz-Strache.

Die Rech­te setz sich jeden­falls, mit media­ler Unter­stüt­zung, erfolg­reich auf die Bewe­gung, die tat­säch­lich nicht rechts oder links ist. Sie ist wohl im bes­ten Fall „unten“. Man fin­det den Quer­schnitt der öster­rei­chi­schen Gesell­schaft, ver­schie­de­ne Haut­far­ben, Migran­ten­kin­der, aus­län­di­sche Putz­frau­en gemein­sam mit dem typi­schen »auto­chtho­nen« Arbei­ter aus der Pro­vinz. Radi­ka­le For­de­run­gen, etwa die Ver­ge­sell­schaf­tung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel oder die Ent­eig­nung von pri­va­ten Stif­tun­gen. Auch im Geis­te zeigt sich ein Quer­schnitt der Gesell­schaft und es ist Wut, der sie auf die Stra­ße bringt: Nutz­lo­se Mas­ke, hirn­zer­set­zen­de Pro­pa­gan­da, Impf­druck, Aus­gangs­sper­ren, Gewer­be­ver­bo­te. Das was wir jetzt haben, darf nicht blei­ben, ist viel­leicht der sichers­te Kon­sens, der die Men­schen verbindet.

Frei­heit für Österreich?

Und was jetzt Öster­reich? Am Tag nach der Wie­ner Groß­de­mo waren Tau­sen­de Men­schen in Linz, Bre­genz und Salz­burg auf der Stra­ße. Die Demos gegen das Regime dürf­te ein neu­es Momen­tum bekom­men haben. Dar­auf – und viel­leicht auf stil­len Boy­kott- beschränkt sich die Bewe­gung aber aktuell.

Bis­her ver­lie­fen die Stra­ßen­pro­tes­te außer­or­dent­lich fried­lich. Klei­ne­re Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Poli­zei am Sams­tag waren die größ­te Auf­re­gung. Das ist tat­säch­lich bemer­kens­wert: Die Mas­se an Men­schen am Sams­tag in Wien, hat­te die Poli­zei in kei­ner Wei­se unter Kon­trol­le. Der Groß­teil der Demo war oft völ­lig ohne Polizeibegleitung.

Der Sams­tag dürf­te das nächs­te Kapi­tel um die Frei­heit ein­ge­läu­tet haben: Tags zuvor ver­kün­de­te die Regie­rung eine Coro­na-Impf­pflicht. Man sag­te sie für Febru­ar vor­aus. Bis dahin wird noch eini­ges pas­sie­ren, doch die Regie­rung spielt nun end­gül­tig mit offe­nen Kar­ten. Dar­auf folg­te viel­leicht die größ­te Mobi­li­sie­rung in der Geschich­te der Zwei­ten Repu­blik, und die ers­te Sei­te des neu­en Kapitels.

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