Die­se blö­de Phy­sik: Takt­ge­ber ade, Black­out willkommen?

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In der aktu­el­len Dis­kus­si­on ums Aus­schal­ten von AKW und Koh­le­kraft­wer­ken ist ein The­ma schmerz­lich zu ver­mis­sen: Takt­ge­ber, die geschlos­sen wer­den, müs­sen durch neue Takt­ge­ber ersetzt wer­den, sonst ist die Fre­quenz von 50 Hertz (abge­kürzt mit Hz) auf Dau­er nicht zu hal­ten. Das ist aber eine Vor­be­din­gung für ein sta­bi­les Strom­netz, das eben nicht nur aus der nöti­gen Men­ge Kilo­watt­stun­den besteht. Auch für Leu­te, die Phy­sik blöd und öd fin­den, gel­ten und wir­ken die phy­si­ka­li­schen Geset­ze. Kon­kret nach­voll­zie­hen kön­nen wir das im Inter­net auf https://​www​.netz​fre​quenz​.info/​a​k​t​u​e​l​l​e​-​n​e​t​z​f​r​e​q​u​e​n​z​-​f​ull, wenn wir es genau wis­sen wollen.

Wir wer­den unwei­ger­lich die Sup­pe aus­löf­feln müs­sen, die jetzt gera­de mit dem Atom- und Koh­le-Aus­stieg gekocht wird, wobei letz­te­rer laut Koali­ti­onver­hand­lungs­mel­dun­gen von 2038 auf 2030 vor­ge­zo­gen wer­den soll. Das bedeu­tet nichts ande­res als daß die heu­ti­gen Takt­ge­ber acht Jah­re frü­her verschwinden.

Ende 2021, ver­mut­lich exakt am 31.12., wer­den in der BRD drei AKW abge­schal­tet: Grohn­de, Gund­rem­min­gen C und Brok­dorf. Zusam­men sind das 4.058 MW, was nicht das größ­te Pro­blem ist, denn die kön­nen auch von woan­ders her­kom­men. Es sind vor allem aber drei Takt­ge­ber die ver­schwin­den, wäh­rend kei­ne neu­en ans Netz gehen. Wir dür­fen davon aus­ge­hen, daß die Besit­zer sich so orga­ni­siert haben, Ende Dezem­ber nahe­zu völ­lig aus­ge­brann­te Brenn­stä­be zu haben. Da kei­ne neu­en bestellt wur­den, und da so eine Bestel­lung min­des­tens ein Jahr im vor­aus zu täti­gen ist, kön­nen die­se drei Kraft­wer­ke selbst in der größ­ten Not nie wie­der ange­fah­ren werden.

Das­sel­be Spiel fin­det dann ein Jahr spä­ter statt mit den AKW Isar 2, Ems­land und Neckar­west­heim 2, wonach es dann in der BRD nur noch still­ge­leg­te AKW gibt. Es ver­schwin­den noch­mals 4.049 MW, aber vor allem drei wei­te­re Takt­ge­ber. Ersatz ist auch für 2022 kei­ner vorgesehen.

Die AKW-Geg­ner jubeln: Deutsch­land wird siche­rer, es ist kein GAU und schon gar kein Super-GAU mit Kern­schmel­ze mehr zu befürch­ten. Die AKW-Befür­wor­ter wei­nen und kla­gen, es ver­schwän­de eine treib­haus­gas­freie Ener­gie­quel­le, wobei die­se Behaup­tung den fürch­ter­li­chen Nach­teil hat nicht zu stim­men, ver­gißt man den Uran-Berg­bau, die Brenn­stä­be-Fer­ti­gung und die Atom­müll-Auf­be­wah­rung über Jahr­tau­sen­de nicht. Kei­ner denkt jedoch an die Unver­zicht­bar­keit der Takt­ge­ber, wobei es dem Netz egal ist, mit wel­chem Ener­gie­trä­ger die­se arbei­ten. Wich­tig aber ist ihre Exis­tenz in genü­gen­der Zahl und Stärke.

Letz­ter Ret­tungs­an­ker Braunkohle

Da Braun­koh­le-Kraft­wer­ke nur ren­ta­bel sind, wenn sie auf Voll­ast pro­du­zie­ren, und weil sie meist auch die ent­spre­chend not­wen­di­ge Grö­ße haben, ist das die zwei­te Kate­go­rie Takt­ge­ber in der BRD. Da droht uns zumin­dest 2021 kein Unge­mach, denn der Koh­le-Aus­stieg trifft nur ein klei­nes Braun­koh­le-Kraft­werk, und zwar das Heiz­kraft­werk in Jülich der Pfeif­fer und Lan­gen GmbH & Co KG, das mit lächer­li­chen 22,86 MW viel zu klein für einen Takt­ge­ber ist. Ansons­ten wer­den Ende des Jah­res wohl noch eini­ge Stein­koh­le-Kraft­wer­ke geschlos­sen, die aber wegen der bes­se­ren Regel­bar­keit im Mit­tel­last-Bereich und nicht in der Grund­last ein­ge­setzt waren und aktu­ell auch noch sind.

Die rund 4.760 MW, die da weg­fal­len, kön­nen aller­dings ziem­lich rasch wie­der zuge­schal­tet wer­den, soll­ten sie gebraucht wer­den. Das ist schließ­lich im Janu­ar 2021 mit zu Syl­ves­ter abge­schal­te­ten Koh­le-Kraft­wer­ken auch so gehal­ten wor­den. Es muß da ja dann nur neue Koh­le ange­lie­fert wer­den, und das geht kurz­fris­tig. Dies­mal ist gleich vor­sich­ti­ger­wei­se bei eini­gen ein Ver­trag zur Reser­ve­hal­tung abge­schlos­sen wor­den – es ist also doch was vom vori­gen Win­ter gelernt wor­den, wo die Win­ter- und Früh­jahrs­stür­me aus­blie­ben und daher die Wind­stromern­te stark hin­ter den Erwar­tun­gen blieb.

Hin­zu kommt, daß bis auf zwei klei­ne Stand­or­te, die fix abge­ris­sen und als Gewer­be­stand­or­te ver­mark­tet wer­den, alle ande­ren bis­he­ri­gen Stein­koh­le-Kraft­wer­ke auf einen ande­ren Ener­gie­trä­ger umge­rüs­tet wer­den. Das geht von Klär­schlamm­ver­bren­nung in Bre­men über Erd­gas bis hin zu Was­ser­stoff bei den meis­ten. An die­sen Stand­or­ten wird also nach der kur­zen Zeit der Umrüs­tung wie­der Strom erzeugt werden.

Insta­bil wird das deut­sche Strom­netz somit erst, wenn die Braun­koh­le-Abschal­tung greift, und das ist für spä­tes­tens 2038 anvi­siert und soll auf Wunsch der Grü­nen vor­ge­zo­gen wer­den »wenn es kei­nen Man­gel gibt«. Die Umwelt­ver­bän­de hat­ten das gefor­dert, die Grü­nen appor­tie­ren, wäh­rend ein »Ver­ein Ener­gie­si­cher­heit« den Koh­le-Aus­stieg ver­hin­dern möch­te. Aber auch die­ser Ver­ein, der dras­tisch mit den Fol­gen eines Black­outs warnt, ver­liert kein Wort über die Funk­ti­on der Takt­ge­ber, die nötig sind, um ein zusam­men­ge­bro­che­nes Strom­netz wie­der hoch­zu­fah­ren, damit genau die­se lan­gen Black­outs, die sie beschrei­ben mit allen nega­ti­ven Fol­gen, nicht statt­fin­den. Das macht stutzig!

Da Wind­strom wie Pho­to­vol­ta­ik über Gleich­rich­ter ins Netz ein­spei­sen mit exakt der Fre­quenz und der Span­nung, die sie dort mes­sen, kön­nen die­se ein Netz weder sta­bi­li­sie­ren noch wie­der auf­bau­en. Sie lie­fern zudem unplan­bar unre­gel­mä­ßig Strom.

Regel­mä­ßig­keit kann über die Elek­tro­ly­se orga­ni­siert wer­den, die mit über­schüs­si­ger Erzeu­gung Was­ser­stoff macht, der dann über Brenn­stoff­zel­len sowohl die Grund­last lie­fert und damit auch die Takt­ge­ber als auch Bedarfs­spit­zen abdeckt. Das ist tech­nisch mach­bar, da sich Brenn­stoff­zel­len in Serie schal­ten las­sen. Wird die Wär­me, die bei der Elek­tro­ly­se und in den Brenn­stoff­zel­len ent­steht, genutzt, ist der Ver­lust bei der Umwand­lung sogar rela­tiv gering. Aber gemacht muß es wer­den – bevor die letz­ten Takt­ge­ber auf Braun­koh­le-Basis abge­schal­tet werden!

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